Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3191
Coburg (Oberfranken)

Coburger Stadtbefestigung: Judentor

Die Stadt Coburg besaß einst zwei konzentrische Befestigungsringe, einen inneren, älteren und einen äußeren, jüngeren. Die innere Befestigung war fast kreisrund angelegt, mit dem Marktplatz als Zentrum und Mittelpunkt. Etliche heutige Straßen zeichnen den ursprünglichen Verlauf noch nach. Die wichtigsten zum Markt führenden Straßen, also Spitalgasse in Richtung Norden, Judengasse in Richtung Westen, Ketschengasse in Richtung Süden und Steingasse in Richtung Osten und an der Ehrenburg vorbei, waren zugleich die wichtigsten Zugänge zur Stadt, und jeder dieser vier Zugänge war mit einem Torturm gesichert, der nach der Straße benannt wurde: Spitaltor, Ketschentor, Judentor und Steintor. Doch schon im 14. Jh. genügte das nicht mehr als Schutz, weil die Vorstädte außerhalb der alten Mauern entstanden waren. Deshalb entstand ein weiter gefaßter zweiter und äußerer Befestigungsring, der auch die westliche Vorstadt vor dem Judentor und die nördliche Vorstadt vor dem Spitaltor etc. mit einbezog. Und in der zweiten Mauer wurden erneut vier Tortürme plaziert, in Verlängerung der entsprechenden Straßen. So hatte man jeweils ein inneres und ein äußeres Judentor, Ketschentor usw. Beim Steintor stand beispielsweise der innere, im 13. Jh. erbaute hohe Torturm zwischen der Ehrenburg und dem Haus Dornheim, 1810 riß man ihn ab. Das äußere Tor, ein einfaches Torhaus, stand früher zwischen Queckbrunngasse und Oberer Realschulstraße, also vergleichsweise weit entfernt vom inneren Tor. Der Straßenabschnitt dazwischen heißt heute noch "Steintor".

Von der einstigen inneren Mauer sind nur noch Reste vorhanden zwischen Judentor und Ernstplatz. Sie ist dort erhalten, wo sie den Hinterhäusern der Metzgergasse als Stützmauer diente. Die äußere Mauer hingegen hat eine interessante Wandlung vollzogen: Die Niederlegung der Befestigungen fiel in die Zeit des Ausbaus der Stadt im historisierenden, meist neugotischen Stil, und etliche neugotische Bürgerhäuser nutzten die alte Stadtmauer als Fundament und Baumaterial. So kommt es, daß das rings um die Innenstadt liegende, fast geschlossene Ensemble von neugotischen Bauwerken größtenteils dem Verlauf der ehemaligen ringförmigen Stadtmauer folgt, im Gegenuhrzeigersinn vom Ernstplatz über den Albertsplatz, dann zur Unteren bzw. Obere Anlage, dann zur Wettiner Anlage und zum Schloßplatz, und dann über die Allee bis zum Beginn der Rosenauer Straße und über die Bahnhofstraße wieder zum Ausgangspunkt. Auch wenn sich nur drei Tortürme erhalten haben, zwei innere und ein äußerer, ist somit die alte Befestigung nach wie vor stadtbildprägend, wenn auch in ganz anderer Form. Aus dem ehemaligen Stadtgraben wurde nach Verfüllung größtenteils eine Grünanlage.

Von insgesamt acht Stadttoren sind noch drei erhalten, wobei das Spitaltor und das Judentor die jeweils inneren Tortürme darstellen, das Ketschentor hingegen den äußeren Torturm. Die beiden erstgenannten Tore entstanden noch im 13. Jh., das letztgenannte Anfang des 14. Jh.  Das Spitaltor im Norden ist sechsgeschossig auf einem fast quadratischen Grundriß und besitzt eine spitzbogige Durchfahrt. Der mittelalterliche bestand nur im Unterbau aus Stein, während der Aufbau aus Holz war. Erst als dieser 1685 abbrannte, stockte man den Steinbau aus gleichem Material auf bis zur gegenwärtigen Höhe und gab ihm eine Welsche Haube. Die seitlichen Fußgängerdurchlässe entstanden erst 1937 und 1955. Dieses Tor ist ohne Wappenschmuck. Das Ketschentor im Süden entstand 1303, noch unter der Herrschaft der Henneberger, wovon der Wappenstein über der Durchfahrt zeugt. Auch dieser Torturm trug erst einen hölzernen Aufbau mit Ecktürmchen; 1713 gab man dem Turm sein heutiges Aussehen mit welscher Haube.

Im Bild ist das Judentor im Westen zu sehen. Es stammt wahrscheinlich aus dem frühen 13. Jh. und wurde urkundlich erstmals 1321 unter seinem Namen erwähnt. Hier führte die Judengasse einst aus der Marktstadt heraus in die mittelalterliche Judenvorstadt, ein in sich geschlossenes Viertel mit Synagoge und eigener Infrastruktur. Dieses Viertel hatte keine privilegierte Lage, sondern lag vielmehr im Schwemmland der Itz. Das innere Judentor stand an der Hochwassergrenze, und wer außerhalb wohnte, bekam ab und zu nasse Füße. Früher besaß der 33,8 m hohe und auf rechteckigem Grundriß errichtete Torturm mit spitzbogiger Durchfahrt ein geziegeltes Pyramidendach mit vier Scharwachtürmchen, das wurde 1721 wegen Baufälligkeit durch eine welsche Haube mit Laterne und Uhrengauben ersetzt. Über dem Tonnengewölbe der Durchfahrt besitzt der Turm drei Geschoßebenen. Seit 1900 steht der Turm frei, natürlich war er früher in den Mauerzug eingebaut. Weil man jetzt nicht mehr von der Mauerkrone in die oberen Geschosse gelangen konnte, baute man 1901 eine dreiseitig umlaufende Holzgalerie und eine Spindeltreppe an der Westsüdwestecke an. Bezeichnenderweise trägt die Straße hier den Namen "Mauer". Das 1413 erstmals urkundlich erwähnte äußere Judentor, ein einfaches Torhaus, stand einst zwischen dem Gebäude der Gaststätte Bauer (Judengasse 37) und dem Lederwarengeschäft Dietz (Judengasse 50), also kurz vor der Einmündung in die heutige Viktoriastraße, und wurde 1858-1859 abgerissen. Damit war das äußere Judentor in der Luftlinie 160 m vom inneren Judentor entfernt. Der Weg führte früher weiter über die 1470 erstmals erähnte Judenbrücke als Itzübergang. Von 1938 bis 1945 hatte man das Judentor aus ideologischen Gründen in "Markttor" umbenannt.

Auf der Feldseite des erhaltenen inneren Judentores ist ein großes Wappen der Herzöge von Sachsen-Coburg zu sehen. Das Original wurde in der Renaissancezeit dort angebracht. Wie man an der fast fehlenden Plastizität, der mangelnden Dynamik und der geringen räumlichen Tiefe des Reliefs im Schild sowie an der fehlenden gestalterischen Kohärenz der Komposition leicht erkennt, handelt es sich um eine offenkundige Restaurierung des zwischenzeitlich abgewitterten Wappens. Der Wappenschild für Johann Casimir Herzog von Sachsen-Coburg (12.6.1564-16.7.1633), der angesichts des herannahenden Dreißigjährigen Krieges nicht nur seine Veste, sondern auch die Stadtbefestigung ausbaute und verstärkte, ist über einem gespaltenen Schildfuß zweimal gespalten und dreimal geteilt und besitzt einen Herzschild. Der Aufbau im Detail ist exakt wie am Casimirianum:

Dazu werden drei Helme geführt, Helm 1 (Mitte), gekrönt, ein gekrönter Spitzhut, von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz, in der Hutkrone ein natürlicher Pfauenstoß (Herzogtum Sachsen), Helmdecken schwarz-golden, Helm 2 (her. rechts), gekrönt: Landgrafschaft Thüringen, zwei silberne Büffelhörner, die mit je fünf goldenen Lindenzweigen besteckt sind, der jeweils fünfte in der Hornmündung, Helmdecken rot-silbern, Helm 3 (her. links): Markgrafschaft Meißen, ein rot-silbern gestreifter Mannesrumpf mit bärtigem Haupte und mit rot-silbern gestreifter Mütze (Judenmütze, Heidenmütze), an der eine natürliche Pfauenquaste hängt, Helmdecken schwarz-golden.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.2586433,10.9627545,21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@50.2586433,10.9627545,40m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Siebmachers Wappenbücher (insbes. Bände Fürsten, Landesfürsten)
Webseite der Herzöge von Sachsen-Coburg-Gotha:
https://sachsen-coburg-gotha.de
Die Coburger Stadttore auf Coburg-Marketing:
https://www.coburgmarketing.de/entdecken-erleben/sehenswuerdigkeiten/stadttore - https://www.coburgmarketing.de/poi/spitaltor - https://www.coburgmarketing.de/poi/ketschentor - https://www.coburgmarketing.de/poi/judentor
Die Coburger Stadttore auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Spitaltor_(Coburg) - https://de.wikipedia.org/wiki/Judentor_(Coburg) - https://de.wikipedia.org/wiki/Ketschentor
Christian Boseckert: Eine Straße erzählt Coburgs Geschichte - aus der Vergangenheit der Judengasse und deren Bewohner, Bd. 22 der Schriftenreihe der historischen Gesellschaft Coburg e.V., Coburg 2008, ISBN 3-9810350-4-6, S. 30-35
Peter Morsbach, Otto Titz: Stadt Coburg, aus der Reihe Denkmäler in Bayern, Oberfranken, Band IV, als Teil der Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, München, Karl M. Lipp Verlag, München 2006, ISBN 3-87490-590-X, S. 145

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