Bernhard
Peter
Heraldische
Bücherzeichen für Lorenz Rheude
Lorenz
Rheude - einer der aktivsten Heraldiker seiner Zeit
Lorenz M. Rheude
(17.12.1863-1.5.1939), Sohn von Michael Rheude und Ursula
Pröpstl, war einer der größten Heraldiker jener
schöpferischen Zeit nach der vorletzten Jahrhundertwende, als
die Heraldik mit frischer Dynamik vom Staub der Verfallszeit
befreit wurde, und er war einer der produktivsten heraldischen
Künstler. Die Zahl der von ihm gestalteten Bücherzeichen geht
ins Dreistellige, und ebenso aktiv war er als Autor von
Fachbeiträgen zu heraldischen und exlibriskundlichen Fragen, als
Leiter der Kunstanstalt Gebr. Vogt in Papiermühle und als
Redakteur und maßgeblicher Autor der Zeitschrift "Wellers
Archiv für Stamm- und Wappenkunde". Für diese verfaßte er
auch eine regelmäßige Kolumne "heraldische
Kuriositäten", ein Thema, das er auch im Buch
"Heraldica Curiosa" 1910 als Sammlung zusammenfaßte.
Er wurde 1913 künstlerischer Mitarbeiter des
königlich-bayerischen Heroldsamtes sowie heraldischer Beirat und
blieb dies bis zu dessen Auflösung im Jahr 1918. Viele der von
ihm geschaffenen Familienwappen haben Eingang in den
Bürgerlichen Siebmacher und in die DWR gefunden. In dieser
kleinen Zusammenstellung geht es um die für ihn selbst
gestalteten Exlibris, die, wie bei so einem produktiven Künstler
nicht anders zu erwarten, zum größten Teil von ihm selbst
gestaltet sind (Nr. 1-2, 5-13). Zwei weitere Blätter aus der
Hand des Künstler- und Redaktionskollegen Roderich von Haken
(8.9.1867-1929) ergänzen die kleine Sammlung (Nr. 3-4).
Rheudes
Familienwappen und seine Variationen
Lorenz M. Rheude hat das im
Siebmacher Band Bg11, S. 66, T. 8. beschriebene Wappen im Jahre
1892 für sich und seine Brüder Josef und Max angenommen, und es
ist im Stützbogen-Kleeblattschnitt 2:1 rot-silbern geteilt, auf
dem rot-silbern bewulstetem Helm mit rot-silbernen Decken ein wie
der Schild bez. Flug. Der Kleeblattschnitt ist eine der
schönsten Teilungen, mit einer einzigen Linie wird die
Schildfläche in zwei auf das komplexeste miteinander verzahnte
Hälften geteilt, ein Heroldsbild von großer Schlichtheit und
außergewöhnlichem Schwung zugleich, in dem sich die
Farbflächen wunderbar gegenseitig ergänzen und ausgleichen.
Darstellerisch begegnen uns viele Variationen, denn das
Schildbild gibt es in der Regel mit gebogenen Verbindungslinien
(Nr. 2-8, 10-13), aber auch als Variante mit geraden
Verbindungslinien (Nr. 1), wobei in der absichtlich
archaisch-klobigen Darstellung die sonst übliche Eleganz des
Stützbogen-Kleeblattschnittes geopfert worden ist. Die einzelnen
Kleeblätter werden entweder kreisrund wie bei einem Dreipaß
(Nr. 1, 4, 7-9, 10-11) dargestellt, mit kleinen Spitzen
ausgezogen (Nr. 5-6, 12-13) oder mit einer Einkerbung (sog.
Waldkleeblatt) versehen (Nr. 2-3). Die Helmzier findet sich
entweder in Profildarstellung (Nr. 2-4, 11) unter Wiederholung
des Schildbildes auf dem einen sichtbaren Flügel oder in
Frontaldarstellung (Nr. 5-6, 8), wobei der Kleeblattschnitt nicht
jeden Flügel einzeln, sondern den Flug insgesamt teilt. Eine
frühe Form des halben Fluges mit einem kleinen Brettchen als
Halterung und aufgesteckten Federn wählt Roderich von Haken,
wobei sich das Schildbild nur auf dem Brettchen wiederholt.
Gänzlich weicht Nr. 1 ab, hier ersetzt ein roter, mit drei (2:1)
silbernen Schildchen belegter Flug das Familienkleinod, das ist
nicht anderes als das Aufgreifen des allgemeinen
Künstlerwappens.
Regionalbezug
in seinen Bücherzeichen
Viele der Blätter zeigen
ergänzend zum Familienwappen regionalen Bezug: Das bayerische
Wappen mit den silbern-blauen Rauten findet sich bei Nr. 3, 4 und
6, als Feldhintergrund bei Nr. 10, als aufgespannter Vorhang bei
Nr. 5, das Münchner Stadtwappen mit dem Mönch in Nr. 5, 6 und
10. Rheude lernte auf den Kunstgewerbeakademien in München (bis
1890) und in Wien (1897-98), wo er in engen Kontakt zu Ströhl
kam und mit diesem zusammenarbeitete. Er lebte seit 1908 wieder
in München, erst in der Kaulbachstraße 40, dann in der
Heßstraße 98 und schließlich am Dom Pedro-Platz 6. Weiterhin
finden wir das Regensburger Stadtwappen mit den schräggekreuzten
Schlüsseln in Nr. 5, 6 und 10. Exlibris Nr. 5 hat den stärksten
regionalen Bezug durch Darstellungen der jeweiligen
Stadtansichten mit der Münchner Frauenkirche und dem
Regensburger Dom. Rheudes Vater war 1880 als Bahnbeamter nach
Regensburg versetzt worden. Einen Hinweis auf Wien finden wir in
Nr. 6 mit dem nämlichen Stadtwappen (in Schwarz ein goldener
Doppeladler, eine Kaiserkrone zwischen den Köpfen schwebend,
belegt mit einem roten Schild mit durchgehendem silbernem Kreuz)
und dem Wappen der österreichischen Monarchie (in Gold ein
gekrönter schwarzer Doppeladler mit Schwert, Zepter und
Reichsapfel in den Fängen und mit einem zweimal gespaltenen
Brustschild, Feld 1: in Gold ein blau gekrönter und ebenso
bewehrter roter Löwe für die Grafschaft Habsburg, Feld 2: in
Rot ein silberner Balken für das Erzherzogtum Österreich, Feld
3: in Gold ein roter, mit drei silbernen Alerions belegter
Schrägbalken für das Herzogtum Lothringen). Ebenfalls in Nr. 6
finden wir das mittlere Staatswappen des Herzogtums Sachsen-Altenburg (geviert mit Herzschild, Feld 1: in Silber eine rote
Rose, golden bebutzt, mit grünen Kelchblättern für die
Burggrafschaft Altenburg, Feld 2: in Silber drei blaue Balken
für die Herrschaft Eisenberg, Feld 3: in einem mit roten Herzen
bestreuten goldenen Feld einwärts ein rot gekrönter und
bewehrter schwarzer Löwe für die Grafschaft Orlamünde, Feld 4:
in Blau ein von Gold und Silber geteilter Löwe für die
Herrschaft Pleissen, königlich gekrönter Herzschild: von
Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner
schrägrechter Rautenkranz
für das Herzogtum Sachsen). In diesem Herzogtum lag Papiermühle
bei Rhoda (heute Stadtroda), der Sitz der
lithographisch-heraldischen Kunstanstalt Gebr. Vogt, für die
Rheude seit 1902 tätig war.
Hinweise
auf heraldische Vereine und Gesellschaften
Weiterhin spiegeln
sich Rheudes diverse Vereinsmitgliedschaften in Blatt Nr. 6: Er war Mitglied des Vereins Herold zu Berlin (seit
16.5.1899, korrespondierendes Mitglied seit 3.12.1918). Der
Schild zeigt in Schwarz auf einem Dreiberg stehend einen Herold
mit goldenem, mit schwarzem Königsadler belegtem Tappert, auf
dem Kopf ein rotes Barett mit silberner und roter Straußenfeder,
in der Rechten einen goldenen Heroldsstab haltend. Es handelt
sich um den dritten Schild der optisch rechten Reihe. Rheude war
ferner Mitglied des heraldischen Vereins Kleeblatt (seit dem
14.10.1915), kenntlich an dem zweitletzten Schild der rechten
Spalte, unter einem roten Schildhaupt mit einem balkenweise
gelegten, goldenen Heroldsstab in Gold ein grünes Kleeblatt. Und
Rheude war Mitglied der Schweizerischen Heraldischen Gesellschaft
Zürich (seit 1916). Für diese Gesellschaft steht der rote
Schild mit dem silbernen Kübelhelm über zwei schräggekreuzten
Heroldsstäben, oben von zwei schweizerischen Kreuzchen begleitet
(linke Spalte, fünfter Schild von oben). Eine weitere
Mitgliedschaft war der Bayerische Landesverein für Familienkunde
e. V., der am 19.05.1922 in
München gegründet worden war. Für diesen steht der Schild ganz
rechts unten, der bayerische Rautenschild zwischen den Initialen
B.(ayerischer) L.(andes-) V.(erein für) F.(amilien) K.(unde).
Daneben war Rheude noch Mitglied des
Vereins deutscher Edelleute St. Michael (korrespondierendes
Mitglied seit dem 1.12.1916), weiterhin war er Mitglied im
Exlibris-Verein (seit 1903), des Münchner wirtschaftlichen
Künstlerverbandes, des Bundes der Freunde deutscher Kunst in
Leipzig und im Roland, Dresden (seit 1902). Weiterhin war er
Mitglied des Exlibrisclubs Basilea zu Basel und Vizepräsident
desselben für Deutschland.
Berufsbezug
in den Gestaltungen
An erster Stelle
steht als Berufsbezug das allgemeine Maler- und Künstlerwappen,
die drei (2:1) silbernen Schildchen in rotem Feld. Das
Familienwappen an sich greift bereits mit seinen Farben und der 3
(2:1)-Anordnung Elemente des Künstlerwappens auf, sicher nicht
ohne Absicht. Am einfachsten wird dieser Schild auf irgendeine
Weise im Blatt abgebildet, z. B. in den Abb. 2-5, 12. Als
Schildchen am Helmhals im Stile einer Münze für die
Zugehörigkeit zu einer Turniergesellschaft findet es sich wieder
in Abb. 8. Als Motiv auf der Helmzier findet es sich in Blatt 1.
Komplexere Verbindungen zwischen dem Wappenmotiv und dem
Künstlermotiv sind in den Abb. 9 und 13 zu sehen. Während in
Abb. 9 die drei Schildchen um ein abstrahiertes Kleeblattmotiv
herum angeordnet sind, gehen Schildchen und Kleeblätter in Abb.
13 eine eigenartige Symbiose ein: Das
Blatt enthält ein schildförmiges, durch den Schriftzug
unterbrochenes Zentralfeld, das im oberen Teil das Familienwappen
enthält, im unteren Bereich aber das allgemeine Künstlerwappen.
Die Hinzunahme des Schriftzuges verbrämt, daß beide Komponenten
so nicht wirklich gelungen vereinigt werden, wenn man einmal
davon absieht, daß nach den Grundsätzen guter heraldischer
Gestaltung grundsätzlich Schrift nichts innerhalb eines Schildes
zu suchen hat. Hier experimentierte Rheude mit den seine Person
und seinen Beruf kennzeichnenden Elementen in reduzierter Form,
ohne ein wirklich überzeugendes oder wirkungsvolles Ergebnis zu
erzielen. Gänzlich ohne Künstlerwappen sind nur die Abb. 6 und
7. Berufsbezug durch darstellende Objekte ist eher selten
anzutreffen; das einzige Beispiel in dieser Sammlung ist Abb. 5
mit Palette und Pinsel auf der einen und Büchern auf der anderen
Seite des Hauptmotivs.
Aufgreifen
des Schildbildes als Nebenmotiv
In einem Blatt (Nr. 10) wird
das Motiv des Schildbildes, die Kleeblätter, im äußeren
Bereich des Exlibris variierend aufgegriffen, indem der breite
rote Streifen mit vielen silbernen Kleeblättern belegt ist,
abwechselnd aufrecht und gestürzt. In einem anderen Blatt (Nr. 12)
wird ebenfalls das Kleeblatt-Motiv aufgegriffen; der grüne
Innenhintergrund ist oben, unten, rechts und links in je ein
Kleeblatt ausgezogen, welches Schrift auf dem kreisförmig
umlaufenden Band teilt. Der Schild, hier zur totalen Zierform
geworden, ist oben in der Mitte ebenfalls zu einem Kleeblatt
ausgezogen, wobei die Kleeblätter im inneren Bereich der
Komposition spitz enden, im äußeren Bereich jedoch eingekerbt
sind.
Vom horror
vacui bis zur totalen Abstraktion
Stilistisch finden wir die
ganze Bandbreite, wobei Nr. 5 und 6 die aufwendigsten und
üppigsten Darstellungen sind. Besonders die Nr. 5 zeigt eine
unglaubliche Fülle, Stadtansichten, Familienwappen vor einem
Rautenvorhang, Scheinarchitektur, berufliche Attribute, Stadt-
und Berufswappen lassen wie bei einem Wimmelbild bei jedem
Betrachten Neues entdecken. Das Blatt Nr. 6 besitzt mit seinen
insgesamt 13 Wappendarstellungen ebenfalls eine große
inhaltliche Fülle. Rheude, der ebenso gerne minimalistisch
arbeitet, schuf aber auch ornamentale (Nr. 8) und reduzierte
Versionen, nur mit dem Schildbild unter Verzicht auf jegliches
Beiwerk bis auf die Signatur, die typische LR-Ligatur (Nr. 7),
oder noch reduzierter mit einem einzigen Dreipaß als pars pro
toto für das Kleeblattmotiv, eingebettet zwischen die Schildchen
des Künstlerwappens (Nr. 9), sozusagen ein "abgekürztes
Exlibris". Hier wird die identitätsstiftende Symbolik auf
ein Minimum reduziert, sogar unter Aufgabe des definierten
Wappenbildes. Rheude wählte im Beispiel Nr. 11 einen sehr groben
und schwungvollen Stil, bekennt sich klar zur dynamischen
Profildarstellung. Im Vergleich anderen seiner Arbeiten wirkt
dieses Blatt kraftvoll und dynamisch, aber auch unpräzise im
Bereich der Helmdecken. Die nur annäherungsweise erreichte
Entsprechung der beiden Druckvorgänge und der völlige Verzicht
auf modellierende Details und Tiefenerzeugung trägt dazu bei,
dieses Werk als wild und ungestüm, aber als wenig kunstvoll zu
empfinden. Diese enorme Bandbreite vom "Luxusexlibris"
einerseits bis zur extrem reduzierten Bucheignermarke
andererseits illustriert angesichts der heraldischen Vorgaben die
enorme Vielseitigkeit des Künstlers Rheude, der alle Stilarten
souverän meisterte.
Abb. 1: Künstler: Lorenz Rheude, 1905 | Abb. 2: Künstler: Lorenz Rheude, 1900 | |
Abb. 3: Künstler: Roderich von Haken, 1904 | Abb. 4: Künstler: Roderich von Haken, 1904 |
|
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Abb. 10: Künstler: Lorenz Rheude, o. J. | Abb. 11: Künstler: Lorenz Rheude, 1890 | |
Abb. 12: Künstler: Lorenz Rheude, o. J. | Abb. 13: Künstler: Lorenz Rheude, 1900. |
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers großes
Wappenbuch, Sonderband H: Jürgen Arndt: Biographisches Lexikon
der der Heraldiker; 1992. XXIV und 664 S. mit zahlr. Wappenabb.,
Festeinband, Degener Verlag, S. 441
Albert Treier, Lorenz Rheude, München 1925
Albert Treier, Heraldische Exlibriskünstler, 8.: Lor. M. Rheude,
Roland, Archiv für Stamm- und Wappenkunde, 14. Jahrgang 1913/14,
Verlag Gebr. Vogt, Papiermühle S. A., S. 73-75 und S. 79-82 und
S. 88-91
Nachruf in der Vierteljahreszeitschrift Herold 1939
Abb. 1-6 Scans vom Original-Exlibris
Abb. 7: Lorenz Rheude, 32 Exlibris gezeichnet von Lorenz M.
Rheude in Regensburg
Abb. 8: Beilage zu Roland, Archiv für Stamm- und Wappenkunde,
14. Jahrgang 1913/14, Verlag Gebr. Vogt, Papiermühle S. A.
Abb. 9: Beilage zu Roland, Archiv für Stamm- und Wappenkunde,
21. Jahrgang 1920/21, Verlag Gebr. Vogt, Papiermühle S. A.
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