Bernhard Peter
Entwurf: Gestaltungen aus Buchstaben

Was spricht dagegen?
Wie bei den allgemeinen Gedanken zum heraldischen Stil erläutert, hat Schrift normalerweise nichts in Wappenschilden verloren. Dafür gibt es kulturelle und graphische Gründe. Plakativ gesprochen: Die Welt der Buchstaben war im Mittelalter die Welt der Mönche, nicht die der Ritter. Diese Grenzen sind zwar schon lange verwaschen worden und Bildung ist zum Glück kein Geheimnis mehr, geblieben ist die Tatsache, daß Schrift und Buchstaben nicht zur Forderung nach klarer, symbolischer Gestaltung passen, daß sie lineare Elemente geringer Fernwirkung sind, Heraldik aber durch Farbflächen wirkt. Ferner ist Schrift ein Medium der Sprache und im Grunde "zu kompliziert" für Wappengestaltung. Man vergegenwärtige sich, daß Heraldik eine länderübergreifende, Grenzen der gesprochenen Sprache überwindende europäische Sprache war, eine symbolische Sprache, deren Codes europaweit verstanden wurden, gerade weil sie so einfach waren. Geschriebene Worte würden diesem universellen Charakter nicht gerecht werden.

Vielfach kann man aber unter der Verwendung der Initiale des Nachnamens sehr interessante neue Gestaltungen entwerfen. Zum einen kann man Objekte wählen, die eine ähnliche Form wie die gewünschte Initiale haben, z. B. eine Wolfsangel (Doppelhaken) für "Z", eine Kugel für "O", ein Mond für "C". Noch viel interessanter ist es aber, Heroldsbilder zu gewinnen, indem man eine Buchstabenvorlage konsequent zur Schaffung alternierender Farbflächen benutzt. Also: Nicht Gestaltung mit Buchstaben, sondern Gestaltung mit aus Buchstaben gewonnenen Ideen, subtile Anspielungen statt Schrift. Pointiert ausgedrückt: Schrift hat nur dann etwas im Wappen zu suchen, wenn es keine Schrift mehr ist.

Triviale Entwürfe
Einige Buchstaben sind direkt ein bekanntes Heroldsbild, das "I" der Pfahl, das "V" der gestürzte Sparren. Das "W" ließe sich durch zwei halbe gestürzte Spitzen darstellen, ein Sparrenbalken (Zickzackbalken) würde die Idee "W" ebenfalls gut umsetzen.

Analog geht das auch mit dem "H" oder"N". Das "B" ließe sich darstellen durch zwei verbundene Kugeln und eine Spaltung:

Ist es noch blasonierbar? Die gezeigten Beispiele: 1.) In Rot ein goldener Pfahl. 2.) In Rot ein goldener Sturzsparren. 3.) In Rot zwei halbe Sturzspitzen. 4.) In Gold eine mit einem roten Balken verschmolzene, ebensolche Doppelflanke. 5.) In Rot eine mit einem goldenen Schrägbalken verschmolzene ebensolche Doppelflanke. 6.) Golden-rot gespalten mit zwei aneinanderstoßenden Kugeln übereinander in verwechselten Farben.

Abstraktere Gestaltungen
Interessant wird das Schildbild, wenn man das Heroldsbild mit einer weiteren Spaltung und dem Prinzip der verwechselten Farben kombiniert: Das "E" entstanden aus einer Spaltung und zwei beiderseits abgeledigten Balken, das "F" analog durch Kombination von einem Schildhauptpfahl mit einem beiderseits abgeledigten Balken, das T als Schildhauptpfahl oder wie hier gezeigt etwas interessanter durch die zusätzliche Spaltung:

Hier abstrakte Heroldsbilder, entstanden aus graphischen Studien zu den Buchstaben "M", "L" und "H".

Ist es noch blasonierbar? Die gezeigten Beispiele: 1.) Rot-golden gespalten mit zwei beiderseits abgeledigten Balken in verwechselten Farben. 2.) Rot-golden gespalten mit einem Schildhauptpfahl, der mit einem beiderseits abgeledigten Balken verschmolzen ist, in verwechselten Farben. 3.) Rot-golden gespalten mit einem Schildhauptpfahl in verwechselten Farben. 4.) Golden-rot gespalten mit einer Doppelflanke, die mit einem Sturzsparren verschmolzen ist, in verwechselten Farben. 5.) Golden-rot geviert mit einem Balkenkreuz in verwechselten Farben. 6.) Golden-rot geviert mit einer mit einem Balken verschmolzenen Doppelflanke in verwechselten Farben.

Entwürfe mit Pfiff
Hier eine weitere Studie, wie man gleich zwei Initialen als Schildinhalt umsetzen könnte. Ein Doppelname mit den Initialen "H.-C." - Das "H" wird zur Erzeugung eines Flächen-Rhythmus verwendet, das "C" wird als Mondsichel umgesetzt. Durch die Überlagerung und die verwechselten Farben erhält die Studie Spannung und Kohärenz. Ist es noch blasonierbar? Ein Muster aus goldenen und blauen Schachfeldern, jedes Einzelfeld mit einer mit einem Balken verschmolzenen Doppelflanke, auf der Trennlinie zu den seitlich angrenzenden Plätzen jeweils eine liegende Mondsichel, alles in verwechselten Farben.

Eine Studie zu einem Familiennamen, der mit dem Buchstaben "S" beginnt: Das "S" ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen, nämlich als "Sternbild" dieser aus einer einzigen durchgehenden Linie (!) bestehenden schrägrechten Schildteilung. Hier ein Maximum an Beschränkung und doch eine versteckte klare Aussage: "S". Ist es noch blasonierbar? Rot-silbern mit je zwei Sägezähnen nach rechts und links schräggeteilt, die Spitzen der Sägezähne jeweils zu einem achtzackigen Stern ausgezogen mit je sieben sichtbaren Zacken.

Hier ein Entwurf, der im Wappen "Peter" für Heinz Peter aus Wolfhagen verwirklicht wurde: Die Initiale "P" wurde verdoppelt und als Schildteilung abstrahiert. Man erhält so einen Hirtenstabschnitt. Durch Bordierung desselben erhalten die Buchstaben "P" Körperhaftigkeit, sind aber durch die verwechselten Farben so ineinander verstrickt, daß es als einzelner Buchstabe nicht mehr aufzulösen ist. Und dennoch ist das Wappenbild einfach: Es besteht nur aus drei von rechts oben nach links unten durchgehenden Linien. Ist es noch blasonierbar? Schrägrechts im Hirtenstabschnitt (vorne, hinten) golden-schwarz geteilt, dieser vorne und hinten bordiert mit einem unterlegten, verkanteten und bauchig gepfropften Schrägrechtsbalken in verwechselten Farben.

Ein nächster Entwurf spielt mit dem Buchstaben "B": Ein repetitives Muster aus 7 zu Doppeldreiecksformen stilisierten Buchstaben "B" als Generator-Einheit. Es handelt sich sogar fast um ein fraktales Motiv, wenn man es genau betrachtet, denn es entstehen übergreifende Doppelspickelstrukturen und Dreiecke. Das "B" ist kein Buchstabe mehr, sondern wird zum Generatorprinzip eines Musters: In Rot 7 (2:3:2) silberne Doppel-Linksspickel (Zwillingslinksspickel, übereinander gepaart), die Paare sich an den Ecken gegenseitig und den Rand berührend - wäre eine mögliche Ansprache des Motivs. Als Muster haben wir hier ein Motiv, das mehr ein Heroldsbild als eine gemeine Figur ist, welche ein isolierter Buchstabe darstellte.

Eine weitere Studie, wie sich der Buchstabe "B" heraldisch umsetzen läßt: Das doppelt vorhandene "Innere" eines Buchstabens B ist eine Fläche in Form einer liegenden, heraldisch links gerundeten Schindel. Wieder einmal wird statt der Linie eines Buchstabens eine diese typisierende Fläche verwendet, nur verdoppelt. Durch die mehrfache Anordnung im Schild und Wiederholung wird das Motiv eindringlicher, ohne die Information wesentlich zu erhöhen, denn es bleibt die selbe Grundform. Zusätzlich kann aber so eine übergeordnete Form gebildet werden, hier das Kreuz. Das Motiv ließe sich beschreiben: In Rot 5 (1:3:1) Zwillingspaare jeweils übereinandergestellter, liegender, silberner, links gerundeter Schindeln. Durch die alternierend engen und weiten Zwischenräume haben wir einen eindringlichen Rhythmus in der Komposition. Trotz insgesamt 10 gemeiner Figuren haben wir ein Schildbild, welches man innerhalb einer Sekunde erfassen und wiedererkennen kann.

Was ich hiermit zeigen möchte: Trotz des "Verbotes" von Schrift in einem Schildbild lassen sich Initialen des Nachnamens zur Gestaltung verwenden. Man kann damit sehr interessante graphische Kompositionen schaffen, die den Regeln der Heraldik gehorchen und gleichzeitig innovativ sind.

Fremde Schriften
Wappen sind eine europäische Tradition - und entsprechend sollten, wenn Buchstabensymbolik einfließen soll, nur Zeichen der üblichen Alphabete verwendet werden. Für eine Wappenneustiftung in Deutschland oder Frankreich wäre es unangemessen, Zeichen aus dem griechischen, arabischen oder kyrillischen Alphabet zur Grundlage einer Gestaltung zu machen. Selbst ein gebildeter, des Lesens und Schreibens mächtiger Ritter oder Kaufmann hätte in vergangenen Jahrhunderten niemals eine arabische oder Sanskrit-Schrift für identifikationsfähig gehalten. Der Versuchung, so Weltgewandtheit und Vertrautheit mit fremden Kulturen Ausdruck zu geben, sollte man heute bei einer Neustiftung widerstehen, denn es wäre zur Blütezeit der Wappenkunst nicht realistisch gewesen. Außerdem ist Heraldik eine europäische Kulturtradition, die sollte ihre Eigenarten nicht durch falsch verstandene Globalisierung verlieren.

Runen?
Auch Runen sind tabu, weil es keinen zeitlichen und sonstigen Zusammenhang zwischen den diese verwendenden Kulturen und der ritterlich-heraldischen Kultur gibt. Runen spielen weder in der ritterlich-höfischen noch in der bürgerlich-städtischen Kultur, aus der heraus das Wappenwesen entwickelt und aufrechterhalten wurde, eine Rolle. Ferner haben bestimmte Runen eine sicher nicht beabsichtigte Nähe zu politisch belegten Zeichen. Es besteht zudem nachweislich keinerlei Zusammenhang zwischen Wappen und diesen ältesten Schriftzeichen germanischer Stämme. Es gab wohl pseudowissenschaftliche Versuche, Wappen auf Runen zurückzuführen, dies ist jedoch eine Irrlehre und widerlegt (sog. Runenstreit in der Heraldik). Runen haben nichts, aber auch gar nichts mit Wappen zu tun, und in Wappengestaltungen haben sie auch nichts verloren, weil sie kein Bestandteil der ritterlich-abendländischen Kultur waren.

Literatur, Links und Quellen:
Heinrich Hussmann: Über deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus meinen Vorlesungen, Guido Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München 2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4 (Deutschland)

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