Bernhard
Peter
Gute
heraldische Praxis: Mehrere Helme
Mehrere
Helme auf einem Wappen:
Diese Mode ist erst in
nachmittelalterlicher Zeit entstanden und erzwingt einen aufrecht
stehenden Schild. Geneigte Schilde passen nicht dazu. Die
einzelnen Helme schauen sich an (Unterschied zu England). Es gibt
3 mögliche Gründe für das Vorkommen mehrerer
Helme auf einem
Schild:
Bei ungerader Anzahl steht der wichtigste Helm in der Mitte und ist frontal dem Betrachter zugewandt. Die begleitenden Helme werden diesem zugeneigt, wenn es geht (hier jeweils mit Stechhelmen demonstriert, auch wenn bei solcherart vermehrten Oberwappen meist Bügelhelme zum Einsatz kommen). Dabei steht der wichtigere Helm heraldisch rechts, der weniger wichtige heraldisch links.
Ausnahme: Wenn der zentrale Helm (1) aus Gründen der Helmzier nicht frontal gezeigt werden kann, steht er nach heraldisch rechts gewendet wie in der obigen Abbildung.
Bei gerader Anzahl werden alle Helme einander zugeneigt, wenn es geht. Die wichtigeren Helme stehen innen, die weniger wichtigen außen. Innerhalb einer Kategorie (innen oder außen) steht der wichtigere Helm heraldisch rechts, der weniger wichtige heraldisch links.
Das ist natürlich nicht in jedem Fall zu realisieren, das kommt auch immer auf die Helmkleinode an. Entscheidend ist immer, daß der Gesamteindruck gut aussieht. Die Helme können auch alle frontal den Betrachter anschauen, und gerade bei historischen Objekten gibt es dafür eine Fülle von Beispielen.
Daraus hat sich das System der Aufzählung der Helme entwickelt, das ich auf dieser Webseite verwende und wie es auch im Leonhard, S. 300-301 dargestellt wird: Der wichtigste Helm wird zuerst genannt und entspricht der Mittelposition bzw. der rechten Position, also 1, 1-2, 2-1-3, 3-1-2-4, 4-2-1-3-5, 5-3-1-2-4-6, 6-4-2-1-3-5-7 etc. Es sei darauf hingewiesen, daß viele historische Wappenbücher, auch der Siebmacher, die Helme nicht nach der Wichtigkeit und Bedeutung aufzählen, sondern einfach der Reihe nach von heraldisch rechts nach heraldisch links von 1 bis n durchzählen, wodurch sich manchmal Irritationen ergeben. Ich bevorzuge das ineinandergeschachtelte System von innen nach außen, weil es zusätzliche Information über die Rangordnung der Helme und historische Entwicklung des Wappens enthält. Helm 1 wird in dieser Abhandlung zuerst genannt und entspricht der vornehmsten Position und trägt die vornehmste Helmzier. Beim Vergleich mit älteren Literaturdarstellungen ist auf diesen Unterschied zu achten.
In früheren Jahrhunderten war es im Hochadel Mode, riesige vielfeldrige Wappenschilde mit allen Helmen zu führen, frei nach dem Motto "Je wichtiger oder reicher, desto bunter". Heute besinnen sich gerade die alten Hochadelsgeschlechter auf die klaren Darstellungen ihres eigentlichen Stammwappens in frühgotischer einfacher Formensprache. Weniger ist hier mehr!
Bei heutigen Wappenneustiftungen bürgerlicher Familien kommt in der Regel nur ein einziger Helm zur Ausführung, erstens, weil es (noch) keinen Anlaß zur Helmvielfalt gibt, denn eine Neustiftung erzeugt quasi ein neues Stammwappen, zweitens weil man mit einem einzigen Helm die Proportionsrichtlinien leichter angemessen erfüllen kann, und drittens, weil auch hier Weniger mehr ist: Die klare Erkennbarkeit und prägnante Eindringlichkeit klassischer Mono-Wappen ist ungeschlagen.
Beispiel 1: Das Wappen der Landgrafen von Hessen-Rheinfels in der Philippsburg zu Braubach
Eine Standard-Anordnung mit guter Platzoptimierung und frontal ausgerichteten Helmen. Die drei Helme mit Kleinoden sind: Landgrafschaft Hessen: zwei Büffelhörner, außen besteckt mit je 7 Kleestengeln. Grafschaft Katzenelnbogen: ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer goldenen Scheibe, darin roter hersehender Löwe, blau bewehrt und blau gekrönt. Grafschaft Ziegenhain: ein springender Ziegenrumpf zwischen einem schwarz-gold geteilten und oben mit je einem silbernen sechstrahligen Stern belegten Flug.
Beispiel 2: Das Wappen von Maria Anna Herzogin von Sachsen-Altenburg :
Eine mustergültige Anordnung mit maximaler Platzoptimierung und einander leicht zugeneigten Helmen. Beispiel: Burg Schaumburg bei Rinteln (Weser). Drei Helme trägt das Wappen: Position 1 (Mitte): Herzogtum Sachsen: auf gekröntem Helm ein gekrönter Spitzhut, wie der Schild bez., in der Hutkrone ein natürlicher Pfauenstoß. Ursprünglich war das ein breitkrempiger Hut, der dann im Laufe der Zeit zum Spitzhut wurde und das Schildbild als Hilfskleinod wiederholte. Position 2 (heraldisch rechts): Landgrafschaft Thüringen: auf gekröntem Helm zwei silberne Büffelhörner, die mit je fünf grünen Lindenzweigen besteckt sind, das jeweils fünfte in der Hornmündung. Position 3 (heraldisch links): Markgrafschaft Meißen: wachsend ein rot-silbern gestreifter Mannesrumpf mit ebensolcher Mütze, an der eine natürliche Pfauenquaste hängt.
Lösungen
des Platzproblems - Beispiel 1:
Das Wappen der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel
in
Wolfenbüttel:
Hier fangen
wir an zu
tricksen. Bei den bisherigen Beispielen war alles noch gut und
richtig zu lösen. Was nun, wenn die Helme immer mehr werden?
Hier das herzoglich-braunschweigische Wappen mit dem Recht, 9
Helme zu führen. Da würde jeder Helm schon sehr klein
werden.
Deshalb wurde die Anzahl auf erträglichere 5 Helme reduziert,
nicht etwa durch Weglassen, sondern durch Kombinieren von
mehreren Kleinoden zu einem Mischkleinod.
Beispiel: Herzogsschloß in Wolfenbüttel, Wappen über dem Haupteingang. Hier reicht der Platz gar nicht mehr für alle Helme, da wurde begonnen, die Helmzieren zu kombinieren, um möglichst viele Besitzansprüche unterzubringen. Die fünf Helme zeigen Alt- und Neu-Bruchhausen (zwei übereck geteilte Büffelhörner PLUS 7 rot-silbern geteilte Fähnchen an goldenen Lanzen), Hoya (Bärentatzen), Braunschweig (Köcher/Hut/Säule) und Lüneburg (Sicheln, früher Hörner), Hohenstein kombiniert mit Everstein (Hohenstein: eine rote und eine silberne Hirschstange PLUS Everstein: ein Pfauenstoß), Diepholz kombiniert mit Regenstein und Blankenburg (Regenstein: rote Hirschstange PLUS Blankenburg: silberne Hirschstange PLUS Diepholz: Büffelhörner). Hier wurden also dreimal je zwei Kleinode und einmal sogar drei Kleinode kombiniert, um Platz zu sparen.
Ungewöhnliche
Lösungen des Platzproblems -
Beispiel 2:
Je mehr
Helme, desto geringer
der Platz für jeden einzelnen. Der Platz oben auf dem
Schildrand
ist begrenzt, und bei vielen Helmen muß man diese
proportional
verkleinern, um vom Platz her hinzukommen. Weil dadurch die Helme
und Helmzieren kleiner und schlechter erkennbar werden, ist die
Situation graphisch unbefriedigend. Man hat mit allen
Möglichkeiten getrickst, um das Problem zu lösen. Die
seitlichen Helme werden bis zum Geht-nicht-mehr an die Schildecke
geschoben, der Schild wird oben verbreitert dargestellt etc.
Manchmal wird der mittlere Helm in gewünschter und
repräsentativer Größe dargestellt,
während die beiden
seitlichen Helme wesentlich kleiner dargestellt werden. Es kommt
im Beispiel zu einer Art "Bedeutungsmaßstab" bei der
Behandlung der drei Helme: Der mittlere, wichtigste, ist doppelt
so hoch und nimmt viermal so viel Fläche ein wie die
flankierenden Helme.
Beispiel: Schloß Stadthagen, Wappen Holstein-Schauenburg-Sternberg, Innenhof, Nordflügel, datiert auf 1593 AD
Ungewöhnliche
Lösungen des Platzproblems -
Beispiel 3:
Eine
besonders kreative
Lösung ist hier zu finden: Die äußeren
Helme wurden einfach
den Schildhaltern übergestülpt, und so kann jeder
Helm in
unverminderter Größe präsentiert werden:
Beispiel: Bad Mergentheim, Deutschordensschloß, Eingang zum Hochschloß. Die Helme mit den Helmzieren für den Deutschen Orden und für das Hochmeistertum werden den Greifen aufgesetzt.
Ungewöhnliche
Lösungen des Platzproblems - Beispiel 4:
Hier ein
weiteres Beispiel
für die Schaffung von Platz durch Verwenden der Schildhalter
als
Träger der äußeren Helme, hier wurden die
beiden
schildhaltenden Löwen Helmträger. Dies ist eine
Methode zur
Platzersparnis, denn wenn man alle drei Helme auf dem Schildrand
platzieren würde, müßte proportional deren
Größe abnehmen,
um mit der vorhandenen Breite auszukommen. So aber stehen die
äußeren Helme quasi neben dem Schild und alle drei
Helme mit
ihren Kleinoden können in zufriedenstellender
Größe
dargestellt werden. Und das ergibt sich ganz zwanglos, indem die
Schildhalter-Löwen als Helmträger verwendet werden.
Abb.: Ein historisches Exlibris aus dem Jahr 1893, entworfen von Ernst Krahl (1858-1926) für Karl Emich zu Leiningen-Westerburg. Das Wappen ist geviert: Feld 1: in Rot ein durchgehendes goldenes Kreuz, bewinkelt von 20 (4x 5 (2:1:2)) goldenen Kreuzchen (Stammwappen Westerburg). Feld 2: in Blau drei (2:1) silberne Adler (Stammwappen Leiningen). Feld 3: ein Löwe mit einer gekrümmten Streitaxt. Feld 4: in Gold ein blaues Kreuz. Dazu gehören drei Helme: Helm 1 (Mitte): gekrönt, schwarzer Flug, belegt mit einer roten Scheibe mit einem durchgehenden goldenen Kreuz, bewinkelt von je 5 (2:1:2) goldenen Kreuzchen (Westerburg), Helmdecken rot-golden. Helm 2 (vorne): gekrönt, grüner Obstbaum mit 5-7 silbernen Blüten (Leiningen), Helmdecken blau-silbern. Helm 3 (hinten): gekrönt, ein Pfauenstoß.
Ungewöhnliche
Lösungen des Platzproblems - Beispiel 5:
Hier ein
weiteres Beispiel
für eine kreative und ungewöhnliche Lösung,
die Helme gut
nebeneinander zu positionieren, ohne sie allzu sehr verkleinern
zu müssen: Die beiden äußeren Helme ruhen
auf goldenen, rot
verzierten Säulen, die neben den Schild gestellt sind,
heraldische Hutständer sozusagen. Das hat hier den Vorteil,
daß
man das in großer Höhe befindliche Wappen noch in
allen Details
befriedigend erkennen kann.
Beispiel: Wappen des Fürstbischofs Dietrich von Fürstenberg am Schloß Neuhaus bei Paderborn, im hofseitigen Zwerchgiebel.
Ungewöhnliche
Lösungen des Platzproblems - Beispiel 6:
Eine
weitere Möglichkeit des
kreativen Umgangs mit vielen Helmen besteht darin, nur die
wichtigsten auf dem Schildrand zu drapieren, und die restlichen
Helme neben dem Schild unterzubringen, wo gerade Platz ist. Ein
geeigneter Platz ist unter den Windungen der Helmdecken rechts
und links beiderseits des Schildfußes. So etwas
läßt sich bei
Darstellungen von Wappen der Markgrafen von Baden-Durlach und von
Baden-Baden finden. Von deren 10 oder 11 Helmen je nach Linie
werden meist nicht alle oben auf dem Schildrand dargestellt,
sondern es werden drei oder sechs o.ä. ausgewählt
(die
wichtigsten), während die restlichen Helme seitlich neben dem
Hauptwappen losgelöst von diesem dargestellt werden, eine
weitere Möglichkeit des konstruktiven Umgangs mit dem
Platzproblem bei zu vielen Helmen. Als Beispiel ein Wappen
Baden-Durlach: Im Beispiel werden 6 Helme auf dem Schildrand
aufgereiht und je zwei rechts und links des Schildfußes
abgebildet.
Bildbeispiel: Idstein, Schloßportal. Bei diesem Allianzwappen über dem Renaissance-Tor von ca. 1630 handelt es sich bei der Dame, heraldisch rechts, um Sibylle Magdalene von Baden-Durlach, geb. in Durlach am 21.7.1605, gest. in Straßburg am 26.7.1644.
Zu diesem Wappen gehören 10 Helme. Davon werden folgende Helme auf dem Schildrand sitzend präsentiert:
Rechts und links des Schildes befinden sich je zwei weitere Helme, völlig losgelöst vom Schild:
Ungewöhnliche
Lösungen des Platzproblems - Beispiel 7:
Ganz
analog wird das
bei der Linie Waldeck-Eisenberg (auch Waldeck-Kulenburg genannt)
gehandhabt. Zum Wappen (in zwei Varianten) werden fünf Helme geführt. Meist
werden drei davon auf
den Schildrand gesetzt und zwei seitlich neben den Schild
gestellt.
Davon werden folgende Helme auf dem Schildrand sitzend präsentiert:
Rechts und links des Schildes befinden sich zwei weitere Helme, völlig losgelöst vom Schild:
Ungewöhnliche
Lösungen des Platzproblems - Beispiel 8:
Hier ist
das Wappen von Landgraf Friedrich II von
Hessen-Homburg zu sehen, flankiert von den beiden Wappen seiner
Ehefrauen. Die eine Frau hat zwei Helme und eine Krone, die
andere Frau drei Helme, der Landgraf selbst aber 5 Helme.
Würde
man die Schild alle gleich proportionieren, müßte
man die fünf
Helme des Landgrafen auf 3/5 verkleinern, damit alles von den
Breiten her paßt. Und genau das ist ein unmöglicher
Gedanke:
Nicht nur in der Mitte, wo der Dreiecksgiebel am höchsten ist,
sollen die Helme kleiner werden, sondern auch das Wappen des
Chefs selber soll kleiner werden als die seiner beiden Frauen?
Also - was tun? Wir sehen hier als Lösung einen stark in die
Breite gedehnten Schild, der zwar die heraldischen
Idealproportionen verläßt, aber so Platz
für fünf Helme
adäquater Größe auf seinem oberen Rand
bietet. So kommt es,
daß der landgräfliche Schild zwar gleich hoch ist
wie die
Schilde seiner beiden Frauen, aber 1,6 mal so breit.
Bildbeispiel: Schloß Bad Homburg vor der Höhe, unteres Tor.
Literatur,
Links und Quellen:
Heinrich
Hussmann: Über
deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus
meinen Vorlesungen, Guido
Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold",
Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften,
Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst,
Bechtermünz
Verlag 2000, Callwey Verlag 1978, danach die Helmzeichnungen
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München
2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4
(Deutschland)
©
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nicht anders angegeben: Bernhard Peter 2004, 2009
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