Bernhard Peter
Gute heraldische Praxis: Redende Wappen

Definition redender Wappen:
Redende Wappen sind Wappen, die den Namen der Familie versinnbildlichen. Dabei kann es einerseits der echten etymologischen Bedeutung des Namens entsprechen, alte Berufe, Gegenstände etc. darstellen, oder aber einfach eine naheliegende Assoziation, die nicht notwendigerweise der ursprünglichen Wortbedeutung entspricht. Es gibt viele Möglichkeiten, redende Wappen zu entwerfen:

Legitim sind alle drei Möglichkeiten, und für alle drei gibt es genügend Beispiele.

Beispiele:
Familie von Wedigh (Rheinland): Wedigh ist von der Weide abgeleitet, die drei den Sparren begleitenden Weidenblätter symbolisieren das.
Familie Kaufmann (Rheinland): Ein goldgewandeter Kaufmann mit einer silbernen Rose symbolisiert den Berufsstand.
Familie Bachem (Rheinland): Wie bildlich - ein Bach durchzieht den Schild, an dem Klee wächst.

Familie Pilgrum (Rheinland): Pilgrum bedeutet Pilger, und der Pilgerstab symbolisiert die Tat, hier heraldisch um den goldenen Sparren gruppiert.
Familie Schotenröhr: Was könnte für die Familie des Heraldikers und Graphikers Schotenröhr typischer sein als die Schote!
Die Kolbe von Boppard führen zwei gekreuzte Streitkolben im Schild

Redende Wappen typisch bürgerlich?
Es gilt bei vielen Heraldikern die Regel, daß Bürgerwappen in der Regel redende Wappen sein sollten, wenn sie heute neu geschaffen werden. In der Tat sind besonders viele Bürgerwappen redende Wappen. Doch sehen wir das im historischen Zusammenhang. Die große Zeit der Ritterwappen (und damit meist Adelswappen) und deren Stiftung war im 12./13./14. Jh. Dem Zeitgeist und der militärischen Bedeutung entsprechend waren es oft einfache Heroldsstücke mit guter unterscheidender Wirkung. Die Zeit der bürgerlichen Wappenstiftung setzt später ein, während der Emanzipation der städtischen Schichten, während des Aufkommens der wirtschaftlich erfolgreichen Patriziergeschlechter im 14./15./16. Jh. Dem Zeitgeist lag eine andere Ästhetik zugrunde, die gerne auch Gegenstände des täglichen Lebens darstellte. Außerdem war die primäre Anwendung bürgerlicher Wappen nicht der Kampf- und Turnierschild, sondern der Schmuck von Haus, Gegenständen, Urkunden etc, wo ein etwas kleinteiligerer Aufbau nicht von Nachteil war. Das aufstrebende Bürgertum verlangte mit Recht das früher mehr unter der Ritterschaft verbreitete Wappenwesen als Symbol gesellschaftlicher Arriviertheit und Emanzipation für sich nutzen zu dürfen - dennoch hatte man hinsichtlich Stil und Gestaltung durchaus eigene Vorstellungen. So sollte man die Frage, ob Bürgerwappen typischerweise redende Wappen sind, immer vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte bejahen. Aus heraldischen Gründen spricht heute wie damals aber nichts dagegen, bei Neustiftungen von Bürgerwappen klare Heroldsbilder zu verwenden, wenn man denn eines findet, das nicht schon vergeben ist.

Umgekehrt gibt es auch viele Wapen adeliger Familien, die redend sind: Die Kolbe von Boppard führen zwei gekreuzte Streitkolben im Schild, die Grafen von Salm zwei abgekehrte aufrechte Salme.

Ein Gegenbeweis:
Daß das Aufkommen redender Wappen eine Zeiterscheinung ist, daß sie einfach im 15./16. Jh. beliebt waren, zeigt die Entwicklung des Wappens der Grafen von Eberstein. Ein uraltes Adelsgeschlecht, das seinen Stammbaum auf Eberhard von Eberstein zurückführt, der gegen Ende des 12. Jh. auftritt. Stammwappen seit ältester Zeit ist in Silber eine rote Rose mit blauem Butzen. Nun folgten sie 1586 zwei Modeströmungen zugleich: Zum einen war es Mode geworden, seinen Schild zu quadrieren, zum anderen waren redende Wappen Mode geworden. Da sie keine weitere Herrschaft hinzubekommen hatten, mit der zu quadrieren es sich gelohnt hätte, quadrierten sie ihren Schild aus freien Stücken mit einem redenden Element: In Gold auf grünem Boden ein schwarzer Eber.

Bildbeispiel: Schloß Gochsheim im Kraichgau, optisch links Herzöge von Württemberg, optisch rechts Grafen von Eberstein

Das Beispiel zeigt: Redende Wappen sind eine Frage der Zeit, nicht eine Frage der Gesellschaftsschicht, denn die Grafen von Eberstein sind über jeden Zweifel erhaben blaublütig.

ein weiteres nachträglich redend gemachtes Wappen:
Deren Stammwappen der von Seeau wurde der Familie 1503 von Kaiser Maximilian I. verliehen: In Gold ein schreitendes schwarzes Kamel (Dromedar) mit erhobenem Vorderfuß und mit rotem Zügel, auf dem Helm mit rechts schwarz-goldenen, links rot-schwarzen Decken zwei in den Mundlöchern mit je 3 Pfauenfedern besteckte schwarz-goldene wechselweise geteilte Büffelhörner. Im 16. Jh. wurde das Wappen durch eine redende Komponente (Aue mit einem See) erweitert und ist seitdem geviert, Feld 1 und 4: Stammwappen, Feld 2 und 3: in Grün ein silberner See, auf dem gekrönten Helm mit rechts schwarz-goldenen, links blau-schwarzen Decken zwei in den Mundlöchern mit je 3 Pfauenfedern besteckte Büffelhörner, das rechte golden-schwarz, das linke schwarz-blau geteilt. Dieses Wappen ist nicht nur ein Beispiel für das seltene Motiv des Kamels und das noch seltenere Motiv des Sees, sondern es ist auch ein besonders schönes Beispiel dafür, wie man einer Mode folgte und ein nichtredendes Stammwappen durch Hinzunahme neuer Elemente zu einem redenden Wappen machte, wobei hier der in einer Auenlandschaft gelegene See in den Farben Grün und Silber äußerst landshaftsnah gewählt wurde.

 

Bildbeispiel: Wappengrabplatte im Burggarten von Wels

Diese und die weitere Entwicklung des Wappens wird beschrieben im Siebmacher Band: Bay Seite: 22 Tafel: 16, Band: NÖ2 Seite: 123 Tafel: 50-52, Band: OÖ Seite: 353 Tafel: 93. 1612 gab es eine nächste Wappenbesserung für Michael von Seeau, dessen Brüder und Vettern, dabei kam in der Helmzier ein geharnischter Reiter zwischen die Büffelhörner hinzu, in der Rechten eine goldene Lanze mit rotem Fähnchen tragend, alles andere blieb gleich. 1636 kam eine weitere Wappenbesserung für Elias von Seeau und seine Verwandten mit einem zweiten Helm, welcher einen mit einem silbernen Balken belegten roten Flug trägt. Der erste Helm wurde variiert, es gab nur noch schwarz-golden als Farben. 1681 kam in das freiherrliche Wappen ein Herzschild für Cronenburg hinzu, als Kaiser Leopold I. Johann Friedrich und Johann Ehrenreich von Seeau in den Reichsfreiherrnstand erhob. Weitere Änderungen gab es nur 2 Jahre später. Kaiser Leopold I. erhob am 12.5.1699 Johann Friedrich und Johann Ehrenreich von Seeau in den Reichsgrafenstand, wobei das gräfliche Wappen weiter vermehrt wurde und diesmal weitere Felder im Schild hinzukamen.

Fazit:
Die ältesten Wappen sind klare Zeichen. Hauptabsicht für die Annahme derselben ist die klare Zeichenhaftigkeit und Unterscheidbarkeit. Erst später entspricht es dem Zeitgeist, sich über die Wahl des Wappenbildes Gedanken zu machen, mit dem Wappenbild familienbezogenen Sinn zu verbinden. Somit ist die Wahl eines redenden Wappens eine Mode der Zeit, kein Adel und Bürgertum unterscheidendes Merkmal. Und ebenso wenig ist heute die Regel aufrechtzuerhalten, daß bürgerliche Wappen redende Wappen sein müßten. Vielmehr sind bürgerliche Wappen häufig redende Wappen, weil sie vermehrt zu einer Zeit entstanden sind, als redende Wappen beliebt waren. Nichtsdestotrotz ist auch heute noch die Wahl eines redenden Wappens eine gute Wahl, weil ein hervorragender Bezug zum Namen gegeben ist. Eine Kopplung an das Bürgertum kann jedoch nicht begründet werden.

Aus der Kuriositätenecke:
In Italien gibt es eine Familie namens Colleoni. Dies wird fast so ausgesprochen wie "coglioni", was "Hoden, Ei" bedeutet. Eigentlich ist es umgangssprachlich für dieses Körperteil, und die Vokabel taucht beispielsweise in der Redewendung "Rompere i coglioni a qualcuno" - "jemandem auf den Sack gehen" auf. Und diese Familie führt ein äußerst "beredtes" Wappen, in rot-silbern geteiltem Schild drei (2:1) Hodensäcke in verwechselten Farben.

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