Bernhard Peter
Kleinod mit Tradition: das Schirmbrett

Was ist ein Schirmbrett?
Ein Schirmbrett ist eine besondere Form der Helmzier, die schon sehr früh im Mittelalter Anwendung fand. Es wird auch Scheit, Spiegel oder Würtel genannt. Ein Schirmbrett ist ein Brett oder eine Scheibe, ein Seckseck etc. das aufrecht stehend auf dem Helm angebracht wurde, mit dem einzigen Zweck, da was drauf zu malen. Damit ist ein Schirmbrett eigentlich nur eine Präsentationsfläche, eine "Plakat-Tafel". Denn viele für die Helmzier gewünschte Motive lassen sich nicht überzeugend als Helmzier gestalten, z. B. sehr filigrane Strukturen, die den Belastungen nicht gewachsen wären. Für diese ist ein Schirmbrett eine gute und stabile Unterlage. Oder für Motive, die alleine keine gute Proportion für eine Helmzier abgäben. Oder für ungegenständliche Motive, die sich auch nicht alleine darstellen ließen - man kann keine Teilung oder Spaltung als Helmzier machen, aber ein geteiltes oder gespaltenes Schirmbrett geht. Es gibt manche Dinge, die sich eben nicht als Helmzier eignen, z. B. ein filigranes Kreuz, oder ein Heroldsbild wie drei Balken z. B., denn den untersten könnte man ja noch quer auf den Helm legen, aber die beiden anderen würden in der Luft schweben - unmöglich. Damit eignet sich ein Schirmbrett als Hilfskleinod: Heroldsbilder des Schildes können wiederholt werden. Ähnliche Präsentationsflächen sind auf eine Ecke gestellte Kissen - auch diese können mit einem ungegenständlichen Motiv oder einer gemeinen Figur belegt werden, ebenso kleine Schilde. Ein Schirmbrett kann ein Hilfskleinod sein, muß es aber nicht. Ein Schirmbrett ist also auch Mittel zum Zweck, um ansonsten nicht plausibel darstellbare Motive in die Helmzier zu kriegen oder um sehr einfachen Motiven eine hübschere Unterlage beizugesellen..

Wie wird ein Schirmbrett gestaltet?
Typischerweise ist ein Schirmbrett rund, sechseckig, achteckig oder allgemein regelmäßig vieleckig oder fächerförmig gestaltet. Die Ränder oder die Spitzen waren mit Schellen, Knöpfen, Quasten, Federn etc. geschmückt. Eine typische Eckgestaltung sind goldene Knöpfe mit Hahnen- oder Pfauenfedern. Die Befestigung auf dem Helm wird meist durch einen Helmwulst oder noch häufiger ein darunter gelegtes Kissen gefällig gestaltet.

Beispiele für Schirmbretter:
Beispiel 1: Alte Universiät Mainz, Wappen des Domkapitels Mainz: In Silber vier rote Balken. Helmzier auf einem roten, mit goldenen Quasten geschmückten Kissen ein wie der Schild bezeichnetes, sechseckiges Schirmbrett, an den fünf freien Ecken mit Federn besteckt. Hier dient das Schirmbrett als Hilfskleinod, wiederholt also das Schildbild.

Beispiel 2: Bad Mergentheim, Deutschordensschloß, Archivbau: Auf einem Kissen ein silbernes, achteckiges Schirmbrett, belegt mit dem Hochmeisterkreuz, an den freien Ecken besteckt mit 7 goldenen federbesteckten Kugeln. Helmdecken schwarz-silbern.

Kinnbackenförmige Schirmbretter
Im süddeutschen, insbesondere bayerischen Raum gibt es eine Sonderform, die im Mittelalter Mode war: kinnbackenförmige Schirmbretter. Damit sind Hilfskleinode in einer sehr dynamischen, gerundeten, asymmetrischen Form gemeint, die wie ein umgedrehtes Komma auf dem Helm sitzen, vorne und hinten zu einer Spitze ausgezogen sind, wobei die vordere die hintere deutlich überragt und schwungvoll über der Stirn in die Höhe schießt. Die Enden können einfach spitz oder aber künstlerisch schneckenförmig eingerollt sein. Beispiele lassen sich im Wappenbuch des Aegidius Tschudi oder auch im Basler Wappenbuch (Ospernell und Stetten) finden. In allen Fällen dient es als Hilfskleinod, also als Projektionsfläche für die Wiederholung des Schildinhalts. Ein Beispiel läßt sich auf einem Siegel der oberpfälzischen Familie von Ettenstatt finden, wobei das Schirmbrett die Schildfigur (halbgespalten und geteilt) wiederholt (Jörg von Ettenstatt/Ettenstatter 1399). Ein weiterer Träger dieses Kleinod-Typs waren die oberpfälzischen Auer von Stockenfels, die aus dem in Nürnberg und Regensburg ansässigen und im 14. Jh. zeitweise aus den Städten vertriebenen Patriziergeschlecht der Auer zu Adlburg hervorgingen. So beliebt diese Schirmbretter waren, so schnell verschwanden sie im ausgehenden Mittelalter wieder. Meistens wurden sie durch andere, gängige Hilfskleinode ersetzt, z. B. durch einen Flug. Damals war das Oberwappen noch variabler als nach dem 15. Jh. Einen solchen Wandel beobachtet man z. B. bei den niederbayerischen von Rainer, die in ihren frühen Siegeln und auf einem Grabstein ein kinnbackenförmiges Schirmbrett führen, dann aber zu einem Flug überwechseln, der dann blieb, so daß alle farbig überlieferten Wappendarstellungen dieser Familie ausschließlich den Flug verwenden. Auch bei neu verliehenen Wappen tauchte dieses offensichtlich als altmodisch eingestufte Motiv später in keinem mir bekannten Fall noch einmal auf.

Literatur, Links und Quellen:
Heinrich Hussmann: Über deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus meinen Vorlesungen, Guido Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt 1981
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München 2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4 (Deutschland)
Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Von Apfelkreuz bis Zwillingsbalken. Battenberg-Verlag, 2. Auflage 2006, ISBN: 3-86646-010-4
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag 1978, S. 315
Katja Putzer: Das Urbarbuch des Erhard Rainer zu Schambach von 1376: Besitz und Bücher eines bayerischen Niederadligen, Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte, Neue Folge, Band L, Verlag C. H. Beck, München 2019, ISBN: 9783406104176
Ein herzliches Dankeschön an Frau Siglinde Buchner für wertvolle Hinweise zu den von Ettenstatt und den Auer von Stockenfels
Ludwig Brandl: Heimat Burglengenfeld, 1968

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