Bernhard
Peter
Der
Schild und seine Formen
Vorabbemerkung:
Genus
Anläßlich
immer wieder
aufkommender Mißverständnisse sei vorab der
Unterschied
erläutert: Wenn wir vom Schild sprechen, welchen ein Krieger,
ob
zu Fuß oder zu Pferd, mit sich führt zu seinem
eigenen Schutz,
ist es "der Schild", männlich. Wenn wir von einer
beschrifteten Tafel oder Unterlage sprechen, deren Funktion
Träger eines Hinweises ist, einem Straßenschild oder
Hinweisschild etwa, ist es "das Schild". So auch das
Preisschild, das Halteverbotsschild. In der Heraldik ist
"Schild" ausschließlich männlich, "der
Schild", denn es ist immer die Schutzwaffe gemeint: Der
Schild, der Schutzschild, der Rundschild, der Halbrundschild, der
Dreieckschild, der Reiterschild. Auch der Damenschild ist
maskulin, der für sie vorgesehene Rautenschild ebenso. Nur die
Tartsche und die Pavese dürfen feminin sein, aber da steckt
der
Begriff "Schild" ja auch nicht drin. Ebenso der Plural:
Korrekt ist "die Schilde", die Wappenschilde",
falsch ist "die Schilder", die Wappenschilder". Es
handelt sich hier nicht um eine Beschilderung, sondern um eine
Form, die ihre Wurzeln in einer mittelalterlichen Schutz- und
Abwehrwaffe hat.
Museale
Kostbarkeiten: mittelalterliche Originalschilde
Bei der
Diskussion von
Wappenschilden, ihren Formen und ihren Macharten sind
natürlich
erhaltene Originalschilde aus mittelalterlicher Zeit eine
wichtige Quelle. Nur ist man - so sehr man auch historische
Wappen mit Mittelalter und Rittertum assoziiert - sehr erstaunt,
wie wenige wirklich originale und authentische Reiterschilde die
Zeiten überdauert haben, insbesondere aus dem 13. und 14. Jh.
Eine der bedeutendsten Sammlungen von mittelalterlichen
Originalschilden wird im Universitätsmuseum Marburg
aufbewahrt,
in der im Wilhelmsbau des Marburger Schlosses gezeigten
Schausammlung, was dieses Museum zu einem Muß für
den
heraldisch interessierten Besucher macht. Insbesondere finden
sich darunter einige besonders prunkvoll gestaltete Schilde mit
plastisch gestalteten Oberflächen, die auf Leder und mit
Klebmittel gebundener Kreide-Masse erzeugt wurden und in ihrer
Art einzig sind und aufgrund ihrer kostbaren Arbeit alles andere
als der Normalfall gewesen sein dürften. Im einzelnen werden
dort gezeigt:
Insbesondere die Prunkschilde mit plastisch gearbeiteten, hinterfütterten Schildbildern sind einzigartige heraldische Museumsstücke, vor allem der landgräfliche Prunkschild von Heinrich I. Das Marburger Universitätsmuseum besitzt zwar die größte und bedeutendste Sammlung von Originalschilden, jedoch haben sich auch an anderen Orten solche erhalten, z. B. in der Schweiz:
Originale mittelalterliche Wappenschilde in Großbritannien:
Beispiel aus Österreich:
Beispiel aus Frankreich:
Eine hervorragende wissenschaftliche Dokumentation aller erhaltenen Reiterschilde findet sich bei Jan Kohlmorgen, der mittelalterliche Reiterschild, historische Entwicklung von 975 bis 1350, Anleitung zum Bau eines kampftauglichen Schildes, Karfunkel Verlag 2002. Die weitaus größere Zahl historischer Anschauungsobjekte ist als in Stein gehauene Plastik auf uns gekommen, als Darstellungen auf Grabmälern, an Stifterfiguren (Naumburg!) oder Reliefs.
Darstellung
von Schilden: Welche Schilde sind heraldisch?
So wie ein
"Wappenbild" nicht identisch ist mit einem
"Bild" an sich, sondern Regeln und Konventionen
unterliegt, die es erst zu einem "Wappenbild" machen,
so ist auch ein "Wappenschild" nicht identisch mit
einem "Schild", sondern unterliegt ebenfalls einer
gewissen Selektion aus der Fülle aller Schilde, die je in
Gebrauch waren, und gewissen darstellerischen Konventionen. So
sind alle Schildformen, die vor Entstehung der Wappen in Gebrauch
waren wie Wikingerschilde (Rundschilde), Römerschilde
(gewölbter Rechteckschild oder Turmschild, Scutum, oder der
ovale oder runde Parma) oder griechische Schilde (Hoplon, Aspis)
als unheraldisch anzusehen. Die frühen Reiterschilde
können
metallbeschlagen sein, aber sie sind ohne heraldisches Bild.
Antike Schilde konnten zwar Bilder tragen, doch es handelt sich
nicht um Bildzeichen, die die Kriterien heraldischer Bilder
erfüllen. Auch der V-Schild, Langspitzschild oder sog.
Normannenschild, wie er uns auf dem Teppich von Bayeux begegnet,
ist vor der heraldischen Zeit. Die Kunst der Heraldik wurzelt im
abendländischen Mittelalter, und nur die in der Zeit vom
11.-16.
Jh. verwendeten Schildformen sind als Vorbilder anzusehen. Aber
auch hier sind nicht alle Schilde heraldische Schilde, so war
zwar im Mittelalter der schon aus der Antike bekannte Setzschild
namens Pavese durchaus als mobile Deckung insbesondere bei
Belagerungen in Gebrauch, aber eben kein heraldischer Schild.
Ebenso sind alle Schildformen, die nach der Blütezeit der
Heraldik und nach der Zeit der Turniere als gesellschaftlichem
Hintergrund der heraldischen Entwicklung entstanden sind, ebenso
als unheraldisch anzusehen (als Extrembeispiel sei hier mal ein
moderner Polizeischild genannt, ein sog. taktischer
Einsatzschild). Insbesondere in der Verfallszeit wurde mit
großer Ignoranz gegen diese stilistische und historische
Limitierung verstoßen, so daß sich
genügend Beispiele
unheraldischer Schildformen aus den letzten Jahrhunderten
anführen ließen, doch sollten diese Produkte
zunehmender
Unkenntnis und wachsenden Unverständnisses des geschichtlichen
Hintergrundes der Heraldik keineswegs dazu verleiten, diese
Fehler nachzuahmen. Die Blütezeit der Heraldik sei uns heute
Vorbild für gute Gestaltung, und die in dieser Zeit
verwendeten
Schildformen sind ein verläßlicher und sicherer
Formenkanon.
Aus der Auswertung der uns überlieferten zeichnerischen,
malerischen oder bildhauerischen Darstellungen aus dieser Zeit
hat sich das herauskristallisiert, was wir heute als Richtschnur
der Darstellung ansehen.
Abb.: Anti-Beispiel aus Brügge, Treppenaufgang vor der Heilig-Blut-Basilika, Fassade aus dem 19. Jh. Dietrich von Elsaß (-4.2.1168) und sein Sohn Philipp von Elsaß stehen links und rechts des Eingangs zum Treppenhaus. Die Schilde der beiden Figuren tragen einerseits das legendäre Wappen Alt-Flanderns (hier zehnmal blau-golden geständert mit einem roten Herzschildchen) bzw. andererseits das wirklich geführte Wappen der Grafschaft Flandern (in Gold ein schwarzer Löwe). Weder der Rundschild noch der mandelförmige Normannenschild sind bei heutigen Darstellungen und Aufrissen akzeptable heraldische Schildformen.
Gute
heraldische Praxis: Darstellung und Stil von Schilden -
Idealfomen
Ideale
heraldische Schilde
für den deutschsprachigen Raum sind Dreieckschild,
Halbrundschild und Tartsche. Die Liste ist vollständig und
abschließend. Eine Darstellung eines Wappens mit jeder der
genannten Schildformen ist zulässig, und jede dieser drei
Formen
ist für Neustiftungen wünschenswert und
empfehlenswert, wenn
man eine problemlose Eintragung in einer Wappenrolle eines
deutschen heraldischen Vereins wünscht. Aber
natürlich sollten
Schild und übriges Wappen stilistisch zusammenpassen, also aus
einer zeitlichen Epoche stammen. Alle Elemente in einem Wappen
müssen vom Stil her schlüssig sein. Entweder
muß sich die
Schildform nach dem gewählten Oberwappen-Stil richten, oder
aber
Stil von Helm und Helmdecke müssen sich nach der
gewählten
Schildform richten. Denn auch wenn wir nur wenige der insgesamt
je existenten Schildformen als heraldisch akzeptieren, so hat
doch innerhalb dieses Zeitfensters eine unübersehbare
Entwicklung der Schutzwappen stattgefunden. Die Schildform
muß
daher zu Helm und Helmdecke passen. So kann man nicht einen
gotischen Topfhelm auf eine Renaissance-Tartsche setzen und erst
recht nicht einen Wikingerhelm (unheraldisch) auf eine barocke
Kartusche. Sondern man wählt einen Stil und damit eine Zeit,
und
alle Elemente richten sich danach, um eine harmonische
Gesamtwirkung zu erzielen.
Die Schildstärke (Dicke des Holzbrettes) kann durch einen Schatten angedeutet werden. Richtig: auf dem Papier rechts, d. h. heraldisch links.
Aus dem mandelförmigen sog. "Normannenschild“ (eigentlich ein V-Schild oder Langspitzschild) entwickelten sich durch Verkürzung und Begradigung des oberen Abschlusses die Dreieckschilde. Sie werden im Laufe der Zeit immer kürzer und breiter, immer weniger spitz. Im 13. Jh. entwickelte sich der Halbrundschild. Im späten 14. Jh. starben die Dreieckschilde als Kampfschilde aus. Beide Formen sind als rein heraldische Schildformen übriggeblieben. Insbesondere der Halbrundschild ist wegen der günstigen Platzverhältnisse sehr beliebt.
Daraus entwickelten sich über die slawischen Reitertartschen die Turniertartschen mit Aussparung zum Lanzeeinlegen. Sie wurden seit dem 14. Jh. als Turnierschilde im Tjost eingesetzt. In den frühen Beispielen erkennt man noch die Verwandtschaft zum Halbrundschild, während spätere Tartschen auf einer rechteckigen Grundform basieren. Einige Beispiele eignen sich als heraldische Schilde. Die rechteckigen Tartschen mit einer Ausbuchtung sind die letzte Form, die auch noch tatsächlich als Kampfschild eingesetzt wurde. Später wurde die Aussparung doppelt angelegt, um wieder symmetrische Schilde zu erhalten. Daß diese Schilde als Kampfschild nicht mehr taugten, liegt auf der Hand, denn beim Tjosten hatte man ja nur eine einzige Lanze.
Bei der Darstellung sollte man auch an einen guten Stil denken: Symmetrische Motive passen besonders gut zu einem symmetrischen Schild, während eine asymmetrische Tartsche einem asymmetrischen Motiv einen gewissen Pepp geben kann. Alle Bestandteile sollen sich gegenseitig optimal ergänzen und einen harmonischen Gesamteindruck erzeugen.
Renaissanceschilde werden symmetrisch und zeigen eingerollte Ränder. Der Schild zeigt an den Seiten Einschnitte und Ornamente. Damit ist endgültig der Schritt zur Papierheraldik vollzogen. Papierheraldik nennt man die Darstellungen deshalb, weil die Darstellungen nichts mehr mit realen Kampfschilden zu tun haben, sondern diese Schildformen nur auf Urkunden, Papieren, ebenen Flächen wie Wänden, Deckenbalken, Möbeln, Geschirr, Grabplatten oder Totenscheiben etc. dargestellt wurden und eine dreidimensionale Verwirklichung nur noch in Stein oder Stuck vorkam.
Eine späte, dekadente Form der Tartsche ist die rein heraldisch verwendete Kartusche aus der späten Barockzeit.
Realformen:
Historische Darstellungen spätgotischer Schilde des
ausgehenden
15. Jh.:
Obige
Formen sind natürlich
idealisiert und optimiert für die moderne Verwendung. Doch
zurück zu den Quellen: Wie
wurden in der Spätgotik Schilde tatsächlich
dargestellt? Die
folgenden 3 Zeichnungen sind Umzeichnungen von Wappenschilden
einer Ahnenprobe an einem Epitaph des Wilhelm von Schwalbach
(gest. 1483) und seiner Frau Anna von Leyen (gest. 1483) in der
Karmeliterkirche unserer lieben Frau zu Boppard. Der Umriß
bleibt noch geschlossen, es sind noch keine Aussparungen
vorhanden für die Lanzen wie bei späteren Tartschen,
aber der
Schildrand gerät schon leicht in Bewegung und
verläßt die
reine Idealform.
Der Schildumriß steht im Zeichen der Spitzen - so wird unten die Schildspitze bei zugleich bauchig geformtem Schildboden betont, und die beiden oberen Ecken des Schildes werden seitlich ausgezogen, und auch die obere Kante des Schildes wird ein bißchen spitz betont; es kommt des weiteren zu ersten Asymmetrien.
Realformen:
Historische Darstellungen von Tartschen (1):
Hervorragendes
Anschauungsmaterial sind naturalistisch dargestellte Tartschen,
die originalgetreu nachgebildeten Standfiguren in die Hand
gegeben wurden. Eine solche Tartsche finden wir am Grabmal des
Ritters von Bach in der Coburger Stadtkirche St. Moriz. Es ist
eines der besten gotischen Rittergrabmäler Frankens mit der
eleganten, fast freistehenden Figur, die eine Kombination aus
Kettenhemd, Plattenharnisch, Arm- und Beinschienen zu Gugel und
Wulsthaube trägt, in der Rechten den Schild haltend. Es ist
eine
wundervolle Tartsche, die die besonderen Merkmale dieser
Schildform illustriert: Es war ein Schild, der den Erfordernissen
des Lanzenstechens auf Turnieren angepaßt war. Auf der
vorderen
Seite hatte der Schild eine länglich-ovale Aussparung zum
Einlegen der Lanze. Die Lanze konnte so besser geführt werden
und der Stoß konnte präziser und sicherer
geführt werden. Eine
ähnliche Funktion zur Stabilisierung hatten die
später
üblichen Rüsthaken am Harnisch. Weiterhin wird die
innovative
Wölbung der Tartsche deutlich: Waren bisher die Dreieckschilde
und Halbrundschilde eher flach oder allenfalls leicht um eine
vertikale Achse konvex gewölbt, so tritt hier deutlich eine
konkave Wölbung um eine horizontale Achse zutage. Diese Form
verhinderte das Abrutschen der gegnerischen Lanze nach oben in
Richtung der gefährdeten Halspartie sowie nach unten in die
Hüftregion, während das Abrutschen zur Seite durch
die vertikal
verlaufende Profilierung erschwert wurde. Hier wird der Schild
zwar in der Rechten gehalten, die Aussparung für die Lanze ist
aber so angebracht, daß er nur sinnvoll im Einsatz mit der
linken Hand gehalten werden kann.
Verwendung der Aufnahmen aus der Stadtkirche St. Moriz zu Coburg mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Markus Merz vom 30.6.2008, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Realformen:
Historische Darstellungen von Tartschen, 1. Hälfte des 16. Jh.:
Hier lassen
wir wieder
Originale zu uns sprechen, denn nichts ist wichtiger als die
historische Evidenz. Die folgenden 9 Zeichnungen sind
Umzeichnungen von Wappenschilden einer Ahnenprobe an einem Epitaph des Johann von
Schönenburg, Herr
von Hartelstein und Ulm(en) (gest. 1540) in der Stiftskirche zu
Kyllburg, zu datieren auf 1540 in die frühe Renaissance. Im
Vergleich zur oben abgebildeten gotischen Tartsche sind sie
kürzer und weniger rechteckig. Geblieben sind die typische
Aussparung, die Asymmetrie, die konkave Wölbung. Verschiedene
Arten asymmetrischer Tartschen werden gezeigt, mit kreisrunden,
oval-länglichen und sogar doppelten Aussparungen. Die Schildformen sind mit Hingabe
asymetrisch.
Wir finden, daß in dieser Zeit der ganze Schildrand in Bewegung gerät. Der obere Rand verläßt die Gerade, wird in der Mitte leicht erhöht, wobei die beiden Seiten gerade oder gebogen auf die erhöhte Mitte zulaufen können, die Mitte kann auch durch eine markante Kerbe betont werden. Der untere Rand kann rund sein, zugespitzt wie ein umgekehrter Eselsrückenbogen oder auch in Form von 3 oder 4 bogigen Segmenten gesteltet sein.
Auf der der Lanzenaussparung abgewandten Seite wird ebenfalls die gerade Linie aufgegeben, und der Rand wird leicht konkav eingebogen als Pendant zur Aussparung an der heraldisch rechten Seite.
Realformen:
Historische Darstellungen von Schilden aus der 2. Hälfte des
16.
Jh.:
Hier ist
ein Beispiel aus dem
Jahr 1555 abgebildet, nach der Darstellungen am Kellerhals der
Ronneburg (Hessen) gezeichnet. Die seitlichen Ausbuchtungen
lassen die Herkunft von der asymmetrischen Tartsche erkennen,
jedoch sind sie hier so geformt, daß das ornamentale Spiel
mit
konvexen und konkaven Abschnitten wichtiger wird als die
Funktion, dazu wird die einst einseitige Ausbuchtung symmetrisch
verdoppelt.
Realformen:
Historische Darstellungen von Schilden aus der 2. Hälfte des
16.
Jh. mit Rollwerk:
Hier sind
zwei Beispiele aus
dem Jahr 1570 abgebildet, nach den Darstellungen am Erker des
Zinzendorfbaus der Ronneburg (Hessen) gezeichnet. Der Schildrand
wird immer mehr zum Ornament, der Schild immer mehr zur
Kartusche, der Rand wird zu dreieckigen Zipfeln ausgezogen,
funktional unbegründete Einschnitte lösen die
geschlossene Form
der äußeren Begrenzung auf, und die Ecken werden
nach vorne
oder nach hinten eingerollt. Mit einem tatsächlich
verwendbaren
Kampfschild hat das nichts mehr zu tun.
Andere
Traditionen: Darstellung von Schilden im Ausland
Ungeeignet
im Sinne guter
heraldischer Praxis sind nicht stilreine Wappenschilde, so z. B.
eine an beiden Seiten mit Speerruhen versehene Tartsche. Denn ein
Wappen ist umso authentischer in seiner Darstellung, je näher
es
an den tatsächlichen Vorlagen, sprich Schutzwaffen ist.
Achtung:
Im Ausland sieht man das oft nicht so eng. In späterer Zeit
wurden besonders in England und Frankreich Sonderformen der
Schilde entwickelt, die rein heraldisch sind und niemals in
dieser Form als Kampfschild verwendet wurden. Solche Formen wie
unten gezeigt werden in anderen europäischen Ländern
als
heraldische Schilde akzeptiert. In der deutschen Heraldik haben
sie außerhalb kultureller Überlappungsbereiche keine
Tradition.
Eingebuchtete Oberkanten, "Ohren" des Schildes, umgekehrt kielbogenartige Abschlüsse - alles modische Entwicklungen aus späterer Zeit. Mit den klaren Formen der Gotik hat das nichts mehr zu tun. Bei der Darstellung von Wappen sollte auf stilistische Einheit geachtet werden: Diese Sonderformen sollten nie mit den einfachen gotischen Helmdecken oder Topfhelmen kombiniert werden. Typisch englische Schildformen wie ein oben zweifach gebuchteter Dreieck-Schild sind in der deutschen Heraldik zu vermeiden. Solche gebuchteten Oberkanten tauchen in der deutschen Tradition nur bei tartschenartigen Formen auf.
Eine weitere Sonderform der heraldischen Schilde sind die Roßstirnschilde. Sie sind insbesondere in der italienischen Heraldik beliebt, haben aber in traditionellen Darstellungen deutscher Wappen wenig zu suchen, auch wenn sie durchaus künstlerisch ansprechend sind. Hier sollte man auch bewußt unterscheiden, ob man eine traditionskonforme Eintragung eines Wappens bei einem heraldischen Verein anstrebt, sozusagen als Grundeintrag, oder sich bewußt für einen bestimmten Zweck für eine modische Gestaltung im Stile der italienischen Heraldik idealerweise durch einen Künstler des Landes entscheidet, z. B. für ein Exlibris o.ä.
Gute
heraldische Praxis: Schildrand
Der
Schildrand ist der
senkrecht zur Schildfläche stehende Rand, der Stärke
des
Schildkörpers entsprechend. Es ist nicht ein das Feld
einrahmenes Gestaltungselement, ein solches nennt man Bord,
sofern es von heraldisch relevantem Inhalt (Form, Farbe) ist. Der
Schildrand als solcher kann im einfachsten Fall einfach schwarz
gemalt werden, so wie es hier auch durchgehend gemacht wird. Da
man frontal auf den Schild blickt, ist der tatsächlich zu
sehende Rand aufgrund der Perspektive sowie so eher dünn und
schmal, was einen solchen Umgang mit dem Rand rechtfertigt. Er
kann aber auch anders gestaltet werden, indem man davon ausgeht,
daß der Schildbesitzer seinen Schild nicht nur vorne auf der
Fläche angestrichen hat, sondern auch die Seitenkanten bemalt
hat. Solche Beispiele finden sich zu hauf in Conrad
Grünenbergs
Wappenbuch: Bei dessen Darstellungen läuft das Schildmotiv
einfach auf dem Rand weiter, so als wäre das flächige
Motiv
einfach um 90° umgeknickt. Balken, Kreuze, Teilungen - die
Farbgrenzen ziehen sich abknickend auf dem Rand fort, je nach
Lichteinfall farblich abgetönt, um die Körperlichkeit
des
Schildes herauszuarbeiten. So werden in besagter Quelle auch
Herzschilde dargestellt. Welche Methode man wählt,
hängt
sicherlich vom Gesamteindruck ab. Klarere Ergebnisse erzielt man
sicherlich mit dem schwarzen Rand, geeignet für
kleinmaßstäbliche Zwecke, andere Lösungen
finden jedoch
genauso ein historisches Vorbild, geeignet z. B. für
Schmuckvarianten.
Was
ist ein Herzschild?
Ein
Herzschild ist ein kleiner
Schild, der mittig einem größeren Hauptschild
aufliegt. Der
Ausdruck Herzschild bedeutet nicht, daß er eine Herzform
besitzt, sondern daß er an der Herzstelle des
größeren
Schildes, also in der Mitte, aufgelegt ist. Seine Form folgt der
allgemeinen Form heraldisch akzeptierter Schilde; am
häufigsten
wird eine Halbrundform benutzt. Mit der Vereinigung mehrerer
Einzelwappen zu einem komplexeren Ganzen wurde in der
Spätgotik
der Herzschild eingeführt, um noch ein Element mehr
unterbringen
zu können. Mit ihm wird eine zweite Ebene aufgebaut. In der
Regel wird das Stammwappen im Herzschild positioniert. Die
darunterliegenden Felder werden, z. B. bei einem gevierten
Hauptschild, teilweise verdeckt. Bei sehr großen und
komplexen
Wappen mit vielen Feldern kann auch ein entsprechendes Feld des
Hauptschildes frei von Inhalten sein, damit nichts Wesentliches
verdeckt wird.
Geschichte
der
Verteidigungswaffen: Pavese
Diese Schilde
kamen im 13. Jh. auf,
zuerst in Italien, daher auch der sich von Pavia ableitende Name.
Pavesen sind halbhohe, hochovale oder rechteckige Setzschilde der
mittelalterlichen Fußtruppen, sie dienten der Deckung von
Armbrust- und Bogenschützen. Sie bestehen aus einem mit
bemaltem
Leder, Leinwand oder Rohhaut bemalten Holzkörper. Reiter
verwendeten diese Schilde nicht, weil sie viel zu unhandlich
waren. Es gab die sog. Kleine und Große Pavese für
das
Fußvolk. Eng aneinandergereiht gaben diese Schilde vor allem
beim Sturm gegen Befestigungsmauern und Wälle einen sicheren
Schutz, vor allem gegen Bogenschützen auf denselben. Die
größeren Exemplare (bis zu 2 m hoch) wurden in den
Boden
gerammt (daher der Name "Setzschild"), wodurch der
dahinter befindliche Mann beide Hände frei bekam zum Spannen
von
Armbrust oder Bogen. Eine neue Form entwickelte sich im 15. Jh.
in Böhmen. Über die Hussitenkriege wurde die neue
Mode, die
sich vor allem durch den vertikalen Mittelgrat auszeichnete, der
wie ein Rücken vertikal über den ganzen Schild lief,
in
Deutschland bekannt. Solche Formen wurden noch 1504 in der
Schlacht bei Regensburg gegen die Truppen Maximilians eingesetzt,
wie zeitgenössische Gemälde zeigen. Da es sich um
Fußvolk
handelte und nicht um Ritterliche, suchen wir individuelle Wappen
vergebens auf Pavesen. Typisch ist dagegen bunte Bemalung mit
Ornamenten oder Bildern, wenn heraldische Bemalung erfolgt,
können Landeszeichen oder Städtezeichen angebracht
werden wie
z. B. das weiße Kreuz französischer Truppen, das
rote St.
Georgs-Kreuz der Engländer, das St. Andreas-Kreuz der
Burgunder
oder der Doppeladler der Landsknechte Maximilians I. Oder es
können kleinere Wappenschilde aufgemalt werden, die das
Stadtwappen oder Landeswappen zeigen, wobei der Umriß des
Schildes nicht dem Umriß der Pavese entspricht. Einige
schöne
Pavesen befinden sich beispielsweise im Museum auf der Veste
Coburg. In der Heraldik verwendete Schilde sind traditionell
Reiterschilde, nicht Fußtruppenschilde. Insofern
können Pavesen
zwar mit Wappen des Lehnsherrn bzw. der zugehörigen Stadt
bemalt
sein, aber sie zählen nicht zu den akzeptierten Schildformen
in
einer Wappendarstellung. In einem Wappenaufriß haben sie also
nichts zu suchen.
Literatur,
Links und Quellen:
Heinrich
Hussmann: Über
deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus
meinen Vorlesungen, Guido
Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst,
Bechtermünz
Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München
2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4
(Deutschland)
Originalschilde: Jan
Kohlmorgen, der
mittelalterliche Reiterschild, historische Entwicklung von 975
bis 1350, Anleitung zum Bau eines kampftauglichen Schildes,
Karfunkel Verlag 2002, ISBN 3-935616-10-4
Wappenfibel,
Handbuch der
Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik,
Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt
1981
Marburg: http://www.uni-marburg.de/aktuelles/unijournal/april2004/Universitaetsmuseum
Neigung und Wenden
von Schilden
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