Bernhard
Peter
Gute
heraldische Praxis: der Helm des Wappens
Welche
Helmarten werden in der deutschen Heraldik als angemessen
betrachtet?
Die im Laufe der
Rüstungsgeschichte entwickelten Helme sind sehr vielseitig
hinsichtlich Form und Gestaltung. Nicht alle davon sind aber
heraldische Helme. Von den vielen tatsächlich in Gebrauch
gewesenen Helmformen haben nur diejenigen Eingang in die Heraldik
gefunden, die bei Turnieren benutzt wurden. Und genau an denen
sollte man sich bei einem Neuentwurf oder Neuaufriß orientieren.
Die bemalten Glockenhelme des 12. Jh. sind vorheraldische Helme ohne plastische Helmzier und haben auf Wappen nichts zu suchen.
Spangenhelme (auch Alemannenhelme genannt) mit seitlichen Wangenspangen sind ebenso vorheraldisch und haben in Wappen nichts zu suchen.
Erst mit der plastischen Helmzier bildete sich der Wappenhelm heraus. Ein gotischer Topfhelm (12.-13. Jh.) oder auch Kübelhelm (13.-14. Jh.) gehören zu den ältesten auf Wappen geführten heraldischen Helmen und sollten nur von Familien geführt werden, deren Wappen sich bis in diese Zeit zurückverfolgen läßt, also i.d.R. der alte Adel. Dabei sollte der Tophelm hier nicht kategorisch einer bestimmten Schicht des Adels zugeordnet werden, sondern einer bestimmten Entstehungszeit. Und Bürgerwappen fanden eben erst in der "Nach-Topfhelm-Zeit" größere Verbreitung. Es sei aber betont, daß bereits seit dem 13. Jh. Helm und Helmzier zum Vollwappen eines Bürgers gehörten. Ein Oberwappen war nie ein Privileg bestimmter Gesellschaftsschichten. Topf- und Kübelhelme, die aufgrund des nur schmalen Augenschlitzes guten Schutz von Schwerthieben, Pfeilen und Lanzen boten und sich gegenüber den älteren Modellen in der Praxis durchsetzten, passen stilistisch gut zu Dreiecksschilden.
Seit Mitte 14. Jh. werden Stechhelme für Adels- und Bürgerwappen verwendet. Der Stechhelm ist älter als der Bügelhelm. Eines der frühesten plastischen Beispiele befindet sich im Chor des Freiburger Münsters, auf 1350 datiert, ca. 1379 werden solche Helme im Codex Seffken dargestellt, und in Neckarsteinach findet sich ein Stechhelm mit einer sehr spitz ausgezogenen Front für einen 1396 Verstorbenen. Den Nichtadligen wurde im Laufe der historischen Entwicklung zugebilligt, ersteren als Wappenhelm zu führen. Bei Wappen Bürgerlicher sollte also heute nur der Stechhelm (geschlossener Helm ohne bewegliche Teile wie Visier etc.) verwendet werden, und von wichtigen Wappenrollen wird heute nur der Stechhelm als angemessen für bürgerliche Wappenneustiftungen angesehen. Er wurde speziell für das "Stechen" entwickelt. Mangels beweglicher Teile bot er eine hohe Stabilität gegenüber Lanzenstößen. Oft war er fest mit dem Harnisch verschraubt, um die Wucht des Stoßes auf diesen zu übertragen und die Halswirbelsäule zu entlasten. Der Sehschlitz war schmal und so geformt, daß man durch leichtes Zurücklehnen die Augen vor dem Eindringen von Splittern etc. schützen konnte. Andererseits war das Gesichtsfeld auch sehr eingeschränkt. Originale dieser Helme finden sich in Museen, z. B. in der Rüstkammer Dresden oder im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg.
Ein Helm kann frontal (Mitte) oder im Profil (links) dargestellt werden. Auch schräggestellte Darstellungen (rechts) sind möglich.
Ein Bügelhelm (ab Mitte 15. Jh.) wurde zum Kennzeichen des Adels, ob berechtigt oder nicht, sei diskutiert. Wie bei vielen Traditionen ist das wohl mehr eine allgemeine Beobachtung mit einer gewissen Unschärfe. Im alten Siebmacher werden z. B. alle Wappen mit Bügelhelm abgebildet, auch die Bürgerlichen, in den Abbildungen des Paderborner Rittersaales ebenfalls. Dazu gbt es viele Adelige, die den Stechhelm führen. In den Zeiten opulenter Wappengestaltung, insbesondere unter dem Einfluß der Renaissance, war der Bügelhelm in der Darstellung sehr beliebt. Es wurde viel darüber gestritten, ob der Bügelhelm nun für Bürgerliche "geht" oder nicht, und verschiedene Heraldiker bzw. Wappenrollen oder heraldische Vereine pflegen einen unterschiedlichen Konsens dazu. Meine persönliche Meinung ist, daß für Bürgerliche sehr wohl ein Bügelhelm geht, wenn belegt wird, daß er früher unangefochten geführt werden konnte, aber auch, daß die Wahl bei einer kompletten Neuschöpfung heute besser auf einen Stechhelm fällt, um dem heutigen Stile Genüge zu leisten. Viel relevanter als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht ist die Zuordnung der Wappenentstehung zu einer bestimmten Epoche.
Vor diesem Hintergrund ist es ganz falsch, allein aus der Darstellung eines Bügelhelmes auf Adel zu schließen. Die Unterscheidung Stechhelm = bürgerlich, Bügelhelm = adelig wird interessanterweise besonders von denen verfochten, die selbst den Bügelhelm als hochwertiger ansehen und ihre eigenen echten oder vermeintlichen Privilegien schützen möchten.
Auch gewinne ich manchmal den Eindruck, daß die Wappenstifter oder Wappenbesitzer, die am vehementesten mit dem Wegfall der Standesschranken für einen Bügelhelm argumentieren, insgeheim doch eine große Sehnsucht nach Attributen genau der Gesellschaftsschichten besitzen, deren Abgrenzung sie wegdiskutieren wollen. Wenn es tatsächlich so egal ist - warum setzen sich diese Wappenstifter so stark für den Bügelhelm ein? Man könnte andererseits auch überspitzt argumentieren, daß der Stechhelm Ausdruck des Bekenntnisses zur Demokratie sei.
Beides wird der historischen Evidenz nicht gerecht. Den Standesansatz halte ich daher für unglücklich, denn Bürger haben Bügelhelme geführt und Adelige haben Stechhelme geführt, tatsächlich existiert diese Abgrenzung in summa nicht. Für mich ist die Entstehungszeit eines Wappens viel wichtiger, um zu beurteilen, welcher Helm angemessen ist. Der Stechhelm ist jedenfalls der ältere von beiden, und er bietet den besseren Schutz, und er ist für andere Zwecke konzipiert als der Bügelhelm.
Der Bügelhelm hat in Deutschland ca. 5 oder 7 Bügel, wobei das einfach ein Richtwert ist für eine gute zeichnerische Darstellung und auf keinerlei Regel oder Vorschrift basiert, und genügend überzeugende Beispiele mit mehr oder weniger Bügeln gezeichnet wurden. In Deutschland gibt die Anzahl der Bügel keinen Hinweis auf den Adelsrang, anders als in England und Frankreich.
Gleiches gilt für einen weiteren offenen Helm, den Gitterhelm (ab Ende 15. Jh.)
Der geschlossene Helm der Fürsten fand bei Wappen der deutschen Heraldik nur selten Verwendung. Dargestellt wurde auch beim Hochadel meist ein Bügel- oder Gitterhelm (s. o.). Königshelme werden mit ganz offenem Visier dargestellt.
Gegenbeispiele: Solche Helme gelten in Deutschland nicht als gestalterisch akzeptable Helmformen, weder der Helm englischer Tradition links (zudem noch mit um 90° verdrehtem Hut und ebenso verdrehtem Kleinod) noch der Pseudo-Schaller rechts (Abb. oben links: Bücherzeichen von Charles William Sherborn (1831-1912) aus den Jahr 1888 für Sir John Warren Baron de Tabley (26.4.1835-22.11.1895) of Tabley, County Chester. Abb. oben rechts: Exlibris aus dem Jahr 1902 von Georg Otto (6.9.1868-17.5.1939) für Veit Adolf Freiherr von Seckendorff auf Meuselwitz).
Mitgliedschaft
in Turniergesellschaften
Die kleine Münze am
Helmhals (Schaumünze, Halskleinod) ist ein Kennzeichen einer
Mitgliedschaft in einer Turniergesellschaft der
Rittervereinigung. Sie sollte nur von denen dargestellt werden,
deren Vorfahren hätten Mitglied sein dürfen (i. d. R. nur der
Adel). Bürger waren nicht turnierfähig. Sie ist i.d.R. nur
nachweisbar bei Wappen des Uradels und Hochadels. Entsprechend
paßt sie bei Neugestaltungen auch nicht zum Helm der
Bürgerlichen, sondern zum Bügel- oder Gitterhelm derer, die
damals hätten Mitglied in einer solchen Rittervereinigung sein
können. Bürgerliche sollten es nur dann führen, wenn ein
urkundlicher Nachweis vorliegt. Also: Bei heute neu geschaffenen
Bürgerwappen: So schön das auch aussieht &ndash lieber
Finger davon lassen! Achtung Verwechslungsmöglichkeit: Dies ist
das HALSkleinod, nicht das HELMkleinod (=Helmzier). Es handelt
sich auch nicht um eine Ordenskette o.ä., denn die wird außen
um den Schild gelegt. Eine Schaumünze bzw. ein Halskleinod wird
nicht blasoniert, auch das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein
wird bei der Blasonierung nicht angegeben. Es ist kein
wesentlicher und bedeutungstragender, also unterscheidender
Wappenbestandteil, die Darstellung ist eine Frage des Stiles und
der Angemessenheit.
Stellung
und Ausrichtung des Helmes in Bezug auf die Helmzier
Die tatsächliche Stellung
des Helmes richtet sich auch nach der Helmzier: Beide müssen
in die selbe Richtung schauen! Perspektivische Darstellungen der
Helmzier werden nicht als guter Stil angesehen! Denn die Heraldik
entspringt einer Zeit, in der die Zentralperspektive noch nicht
erfunden war. Bsp. 1 (Helmdecke zur besseren Übersichtlichkeit
weggelassen!): Eine Stern als Helmzier erzwingt einen frontal
dargestellten Helm! Die perspektivische Darstellung in der Mitte
im unteren Bild und die Nichtübereinstimmung ganz rechts stellen
beide heraldische Katastrophen dar!
Bsp. 2: Ein Löwe, Schwan o.ä. als Helmzier erzwingt Darstellung im Profil bzw. halbgedreht. Alles andere sieht nicht überzeugend aus. Ein vierbeiniges Tier auf dem Helm wird in der Regel steigend dargestellt, und ein steigendes Tier von vorne führt dazu, daß Maul und Pranken/Pfoten vor dem Körper zu liegen kommen und sich nicht genügend farblich absetzen. Wenn man Tiere im Profil darstellt, lassen sich die charakteristischen Körpermerkmale viel besser voneinander getrennt zeichnen. Entsprechend muß der Helm folgen.
Bsp. 3: Eine mit den Spitzen nach vorn gerichtete Mondsichel geht nur bei im Profil dargestelltem Helm!
Bsp. 4: Ein halber Flug erzwingt eine Darstellung im Profil und damit auch eine Neigung des Schildes, denn ein halber Flug (der Laie würde sagen "ein einzelner Flügel") kann nicht zufriedenstellend frontal abgebildet werden! Ein ganzer Flug kann als "offener Flug" im Profil und frontal dargestellt werden, wobei die frontale Darstellung graphisch befriedigender ist, aber ein geschlossener Flug wirkt nur in der Profil-Darstellung überzeugend, er kann nicht frontal dargestellt werden.
Stellung
und Ausrichtung des Helmes in Bezug auf den Schild
Schild und Helm sollten
idealerweise auch aufeinander abgestimmt werden. Folgende
Kombinationen sind prinzipiell möglich, wobei aber nicht alle
gut aussehen und künstlerisch überzeugend sind:
Farben
des Helmes:
Außen stahl- oder eisenfarben, also
grau, stahlblau oder ein verwandter Farbton. Wegen des
metallischen Charakters eignen sich Helmdarstellungen vorzüglich
für Lichteffekte, wenn jemand eine dreidimensionale Darstellung
malt. Dabei sollte das Licht von heraldisch rechts oben kommen.
Goldene oder silberne Helme nur bei Wappen des hohen Adels, wenn
historisch überliefert. Innen ist ein Helm purpurfarben oder
rot.
Angemessene
Darstellung des Helmes
Häufig sieht man
Helmdarstellungen voller goldener Applikationen, Damaszierungen,
selbst mit edlen Steinen - das ist unangemessen. Natürlich gab
es früher Prunkhelme - die sind aber relativ spät entstanden,
und gute Heraldik von heute orientiert sich am spätgotischen
Stil. Weiterhin waren Prunkhelme für eine verschwindend geringe
Anzahl hinreichend vermögender Menschen in Gebrauch. Der
durchschnittliche Wappenträger des Mittelalters war froh, wenn
er eine Rüstung bezahlen konnte, die ihn einfach nur sicher
schützt. Prunkhelme waren niemals Standard, sondern die
protzende Ausnahme. Natürlich kann niemand heutzutage gehindert
werden, einen Prunkhelm zu führen. Doch auch dies wird als das
gesehen, was es schon damals war - eine protzende Ausnahme. Nach
dem Prinzip "mehr sein als scheinen" rate ich davon ab.
Dem heraldischen Prinzip der Schlichtheit entspricht es nicht.
Als angemessene Darstellung des Helmes wird empfunden, wenn er
schlicht und funktional ist, sich formal an historischen
Vorbildern orientiert und kein Phantasiehelm (Fantasy etc.) ist.
Dem entspricht Zurückhaltung beim Dekor. Wenn Verstärkungen
angebracht werden, sollten die sich dort befinden, wo im Falle
eines realistischen Einsatzes im Kampf oder Turnier die stärkste
Belastung des Materials erwartet wird: Das ist bei Stechhelmen z.
B. die nach vorne gezogene Kante zur Spitze und der Rand unter
dem Sehschlitz.
Ein weiterer häufiger Fehler ist bei Zeichnungen, daß der Hals zu eng ist! Der Kopf soll schon da durch passen!
Position
des Helmes:
Darstellung immer fest auf dem
oberen Schild sitzend, d. h. kein Spalt zwischen Helm und Schild,
er darf auch nicht nur mit einer Spitze den Schildrand berühren
oder gar über dem Schild schweben.
Wo
gehört der Helm hin?
Bei einem einfachen Schild
gibt es nur eine einzige Möglichkeit: Auf den Schildrand, und
zwar auf den oberen. Hat man aber einen Hauptschild und einen
Herzschild, so gehört der Helm immer auf den oberen Rand des
Hauptschildes. Und hat man gar drei Ebenen übereinander,
Hauptschild, Mittelschild und Herzschild, so gehört auch hier
der Helm bzw. gehören die Helme immer und grundsätzlich auf den
oberen Rand des Hauptschildes, des größten, zuunterst liegenden
Schildes. Der Großteil der Leser wird sagen, das sei trivial und
selbstverständlich, die Erfahrung mit Zuschriften und
Eigenbau-Kreationen zeigt immer wieder, daß das
erschreckenderweise nicht allgemein bekannt ist. Herzschilde
können in komplexen Kompositionen eine Krone, ggf. eine
Rangkrone tragen, aber keine Helme mit Helmzieren resp.
Helmdecken. Diese sind ausschließlich dem Hauptschild
vorbehalten. Auch wenn Schilde mit einem anderen Schild unterlegt
werden, z. B. Wappen von Ordensrittern mit einem
Deutschordensschild, so sitzt der Helm immer über der obersten
Kante, in diesem Fall über der Oberkante des
Deutschordensschildes, kann natürlich mit seinem Bruststück in
den eigentlichen Familienwappen-Schild hineinreichen. Tragend ist
immer der größte, unterste, hinterste Schild.
Darf
ein Helm im Profil bei geradem Schild auch am äußeren rechten
Ende sitzen?
Daß ein Helm bei geneigtem Schild
stets auf die "höhere" Ecke gehört, ergibt sich aus
ästhetischen Gründen von selbst. Aber wie ist es bei gerade
gestelltem Schild mit horizontaler Oberkante? Manchmal stehen
extreme Positionen des Helmes auf der Oberkante in der Kritik,
zumal es nicht der Standard bei historischen, insbesondere
bauplastischen Darstellungen ist, sondern eine vergleichsweise
neue "Mode", die durch einige wenige Künstler des 20.
Jh. etabliert wurde. Man erwartet den Helm in der Mitte, und eine
symmetrische Schildform lädt zu einem symmetrischen Oberwappen
ein. Darf man sich hier für die totale Asymmetrie entscheiden?
Eine wichtige Basis heute als angemessen empfundener künstlerischer Darstellungen sind sicherlich die Turnier- und Helmschauen, bei denen Schild und Kleinod der Teilnehmer in Assoziation präsentiert wurden. Oder es ist die Befestigung an der Wand einer Rüstkammer o.ä. In der Regel nutzte man dazu einen Haken oder einen Pfosten, der Schild wurde an seinen rückseitigen Riemen aufgehängt, was eine mehr oder weniger starke Neigung bedingte, der Helm wurde darüber abgestellt. Von daher ist also jede Kombination plausibel, in der Schild und Helm dergestalt "aufgehängt" werden, daß sie gut sichtbar und erkennbar in enger Kohärenz präsentiert werden. Aus praktischen Gründen dürften die beiden Befestigungspunkte (= Schwerpunkte) in einer Vertikalen liegen. Bei einem schräggestellten Schild ist die Positionierung auf der höheren Ecke praktisch und sinnvoll, bei einem geradegestellten Schild auf der Oberkante, einzige Bedingung: Es muß halten und sollte nicht die Schwerkraft außer Kraft setzen. Es ist keine Regel bekannt, die bei Wappen- oder Helmschauen verboten hätte, den Helm auf eine rechte oder linke Ecke zu setzen oder einen zweiten Haken zu verwenden. Es mußte einfach halten, und deshalb ist heraldisch akzeptabel, was plausibel hält. Und das wiederum ist eine Frage der Befestigung - aber man hat solche Kombinationen ja nicht nur einfach an eine Wand gelehnt, sondern an Haken oder Nägeln oder mit Riemen aufgehängt, und dann ist auch so etwas möglich. Das Unbehagen des scheinbaren Umkippens dürfte sich erledigen, wenn man sich vorstellt, daß da jemand zwei Nägel in die Wand geschlagen hat, einen für den Schild und einen für den Helm, denn das dürfte halten. Es gehen auch drei Nägel, zwei für den Schild, damit er trotz schräg angebrachter rückseitiger Riemen gerade hängt, und ein Nagel für den Helm.
Viel wichtiger ist in der Nach-Turnier-Heraldik, eben unserer heutigen Papierheraldik, ob es optisch, ästhetisch ebenfalls "hält". Das optische Gleichgewicht muß stimmen, der Gesamteindruck muß ein harmonischer sein. Wenn jemand einen Helm mit symmetrischen Decken ans äußerste Kantenende positionierte, würde man den Aufriß sofort zurückweisen, weil eben keine Harmonie gegeben ist. Der hier diskutierte Stil enthält jedoch meistens eine Helmdecke, die mit großem Schwung nach heraldisch links zieht und dann in großem Bogen um den Schild herumgreift. Die große Masse der Helmdecke ist also auf der anderen Seite, so daß sich insgesamt der optische Schwerpunkt wieder korrigiert. Es ist insgesamt eine Aufrißmethode von großer Dynamik, die ein empfindliches Spiel mit dem Gleichgewicht treibt. Die dynamisch zur anderen Seite gezogene Helmdecke "zieht" den Helm optisch zurück und bewahrt die Gesamtkomposition vor dem optischen "Umkippen".
Die Abbildung solcher Aufrisse wird in einem Standardwerk der Heraldik, dem "Leonhard", gezeigt. Der Heraldiker Wolfgang Lang hat ebenfalls solche Decken verwendet. Etliche Aufrisse dieser Künstler wurden in der Deutschen Wappenrolle eingetragen: Bonell, Band: XXX Seite: 68 Nummer: 7153/77, Weichbrodt, Band: LII Seite: 63 Nummer: 9175/89, Hugendubel, Band: XLV Seite: 12 Nummer: 8500/85, Kraus, Band: XL Seite: 18 Nummer: 8028/83, Lang, Band: XXXIX Seite: 81 Nummer: 8004/83, Leonhard, Band: XXXIX Seite: 48 Nummer: 7700/81, Moser, Band: XXXVI Seite: 18 Nr. 7658/81, Derrix, Band: XXXVIII Seite: 69 Nummer: 7940/82, Groth, Band: XXXVII Seite: 72 Nummer: 7614/80, Heim, Band: XXXIII Seite: 38 Nummer: 7221/77, Hohenleitner, Band: XXXIII Seite: 39 Nummer: 7429/79, Gerber, Band: XXXVI Seite: 9 Nummer: 7639/80, Settgast, Band: XXX Seite: 61 Nummer: 7119/76 u. v. a. m. Bei Otto Hupp finden sich solche Darstellungen, z. B. Münchner Kalender 1902, Wappen Oberndorf.
Leonhard, Lang und Hupp - alle drei waren virtuose Künstler, und bei diesem Grad an künstlerischem Können ist auch eine grenzwertige Darstellung noch künstlerisch überzeugend. Wer künstlerisch überzeugt, darf sich die Freiheit nehmen: "Wer kann, der darf". Deshalb möchte ich die Entscheidung, ob so etwas "geht", ob so etwas akzeptiert wird, immer vom harmonischen Gesamteindruck abhängig machen. Ein Könner wird auch eine solche asymmetrische Herausforderung meistern, so wie ein Stümper auch noch eine schulbuchmäßige Darstellung verschandeln kann. Wichtig ist, daß die durch das Versetzen des Helmes entstandene Lücke durch eine hinten hochgezogene Helmdecke optisch geschlossen wird und daß eine kraftvoll nach heraldisch links gezogene Decke optisch das "Herunterfallen" verhindert. So entsteht ein dynamischer, spannungsgeladener Aufriß, bei dem die nach vorne drängenden Kräfte des Helmes durch die nach hinten bremsenden Gegenkräfte der Helmdecke kompensiert werden. So ein Aufriß strotzt vor gebändigter Angriffslust - und im Grunde ist das doch genau das, was angreifende Tiere in Schilden und Kleinoden auch tun.
Die Grenzen liegen einerseits in der geraden Schildoberkante. Sobald diese geneigt ist, sieht es nicht mehr ästhetisch aus, sondern heruntergerutscht, nicht mehr angriffslustig, sondern schwächlich und kurz vor dem Herunterfallen. Durch die Neigung eines Schildes wandert die rechte obere Ecke so weit nach rechts aus, daß der Abstand vom optischen Schwerpunkt einfach nicht mehr zu kompensieren ist. Andererseits liegen die Grenzen darin, daß das nur bei einer Profildarstellung geht, nicht bei einer frontal dargestellten Helmzier, die nach Mittenpositionierung auf gerader Schildoberkante oder auf Eckpositionierung auf geneigtem Schild ruft.
Größe
des Helmes:
Die Größenverhältnisse müssen denen
der echten Waffen entsprechen. Bei einer Darstellung im heute
üblichen heraldischen Stil sollten folgende Proportionen
gewählt werden: Helmzier: 3 Teile, Helm: 2 Teile, Schild: 3
Teile. Dabei ist die Schildhöhe gemeint, nicht die Diagonale bei
geneigten Schilden.
Stilistische
Einheit
Stilistische Kongruenz des
Helmes mit dem Rest des Wappens ist wichtig. Man kann nicht einen
gotischen Topfhelm zu einer zersplissenen Decke des Manierismus
verwenden, und man kann nicht einen Bügelhelm des Renaissance
mit einem einfachen ungeteilten Tuch kombinieren. Die einzelnen
Elemente sollten so etwa der selben Zeit entstammen.
Weiterhin sollen die Teile auch länderspezifisch im Stil aufeinander abgestimmt sein. Es gibt Helme und Schildformen, die nicht in Deutschland in Gebrauch waren. Auch deren Verwendung für ein deutsches Wappen wäre ein Stilbruch.
Die Verwendung unpassender Helme kann ein ganzes Wappen ruinieren. Sie kann aber bei Darstellungen auch ein Indiz für Fälschungen sein, so gibt es eine ganze Reihe von stereotypen Fälschungen, die eine amerikanische Firma einst verkauft hatte, die neben anderen Fehlern einen schottischen Esquire-Helm mit meist viel zu mickriger Helmzier verwendet.
Helm
und Blasonierung
Normalerweise wird ein Helm
nicht in der Blasonierung erwähnt, kann aber. Einem
aufreißenden Heraldiker ist aufgrund der Gepflogenheiten klar,
welcher Helm angemessen ist. Es kommt dabei aber auch auf den
textlichen Zusammenhang an. Ein Blason ohne jede Erwähnung eines
Helmes ist vollkommen korrekt, und selbstverständlich zeichnet
ein Heraldiker dieses Wappen MIT Helm, und zwar einem
angemessenen.
Ausland:
Helmlose
Wappen
Jedes nach strengen heraldischen
Regeln gezeichnete Wappen hat einen Helm. Berechtigte Ausnahmen
sind:
Cave:
Der Helm ist niemals Träger
von Symbolik. Er unterliegt in seiner Gänze der künstlerischen
Freiheit innerhalb der Konventionen. Schmuckelemente an Helmen
oder die Form der Luftlöcher mit einer Symbolik auszustatten ist
völlig unangemessen, weil per se hinfällig. Jeder dürfte das
Wappen unter vollständiger Ignorierung der diesbezüglichen
Angaben neu aufreißen.
Beispiele echter historischer Helme:
historische Stechhelme in der Rüstungssammlung von Schloß Ambras, Innsbruck
historische Stechhelme in der Rüstungssammlung von Schloß Ambras, Innsbruck
Kurioses
am Rande:
Oben ist ausführlich
behandelt worden, welche Helme heraldische Helme sind und welche
nicht. Ganz sicher sind Helme römischer Legionäre mit
seitlichen Wangenblechen und obenauf getragenem Helmbusch
zutiefst unheraldisch, einverstanden? Denn römische Helme wurden
nie von Rittern getragen, und statt Helmbusch haben die Ritter ja
ihre Helmzier. Dann begeben wir uns nach Landshut, auf die
Rückseite der Stadtresidenz - und was sehen unsere erstaunten
Augen dort? Ein Prunkwappen des Herzogs "beider Bayern"
aus der Renaissance, mit den beiden wohlbekannten Helmzieren der
Herzöge von Bayern - auf zwei Dingern, die erstaunlicherweise an
römische Legionärshelme erinnern und zusätzlich zu den
korrekten Helmzieren noch den Helmbusch antiker Helme tragen. Nun
ja, keine Regel ohne Ausnahme, und die Italien- und
Antikenbegeisterung dieser Zeit hat wohl diese absolut
regelbrechende, aber wahre Kombination erzeugt. Ein Dokument
einer Zeit im Umbruch, und deshalb einzigartig - aber mit
Sicherheit kein Vorbild.
Beispiel: Landshut, Stadtresidenz, Rückseite.
Heutige
Wappenstiftungen - liebe Wappenstifter in spe...
Sie möchten ein gutes Wappen?
Eines, das problemlos von deutschen Wappenrollen eingetragen
wird? Ein Wappen, bei dem Andere "Wow, wie schön!"
sagen? Dann halten Sie sich doch bitte an das Gesagte. Nicht ohne
Grund hat sich über die Jahrhunderte ein Kanon akzeptierter
Helme und ein Konsens bezüglich der für gut befundenen
Grundformen herausgebildet. Jeder Heraldiker kann ein Lied von
den einschlägig berüchtigten
Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Wappenstiftern singen, die z. B.
obige Relieftafel in Landshut sehen und sagen: "Geht doch!
So was will ich auch." Nein, lieber Leser, es geht nicht, es
gilt als falsch. Was steht oben: "Kurioses". Es wurde
mal gemacht, als gestalterisches Experiment, und wie die
Entwicklung gezeigt hat, es hat sich nicht bewährt, weil die
inhaltliche Harmonie fehlt. Heraldik lebt, also wurde zu allen
Zeiten ausprobiert. Gestalterische Sackgassen wurden jedoch nicht
weiter verfolgt, weil es sich nicht durchsetzte. Der Römerhelm
ist aus heutiger Sicht inakzeptabel, und kein ernstzunehmender
heraldischer Verein würde so etwas in seine Wappenrolle
aufnehmen. Warum nur will diese Sorte Wappenstifter immer das
"Unmögliche", das Absonderliche für sich, wo doch die
ganze Welt voll ist von guten und richtigen Vorbildern (siehe
Folgekapitel)? Gestalterische Sonderwege kamen immer vor,
geschenkt. Man findet immer ein Belegbeispiel für alles, was man
beweisen möchte, wenn man nur lange genug sucht. Nur - ist der
mühevoll aufgestöberte Fund relevant? Entspricht er dem
Konsens? Mitnichten. Es gibt keinen Grund, gestalterische
Sackgassen vergangener Zeiten wieder aufleben zu lassen, nur um
aufzufallen. Genauso ist das mit Helmen aus anderen heraldischen
Traditionen: In der britischen Heraldik kommen etliche Helme vor,
die in der deutschen Heraldik keinerlei Akzeptanz genießen. Wer
partout einen solchen Helm möchte, lasse doch bitte sein Wappen
einfach in England registrieren. Aber, mein Tipp, der andere Weg
ist besser, preiswerter und einfacher.
Zusammenfassung:
Literatur,
Links und Quellen:
Heinrich Hussmann: Über deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus
meinen Vorlesungen, Guido Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold",
Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften,
Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz
Verlag 2000, Callwey Verlag 1978, daran sind die Helmzeichnungen
orientiert
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München
2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4
(Deutschland)
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