Bernhard
Peter
Rang-
und Würdezeichen in der Heraldik
Arten
von Rang- und Würdezeichen
In der Heraldik gibt es
verschiedene Mittel, Rang und Würde eines Trägers
auszudrücken. Die unterschiedlichen Rang- und Würdezeichen
umfassen sowohl den Schild im Sinne zusätzlicher Felder oder
Herzschilde als auch die Prunkstücke. Es gibt Würdezeichen, die
in das Wappen aufgenommen werden, und es gibt solche, die
regelmäßig, fakultativ oder adjuvant als nichtessentieller Teil
hinzugefügt werden, und es gibt solche, die andere
Wappenbestandteile ersetzen. Im einzelnen unterscheiden wir:
Rangkronen
Rangkronen sind Kronen und andere
Kopfbedeckungen, die allein den Zweck haben, den Rang des
Trägers anzuzeigen. Durch die Art der Kronen wurden
Briefadelige, Ritter und Edle, Freiherren und Barone, Grafen,
Fürsten und Kurfürsten, Herzöge, Großherzöge, Könige und
Kaiser voneinander unterschieden. Dafür ist Voraussetzung, daß
ein allgemein verständliches System der Identifizierung von
Rängen existiert. Gestalterisch schaffte man das durch eine
unterschiedliche Kronenform, unterschieden durch Art und Anzahl
der Zinken, die blattartig oder spitz und perlenbesetzt sein
konnten, und ggf. durch das Vorhandensein von Kronbügeln und
ihre Anzahl und mit unterschiedlich hohen, mützenartigen
Fütterungen. Ein solches protokollarisches System bildete sich
im 16. Jh. heraus. In der Früh-, Hoch- und Spätgotik waren
Rangkronen nicht nur unüblich, sondern unbekannt. Deshalb haben
sie auch in Aufrissen in Kunststilen, die vor dem 16. Jh. üblich
waren, nichts verloren. Es handelt sich bei den Rangkronen -
abgesehen von einigen Kaiser- und Königskronen - um ein
fiktives, symbolisches System, das nur in der darstellerischen
Kunst verwendet wurde, nicht realiter: Kein Graf oder Freiherr
trug tatsächlich eine solche Krone, wie er sie auf dem oberen
Schildrand seines Wappens darstellte. Im einzelnen sind die
Systeme länderspezifisch, so wird in Großbritannien ein anderes
System als in Deutschland verwendet, so wie auch jedes
europäische Land seine speziellen Ränge hat (cave, Sonderfall:
Schweiz). Rangkronen sitzen fest auf dem oberen Schildrand, haben
also Kontakt zu diesem und schweben nicht frei darüber.
Anfang des 17. Jh. taucht der Ersatz eines klassischen Oberwappens durch eine Rangkrone in den Wappenbriefen der Reichskanzlei erstmals auf. Es bestand noch kein allgemeines System, und die Kanzlei stand zunächst der neuen Mode unsicher und bisweilen auch hilflos gegenüber. Aber schon damals war klar, daß es sich um etwas anderes handelte, das das bisherige Oberwappen nicht ergänzt, sondern ersetzt. So formuliert z. B. eine Bestätigung des rittermäßigen Adelsstandes für den kurkölnischen Geheimrat Wilhelm Ducker aus dem Jahre 1687: "dass sie den helm sambt den Armen und der Sonne nach belieben wegtuen und an deren statt eine mit Diamanten und Perlen gezierte Cron darauf setzen mögen". Wie die Krone aussehen sollte, war der Reichskanzlei selbst noch nicht ganz klar, aber unzweifelhaft wurde festgelegt, daß die Rangkrone als Alternative "an deren Statt" geführt werden solle.
In der österreichischen Hofkanzlei in Wien bildete sich erst im Verlauf des 18. Jh. ein festes Schema der Rangkronen heraus, später als in anderen europäischen Ländern und als im Reich. Das Habsburgerreich hatte zunächst noch ein eigenes Kronensystem, das erst spät dem deutschen System angeglichen wurde. Erst 1862 wurde in der Habsburgermonarchie die Freiherrenkrone mit sieben Perlen sanktioniert, und erst 1877 die Rangkronen überhaupt. So gibt es den Fall des Feldmarschallleutnants Florian Macchio, der 1861 ein freiherrliches Wappen mit einer fünfperligen Freiherrenkrone bekam, das 1880 anläßlich der Hinzufügung einer Devise entsprechend den neuen Gepflogenheiten mit einer siebenperligen Freiherrenkrone umgezeichnet wurde. Beide Diplome zeigen aber die Rangkrone auf dem Schild und darüber die Helmzier mit Helm.
Deutsche
Rangkronen
In Deutschland (und Österreich)
waren folgende Rangkronen in Übereinstimmung mit dem bis 1918
geltenden Adelsrecht gebräuchlich:
Allgemeine Adelskrone, vom Briefadel genauso wie vom Uradel verwendet: Ein goldener, mit Perlen und/oder Edelsteinen besetzter Reif mit fünf Zacken auf dem oberen Rand, die Zacken 1, 3 und 5 groß und blattartig, die Zacken 2 und 4 klein, spitz mit einer Perle als oberem Abschluß. Das ist die einzige Krone, die in Deutschland als Helmkrone Akzeptanz genießt, dort aber nicht die Funktion einer Rangkrone hat. Die hat sie nur, wenn sie allein auf dem oberen Schildrand positioniert wird.
Abb.: allgemeine Adelskrone an der Stadtpfarrkirche Braunau, Epitaph an der Außenwand
Freiherrenkrone: Ein goldener Reif mit sieben Zacken auf dem oberen Rand, alle spitz und mit einer Perle als oberem Abschluß. Da man nur die vordere Reihe der virtuellen Krone "sieht" inclusive der beiden äußersten Zacken, hätte sie insgesamt 12 Zinken.
Abb.: siebenperlige Freiherrenkrone am Schloß Trautskirchen
Grafenkrone: Ein goldener Reif mit neun Zacken auf dem oberen Rand, alle spitz und mit einer Perle als oberem Abschluß. Da man nur die vordere Reihe der virtuellen Krone "sieht" inclusive der beiden äußersten Zacken, hätte sie insgesamt 16 Zinken.
Abb.: neunperlige Grafenkrone auf einer Gedenktafel an der Pfarrkirche Eferding, für Stephan Graf Zichy zu Zich und Vasonykeö (13.4.1780-8.6.1853).
sog. alte Grafenkrone, sog. gräfliche Laubkrone, von alten, reichsständischen Grafenfamilien geführt: Ein goldener Reif mit neun sichtbaren Zacken auf dem oberen Rand, die Zacken 1, 3, 5, 7 und 9 groß und blattartig, die Zacken 2, 4, 6 und 8 klein, spitz mit einer Perle als oberem Abschluß.
Alte Grafenkrone der Grafen von Schönborn in Wiesentheid, Kirche
Erlauchtkrone für erlauchte Grafen: Ein goldener Reif mit fünf Zacken auf dem oberen Rand, alle blattartig gestaltet, daraus sich erhebend eine purpurne Mütze ohne Bügel. Je nachdem, wer sie trägt, ist oben auf der Mütze ein Reichsapfel (Familienoberhaupt, Chef des Hauses) zu sehen oder ein Hermelinschwänzchen (Nachgeborene, Nachkommen des noch lebenden Familienchefs).
Fürstenkrone: Ein goldener, mit Perlen und/oder Edelsteinen besetzter Reif mit fünf Blattzinken, daraus sich erhebend eine purpurne Mütze, über die drei sichtbare Bügel mit Perlenbesatz führen, oben ein Reichsapfel.
Fürstenhut: Ein Hermelinstulp, daraus sich erhebend eine purpurne Mütze, über die drei sichtbare Bügel mit Perlenbesatz führen, oben ein Reichsapfel (also wie eine Fürstenkrone, aber mit Hermelinreif).
Abb.: Schloß Langenenslingen, Fürstenhut über dem Wappen der Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen
Kurhut: Ein Hermelinstulp, daraus sich erhebend eine purpurne Mütze, über die anfangs kein, dann nur ein sichtbarer Bügel mit Perlenbesatz in der Mitte führte, die schließlich aber drei bis fünf Bügel hatte, oben ein Reichsapfel (also wie ein Fürstenhut mit zeitabhängiger Anzahl Bügel).
Abb.: Weinheim, Deutschordenshaus, neuerer Kurhut mit fünf sichtbaren Bügeln
Herzogskrone: Ein goldener, mit Perlen und/oder Edelsteinen besetzter Reif mit neun Zacken auf dem oberen Rand, die Zacken 1, 3, 5, 7 und 9 groß und blattartig, die Zacken 2, 4, 6 und 8 klein, spitz mit einer Perle als oberem Abschluß, daraus sich erhebend eine purpurne, ganz hohe Mütze, über die fünf sichtbare Bügel mit Perlenbesatz führen, oben ein Reichsapfel (also unten wie eine Alte Grafenkrone, oben wie eine Fürstenkrone, aber mit 5 Bügeln).
Großherzogskrone: Ein goldener, mit Perlen und/oder Edelsteinen besetzter Reif mit neun Zacken auf dem oberen Rand, die Zacken 1, 3, 5, 7 und 9 groß und blattartig, die Zacken 2, 4, 6 und 8 klein, spitz mit einer Perle als oberem Abschluß, daraus sich erhebend eine purpurne, halb hohe Mütze, über die fünf sichtbare Bügel mit Perlenbesatz führen, oben ein Reichsapfel (also wie die Herzogskrone, Mütze aber nur halb hoch).
Abb.: hessische Großherzogskrone am Schloß in Bad Homburg vor der Höhe
Königskrone: Die heraldische Königskrone ist eine Standardkrone und entspricht nicht dem tatsächlichen Aussehen der jeweiligen Krone, die meist real existiert: Ein goldener, mit Perlen und/oder Edelsteinen besetzter Reif mit neun Zacken auf dem oberen Rand, die Zacken 1, 3, 5, 7 und 9 groß und blattartig, die Zacken 2, 4, 6 und 8 klein, spitz mit einer Perle als oberem Abschluß, daraus sich gar keine Mütze erhebend, darüber fünf sichtbare Bügel mit Perlenbesatz, oben ein Reichsapfel (also wie die Herzogskrone ohne Mütze bzw. Futter). Viele Länder oder Souveräne führten hingegen nicht die heraldische, sondern die tatsächliche Krone: Böhmen, Ungarn, Hannover (s. u.), England/Großbritannien.
Abb.: Hannoversche Königskrone am Portikus des Leineschlosses in Hannover
Kaiserkrone: Ein goldener Kronreif umgibt eine Mitra; zwischen den beiden Hälften der Mitra führt ein einzelner, mittig angeordneter Bügel hindurch, der oben mit dem Reichsapfel besetzt ist. Das ist die Form der bis 1918 aktuellen österreichischen Kaiserkrone.
Abb.: Kaiserkrone am Wappen des Buchhorner Amtshauses in Eriskirch
historische Kaiserkrone = Krone Karls des Großen, Krone des alten Deutschen Reiches bis 1806: eckiger Grundriß, besteht aus acht Platten, die oben halbkreisförmig abgerundet sind; die vorderste Platte ist erhöht und trägt ein Kreuz, alles ist mit Edelsteinen und Emaileinlagen verziert; ein einzelner, perlenbesetzter Bogen spannt sich hinter dem Kreuz über die Krone. Es handelt sich dabei um eine historische Krone, die heraldisch nur eine untergeordnete Rolle spielt, denn sie fand heraldisch nur 1804-1806 und kurzfristig 1871 Verwendung, abgesehen von der Kennzeichnung des Erzamtes in Wappen des Hauses Hannover.
Britische
Rangkronen
Die Briten haben parallel ein
anderes System an Rangkronen entwickelt. Britische Rangkronen
gehören prinzipiell auf britische Wappen und haben in deutschen
Wappen nichts zu suchen! Ausnahme: Haus Hannover als britische
Könige und Prinzen. So schön sie der Einzelne auch finden mag -
hier geht es nicht um Geschmack, sondern erstens darum, daß das
System in sich schlüssig sein muß, und zweitens darum, daß
britische Rangkronen auch heute noch in einer lebendigen
Monarchie ihre Bedeutung haben, die man sich nicht einfach
unberechtigt aneignen kann.
Abb. oben: Britische Baronets-Rangkrone (undatiertes Exlibris von B. & J. Warwick für Sir William Forbes of Pitsligo, Baronet of Nova Scotia). Der goldene Kronreif trägt sechs silbene Perlen, von denen vier sichtbar sind, und keine Mütze.
Abb. oben: Britische Barons-Rangkrone (Exlibris aus dem frühen 19. Jh. ist von unbekannter Hand für William Crosbie (1.11.1771-1832), 4th Baron Brandon). Der goldene Kronreif trägt sechs silberne Perlen, von denen vier sichtbar sind, und daraus sich hervorwölbend eine rote Mütze.
Die britische Viscount-Rangkrone: Der goldene Kronreif trägt sechzehn silberne Perlen, von denen neun sichtbar sind und sich gegenseitig berühren, und daraus sich hervorwölbend eine rote Mütze.
Abb. oben: Britische Earls-Rangkrone (Exlibris von unbekanntem Künstler für Charles Talbot (8.5.1753-1827), 15th Earl of Shrewsbury). Der Kronreif trägt acht in einer silbernen Kugel endende, lange Zinken, von denen fünf sichtbar sind, dazwischen jeweils ein Blattzinken, wovon vier sichtbar sind, und daraus sich hervorwölbend eine rote Mütze.
Die britische Marquess-Rangkrone: Der goldene Kronreif trägt vier in einer silbernen Kugel endende, lange Zinken, von denen drei sichtbar sind, dazwischen jeweils ein Blattzinken, wovon zwei sichtbar sind, und daraus sich hervorwölbend eine rote Mütze.
Abb. oben: Britische Rangkrone eines Duke (Exlibris von unbekanntem Künstler für Edward Howard (5.6.1686-1777), 9th Duke of Norfolk). Der goldene Kronreif trägt acht Blattzinken, von denen fünf sichtbar sind, und ist ohne Mütze.
Abb. oben: Die britische Prince-/Princess-Rangkrone (Exlibris von Perkins and Heath für August Frederick von Hannover (27.1.1773-21.4.1843), Duke of Sussex und Prinz von Großbritannien): Der goldene Kronreif trägt fünf zu einem Tatzenkreuz geformte Zinken, von denen drei sichtbar sind, dazwischen jeweils ein Zinken in Form einer oberhalben Lilie, wovon zwei sichtbar sind, und daraus sich hervorwölbend eine rote Mütze.
Abb. oben: Die britische Imperial Crown (hier als Helmkrone mit dem erneut gekrönten Löwen als Helmzier) des Königs von Großbritannien am Fort Galle in Sri Lanka.
Literatur,
Links und Quellen:
Heinrich Hussmann: Über deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus
meinen Vorlesungen, Guido Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold",
Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften,
Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz
Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München
2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4
(Deutschland)
Eckart Henning, Repetitorium
Heraldicum, 150 Fragen und Antworten zur Wappenkunde, BibSpider,
Berlin 2010, ISBN 978-3-936960-43-3, 110 S.
Michael Göbl: Die Entwicklung heraldischer Normen im Heiligen
Römischen Reich und in der Habsburgermonarchie, in:
Herold-Jahrbuch, Neue Folge, 19. Band, Selbstverlag des Herold,
Berlin 2014, ISBN 978-3-9804875-8-0, S. 53 ff.
Michael Göbl: Neuer Kronen-Atlas, Schleinbach 2009
Oskar Freiherr von Mitis: Zur Geschichte der Rangkronen, in:
Jahrbuch Adler 17, 1907, S. 158 ff.
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