Bernhard
Peter
Zunftwappen
und Berufswappen
Die seit dem 14. Jh. erscheinenden Zunftwappen und Berufswappen sind wappenähnliche Symbole, deren Führungsberechtigung an die Ausübung eines bestimmten Berufes geknüpft ist. Sie sind damit ein Gemeinschaftszeichen. Sie können im Gegensatz zu Familienwappen auch von nicht miteinander im Mannesstamm verwandten Personen geführt werden, und sie werden nicht nach den Regeln klassischer Familienheraldik weitergegeben. Das heraldische Zeichen dient dem gesamten Berufstand der entsprechenden Handwerke als Kennzeichnung und wurde von den Angehörigen des Berufstandes nicht als eigenes Familienwappen verwendet. Es ist auch keine Schutzmarke einer bestimmten Werkstatt, sondern allen dieses Berufstandes zugehörig.
Die Verwendung unterliegt der Selbstverwaltung der Institutionen der jeweiligen Berufe (Zünfte, Gilden), und in der frühen Zeit (14. bis frühes 16. Jh.) war das ein Symbolwesen außerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Herolde, wodurch praktisch keine Vereinheitlichung möglich war. Erst später ab dem 16. Jh. kümmerten sich die Hofkanzleien auch um diesen Bereich der Heraldik, und bestehende Zunftwappen wurden verbrieft und bestätigt.
Die Anbringung des entsprechenden Wappensymboles an einem Handwerkerhaus ist in jedem Fall eine Art Garantie für ordentliche, den Regularien der jeweiligen Zunft unterliegenden Arbeit und für einen Meisterbetrieb, denn nur Meister durften die Symbole verwenden. Damit erfüllt ein Zunftwappen eine Art Garantiefunktion.
Typischerweise besteht ein Zunft- oder Berufswappen inhaltlich aus typischen Handwerksgeräten (z. B. Fleischer: Beile und Ochsenkopf, Schmide: Hammer und Zange, Müller: Mühlrad) oder Handwerkserzeugnissen (z. B. Bäcker: Brezel, Goldschmiede: Pokal) und ist ein redendes Wappen, das es auch bei großen regionalen Unterschieden im Detail erlaubt, den Berufstand auf Anhieb zu erkennen. Eine weitere Quelle für Motive stellen die jeweiligen Schutzheiligen der Handwerke dar (z. B. Cosmas und Damian für die Bader und Barbiere, Eligius für die Schmiede). Während bei Zunftwappen Oberwappen nur sporadisch vorkommen, sind Schildhalter hingegen ein beliebtes Prunkstück.
Nach dem Untergang der Zünfte wurden aus den Zunftwappen Innungswappen oder ganz allgemein Berufswappen.
Bildbeispiel: Dieses Berufswappen befindet sich über einem auf 1717 datierten Portal in der Altstadt von Herrenberg. Der Eigentümer wird in der Zwischenzone genannt: Marx Hepp, Steinhauer. Die barocke Wappenkartusche, in der verschiedene Baumeister- und Steinhauer-Werkzeuge wie Reißlineal, Winkel, gestürzter Zirkel, Keilhaue (senkrecht nach oben gerichtet), Steinklöppel, Krönel (schräglinks gelegt) etc. sich gegenseitig überkreuzend abgebildet sind, wird auf dem mittig nach oben gebogenen Gesims beiderseits von einem Delphin begleitet, aus dessen geöffnetem Maul jeweils ein draller Putto schlüpft. Das Wappen ist ein Berufs-Wappen, denn der Beruf des Steinhauers wird durch alle möglichen Steinbearbeitungs- und Bau-Werkzeuge bildlich umgesetzt.
Bildbeispiel: Ein Exlibris aus dem Jahr 1893, entworfen von Georg Otto (6.9.1868-17.5.1939) für die Bibliothek des deutschen Graveur-Vereins. Es handelt sich um ein Berufswappen, das dem Handwerk entsprechend typisches Handwerkszeug zeigt. Schräggitterartig sind darin miteinander verschränkt ein nach unten offener Reißzirkel, ein schräglinksgelegtes Lineal, ein schrägrechtsgelegter Graveurhammer und ein schräglinksgelegter Stichel. Verdeckt ist ein neben dem Hammer ebenfalls schrägrechts gelegtes "Rad", ein Werkzeug zum Gravieren von Edelsteinen. Die Schildfarbe ist Rot, alle Werkzeuge sind silbern. Der Graveur- oder Ziselierhammer wird zum Meißeln, Treiben, Ziselieren und Einschlagen von Punzen benutzt, wobei der Kopf auf der einen Seite breit und flach scheibenförmig ist und auf der anderen Seite klein und kugelförmig. Symmetrische Stiele wie hier sind eher für Graveurhämmer üblich, asymmetrische, keulenförmige Stiele eher für Ziselierhämmer. Für den Stichel ist charakteristisch, daß er ein asymmetrisches Heft hat, welches an der Unterseite (hier obenliegend) auf Höhe der Halterung flach abgeschnitten ist, damit der Stichel ganz flach über das Werkstück geführt werden kann. Die Helmzier hat als Kleinod einen roten Flug, der beiderseits außen mit den drei silbernen Schildchen des allgemeinen Künstlerwappens belegt ist. Die Helmdecken und der Wulst sind rot-silbern. Auch die Tinkturen des Schildes sind an die des Künstlerwappens angelehnt. Der Deutsche Graveur-Verein in Berlin wurde 1863 gegründet und ging in der Graveur- und Ziseleurinnung Berlin auf.
Abb.: Brügge (Westflandern, Belgien), Treppenaufgang vor der Heilig-Blut-Basilika. Über den beiden linken, offenen Arkaden, hinter denen der Zugang zur Unterkirche liegt, befinden sich zwei sehr ähnliche Schilde. Beide sind von roter Feldfarbe, beide haben im Schildhaupt zwei Schildchen nebeneinander, der jeweils rechte mit dem Löwen Flanderns und der jeweils linke mit dem Stadtwappen Brügges. Der optisch linke Schild besitzt als Hauptmotiv einen aus dem Schildrand kommenden, sparrenförmigen, gotischen goldenen Wimperg mit Dreipaß-Maßwerk unten und Krabben und Kreuzblume oben, das Mauerwerk nach der Figur belegt mit fünf schwarzen Werkzeugen (Greifzirkel, Hammer, Schlägel, Kelle und Winkeleisen). Bei diesem Wappen handelt es sich um ein Berufs- bzw. Zunftwappen der Maurer (metselaars). Der andere Wappenschild trägt als unterscheidendes Hauptmotiv einen balkenweise gelegten Stab, an dem fünf frisch gezogene Kerzen an ihren Dochten aufgehängt sind, alle Figuren golden. Auch bei diesem Schild handelt es sich um ein Berufs- oder Zunftwappen, diesmal der Kerzenzieher (kaarsgieters).
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers
Wappenbücher,
insbesondere Band Berufe
Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Von Apfelkreuz bis
Zwillingsbalken. Battenberg-Verlag, 2. Auflage 2006, ISBN:
3-86646-010-4
Walter
Leonhard: Das große
Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag
1978
Zunftwappen: http://www.hicleones.com/zunft.php und http://www.kidsnet.at/Sachunterricht/zunftzeichen.htm
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