Bernhard
Peter
Heraldik:
Was macht eigentlich ein Herold?
Herkunft und Entwicklung
der Herolde:
- Vorläufer waren die Crogierare (12.
Jh.) und die etwas höher eingestuften Garzune (vgl.
garçon, Wende 12./13. Jh.), einfache Turnierhelfer, die
zu den "Fahrenden" zählten und entsprechend
rechtlos waren. Kenner und Künder von Heraldik sind seit
1173 nachgewiesen.
- Gegen Mitte bis Ende des 13. Jh.
"Knappen von den Wappen", offiziell in Dienst
gestellte Turnierhelfer, ebenfalls Vorläufer der Herolde
- 1285 "Hiran", verstümmelte
französische Version
- Ab Mitte des 14. Jh.
"Herolde", im Französischen
"hérault", der Begriff eines Herolds ist in
Deutschland erstmals 1367 belegt, es gab
"freie" Herolde und Herolde in einem
Dienstverhältnis. Von dem Begriff leitet sich die
"Heraldik" ab.
- in der Blütezeit bis Anfang 16. Jh.
lag das gesamte Wappenwesen in den Händen der Herolde
- Ab Mitte 16. Jh. beschränkt sich der
Aufgabenkreis auf repräsentative Pflichten bei Hofe, die
ursprünglichen Aufgaben werden ab dem 18. Jh. durch
Heroldsämter und Wappeninspektoren institutionalisiert.
Gesellschaftliche
Position:
- Inhaber absoluter Vertrauenspositionen
- Soziale Herkunft bedeutungslos. Meist
vorher Boten, Ausrufer, Gesinde, Spielleute,
Abendunterhalter, aber auch aus höheren Ständen kommend
- ihre Position ist von der sozialen Herkunft unabhängig
- führen eigene Amtsnamen (nach
Ländern, Provinzen etc.)
- Strukturiert in:
- Wappenkönig (König der
Herolde)
- Herold (Benennung nach
Provinzen üblich)
- Persevant (Amtsanwärter,
Gehilfe, konnte nach 7 Jahren Herold werden)
allgemeine Pflichten und
Voraussetzungen:
- Kenntnis aller relevanten Wappen und
Abstammungen
- ausgedehnte Personenkenntnis
- detaillierte Kenntnis der ritterlichen
Kampftechniken und des höfischen Lebens
- Sprachkenntnis, bei diplomatischen
Missionen auch ausgedehntere Fremdsprachenkenntnisse
- Lesen und Schreiben können
- Bekanntmachung von Verfügungen des
Dienstherrn, gehören zum Kern des sich langsam
herausbildenden Hofstaates
- Übernahme diplomatischer Missionen
Pflichten bei einem
Kampf:
- Keine Waffen tragend, kein Eingriff in
Kampfeshandlungen, im Kampfgetümmel nur einen
Ringelpanzer unter dem Waffenrock tragend
- Übermittlung von Botschaften an
gegenerische Lager (Kampfansagen, Herausforderungen,
Übergaben, Kapitulation, Verhandlungen, Organisation von
Zweikämpfen)
- absolutes Schweigegebot nach Besuchen
im gegnerischen Lager. Ein Herold darf seinem Herrn nur
begründungslos Ratschläge erteilen. Eine Information
dagegen ließe ihn zu einem Spion mit allen Folgen
herabsinken.
- Bezeugung und Beurkundung der
Verleihung von Ritterwürden (vor Kampfeshandlungen war
es üblich, neue Ritter zu schlagen)
- Protokollierung letztwilliger
Verfügungen vor Kampfeshandlungen
- Kenntnisnahme von
Identifizierungsmerkmalen (auch körperlicher Art) von
Kampfesteilnehmern
- Sicherstellen von Wertsachen im Lager
- regelte Fragen des Lösegeldes
- war zuständig für das Aufpflanzen
der Fahnen und für das Einsammeln der erbeuteten
Feldzeichen
- neutrale Beobachter der Schlachten,
Verfolgung des Kampfesgeschehens, Beobachtung und Meldung
des Verhaltens von einzelnen Rittern im Kampf, Klärung
von Streitfragen nach der Schlacht
- führten Musterungsverzeichnisse
- Identifizierung von Gefallenen und
Weitergabe der Namen derselben an die beteiligten
Parteien
- Nach einem Kampf Treffen der Herolde
beider Seiten zur Feststellung des Siegers
- Der ritterliche Ton verlangt, daß
Herolde des Verlierers sich zum Sieger begeben und diesen
zu seinem Sieg beglückwünschen.
Pflichten bei einem
Turnier:
Mit veränderter Rüstungs- und
Waffentechnik war die Zeit der gepanzerten Reiterheere
abgelaufen. Das Wappenwesen verlagerte sich auf die angewandte
Heraldik anläßlich der ritterlichen Kampfspiele.
- Genealogische Prüfung der
Legitimation der Teilnehmer. Die Forderungen wurden immer
härter: Vier adlige Vorfahren, ein Verwandter muß
innerhalb der letzten 50 Jahre an einem Turnier
teilgenommen haben.
- heraldische Prüfung der Legitimation
der Teilnehmer, Durchführung der Helmschau
- Prüfung der Wappen der Teilnehmer auf
Richtigkeit, Prüfung auf Einhaltung der heraldischen
Regeln. Zurückweisung von Wappen, die gegen die Regeln
verstoßen, war möglich.
- Anlage von entsprechenden
Teilnehmer-Listen (Gelegenheitswappenrollen) und
allgemeiner von Wappenbüchern oder Wappenrollen zum
eigenen Gebrauch.
- Organisation, professionelle
Durchführung der Ritterspiele
- Schiedsrichterfunktion
- Abfassung eines Berichtes über das
Turnier
Rechte:
- Unverletzlichkeit, Immunität
- Recht, gegnerische Lager als
Parlamentär zu betreten und unversehrt wieder zu
verlassen, z. B. um Botschaften zu übermitteln, u, den
Kampf anzubieten, um Waffenstillstände zu vereinbaren,
um Herausforderungen zu Zweikämpfen zu übermitteln, um
Friedensverhandlungen vorzuschlagen oder um Gefangene zu
besuchen.
- Unbewaffnet
- wurden auch nach einem Sieg nicht
gefangengenommen
- gewisse Privilegien wie
Abgabefreiheit, Steuerfreiheit
- Privileg der Freizügigkeit
(Dienstreisen!)
Abb.: Darstellung eines Reichsheroldes mit
Tappert und Fahne auf einem Exlibris aus dem Jahr 1890, entworfen
von Emil Doepler d. J. (1855-1922) für die
Bibliothek des heraldischen Vereins HEROLD e. V.
Der Tappert mit dem Wappen des Dienstherrn, hier des Reiches, ist
das typische Kleidungsstück und Erkennungszeichen eines Herolds.
Kleidung:
- Freie Herolde trugen einen Waffenrock
(Tappert) mit vielen kleinen Wappenschilden.
- Persönlich gebundene Herolde trugen
den Wappenrock des Dienstherren, einen Tappert mit dessen
Wappen.
- Ein Tappert reicht bis zu den Knien,
ist an der Seite offen und hat kurze Ärmel
Historische Bedeutung
der Herolde:
- maßgeblich beteiligt an der
Entwicklung und Dokumentation ritterlich-höfischer
Lebenskultur
- Entwicklung der heraldischen
Fachsprache zum Blasonieren
- Etablierung und Bewahrung heraldischer
Regeln
- Schaffung von Dokumenten wie
Wappenrollen und Wappenbüchern
Literatur,
Links und Quellen:
Heinrich Hussmann: Über deutsche Wappenkunst: Aufzeichnungen aus
meinen Vorlesungen, Guido Pressler Verlag, Wiesbaden 1972
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold",
Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften,
Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz
Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München
2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4
(Deutschland)
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