Bernhard
Peter
Kuriositäten
in der Heraldik
Geharnischte
Arme:
Es gibt
einige wenige
Sonderfälle, in denen das Wappen Bestandteile
enthält, die
nicht dem üblichen Repertoire folgen. Ein solches Beispiel ist
ein geharnischter Arm, der weder zum Schildbild gehörig ist
noch
zur Helmzier noch ein Schildhalter ist: Er kommt aus den
Helmdecken hervor und reicht entweder rechts oder links herab und
ergreift den Schild, oder er hängt einfach lose herunter. Er
gehört nicht zur Helmzier und auch nicht zum Helm, sondern ist
ein Bestandteil für sich, was man daran sieht, daß
bei
Verwendung einer Rangkrone der geharnischte Arm aus der Krone
seitlich herauskommt.
Nicht
Schildhalter, sondern auf dem Schild knieender Helmhalter:
Die
tschechische Stadt Slaný
(deutsch Schlan) führt in Rot einen silbernen,
doppelschwänzigen und golden gekrönten, bewehrten und
gezungten
Löwen, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken einen schwarzen,
mit goldenen gestürzten Lindenblättchen bestreuten
Flug. So
weit, so gut - aber auf dem oberen Schildrand kniet linksgewendet
ein blaugekleideter Jüngling, der den Helm hält.
Früher
führte die Stadt das böhmische Wappen ohne jede
Differenzierung, dann kam dieser ungewöhnliche Junge hinzu,
erst
nackt, später blau gekleidet.
Heraldische
Obszönitäten:
In Italien
gibt es eine
Familie namens Colleoni. Dies wird fast
so
ausgesprochen wie "coglioni", was "Hoden, Ei"
bedeutet. Eigentlich ist es umgangssprachlich für dieses
Körperteil, und die Vokabel taucht beispielsweise in der
Redewendung "Rompere i coglioni a qualcuno" -
"jemandem auf den Sack gehen" auf. Und diese Familie
führt ein äußerst "beredtes" Wappen, in
rot-silbern
geteiltem Schild drei (2:1) Hodensäcke in verwechselten Farben.
In die selbe Richtung geht ein Wappen der Couilleau aus dem Poitou in Frankreich: Der frz. Blason ist: De gueules à cinq paires de testicules d'or en chevron, accompagnées en pointe d'une étoile d'argent - in Rot fünf Hodenpaare sparrenweise, unten begleitet von einem silbernen Stern. Der heute gebräuchlche Ausdruck für Hoden ist im Französischen zwar "testicule", doch in der Umgangssprache ist auch "les couilles" bekannt (vom Sprachniveau her so etwa wie im Deutschen "die Eier", vgl. Larousse: Dictionaire du français argotique et populaire) - die lautliche Nähe zum Familiennamen liegt auf der Hand. Nicht zu verwechseln mit einem "couillon" - das wäre ein "Armleuchter". Dokumentiert ist das Wappen im Emmanuel de Boos, Dictionnaire du Blason, Editions du léopard d'or, Paris, 2001, ISBN 2-83377-170-1
Die 1759 mit Franz Leopold Graf von Putterer erloschene österreichische Familie Putterer (Puttrer) hatte in Gold einen schwarzen Schrägbalken, belegt mit drei goldenen, nach der Figur gelegten Butterwecken (Butterstriezel). Das ist noch langweilig. Doch als Helmzier führten sie auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken eine herrliche Anspielung auf den Namen Putterer = Butterer: eine vollständig nackte naturfarbene Frau mit schwarzen offenen Haaren, die in einem vor ihr stehenden Butterfaß mit einem Stab buttert (Abb. im Steiermärkischen Wappenbuch z. B.). 1728 stiegen die Putterer in den Freiherrenstand auf, und die nackte Frau wurde mit einem dreifarbigen Lendenschurz verhüllt, denn so ging das jetzt gar nicht mehr. Und nur ein Jahr später stieg ein Putterer sogar in den Grafenstand auf, da verschwand die Figur ganz, und sie wurde durch einen untadeligen, aber langweiligen Flug ersetzt. Je höher man aufstieg, desto prüder wurde man. Die Gemeinde Aigen im Ennstal führt die Butterwecken noch heute im Wappen.
Mit
Humor zu nehmen: Unterhosen im Wappen:
Und auch
für Unterhosen im
Wappen war man sich nicht zu fein:
Pfui
Teufel - Blutegel im Wappen:
Das Wappen
der russischen Grafen
von Igelstroem hat als
Stammwappen in
Blau einen schrägrechten silbernen Wellenbalken, belegt mit
fünf (2:1:2) schwarzen Blutegeln (Siebmacher Ost Seite: 55
Tafel: 13, Ost Seite: 156 Tafel: 39). Im vermehrten Wappen findet
sich das Motiv sowohl im Herzschild als auch in den Feldern 1 und
4 des gevierten Hauptschildes. Und auch in Bayern gibt es eine
Familie namens Egloff, Egloff von
Päl, Egloff
von Schönau und Egloff von Zell, die ein ganz
ähnliches Wappen
führt: in Blau einen schrägrechten goldenen
Wellenbalken,
belegt mit drei schwarzen Blutegeln (Siebmacher BayA1 Seite: 134
Tafel: 139, BayA2 Seite: 26 Tafel: 17).
Haare
statt Helmdecken:
Es gibt
Beispiele, wo eine
Helmdecke wegfällt (Verstoß gegen die Regel,
daß jedes
Vollwappen eine Helmdecke hat) und stattdessen durch wucherndes
Haar ersetzt wird (Verstoß gegen die Regel, daß der
Sonnenschutz des Helmes textiler Natur ist).
Ein zweites Beispiel für wallendes Haar statt Helmdecke ist das Wappen der von Utenheim oder Uttenheim bzw. Matzenheim, oder Kloett zu Uttenheim und Matzenheim, einer elsässischen Familie, die im schwarzen Schild einen goldenen Schrägrechtsbalken führen und dazu als Helmzier das Haupt eines wilden Mannes oder Riesen mit langen, wallenden Haaren, die praktisch als Helmdecken benutzt werden. Im Siebmacher ist das Wappen im Band Els., Seite: 13, Tafel: 15 zu finden. Die Familie gehört zu den Patriziergeschlechtern der Stadt Straßburg. Das Wappen ist auch im Rietstap verzeichnet.
Nichts
für Weicheier: Heraldische
Brutalitäten
Abgehauene
Gliedmaßen,
abgetrennte Köpfe, von Pfeilen oder Schwertern durchbohrte
Tiere
- Heraldik ist manchmal für Schöngeister von schwer
erträglicher Direktheit und Brutalität. Von Pfeilen
durchbohrte
Tiere sind noch als Jagdglück anzusehen, z. B. im Wappen Paczolay
(Siebmacher Band: Un Seite: 471 Tafel: 345), in Blau auf
grünem
Boden ein aufspringendes Reh, dessen Hals von einem Pfeile
durchbohrt ist. Statt eines Pfeiles etwas unüblicher eine
Geweihstange: Wappen Schmidt v. Schwind
(Siebmacher Band: PrE Seite: 161 Tafel: 138), Blau mit einem auf
grünem Dreihügel stehenden natürlichen Reh,
durchbohrt von
einer sechsendigen goldenen Hirschstange. Das Wappen Tolna
(Siebmacher Band: UnE Seite: 118 Tafel: 85) zeigt einen
doppelschwänzigen Löwen auf einer
Blätterkrone, den Hals von
links waagerecht durchbohrt von einem Schwerte mit Parierstange.
Frisch hingeschlachtet in den siebenbürgischen
Wäldern wurde
der Bär im Wappen Kosa
(Siebmacher Band: Sibü
Seite: 270 Tafel: 201 und Band: Un Seite: 328 Tafel: 248): In
Blau auf grünem Boden ein schwarzer Bär, die
Schulterblätter
von rückwärts nach vorne durchbohrt von einem
Schwerte mit
goldener Parierstange, von dessen Spitze Blut träufelt. Doch
der
Vogel wird wohl abgeschossen von Tieren, die sich selbst
verstümmeln. Das Wappen der Münchner Familie Taufkirchen
(Siebmacher Band: BayA1 Seite: 186 Tafel: 189, altbayerischer
Adel, im 17. Jh. erloschen) zeigt in Schwarz einen oberhalben
goldenen Löwen, der sich selbst ein silbernes Schwert durch
Rachen und Hinterkopf bohrt. Auf dem gekrönten Helm mit
schwarz-goldenen Decken das Schildbild. Und die ursprünglich
oberpfälzischen Senfft von Pilsach
haben in
Gold einen oberhalben schwarzen, rot gekrönten und bewehrten
Löwen, dessen Kopf von einem roten Schwerte von rechts oben
nach
links unten durchstoßen wird, auf dem Helm mit
schwarz-goldenen
Decken wachsend der vom Schwert durchstoßene Löwe
(Münchener
Kalender 1917, Siebmacher Band: SaA Seite: 155 Tafel: 101, Band:
PrGfE Seite: 46 Tafel: 31). Gleichermaßen brutal und noch
etwas
"unappetitlicher" das Wappen der ungarischen Chapi
v. Eszen u. Polyanka (Siebmacher Band: Un Seite: 96
Tafel: 76), bei deren Wappen der Löwe mit der erhobenen
Rechten
den silbernen Flitsch eines bluttriefenden Pfeiles faßt,
welcher
durch das rechte und linke Auge desselben gedrungen erscheint.
Aua!
heraldischer
Zirkus: kostümierte Tiere
Wer meint,
mit menschlicher
Kleidung kostümierte Tiere, Raubtiere im Mäntelchen
etc.
gehören der Welt des Zirkusses an, reibt sich verwundert die
Augen: Das gibt es auch in der Heraldik. So finden wir einen
Wolf, im Mittelalter gefürchteter Schafs-Räuber, in
läppischer
Pose mit einem weißen Jacke bekleidet, die Vorderpfoten durch
die Ärmel gesteckt, das in Falten fallende Röckchen
um den
Bauch, so daß der aufgerissene Rachen, der da aus dem
Halsausschnitt schaut, so gar nicht mehr zum Fürchten ist, im
Wappen der bayerischen Trainer zu Moß
aus der
Regensburger Gegend, auch in Nürnberg vorkommend: In Rot ein
natürlicher aufspringender Wolf mit einer silbernen Schecke
(Jacke) bekleidet. Auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen
Decken ein natürlicher aufspringender Wolf, der mit einer
silbernen Schecke (Jacke) bekleidet ist. Zu sehen ist dieser Wolf
im Wappenbuch des churbayrischen Adels, Band 1 – Bayerische
Staatsbibliothek, BSB Cgm 1508, sowie im Siebmacher Band: BayA3
Seite: 113 Tafel: 74, Band: BayA3 Seite: 197. Später wurde ihr
Wappen geviert, Feld 1 und 4: Stammwappen, Feld 2 und 3: in
Silber eine rote Lindenblattspitze. Oder es gibt einen Löwen,
der sich eine Mönchskutte angezogen hat: Die schlesische und
brandenburgische Familie Schkopp hat im
Schild
in Gold einen roten, in jeder Vorderpranke eine rote Kugel
haltenden, mit einer schwarzen Mönchskutte bekleideten
Löwen.
Auf dem gekrönten Helm mit rot-goldenen Decken der
Löwe in der
Mönchskutte wachsend (Siebmacher Band: BraA Seite: 82 Tafel:
49,
Band: Pr Seite: 354 Tafel: 406). Die bürgerliche Familie Lutz
(Siebmacher Band: Bg1 Seite: 52 Tafel: 71) aus Ingolstadt
führt
einen mit einem Mannsrock bekleideten Bären in Schild und
Helmzier, Farben unbekannt.
Ein
Gefangener in Ketten querliegend unter
dem Schild:
Dieses
ist das von
einem mir nicht bekannten Künster angefertigte und nicht
datierte Exlibris der Familie Robertson,
ein
schottischer Clan aus der Gegend von Perth. Und es enthält als
Besonderheit eine echte Skurriliät, eine so
außergewöhnliche
Wappen"verbesserung", wie sie kein zweites Mal
auftritt. Dieses Wappen (in Rot drei (2:1) abgerissene silberne
Wolfsköpfe, gules, three wolves' heads erased argent) ist nur
korrekt und vollständig wiedergegeben mit dem unten
querliegenden Gefangenen in Ketten. Dieser gehört zum Wappen
selbst dazu!
Warum nur? Wir begeben uns in das Jahr 1437, König Jakob (James) I. von Schottland (10.12.1394-21.2.1437) war gerade bei einer Adelsrevolte ermordet worden. Das war sowieso ein besonders unglücklicher König, denn er war zwar ab 1406 nominell König, nachdem sein Bruder in einem Kerker verhungert war, de facto aber 18 lange Jahre Gefangener des englischen Kollegen in Windsor. 1420 wurde er gegen Lösegeld, mit dessen Zahlung man sich von schottischer Seite aus reichlich Zeit gelassen hatte, freigelassen und 1424 in Schottland gekrönt. Sein Ende war wenig beschaulich, er versuchte zwar dem Anschlag auf sein Leben durch die Kloaken zu entkommen, steckte wegen eines vermauerten Ausgangs zwei Tage in der Brühe fest, bis man ihn fand und endlich umbrachte. Der Clanchef der MacDonn(a)chaidh (= Sohn des Duncan = Duncanson), Robert "Riabhach" Duncanson, war ein Parteigänger des ermordeten Königs, und er wußte eine heiße Spur, wohin die Mörder desselben entwischt waren, und er ließ sie jagen und fangen. Zwei davon, Sir Robert Graham und Walter Stewart, der Earl of Atholl und immerhin sogar der Onkel des Ermordeten, wurden auf ziemlich üble Weise auf dem Grasmarkt in Edinburgh von der Witwe, Joan Beaufort, vom Diesseits ins Jenseits befördert.
Künstler unbekannt, ca. Mitte des 19. Jh.
Der Donnachaidh-Clan wurde in Person des 4. Clanchiefs vom neuen König Jakob (James) II. (16.10.1430-3.8.1460) am 15.8.1451 für diese Unterstützung durch eine Wappenverbesserung belohnt: Die Helmzier war nun auf dem rot-silbern bewulsteten Helm mit ebensolchen Decken eine wachsende natürliche Rechtshand, die die königlich schottische Krone emporhält (a dexter hand erect, supporting a regal crown), und der Gefangene unter dem Schild kam hinzu, "a savage man prostrate and in chains". Diese gänzlich ungewöhnliche Ergänzung unter dem Schild ist zwar nicht ästhetisch, aber in ihrer Art singulär. Von der Rolle her dürfte diese ungewöhnliche Ergänzung am ehesten mit einem Schildhalter vergleichbar sein. In Erinnerung an die königstreue Tat des Clanchefs Robert wurde auch der Clan-Name von Donnchaidh (auch Donnachaidh) in Robertson geändert. Der Grundbesitz wurde zur Baronie erhoben (Robertson of Struan, neben diversen anderen Linien). Die Devise lautet "Virtutis gloria merces".
Adler,
gedreht und auf dem Kopf stehend:
Die
Normalstellung
eines Adlers ist aufrecht, ohne weitere Angaben steht der
Körper
mittig senkrecht zwischen zwei ausgebreiteten Flügeln, der
Kopf
nach rechts gewandt. Abweichend von dieser normalen Darstellung,
die immer gilt, sofern nichts anderes präzisiert wird, kann
der
Adler auch um 90 Grad nach gedreht bzw. gekippt sein, wobei der
Kopf zum rechten Schildrand zeigt und je ein Flügel nach oben
und nach unten weist:
1. Beispiel: Eptingen, Herren von Eptingen in Pratteln: In Gold ein nach rechts gedrehter, liegender, schwarzer, rotbewehrter Adler. Zwei Helme: 1 (rechts) Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein nach vorn gekrümmtes schwarzes wachsendes goldenbebandetes Horn, hinten mit einer Zeile silberner Federn besteckt. 2 (links): Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein wachsender schwarzer, golden gekrönter und -bewehrter sowie rotgezungter Adler. Herren von Eptingen zu Blochmont: Schild dito, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein schwarzer Federbusch, statt eines Spiegels jeweils mit silbernen gestürzten Lindenblättern (Herzen) belegt (Wappenbuch der Stadt Basel, Band 2).
2. Beispiel: Geisriemen, Geisrieme, Geisriebe: In Silber ein nach rechts gedrehter, liegender roter Adler. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender Jungfrauenrumpf mit rotem Gewand und hinten abstehendem goldenen Zopf (Wappenbuch der Stadt Basel, Band 1).
3. Beispiel: Roeder v. Diersburg, Röder von Diersburg: In Rot ein silberner, golden bewehrter, nach rechts gedrehter (quergelegter) Adler. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken wachsend ein silberner golden bewehrter Adlerkopf und -hals (Adlerrumpf) (Siebmacher Band: Bad Seite: 12 Tafel: 9, Band: Els Seite: 19 Tafel: 22, Band: PrGfN Seite: 19 Tafel: 14, Band: He Seite: 23 Tafel: 25, als Röder von Rodeck im Scheiblerschen Wappenbuch)
Der Adler kann auch gänzlich gestürzt sein, so daß der Kopf zum Schildfuß weist, ein sehr ungewöhnliches Schildbild:
1. Beispiel: Ein besonders hartes Beispiel ist ein gestürzter Adler, der zudem noch Kopf und Füße verloren hat: Die v. Fincke, ein erloschenes mecklenburgisches Geschlecht, führten in Silber einen gestürzten, fuß- und kopflosen schwarzen Adler, der von einem in zwei Reihen rot-silbern geschachten Balken überdeckt ist. Auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken das Schildbild.
Ein
menschliches Gerippe als Helmzier:
Eine
klapprige
Angelegenheit: Ein menschliches Gerippe ist ein Kuriosum unter
den Kleinoden:
1. Beispiel: Die in Mecklenburg und in Lübeck vorkommende Familie Schlüter (Siebmacher Band: Bg5 Seite: 31 Tafel: 37) hat im Schild eine Rose, darunter ein von einem Schlüssel durchbohrtes Herz, und als Helmzier ein wachsendes Menschengerippe, in der Rechten ein Stundenglas, in der Linken ein von einem Schlüssel durchbohrtes Herz.
2. Beispiel: Familie Curtius (Korte) aus Bremen, Düsseldorf und Duisburg: Der römische Ritter Curtius zu Pferd über einen linksschrägen Abgrund in die Tiefe springend. Helmzier ein wachsendes menschliches Gerippe mit ausgebreiteten Armen, in der rechten Hand einen Säbel, in der linken Hand eine Sanduhr haltend (Eike Pies, Neues Bergisches Wappenbuch bürgerlicher Familien, Bauer & Raspe Verlag, 1998, S. 56, T. 22).
Morgen
wechselhaft bewölkt....:
Man
möchte meinen,
dieses Wappenbild ist direkt einer Wettervorhersagekarte
entnommen und steht für "wechselhaft bewölkt", teils
Regenwolken, teils heiter: Die aus Hamburg kommende Familie Duncker
führt in "natürlichem Felde" (also "heraldischer
Himmel") über grünem Hügel eine schwarze
Wolke, hinter
der ringsum goldene Strahlen ausgehen, also eine hinter Wolken
verborgene Sonne. Auf dem Helm mit rot-silbernen Decken eine mit
den Spitzen nach vorn gerichtete goldene Mondsichel zwischen
einem silbern-rot übereck geteilten Flug (Siebmacher Band: Bg5
Seite: 53 Tafel: 63, Roland/Wappensammler 5).
Iiiiigitt
- eine Ratte im Nest:
Man
mag sich die
Verhältnisse auf Burgen und in Bürgerhäusern
in vergangenen
Zeiten kaum vorstellen, als es noch keine wirkungsvolle
Schädlingsbekämpfung gab. Ratten gehörten
zum Alltag, nagten
an den Vorräten und verbreiteten Krankheiten, nicht zuletzt
durch ihre Flöhe die gefürchtete Pest. Sie
gehörten damals wie
heute nicht zu den geliebten Hausgenossen, sondern waren oft eine
Plage, derer man sich mühsam mit Fallen entledigte
(schließlich
war man ja nicht im Rattentempel von Deshnoke, und die Liebe
einiger heutiger Zeitgenossen zu Farbratten war noch nicht
entflammt.....). Kaum vorstellbar, daß man stolz auf seine
Ratten war. Und dennoch gibt es eine Familie, die eine Ratte im
Nest zum Hauptmotiv ihres Schildes erkoren hat, die
ursprünglich
aus Spanien stammende Familie de la Raparlier.
Sie führt in Silber eine schwarze Ratte im Nest, auf dem Helm
mit schwarz-silbernen Decken drei schwarze Straußenfedern.
Die
Familie wanderte im 16. Jh. in die damals spanisch besetzten
Niederlande. Der in Leuven geborene Joseph Georg de la Raparlier
erlangte 1829 in Frankreich das Bürgerrecht (Siebmacher Band: Bg2 Seite: 20 Tafel: 34, Roland/Wappensammler 5).
Wohl
beim Gestech den Kürzeren gezogen,
was?
Was
für eine
Trümmersammlung! Selbstverständlich gehören
Lanzen,
insbesondere Turnierlanzen, zum festen Formenrepertoire der
Heraldik. Tjosten mit stumpfen, d. h. oben mit einem Krönchen
versehenen, speziellen Turnierlanzen war eine typisch ritterliche
Beschäftigung und gehört als solche fest zu jedem
noch so
simplem Mittelalter-Klischeebild. Natürlich konnte man auch
mal
verlieren, und die Lanze konnte in Trümmer zerbrechen,
während
der Gegner immer noch stabil auf seinem Pferd saß, statt von
der
Wucht zu Boden geworfen zu werden. Doch ist das ein Wappenbild?
Ja! Die uradelige Familie Brandlinsky von Stekre
(ehem. Volbran oder Volbram von Stekre), aus der Gegend von
Budweis stammend und sich nach dem Sitz Brandlin nennend, hatte
in Silber die Bruchstücke von drei zerbrochenen roten
Turnierlanzen, die drei hinteren Teile mit dem Handschutz einmal
balkenweise unten und zu beiden Seiten schräg nach
außen
geneigt gelegt, ersteren jeweils unten kreuzend oder tangierend,
und die drei vorderen Teile mit dem Krönchen
fächerförmig in
dem aus den ersteren gebildeten U-förmigen Freiraum gelegt.
Auf
dem Helm mit rot-silbernen Decken die Lanzenbruchstücke in der
beschriebenen Anordnung vor einem silbernen Flug. 1699 wurde die
Familie in den Freiherrenstand erhoben, später noch in den
Grafenstand (Siebmacher Band:
Bö
Seite: 278 Tafel: 130,
Roland/Wappensammler 7).
Frisch
aus Frankensteins Gentechnik-Labor?
Chimäre
Fabelwesen,
die aus zwei oder mehreren verschiedenen Tieren zusammengesetzt
sind, zählen zum zwar verwunderlichen, aber doch normalen
Formenkanon der Heraldik. Greifen, Pantiere, Jungfrauenadler,
Seelöwen, Meerweiber, alles noch im Grünen Bereich
und aus
heraldischer Sicht nicht wirklich absonderlich. Eine wirklich
obskure Kombination, die weder von den jeweiligen
Lebensräumen,
noch von ihren Größenverhältnissen, noch
von ihrer
systematischen Stellung im Bereich des Üblichen liegt,
begegnet
uns im Wappen der Grasmann, einem
bürgerlichen
Geschlecht, deren Wappen in das Wernigeroder (Schaffhausener)
Wappenbuch Aufnahme gefunden hat: Sie haben in Silber ein
Mischwesen aus dem Oberteil eines roten Krebses (Hummers) und dem
Unterteil eines goldenen Löwen, auf dem rot-silbern
bewulsteten
Helm mit rot-silbernen Decken zwei rote Krebsscheren
(Hummerscheren) (Siebmacher Band:
Bg3
Seite: 79 Tafel: 86,
Roland/Wappensammler 7, Volborth Fabelwesen).
Hier
tropft schon das Blut:
So
blutig geht es
selten bei Jagdtrophäen zu: Das Wappen der von
Oheimb
(Photo: Stadthagen, Landsberger Hof) zeigt ein nicht
alltägliches Motiv, von dem die Blutstropfen heruntertriefen:
In
Silber ein schwarzes Gemsgehörn mit Grind und Ohren, an dem
Grind sieben rote Blutstropfen hängend. Auf dem Helm dasselbe
Bild. Helmdecken schwarz-silbern. Die von Oheimb sind eine
westfälisch-schaumburgische Familie, die früher auch
Ohm oder
Om hieß und 1250 urkundlich auftritt. Früher war die
Form des
Schildbildes eine andere, nämlich zwei Hörner mit
Ohren
nebeneinander und mit einem abgerissenen Stück Stirnhaut, ohne
die Blutstropfen, diese etwas drastischere und blutrünstigere
Darstellung entwickelte sich später (Roland/Wappensammler 7).
Literatur,
Links und Quellen
Siebmachers
Wappenbücher
Westfälisches Wappenbuch
Herrn Alois Lenz ein herzliches Dankeschön für
wertvolle
Hinweise und Beispiele im Forum Heraldik und Kunst.
Clan
Robertson: The general
armory of England, Scotland, Ireland, and Wales, von Sir Bernard
Burke
Clan Robertson: Herrn Stephen
Slater
ein herzliches Dankeschön für wertvolle Informationen
und
Erläuterungen und für das Exlibris selbst.
Wappenbuch der Stadt Basel. Unter den Auspizien der historischen
u. antiquarischen Gesellschaft in Basel herausgegeben von W. R.
Staehelin, Zeichnungen Carl Roschet, F. Gschwind, Lothar Albert
et al., 3 Teile in mehreren Folgen, Band 1 und 2, Basel
Eike Pies, Neues Bergisches Wappenbuch bürgerlicher Familien,
Bauer & Raspe Verlag, 1998
Einige Kuriositäten sind hier zu finden: Wappensammler, Band
5,
Roland, Verein zur Förderung der Stammkunde, Dresden http://books.google.de/books?id=V9wSAAAAYAAJ (nur mit
US-Adresse), Wappensammler,
Band 7,
Roland, Verein zur Förderung der Stammkunde, Dresden http://books.google.de/books?id=yd0SAAAAYAAJ (nur mit
US-Adresse)
Grasmann: Carl-Alexander von Volborth: Fabelwesen der Heraldik in
Familien- und Städtewappen, Belser Verlag 1996
©
Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos - sofern
nicht anders angegeben: Bernhard Peter 2009, 2011
Die Abb. historischer Zeichnungen sind selbst angefertigte Scans
historischer Originale.
Sofern bekannt, ist der Urheber bei der jeweiligen historischen
Graphik angegeben.
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