Bernhard Peter
Wappen und Siegel

Wappen und Siegel: Zweierlei!
Es ist wichtig, die Begriffe "Wappen" und "Siegel" auseinanderzuhalten: Richtig ist, daß auf Siegeln häufig Wappen dargestellt werden und daß frühe Siegelbilder häufig in Wappen als Schildmotiv übernommen wurden. Dennoch sind beide nicht gleichzusetzen.

Richtig ist ferner, daß die Notwendigkeit des Siegelns, z. B. bei Händlern, Bankiers, Notaren etc. die Entwicklung von Wappen in bürgerlichen Kreisen förderte. Falsch ist aber, daß nur ein Wappensiegel Gültigkeit hat - genauso gut ist eine individuelle Prägung mit kalligraphischen Initialen etc. Ein Siegel muß keine Wappendarstellung enthalten, um gültig zu sein, auch wenn die Familie ein Wappen führt.

Ein Siegel ist immer ein persönliches Identifikationszeichen, auf ein bestimmtes Individuum namentlich bezogen und wurde häufig nach dessen Tod zerstört oder unbrauchbar gemacht. Ein Siegel ist definiert durch die Identifizierbarkeit des Benutzers (Zeichen, Inschrift etc.). Ein Wappen ist ein Familienzeichen und wird von der Familie als Ganzes geführt.

Ein Siegel wird statt Unterschrift benutzt bzw. als Beglaubigungszeichen. Alle unbescholtenen Personen waren seit dem Mittelalter siegelfähig. Und ein Siegel ist damit auch in Rechtsgeschäften so personenbezogen wie eine Unterschrift. Ein Wappen dient dagegen als Erkennungszeichen.

Ein Wappen ist definiert durch großformatige Motive und Farben, die in einen Schild gesetzt werden. Beim Siegel fallen die Farben weg, dafür sind kleinformatige Darstellungen und Inschriften wichtige Mittel zur individuellen Ausführung. Siegel haben häufig individuelle Ergänzungen zum Wappen, persönliche Daten oder Inschriften, die bei Wappen nicht vorkämen. Wenn Familienwappen zur Siegelgestaltung verwendet werden, dienen die zusätzlichen Informationen der Personalisierung.

Beispiele schöner alter Siegel aus meiner Heimat:

Universität Trier, AD 1474

Die Inschrift außen lautet: "Treveris ex urbe deus complet dana sophia 1474" - Durch die Stadt Trier gibt Gott den Gaben der Weisheit Vollendung. Links St. Augustinus, rechts St. Ambrosius, in der Mitte: St. Matthias. Der Abt von St. Matthias war immer der Konservator der Universität. Schriftband unter den Figuren: "S(igillum) almi studii Treverens(is)". Der optisch linke Wappenschild ist der des Erzstiftes Trier, der optisch rechte ist das Stadtwappen Trier, eine Petrusfigur.

Trier, Erzbischof Franz Georg von Schönborn (reg. 1729-1756)

Fast das gesamte Siegelbild wird ausgefüllt von einem opulenten Schönborn-Wappen mit Wappenzelt, Fahnen, Schildhaltern, Konsole und dem eigentlichen Wappen, das aus drei Ebenen besteht. Der Hauptschild zeigt alle Ansprüche der Familie Schönborn, der Mittelschild zeigt die kirchlichen Ämter (Trier, Worms, Ellwangen und Prüm), und der Herzschild ist das eigentliche Schönborn-Stammwappen. Eine ausführliche Erklärung der Schönborn-Wappen findet sich in der Photosammlung.

Siegel von Johann von Isenburg, Fürstbischof von Trier (1547-1556)

Sein Wappen, hier auf einem Hauptsiegel von 1551 (das Original befindet sich im Staatsarchiv Koblenz), ist geviert:

Drei Helme:

Siegel aus dem Jahr 1551, Staatsarchiv Koblenz, Ausschnittsvergrößerung. Die Umschrift lautet: "IOANNIS D(EI) G(RATIA) ARCHIEPISCOPI TREVERENSIS AC PRINCIPIS ELECTORIS". Eine ausführliche Erklärung der Isenburg-Wappen befindet sich in der Monographie "Haus Isenburg und Isenburg-Büdingen".

Trier, Erzbischof Johann VII von Schönenburg (reg. 1581-1599)

Ein phantastisches Renaissance-Siegel in länglich-ovalem Format, das in einer Thron-Architektur den segnenden Kurfürst darstellt. Unterhalb der beiden Pfosten finden wir zwei Wappenschilde, der optisch linke ist der des Hochstiftes Trier, der optisch rechte ist der mit dem Familienwappen Schönenburg. Die Umschrift nennt seine Titel: Erzbischof von Trier, Kurfürst, Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches.

Köln, großes Stadtsiegel von 1268

Wittlich, Stadtsiegel von 1333

Das Original befindet sich im Staatsarchiv Koblenz (1 A/4789). Die Umschrift lautet: "(SIGILLUM) CIVITATIS DE WITTELICH".

Universität Trier, artistische Fakultät, AD 1474

Balduin von Luxemburg, Erzbischof von Trier (reg. 1308-1354)

Rechts und links des thronenden Balduin die beiden Wappenschilde des Hochstiftes Trier und von Luxemburg.

Domkapitel Trier 1449 AD

Das große Siegel des Domkapitels von 1449 trägt die Umschrift: "SIMON DARIONA SIGILLUM MAIUS CAPITULI ECCLESI(A)E TREVERENS(IS)"

Universität Trier, Rektoratssiegel AD 1474

Siegel von Fürstbischof Otto v. Ziegenhain (reg. 1418/19-13.11.1430)

Abdruck des Siegels des Trierer Fürstbischofs Otto von Ziegenhain im Staatsarchiv Koblenz, mit getrennten Schilden für Hochstiftswappen (in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz) und Familienwappen (schwarz-golden geteilt, oben ein silberner sechsstrahliger Stern).

Beispiele kaiserlicher Siegel:

Siegel von Kaiser Friedrich III. von Habsburg (reg. 1452-1493)

Der Habsburger Friedrich (21.9.1415-19.8.1493) der Hauptlinie der habsburgischen Leopoldiner in den innerösterreichischen Herzogtümern wurde 1424 Herzog von Innerösterreich, 1439 Herzog von Österreich, war 1458-1461 Erzherzog von Niederösterreich und 1463-1485 sowie 1490-1493 Erzherzog von Österreich. Bei der Zählung muß man aufpassen, denn ab 1440 war er als römisch-deutscher König Friedrich IV., als römischer Kaiser jedoch Friedrich III., Nachfolger von Albrecht II. und Vorgänger von Maximilian I. von Habsburg. Ab 1424 war er auch Herzog der Steiermark, jedoch als Friedrich V. Er ist nicht nur aufgrund der verschiedenen Zählungen ein besonderer Herrscher, sondern hatte mit rund 53 Jahren die längste Regierungszeit aller römisch-deutschen Herrscher. Außerdem war er der letzte Kaiser des HRR, der noch in Rom gekrönt wurde.

Dieses Siegel ist das königliche Majestätssiegel, das er als römisch-deutscher König Friedrich IV. führte. Es wird als Münzsiegel mit Vorder-und Rückseite benutzt. Hier sehen wir die Seite mit dem einköpfigen Königsadler in einem Siebenpaß. Die Umschrift lautet: "AQUILA EZECHIELIS SPONS MISSA EST DE CELIS VOLAT IPSA SINE META QUO NEC UATES NEC PROPHETA EUOLAUIT ALCIUS". In der Mitte oben ist auf einem Spruchband die Buchstabenkombination "a e i o u" zu lesen, seine Herrschaftsdevise, die er 1437 noch während seiner Herzogszeit erfand und überall auf seinen Besitztümern zur Kennzeichnung anbringen ließ. Was es genau heißt, ist unbekannt. Erst viel später, nämlich im 17. Jh., deutete man das als "alles Erdreich ist Österreich untertan", treffend, aber als Begründung nicht zutreffend. In den Außenzwickeln des Siebenpasses sind oben zwei Engel zu sehen, während sich in den anderen fünf Zwickeln je ein Drache befindet.

 

In des einzelnen Bogenkrümmungen des Siebenpasses befinden sich sieben Vollwappen habsburgischer Länder. Im Gegenuhrzeigersinn sind das, oben in der Mitte beginnend, die Windische Mark (Abb. unten rechts, ursprünglich in Gold, später meist in Silber ein schwarzer, rot gefütterter windischer Hut mit roter Schnur; Helmzier: Der Hut auf einem Schirmbrett), Landgrafschaft Elsaß (Abb. oben links, in Rot ein goldener Schrägrechtsbalken, begleitet oben und unten von drei nach der Figur 1:2 bzw. 2:1 gestellten goldenen Kronen, die unteren gestürzt, Helmzier das Schildbild), Mark Portenau, Pordenone (Abb. unten links, über einem grünen Dreiberg in Rot ein silberner Balken, überdeckt von einem goldenen Tor mit weit geöffneten Türflügeln, Helmzier das Tor), Grafschaft Kyburg/Kiburg (in Rot ein goldener Schrägrechtsbalken, oben und unten begleitet von je einem schreitenden goldenen Löwen, Helmzier einer der Löwen wachsend, mit Rückenkamm), Markgrafschaft Burgau (siebenmal rot-silbern schrägrechtsgeteilt, darüber ein goldener Pfahl, Helmzier ein wie der Schild bez. Flügel), Grafschaft Pfirt (in Rot zwei voneinander abgewandte goldene aufrechte Fische, Helmzier Frauenrumpf zwischen zwei gestürzten Fischen), Herzogtum Oberösterreich (Abb. oben rechts, gespalten: rechts: in Schwarz ein goldener Adler, links: dreimal von Silber und Rot gespalten, Helmzier der Adler).

 

In der Siegelsammlung der Universität Graz ist ein beidseitiges Siegel, zu dem auch die Vorderseite (Avers) beschrieben wird: Dort ist innerhalb der Umschrift "SIGILLUM MAIESTAT FRIDERICI DEI GRA ROMANORUM REGIS SEMPER AUGUSTI DUCIS AUSTRIE STIRIE KARINTHIE ET CARNIOLE COMITIS ET TIROLI" die Ganzkörperfigur des Königs auf einem reichgegliederten gotischen Thron mit Baldachin sitzend dargestellt. Auf dieser Seite sind neben dem Adler für das Reich die anderen habsburgischen Besitzungen mit ihren Wappen vertreten: gefürstete Grafschaft Tirol (Adler), Erzherzogtum Österreich (Bindenschild), Grafschaft Habsburg (Löwe), Herzogtum Niederösterreich (fünf Adler), Herzogtum Kärnten (gespalten aus Balkenfeld und drei Löwen), Herzogtum Steiermark (in Grün ein silbernes Pantier, aus dessen Körperöffnungen rote Flammen hervorkommen) und Herzogtum Krain (in Silber ein golden gekrönter blauer Adler mit rot-golden geschachter Brustspange). Originale befinden sich im Staatsarchiv Wien und im Hauptstaatsarchiv Dresden; zeitlich ist das Siegel in dieser Form in der Zeit von 1443-1450 belegt.

Siegel von Kaiser Karl VI. von Habsburg (reg. 1711-1740)

Dieses Siegel mit dem stattlichen Innendurchmesser von 13 cm ist das von Kaiser Karl VI. (1.10.1685-20.10.1740). Auch bei diesem Kaiser ist die Zählung kompliziert: Als römisch-deutscher Kaiser (1711-1740) war er Karl VI., als König von Böhmen (1711-1740) war er Karl II., als König von Ungarn und Kroatien (1711-1740) war er Karl III., ebenso als designierter Gegenkönig von Spanien und als König von Sardinien (1713-1720), als König von Sizilien (1720-1735) war er Karl IV., und schließlich als König von Neapel (1713-1735) war er noch einmal Karl VI. Nach dem Tod seines älteren Bruders Joseph I. war er natürlich auch Erzherzog von Österreich (1711-1740). Dazu war er Herzog von Luxemburg (1714-1740) und Herzog von Parma (1735-1740).

Zwei wichtige politische Ereignisse sind mit seiner Amtszeit verbunden: 1.) Vater Leopold I. und der spätere Karl VI. zogen im Spanischen Erbfolgekrieg, der sich nach dem Aussterben der spanischen Linie der Habsburger nach dem Tod Karls II. entzündete, den Kürzeren. Die Nachfolge in Spanien trat Philipp von Anjou an, ein Enkel von Ludwig XIV. Trotzdem wurde 1703 Karl zum spanischen König proklamiert. Ein ernstzunehmendes Recht auf die Thronfolge bestand durchaus, denn Leopold I. war wie Ludwig XIV. ein Enkel Philipps III. von Spanien. Außerdem hatte Leopold I. in erster Ehe Margarita Theresa geheiratet, die jüngere Tochter Philipps IV. von Spanien. Das Problem wäre vielmehr ein europäisches Ungleichgewicht im Machtgefüge gewesen, angesichts eines potentiell wiedervereinten Habsburgergesamtreiches wären alle anderen europäischen Mächte in die Statistenrolle gedrängt worden, und deshalb mischten sich die anderen Staaten in die spanische Erbfolge ein. Es kam zum Krieg; sein Ziel erreichte Karl jedoch nicht. 2.) Karl VI. war der letzte Mann des Hauses Habsburg auf dem Thron, und seine Pragmatische Sanktion ebnete den Übergang der Thronfolge auf Maria Theresia.

Die Umschrift besteht aus folgendem, stark abgekürzten Text: "CAROL(US) VI. D(EI) G(RATIA) ROM(ANORUM) IMP(ERATOR) S(EMPER) A(UGUSTUS) GER(MANIAE) HISP(ANIAE) HUNG(ARIAE) BOH(EMIAE) UTR(IUSQUE) SIC(ILIAE) HYER(OSOLYMIS) ET INDIARU(M) R(E)X ARC(HI) D(UX) AUS(TRIAE) D(UX) BURG(UNDIAE) BRAB(ANTIAE) MEDIOL(ANI) PR(INCEPS) SUEV(IAE) CATAL(ANIAE) MAR(CHIO) S(ACRI) R(OMANI) I(MPERII) COM(ES) HABS(BURGI) FL(ANDRIAE) TYR(OLIS)" - Karl VI. von Gottes Gnaden Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, von Germanien, Spanien, Ungarn, Böhmen, beider Sizilien, Jerusalem und Westindien König, Erzherzog von Österreich, Herzog von Burgund, Brabant, Mailand, Fürst zu Schwaben, der Mark Katalonien, Graf des Heiligen Römischen Reiches von Habsburg, Flandern und Tirol. Daß hier alle spanischen Titel erwähnt werden, ist insofern eine Besonderheit, weil er einerseits Spanien verloren hatte und daher de facto nicht mehr Rex Hispanie etc. war, andererseits war ihm 1725 im Frieden von Wien das Recht zugesprochen worden, diesen Titel weiterhin führen zu dürfen, auch wenn er inhaltsleer war und nur noch einen Anspruch trotzig deutlich machte.

Das Wappen ist sehr komplex aufgebaut. Die übergeordnete Struktur ist ein gevierter Schild mit eingebogener Spitze. Jede Vierung ist erneut geviert mit Herzschild, außer der ersten Vierung, die ist zweimal gespalten und einmal geteilt. Im einzelnen ergeben sich folgende Inhalte (leider finden sich in der Literatur viele farblich und inhaltlich fehlerhafte Interpretationen):

Geviert mit eingepfropfter Spitze:

Um den Schild dieses 1725/27 in Gebrauch befindlichen Siegels liegt die Ordenskette des Ordens vom Goldenen Vlies. Der Wappenschild liegt einem doppelköpfigen Reichsadler auf, der an jedem Flügel sieben große Federn trägt und über dessen nimbierten Häuptern die Kaiserkrone schwebt. Im rechten Fang hält der Adler ein Zepter und ein Schwert, in der linken einen Reichsapfel.

Das Wappen hat ein paar erwähnenswerte Besonderheiten:

Literatur, Links und Quellen:
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Römisch-deutsche Kaiser:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_römisch-deutschen_Herrscher
Kaiser Friedrich III.:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_III._(HRR)
Siegel von Kaiser Friedrich III.:
http://gams.uni-graz.at/o:sis.1-24
Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige - https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Posse_Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_Könige_v_1 - https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Posse_Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_Könige_v_2 - https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Posse_Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_Könige_v_3 - https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Posse_Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_Könige_v_4 - https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Posse_Die_Siegel_der_deutschen_Kaiser_und_Könige_v_5
Siegel von Kaiser Friedrich III.: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f7/Posse_Band_2_0076.jpg - https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4f/Posse_Band_2_0023.jpg
Siegel von Kaiser Karl VI.:
Kaiser Karl VI.:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_VI._(HRR)
Siegel von Kaiser Karl VI.:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/22/Posse_Band_4_0004.jpg - https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d0/Posse_Band_4_0090.jpg - https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/49/Siegel_Karl_VI.jpg
Herrn Wilhelm Winter ein herzliches Dankeschön für etliche der abgebildeten Wachsabdrücke
Franz Gall: Österreichische Wappenkunde, Böhlau-Verlag, Wien, 1992, insbes. S. 46

Übersicht

Home

© Urheberrecht / Copyright an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2013, 2015
Impressum