Bernhard
Peter
Prunkstücke:
Wappenmäntel und Wappenzelte
Fürstliches
Prunkstück
Der
Wappenmantel gehört zu
den Prunkstücken (Prachtstücken) in der Heraldik. Das
bedeutet,
er ist kein unverzichtbarer Bestandteil eines Vollwappens,
sondern kann fakultativ geführt werden. Dabei bedeutet
"fakultativ", daß das Wappen nicht weniger hinreichend
eindeutig dargestellt wird, wenn ein schlichterer Aufriß ohne
Prunkstücke gewählt wird und der Wappenmantel nicht
vorhanden
ist. Ein Wappenmantel ist damit kein inhaltlich wichtiger
Bestandteil zur heraldischen Definition einer Familie.
"Fakultativ" bedeutet aber nicht, daß sich jeder frei
aussuchen konnte, ob er sein Wappen mit Wappenmantel darstellt.
Als Prunkstück war ein Wappenmantel Kennzeichen einer
besonders
hervorgehobenen Stellung im Feudalsystem und findet sich
typischerweise bei Personen hohen gesellschaftlichen Standes
(reichsunmittelbare Grafen, Fürsten, Herzöge,
Prinzen,
Fürstbischöfe, Könige etc.).
Abb.: Ein Wappenmantel, gezeichnet von Ernst Krahl (1858-1926) für die Familie der Fürsten von Auersperg (undatiertes Exlibris).
heutige
und historische Verwendung
Deswegen
ist heute die
Verwendung eines Wappenmantels bei neugeschaffenen
Bürgerwappen
absolut deplaciert, und niemand sollte heute auf die Idee kommen,
ein neugestiftetes Wappen damit auszustatten, außer er wollte
sich unter Kundigen lächerlich machen (es würde als
"neureich", ohne Gefühl für das Angemessene, stillos
empfunden). Heute werden Wappenmäntel fakultativ von
fürstlichen Familien historischer Bedeutung geführt,
von denen
dieser Stand im Laufe der Geschichte vor Ende der Feudalsysteme
erworben wurde und denen damit auch die angemessene Kennzeichnung
zusteht. In historischen Darstellungen begegnen uns vielfach
Wappenmäntel nicht nur bei Familien entsprechenden Standes,
sondern auch bei Angehörigen anderer Familien, die selbst
keinen
Wappenmantel führten, aber als Inhaber eines
fürstlichen Amtes
(z. B. Fürstbischöfe) zu entsprechender
Repräsentation
berechtigt waren.
Gestaltung
eines Wappenmantels
Ein
Wappenmantel ist
typischerweise eine um den Wappenschild aufgespannte
umhangförmige Stoffdraperie und außen rot oder
purpurn und
innen mit Hermelin gefüttert (Abweichungen kommen vor,
außen
kann die Farbe auch Blau sein, in der napoleonischen Heraldik
wird für die Innenseite auch Feh verwendet). Die
Ränder können
mit goldenen Borten und ebensolchen Fransen verziert sein. Um ein
gefälliges Fallen der Stoffbahnen zu erreichen, werden
Wappenmäntel meist rechts und links mit einer goldenen Schnur
oder Quastenschnur zu einem Bund gerafft. Der obere Abschluß
ist
meist eine dem Rang des Trägers entsprechende Rangkrone, die
den
Umhang zusammenhält. Das ist immer eine Rangkrone (oder
Rangmütze oder Ranghut), nie eine Helmkrone. Man unterscheide:
Unter einer Rangkrone oder einem Ranghut kann ein Wappenmantel
hervorkommen, nie aber Helmdecken. Unter einer Helmkrone kommen
immer Helmdecken hervor, nie Wappenmäntel. Ein Wappenmantel
wird
nicht statt Helmdecken eingesetzt, sondern, wie eine einfache,
auf dem Schild ruhende Rangkrone auch, statt Oberwappen. Die
herabfallenden, in Falten drapierten Seitenteile bilden mit dem
oberen, vorhangartigen Abschluß eine Art Nische, in der der
Wappenschild aufgenommen werden kann.
richtige
Verwendung eines Wappenmantels
Wappenmäntel
befinden sich
immer ganz hinten im Lagensystem eines komplexen Wappens,
sozusagen hinter allem. In Blasonierungen werden Prunkstücke
wie
Wappenmäntel erst ganz am Schluß genannt. Eine
Rangkrone auf
dem Schild entfällt, da dieselbe ja den oberen
Abschluß des
Wappenmantels bildet, also keine Doppelung. Da Wappenmäntel
eine
Erfindung des 17. Jh. nach dem Vorbild der Thronbaldachine für
den echten Fürsten waren, beschränkt sich das
Zeitfenster für
ihre Verwendung auf die letzten Jahrhunderte. In der klassischen
Heraldik der Gotik und der Renaissance kamen sie nicht vor. Sie
sind ein Ergebnis des barocken,
repräsentationssüchtigen
Zeitgeistes und dienen sowohl dem gesteigerten
Schmuckbedürfnis,
als auch dem Abgrenzungsbedürfnis des Hochadels von der
Vielzahl
anderer Wappenführender. Bei Allianzwappen werden nicht zwei
Wappenmäntel verwendet, sondern beide Schilde unter einem
einzigen zusammengestellt, die abschließende Rangkrone (oder
der
Ranghut) entspricht dem Rang des Ehemannes.
Abb.: Ein Wappenmantel, gezeichnet von Ernst Krahl (1858-1926) für Prinzessin Gabriele von Thurn und Taxis, geb. Gräfin Kinsky (undatiertes Exlibris).
Etwas
ganz
Anderes als Helmdecken!
Wappenmäntel
sind etwas ganz
anderes als Helmdecken, denn erstens greifen Wappenmäntel nie
absichtlich die Schildfarben auf, sondern haben ihre
Standardfarben, zweitens werden Wappenmäntel nicht geschlitzt
und gezaddelt, und drittens sind Helmdecken bedeutungstragender
Bestandteil eines Wappens, Wappenmäntel nicht. Es ist also
falsch, Helmdecken durch einen Wappenmantel zu ersetzen, denn
beide gehören zu ganz unterschiedlichen Kategorien. Es ist
auch
ganz falsch, Helmdecken und Wappenmantel gleichzeitig unter einer
Helmkrone hervorkommen zu lassen, es handelt sich um
grundverschiedene Dinge. Ebenso falsch ist es, unter einem
Wappenmantel auf den Schildrand zusätzlich einen nackten Helm
zu
stellen. Die auf dieser Seite gezeigten graphischen Beispiele aus
der Hand von E. Krahl können als mustergültig
angesehen werden.
Wappenmantel
oder Wappenzelt
Ein
Wappenmantel unterscheidet
sich vom Wappenzelt (Pavillon). Beide sind zwar mantelförmig
und
haben die gleichen Farben und Positionen im Gesamtaufbau, doch
ein Wappenmantel wird oben durch eine Rangkrone abgeschlossen,
ein Wappenzelt durch eine abgesetzte Kuppel aus radialen
Stoffbahnen, auf der ganz oben noch die Rangkrone ruht. Vorbild
ist ein Rundzelt mit kuppelförmiger Dach-Rotunde, die durch
ein
umlaufendes Band abgesetzt ist. Bei Wappenzelten kann die
Außenseite noch mit dem Hauptwappenbild (Adler - vgl.
Preußen
-, Löwen, Lilien - vgl. Frankreich - etc.) besät
sein. Ein
Wappenzelt ist also noch eine Stufe größer,
prunkvoller und
repräsentativer als ein Wappenmantel. Es wird entweder ein
Wappenmantel oder ein Wappenzelt geführt, nie beides.
Wappenzelte sind Kennzeichen königlicher oder
fürstlicher
heraldischer Kompositionen, und sie kamen erst im späten 17.
Jh.
auf, zuerst bei Königen, dann beim fürstlichen
Hochadel.
Wappenzelte sind nur angemessen bei souveränen Herrschern
(Dynasten) und Landesherren und finden sich typischerweise bei
sog. Großen Staatswappen.
richtige
Verwendung eines Wappenzeltes
Das
für Wappenmäntel Gesagte
gilt analog. Wappenzelte umfassen typischerweise nicht nur
Schilde, sondern komplette Wappen mit ihren Oberwappen, Helmen,
Helmzieren, Helmdecken und ggf. weiteren Prunkstücken wie
Ordensketten etc. Alle diese Bestandteile, auch zum Wappen
gehörende Schildhalter werden vom Wappenzelt noch zumindest
teilweise umschlossen, lediglich lange Objekte wie Fahnen, Lanzen
etc. dürfen herausragen. Werden bei einem fürstlichen
Wappen
Oberwappen geführt, so ruhen die Helme auf dem Schildrand
innerhalb des Wappenzeltes, und auch die Helmdecken entfalten
sich innerhalb des Wappenzeltes. Werden Helme geführt,
müssen
trotz vorhandenem Wappenzelt zu diesen Helmen passende Helmdecken
geführt werden. Das Weglassen derselben unter Hinweis auf das
Wappenzelt wäre unheraldisch und stilwidrig.
Mischformen
und Kuriosa
Die reine
Lehre ist das eine -
die Realität teilweise eine andere. Zu anderen Zeiten und in
anderen Ländern hat man auch gerne Elemente gemischt und
eigenwillige Kompositionen geschaffen, gerade zur sog.
heraldischen Verfallszeit, die durchaus nicht ohne
ästhetischen
Reiz sind, auch wenn sie althergebrachten Gestaltungsprinzipien
nicht folgen. Gerade in der prunksüchtigen Verfallszeit, die
sich weit von der schlichten Schönheit alter Wappen entfernt
hatte, war es leider durchaus gang und gäbe, unter
Wappenmänteln unvollständige Oberwappen zu verwenden.
Was alles möglich war, zeigt auch folgendes Beispiel: Nach dem zuvor Gesagten würde niemand auf die Idee kommen, einen Wappenmantel in einem Schild unterzubringen - und doch gibt es das als Motiv: Als Gnadenzeichen wurde der Habsburgerschild innerhalb eines Wappenmantels als Feld in das vermehrte Wappen der Grafen von Schönborn aufgenommen.
Schönborn-Wappen an der Kirche von Schwemmelsbach - unten in der Mitte das Feld mit dem Wappenmantel.
Und noch kurioser ist es beim Wappen der Fürsten Subow (Zubow) - die führen einen Herzschild mit Oberwappen und Wappenmantel, auf einen Hauptschild gelegt, der seinerseits einen großen Wappenmantel hat (Siebmacher Band: Ost Seite: 21 Tafel: 6, Band: FstC Seite: 287 Tafel: 397, Band: FstA Seite: 284 Tafel: 388). Wie das heraldisch zu bewerten ist, geht aus dem oben Gesagten deutlich hervor.
Literatur,
Links und Quellen:
Wappenfibel,
Handbuch
der Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik,
Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt
1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst,
Bechtermünz
Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München
2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4
(Deutschland)
Gert Oswald: Lexikon der Heraldik. Von Apfelkreuz bis
Zwillingsbalken. Battenberg-Verlag, 2. Auflage 2006, ISBN:
3-86646-010-4
©
Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos - sofern
nicht anders angegeben: Bernhard Peter 2010
Die Abb. historischer Zeichnungen sind selbst angefertigte Scans
historischer Originale.
Sofern bekannt, ist der Urheber bei der jeweiligen historischen
Graphik angegeben.
Impressum