Bernhard Peter
Besondere Motive: Die Wolfsangel

Über die Unmöglichkeit einer verbindlichen Definition
Eine Wolfsangel definieren zu wollen, ist eine undankbare Aufgabe. Was alles unter Wolfsangel verstanden werden kann, zeigt folgende Abbildung. Einerseits versteht man unter einer Wolfsangel einen Doppelhaken, aufrecht, liegend oder schräg dargestellt, der in seiner einfachsten Form nur aus einem Mittelstück mit inverssymmetrisch angebrachten Widerhaken besteht, insgesamt ein Z-förmiges Werkstück, in der Mitte ein einfaches oder kreisförmig ausgeschmiedetes Loch haben kann oder eine kleine Querstrebe. Eine solche Wolfsangel findet sich beispielsweise in Wappenbilderordnung Nr. 9352.
Auf der anderen Seite wird unter dem Begriff „Wolfsangel“ eine halbmondförmige, zu beiden Seiten in einen spitzen Dorn auslaufende Figur verstanden, die wie eine breite Wurfparte aussieht, häufig mit dieser verwechselt wird, sich aber von dieser durch das fehlende Seil unterscheidet. Mit Seil ist es eine zum Werfen (und Zurückholen) geeignete Waffe, ohne Seil Teil eines stationären Jagdgerätes. Eine solche Wolfsangel findet sich beispielsweise in Wappenbilderordnung Nr. 9586.

Abb.: Verschiedene in der Heraldik als „Wolfsangel“ bezeichnete Formen.

Die Frage, was eine Wolfsangel ist und was nicht, ist trefflich geeignet, unter Heraldikern endlose Diskussionen hervorzurufen, die allein scholastischen Wert haben. Die einen nennen das Z-förmige Gebilde „Wolfsangel“, die anderen „Wolfshaken“, "Widerhaken", „Doppelhaken“ oder auch "Mauerhaken" - alles möglich und richtig - oder irrtümlicherweise „Maueranker“, da diese normalerweise in anderer Form geschmiedet werden und synonym zu "Hausankern" sind, wobei die begrifflichen Grenzen allerdings fließend sind, manche nennen die Wolfsangel auch fälschlicherweise „Kesselhaken“, obwohl das eine höhenverstellbare Aufhängevorrichtung in einer mittelalterlichen Küche ist. Die Grenzen zwischen Wolfsangel und Maueranker werden z. B. beim Wappen von Hatzfeld fließend.
Selbst als Rune wurde die Wolfsangel schon interpretiert, was nicht zutrifft, und auch jede Bedeutungszuweisung, die über die eines mittelalterlichen Alltagsgegenstandes hinausgeht, gehört ins Reich der Esoterik oder in das der Phantasie.

Viel besser wäre der Ansatz, in einer überlieferten begrifflichen Bezeichnung den Willen des Wappenstifters zu sehen, eine Wolfsangel darzustellen, wenn er sie so benennt, auch wenn sich im Ergebnis eine täuschende Ähnlichkeit zu anderen Gegenständen der mittelalterlichen Alltagskultur ergibt, und genauso etwas anderes zu akzeptieren, wenn er es anders benennt. Wenn es allerdings kein überliefertes Blason gibt, ist guter Rat teuer und sind verschiedene Ansichten verschiedener Heraldiker vorprogrammiert.

Wolfsjagd im Mittelalter: Beide Darstellungen sind korrekt
Tatsache ist, der Begriff „Wolfsangel“ wird unterschiedlich benutzt, und vielleicht sehen wir ja, daß in jeder Variante Wahrheit steckt und erst beide Varianten zusammen Sinn ergeben.

Denn schauen wir uns doch einmal die halbmondförmige Wolfsangel in der doppelt bogenförmigen Variante an, mit Öse unten. In der Heraldik ist es meistens üblich, einen Gegenstand gebrauchsfähig oder in der natürlichen oder den Zeitgenossen vertrauten Position abzubilden. Großer Bogen nach oben, zwei kleine Bögen nach unten – das ruft doch förmlich danach, das halbmondförmige Gebilde irgendwo aufzulegen, z. B. auf zwei Äste oder in eine Astgabel. Und eine angeschmiedete Öse macht nur Sinn, wenn man etwas daran hängt, ein Seil z. B. Da es hier um Wölfe geht, die ein Seil schnell zerbeißen können, ist eher eine Kette von ca. einem halben Meter anzunehmen. Die erste Variante der „Wolfsangel“ kann man also interpretieren als eine auf Äste gelegte Verankerung, an der eine Kette befestigt wurde, an der etwas hängt. Etwas? Der Wolf eben.

Nur – kein Wolf hängt freiwillig an einer lose zwischen zwei Ästen herabhängenden Kette. Betrachten wir jetzt das Z-förmige Gebilde: Das ist ein ca. 10 cm langes geschmiedetes Flacheisen, beiderseits zugespitzt und mit je einem gegenläufigen Widerhaken versehen, das an das andere Ende der Kette kommt und mit dem Köder bestückt wird. In einem Stück Fleisch verborgen, wartet die tückische Beute auf einen hungrigen Wolf, der danach schnappt oder den Brocken als Ganzes verschlingt. Beim geringsten Zug an der Kette, wenn dem Wolf klar wird, daß es nicht nur Fleisch war, was er verschlungen hat, stellt sich durch die Anbringung derselben in der Mitte des Hakens (Bohrung) dieser quer, verhindert jede Flucht und läßt den armen Wolf qualvoll verenden. Wenn in Sprunghöhe angebracht, spießt sich der Wolf beim Reißen des Köders selbst auf. Das Deutsche Jagd- und Fischereimuseum in München hat zwei originale Wolfsangeln in seinen Beständen. Ausgrabungen an der in den 1450er Jahren durch Brand zerstörten Ruine Falkenburg bei Detmold- Berlebeck förderten im Jahr 2009 etwa 20 doppelhakenförmige Wolfsangeln zutage, und interessanterweise fand man in einem Keller der Ruine auch noch Wolfsknochen.

Abb.: Rekonstruktion einer mittelalterlichen Wolfsangel - eine grausame und tückische Falle.

Damit besteht eine komplette Wolfsangel aus zwei Teilen, die mit einer Kette verbunden sind:

Beide zusammen ergeben ein funktionstüchtiges grausames Jagdgerät, so wie erst die Rute und der Angelhaken gemeinsam funktionstüchtig werden. Und damit ist es vollkommen richtig, beide als „Wolfsangel“ anzusprechen, wobei es natürlich besser wäre, wie oben zu präzisieren, ob es sich jeweils um den Anker oder den Doppelhaken handelt. Jedes Teil für sich wird in der Heraldik verwendet, aber nie gemeinsam. Damit folgt man der Regel des „pars pro toto“. Die Wolfsanker werden übrigens meist nicht einzeln, sondern in Dreiergruppen übereinander gestellt, mit Ring nach unten. Mit Ring nach oben kommt ein einzelner Wolfsanker in der Helmzier der Grafen von Stadion vor. Die Blasonierung als „gestürzt“ ist eigentlich nicht korrekt, wenn der Ring nach unten weist, weil dies der natürlichen Gebrauchslage entspricht, aber häufig. Dabei ist ein regionales Verteilungsmuster festzustellen: Der Wolfsanker ist eher in Schwaben, Franken und sonstigem Süddeutschland verbreitet, die Angel (Doppelhaken) eher im nord- und westdeutschen Raum.

Eine weitere Möglichkeit der Jagd mit einer Wolfsangel ist es, den Doppelhaken mit dem einen Ende in eine Lederschlaufe oder Seilschlaufe einzuhängen, an das untere Ende ein Stück Fleisch zu spießen und das Ganze in ca. 1.50 – 2 m Sprunghöhe zu positionieren. Durch den Hechtsprung nach oben schlägt sich der Wolf den Haken tief in den Kiefer und verendet ohne Möglichkeit, sich zu befreien. Genauso kann man auch den oberen Haken einer größeren und vor allem längeren Ausführung in einen Baum schlagen, mit dem gleichen Effekt. Genau hier kommt der manchmal angedeutete Quersteg (auch Versionen mit 2 und 3 Querstreben sind bekannt) zum Tragen: Er verhindert die seitliche Bewegung des Hakens durch das Strampeln des gefangenen Wolfes und damit ein Herausbrechen aus dem Baum.

Bei aller Grausamkeit dieser Methoden und moralischer Verurteilung dieser Art zu jagen aus heutiger Sicht erlauben diese rekonstruierenden Gedanken doch, die Form und vor allem deren Vielfalt zu begründen und zu erklären.

Beispiele für die heraldische Verwendung von Wolfsangeln (Doppelhaken)
Beispiele für die heraldische Verwendung des unteren Teiles einer Wolfsangel, des Doppelhakens:

von Metzenhausen: In Schwarz ein silberner Doppelhaken (Wolfsangel).

Johann von Metzenhausen als Erzbischof von Trier: Geviert. Feld 1 und 4: In Silber ein rotes durchgehendes Kreuz (Kurtrier). Feld 2 und 3: In Schwarz ein silberner Doppelhaken (Wolfsangel).

von Sötern: In Gold ein roter Doppelhaken (Wolfsangel).

Zahlreiche Stadtwappen haben eine einfache Wolfsangel (Doppelhaken) im Wappen:

Beispiele für die heraldische Verwendung von Wolfsangeln (Wolfsankern)
Beispiele für die heraldische Verwendung des oberen Teiles einer Wolfsangel, des Wolfsankers:

Wappen von Stadion (schwäbisch-fränkisches Geschlecht). In Schwarz drei goldene Wolfsangeln (Wolfsanker) übereinander, jeweils mit dem Ring nach unten.

Pflaumer (Franken). In Rot drei silberne Wolfsangeln (Wolfsanker) übereinander, jeweils mit dem Ring nach unten.

von Stain (Stein) zum Rechtenstein. In Gold drei schwarze Wolfsangeln (Wolfsanker) übereinander, jeweils mit dem Ring nach unten.

Auch Stadt- und Ortswappen verwenden die Wolfsangel (Wolfsanker):

Bauplastische Beispiele für Wappen mit Wolfsangeln (Wolfsankern)
Das erste bauplastische Beispiel ist ein Wappenstein für Johann Jakob vom Stain zum Rechtenstein; er war in der Zeit von 1629 bis 1649 Landkomtur der Deutschordensballei Elsaß-Burgund. Dieser Stein befindet sich in der Nahe des ehemaligen Deutschordensschlosses Beuggen an einer Scheune. Der Wappenstein aus Sandstein ist auf 1629 datiert. Die stark abgekürzte, hier sinngemäß ergänzte Inschrift lautet: "HANS JACOB VOM STAIN T(EVTONICI). O(RDINIS). L(AND). C(OMTVR). D(ER). B(ALLEI). E(LSASS). V(ND). B(VRGVND). C(OMTVR). Z(V). A(LTSHAVSEN). V(ND). B(EVGGEN)."

Johann Jakob vom Stain führt hier einen gevierten Schild, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes Kreuz (Deutscher Orden, Landkomture nahmen das Ordenskreuz in den gevierten Schild auf, das Kreuz hier schwebend und mit tatzenförmigen Enden), Feld 2 und 3: in Gold drei schwarze Wolfsangeln (Wolfsanker) übereinander, mit dem Ring nach unten gelegt. Das Wappen der vom Stain zum Rechtenstein wird beschrieben im Siebmacher Siebmacher Band: Bad Seite: 77 Tafel: 46, Band: Wü Seite: 12 Tafel: 15, BraA Seite: 89 Tafel: 54, SchlA3 Seite: 56 Tafel: 33, ferner im Scheiblersches Wappenbuch (Bayerische Staatsbibliothek Cod. icon. 312 c), Folio 15.

Deutscher Orden vom Stain zum Rechtenstein Landkomtur Johann Jakob vom Stain

Das zweite bauplastische Beispiel ist ein Wappenstein für den Komtur Johann Caspar von Stadion. Er war Komtur im Deutschordensschloß Beuggen, und dieser Stein befindet sich an einem östliche angebauten niedrigen Nebengebäude der Schloßkirche Beuggen zwischen dem dritten und dem vierten Fenster von links:

Der Stein ist auf 1609 datiert, und er hat zwei zusammengestellte Schilde. Die Inschrift lautet: "T(EVTONICI). O(RDINIS). (JO)H(ANN). C(ASPAR). V(ON). S(TADION)". Johann Caspar von Stadion (21.12.1567-21.11.1641) war der Sohn von Ullrich von Stadion und dessen Ehefrau Apollonia von Nanckenreuth. Nach seinem Ordensbeitritt 1594 wurde er zuerst 1606 in Freiburg Komtur, dann kam er nach Beuggen, wo er 1609-1628 die Kommende verwaltete, und aus diesem Zeitfenster stammen dieser Stein und ebenso der nachfolgend vorgestellte, und danach wurde Johann Caspar Landkomtur der Ballei Elsaß-Burgund mit Sitz in Altshausen und Hochmeister des Deutschen Ordens 1625-1627 in Bad Mergentheim. Daneben machte er politisch Karriere, denn er ging an den Hof von Kaiser Maximilian III. und stieg dort auf zum Oberstkämmerer und Obersthofmeister. 1619 wurde er unter Kaiser Ferdinand II. Mitglied des obersten Hofkriegsrat, schließlich dessen Präsident, und außerdem wurde er 1622 Geheimer Rat von Kaiser Ferdinand II. Mit Ferdinand III. gemeinsam kämpfte er im 30jährigen Krieg gegen die schwedischen Truppen bei Nördlingen 1634. Der ewige Kämpfer starb 1641 in Thüringen im Feldlager.

Deutscher Orden örtlicher Komtur
Johann Caspar von Stadion
späterer Landkomtur
Johann Caspar von Stadion

Das Familienwappen der von Stadion zeigt in Schwarz drei goldene Wolfsangeln (Wolfsanker) übereinander, mit dem Ring nach unten gelegt. Ein Oberwappen fehlt, das wäre auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken auf einem schwarz-goldenen Kissen eine goldene Wolfsangel (Wolfsanker), mit dem Ring nach oben, darin ein Pfauenstoß. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Wü Seite: 4 Tafel: 4, Band: Gf Seite: 51-52 Tafel: 93-94, Band: Mä Seite: 145 Tafel: 106, im Alberti S. 752, ferner im Aschaffenburger Wappenbuch Tafel 79 Seite 112, 78. Später, als Johann Caspar von Stadion Landkomtur wurde, wurde das Wappen aus Deutschordenskreuz und Wolfsangeln geviert.

Ein ganz ähnlicher Wappenstein befindet sich am Gebäude der ehemaligen Mühle auf dem Gelände von Schloß Beuggen. Das asymmetrisch eingesetzte Portal zwischem links vier und rechts zwei Fensterachsen wird von dem auf 1614 datierten Wappenstein überhöht. Die Inschrift lautet "H(ANS). C(ASPAR). V(ON). S(TADION). T(EVTONICI). O(RDINIS)." Wie im vorherigen Wappenstein handelt es sich um den örtlichen Komtur Johann Caspar von Stadion, Tinkturen wie oben beschrieben.

In anderen Sprachen
In anderen Sprachen wird nur beim Wolfsanker der Bezug zur Wolfsfalle gesucht, wegen der Vieldeutigkeit des Doppelhakens wird dieser mit Variationen des Wortes "Krampe" bezeichnet:
Wolfsangel (Wolfsanker): Englisch: Wolf-trap, französisch: Hameçon de loup
Wolfsangel (Doppelhaken): Englisch: Crampon, crampoon, cramp-iron, französisch: Crampon

Die Sache mit der Querstrebe
Noch eine Schlußbemerkung: Von den Varianten kann von der Wolfsangel mit einer Querstrebe ganz in Schwarz tingiert nur abgeraten werden, denn das kommt dem verbotenen Zeichen der als verfassungsfeindlich eingestuften und seit 1982 verbotenen Jungen Front (JF) - Jugendorganisation der VSBD/PdA (Volkssozialistische Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit) sehr nahe. Vor 1945 war diese schwarze Wolfsangel mit Querstrebe das Zeichen des Deutschen Jungvolkes bzw. der späteren Hitlerjugend. Diese spezielle Form der Wolfsangel steht damit auf der Liste verbotener Zeichen und darf nicht mehr als Kennzeichen dieser Organisation oder in einer damit zu verwechselnden Form gezeigt werden. Altüberlieferte Wappen mit diesem Motiv sind davon nicht betroffen.

Viele Stadtwappen und Gemeindewappen führen eine solche Wolfsangel, z. B.

Literatur
R. König-Warthausen, 1889 in den Württembergischen Vierteljahresheften für Landesgeschichte
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener 3. Aufl. 1999
K. v. Alberti, Die sog. Wolfsangel in der Heraldik, Südwestdeutsche Blätter für Familien und Wappenkunde 1960, S. 89
H. Horstmann, Die Wolfsangel als Jagdgerät und Wappenbild, in: Vj. Bl. d. Trierer Gesellschaft für nützliche Forschungen, 1955
Oswald, Lexikon der Heraldik
Wappenbilderordnung
Falkenburg:
http://www.falkenburg-lippe.de/www.falkenburg-lippe.de/Neuigkeiten.html
Experimentelle Archäologie, Nachbau von historischen Wolfsangeln:
http://minifossi.pcom.de/Wolfsangel.html

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