Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1075
Wilhermsdorf (Mittelfranken)

Die Hauptkirche von Wilhermsdorf

Ein Meisterwerk fränkischen Barocks
Barocke Größe in kleinem Städtchen - die Stadtkirche von Wilhermsdorf dominiert die Silhouette. Die Kirche steht etwas am Hang, so daß die barocke Schaufassade die tieferliegenden Häuser überragt und eine Treppenanlage zur Straße hinunter und an den Seiten als Niveauausgleich nötig war. Grundsteinlegung für dieses architektonische Kleinod war der 16.4.1706; 1708 war der Rohbau weitgehend fertig, bis zum Sommer 1709 war der Turm verschiefert, dann kam die Innenausstattung, und achteinhalb Jahre nach Baubeginn konnte die Kirche eingeweiht werden, am 2.9.1714. Kein Geringerer als Joseph Greissing, fürstbischöflicher Würzburger Stadt- und Landbaumeister (9.1.1664 in Hohenweiler - 12.12.1721 in Würzburg), hat die Pläne für diesen Kirchenneubau im Auftrag von Gräfin Franziska Barbara von Hohenlohe, geborene von Welz, gezeichnet. Die Wahl dieses Baumeisters kann natürlich erfolgt sein, weil er der damals führende Architekt im Hochstift Würzburg war. Es kann bei näherem Hinsehen aber auch ein anderer Grund eine Rolle gespielt haben: Als der erste Mann der Gräfin 1698 starb, erbte sie seine Eigentumsrechte. Wilhermsdorf aber war ein Lehen, das zunächst an den Landesherrn, den Würzburger Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau, heimfiel. Es war zu erwarten, daß dieser das Lehen an den zweiten Ehemann übertrug, das entsprach der üblichen Handhabung und so geschah es auch 1707 durch Belehnung mit der Herrschaft. Das heißt aber auch, daß der Kirchenneubau in der Interimszeit geschah, und man suchte gezielt gutes Einvernehmen mit dem Landesherrn und den Schulterschluß mit ihm durch Wahl seines Lieblingsarchitekten, um ihn für die anstehende Lehensübertragung günstig zu stimmen.

Die Gräfin hatte selbst den prosperierenden Ort Wilhermsdorf und entsprechendes Vermögen in die zweite Ehe gebracht und konnte entsprechend selbstbewußt als Bauherrin das Geschehen bestimmen, auch und gerade als vermögende Witwe. Die Gräfin wollte selbst in dieser Kirche beerdigt werden, deshalb wurde von Anfang an eine Gruft eingeplant, so daß diese Kirche auch den Charakter eines Memorialbaus besitzt. Es ist Greissings einziger protestantischer Kirchenneubau, und es ist aufgrund seiner architektonischen und künstlerischen Qualität einer seiner besten Kirchenbauten überhaupt. Die Ausführung vor Ort leitete Christian Herrmann, mit dem am 16.9.1705 der Maurerakkord geschlossen worden ist. Weitere beteiligte Künstler waren der Kunstschreiner Carl Matter aus Wilhermsdorf und der Schieferdecker Johann Hempel aus Ochsenfurt.

Der Grundriß wurde auf 50 x 80 Schuh angelegt, was sehr nahe am Goldenen Schnitt ist. Es wurde vom Raumkonzept her ein dreiteiliges, kreuzgratgewölbtes Langhaus in Form einer Freipfeilerhalle, ein tonnengewölbtes Mittelschiff mit schmäleren seitlichen Kapellennischen und darüber befindlichen Emporen, folgt also dem sog. Vorarlberger Schema. Der Chor ist leicht erhöht. Der zentrale Chorraum mit seinen Patronatslogen wird flankiert von zwei Seitenräumen, einerseits vom sog. Branntweinstübchen, andererseits von der Sakristei. Interessant ist die Ausrichtung des Gebäudes: Entgegen der für Kirchen üblichen Ost-West-Ausrichtung ist die Stadtkirche fast in Nord-Süd-Richtung (ganz leichte Verdrehung nach Osten) orientiert mit der 22 m hohen und 17 m breiten Schauseite in Südsüdost. Der Grund dafür ist ein barockes Gesamtkonzept, denn die Eingangsseite war auf das 1672-1693 erbaute Schloß ausgerichtet, welches aber nicht mehr besteht. Der dreigeschossige Chorscheitelturm ist sehr repräsentativ gestaltet, unten besitzt er gerundete Kanten, nach der Plattform mit Umgang folgt ein achtseitiges Geschoß, das eine ebensolche Haube mit Laterne trägt. Dieser Turm war 1709 vollendet. .

Auch die Fassade folgt den Prinzipien des Goldenen Schnitts. Die Fassade selbst ist pompös, barock, deutlich italienisch bzw. römisch beeinflußt, wie man an den vorhanden Stilelementen sieht: Kolossalpilaster, Volutenflanken, Blendgiebel, Rundbogennischen. Dieser durch die genannten Stilmittel erzeugte Pathos römischer Prägung ist ungewöhnlich für ein protestantisches Gotteshaus, und das verrät a) den katholischen Hintergrund der Ehefrau und b) ihre eigene tragende Rolle bei diesem Auftrag. Die Fassade ist so aufgebaut, daß eine Tür im Sockelgeschoß in die Gruft führt, während eine doppelläufige Freitreppe den Besucher zum hochgelegenen Eingangsportal führt. Diese Form der Erschließung beider Ebenen wird später von Greissing wortwörtlich bei der Würzburger Neumünsterfassade wiederholt.

Typisch für die Architektur Greissings sind die unverputzten Werksandsteinquader in den unteren Bereichen sowie bei den Pilastern, des weiteren die attikaähnlichen Zwischenzonen zwischen den Pilasterkapitellen und Hauptgesims sowie die ohrenartig vorspringenden Fensterstürze. Josef Greissing ist einer der ganz großen Architekten des fränkischen Barocks, der unter anderem Schloß Burgpreppach erbaute, in Würzburg ab 1711 die barocke Umgestaltung der Neumünsterkirche vollbrachte, 1707-1715 die Klosterkirche Comburg und ab 1715 die einstige Benediktinerklosterkirche in Theres erbaute, 1713-1715 die Schloß- und Pfarrkirche in Friesenhausen, 1717-1720 St. Peter in Würzburg, 1716-1718 das Rathaus von Iphofen, ab 1715 den Rückermainhof in Würzburg, 1687-1715 die Augustiner-Chorherrenstiftskirche in Triefenstein, 1717-1718 das Bürgerspital zum Hl. Geist in Würzburg, ein Architekt, dessen Handschrift vermutlich auch in den Entwürfen zur Klosterkirche Schöntal steckt etc. Seine Kunst ist das Bindeglied zwischen Antonio Petrini einerseits und seinem Amtsnachfolger als Hofbaumeister Balthasar Neumann andererseits. Für Greissing war Wilhermsdorf ein Prototyp, den er in der Ritterstiftskirche Comburg weiterentwickelte.

Wilhermsdorfer Geschichte
Wilhermsdorf ist seit den ersten Erwähnungen im Jahre 1096 bis 1566 Besitz der Herren von Wilhelmsdorf. Wolff von Wilhelmsdorf ist der Letzte der Familie und verstarb am 21.8.1569. Kurz zuvor, 1566, wurde der Besitz von der eigentlich aus dem Hessischen stammenden Familie Schutzbar gen. Milchling gekauft. Den Kauf tätigten fünf Brüder, Heinrich, Herrmann, Kaspar Georg, Kraft Hartmann und Wilhelm. Bald darauf sehen wir Heinrich Herrmann d. Ä. Schutzbar gen. Milchling und nach ihm Heinrich Herrmann d. J. Freiherr zu Burgmilchlingen als Alleinbesitzer. Er starb kinderlos. Ab 1568 ändert sich auch der Ortsname von Wilhelmsdorf in Wilhermsdorf. Nach einer kurzen Zeit 1656-1657 unter Johann Georg von Mauchenheim, gen. Bechtolsheim, 1657-1659 unter Fürstbischof und Kurfürst Johann Philipp Graf von Schönborn und 1659-1667 unter Georg Hannibal Freiherr von Eck und Hungersbach kam wieder Kontinuität in die Ortsgeschichte: Wolfgang Julius Graf von Hohenlohe-Neuenstein (3.8.1622 - 26.12.1698) kaufte am 4.5.1667 Wilhermsdorf und Neidhardswinden und baute sich Wilhermsdorf zur Residenz aus. 1672-1693 ließ er sich den Schloßneubau errichten. Nach seinem Tod wurde seine Witwe Franziska Barbara Gräfin von Hohenlohe geb. von Welz (4.8.1660 - 3.4.1718) Ortsherrin und führte die örtlichen Bauprojekte wie die Stadtkirche fort. Sie führte eine Rundumerneuerung des ganzen Ortes durch und gilt als große Mäzenin und Wohltäterin. Sie heiratete zum zweiten Mal, am 22.6.1701 in Wilhermsdorf, wieder einen Sproß des Hauses Hohenlohe, Philipp Ernst Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (29.12.1663 - 29.11.1759). Über dessen Nachkommen (die erste Ehe von Franziska Barbara und Wolfgang Julius blieb kinderlos) kam Wilhermsdorf 1763 an Graf Philipp Ferdinand zu Limburg-Bronkhorst-Styrum, 1769 mußte es wegen Mißwirtschaft verkauft werden und kam mit großen Schulden an Freiherr Erasmus Wurster von Kreuzberg. Danach kam Wilhermsdorf 1796 unter preußische Fittiche, 1806 schließlich kam es zusammen mit Ansbach an das Königreich Bayern. Der letzte Freiherr Wurster von Kreuzberg war Johann Friedrich, der 1839 in Nürnberg verstarb, wodurch Bayern endgültig den Ort in seinen Besitz übernahm.

Beschreibung der Wappen
Hier haben wir über dem Hauptportal ein zusammengeschobenes Ehewappen, wo in einem gespaltenen Ovalschild rechts das Wappen des Ehemannes, links das Wappen der Ehefrau abgebildet wird.

Das gevierte Wappen der Grafen von Hohenlohe mit Herzschild setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen:

Die beiden Leoparden und der Löwe der rechten Seite sind aus Courtoisie nach innen gewendet.

Das gevierte Wappen der mittlerweile erloschenen österreichischen Familie von Welz (auch als von Welzer geführt, steiermärkischer Uradel mit gleichnamigem Stammhaus zwischen Judenburg und Murau) mit Herzschild setzt sich wie folgt zusammen:

Historische Entwicklung des Welzer-Wappens
1. Wappen: Stammwappen von Welz, z. B. Siegel Chunrad von Welz aus dem Jahre 1265 (ohne Farbangaben), sowie Linie Welz(er) von Feistritz (Farben erstmals angegeben):

2. Wappen: Tennberg. Am 28.10.1361 verlieh Erzbischof Rudolf von Salzburg der Familie von Welz(er) das heimgefallene Wappen der ausgestorbenen von Tennberg. Die von Welz(er) führten dieses Wappen alternativ zu ihrem Stammwappen.

Das zugehörige Kleinod ist ein silberner "poschen mit swartzen raitzeln".

3. Wappen: Die von Welz(er) führten das Wappen Tennberg nicht nur alternativ zu ihrem Stammwappen, sondern auch in allen möglichen Zusammenstellungen mit ihrem Stammschild. Ein Beispiel:

4. Wappen: Stadau kommt ins Wappen. Am 4.7.1448 verlieh Kaiser Friedrich dem Hanns Welzer das heimgefallene Wappen Stadau (gest. Hanns Stadawer). Das scheint nur eine kurze Episode gewesen zu sein, Siegel liegen nicht vor, und diese Komponente wird später nicht mehr geführt. Bsp.:

5. Wappen: Eberstein kommt ins Wappen. Am 22.4.1458 verlieh Kaiser Friedrich dem Moriz Welzer das mit dem Tode des Eustach von Eberstein heimgefallene Wappen Eberstein. Dieses Wappen kommt jetzt in den verschiedensten Kombinationen als Feld zusammen mit dem Stammwappen und dem Feld Tennberg vor. Wappen der Welzer von Eberstein, z. B. nach einem Siegel des Andre Welzer von Eberstein vom 29.1.1504.

6. Wappen: Reichenburg kommt ins Wappen. Am 21.6.1571 verlieh Erzherzog Carl den Brüdern Rupprecht, Christoph Reinprecht, Achaz und Sigmund Welzer von Spiegelfeld das durch den Tod des Hanns Reinprecht von Reichenburg heimgefallene Wappen. Gleichzeitig erfolgte eine Wappenbesserung dahingehend, daß aus den eisernen Helmen goldene wurden. Wappen der Welzer von Spiegelfeld bzw. von Welz, Freiherren zu Eberstein und Spiegelfeld:

Dazu drei Helme:

7. Wappen der von Welz, Freiherren zu Eberstein und Spiegelfeld (nach Herrenstandmatrikel): Feld 2 und 3 werden gespalten. Ein weiteres Element mit Teilung und den Farben Rot und Silber hält Einzug, einmal vorne, einmal hinten, einmal mit Rot oben, einmal mit Silber oben. Das Wappen Tennberg bleibt jeweils innen, die neue Komponente kommt außen hin. Dazu kommen kleinere Veränderungen bei den Helmkleinoden, der Flug des Stammkleinods wird geöffnet und trägt das Schildbild als Ganzes, die Anzahl der Federn des Tennberger Kleinods wird um zwei erhöht.

Dazu fünf Helme, die ersten drei auf dem oberen Schildrand, die beiden letzten seitlich neben dem Schild:

Genealogie zum Wappen:
Hier ist die Genealogie etwas unübersichtlich, weil jeder der am Ausbau von Wilhermsdorf zur barocken Residenz Beteiligten zwei Ehen führte. Beginnen wir mit dem Käufer von Wilhermsdorf, Graf Wolfgang Julius, und seiner Abstammung:

Abstammung seiner Ehefrau Franziska Barbara von Welz:

Der zweite Ehemann von Franziska Barbara von Welz entstammt ebenfalls dem Haus Hohenlohe, und für ihn ist es die erste Ehe:

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.4811699,10.7150326,20z - https://www.google.de/maps/@49.4811699,10.7150326,82m/data=!3m1!1e3
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere die Bände Niederösterreich und Oberösterreich
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Wilhermsdorf:
https://www.markt-wilhermsdorf.de/ - Sehenswürdigkeiten: https://www.markt-wilhermsdorf.de/unsere-marktgemeinde/rundgang/sehenswuerdigkeiten
Kirchengemeinde Wilhermsdorf:
https://www.wilhermsdorf-evangelisch.de/
Joseph Greissing:
https://deu.archinform.net/arch/20803.htm
Johannes Mack: Der Baumeister und Architekt Joseph Greissing, mainfränkischer Barock vor Balthasar Neumann, hrsg. von der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VIII. Reihe: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte, c/o Verlag PH. C. W. Schmidt, 1. Auflage 2009, 797 S., ISBN-10: 3866528167, ISBN-13: 978-3866528161, S. 472-475, S. 612-613
baudenkmäler in Wilhermsdorf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Wilhermsdorf#Wilhermsdorf
Geschichte von Wilhermsdorf:
https://www.heimatverein-wilhermsdorf.de/geschichte-wilhermsdorf.html
Wilhermsdorfer Geschichte(n):
https://www.th-nuernberg.de/fileadmin/fakultaeten/ar/ar_docs/Fak/WILHERMSDORFER/Seiten_aus_2016-17_Wilhermsdorf_final.pdf

Die Wappen des Hauses Hohenlohe

Ortsregister - Namensregister
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright / Urheberrecht Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2009, 2021
Impressum