Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 416
Trier: Im
Schatten der glanzvollen Kurfürsten
Domfreihof: Palais Walderdorff
Der Domfreihof ist der Platz westlich des Domes und ein wichtiges städtebauliches Pendant und Gegengewicht zum weiter westlich gelegenen Hauptmarkt, mit dem er über die Sternstraße verbunden ist. Der Domfreihof lag aber, wie der Name andeutet, innerhalb der Domfreiheit und der Mauer um das Domviertel, der Hauptmarkt außerhalb, und in der Sternstraße befand sich früher ein Tor. Einst erstreckte sich der frühchristliche Doppelkirchenkomplex viel weiter nach Westen als heute, und erst mit Aufgabe der ursprünglichen Westausdehnung und Schrumpfung der Sakralbauten in ihrer Länge war die Anlage des Platzes möglich. Als Fürstbischof Poppo von Babenberg den Westchor des Domes anlegen ließ, erfolgte gleichzeitig die Bildung des ersten Platzes, der später, vermutlich im 16. Jh., nach Norden erweitert wurde. Im Gegensatz zum Hauptmarkt war der Domfreihof nie von geschlossenen Fassaden umstellt wie sein westliches Gegenstück, der Hauptmarkt. Vielmehr waren die freien, nicht von der Kirchenanlage begrenzten Seiten von Domkurien (Brictius-Kurie, Kurie Jerusalem, Kurie Gülz, Rodenmacher-Hof) umstellt, die zum öffentlichen Raum hin mit einer Mauer endeten, während die Wohngebäude zurückgesetzt standen, wie man es heute noch in den nördlich und östlich des Domes liegenden Straßen sehen kann. Erst im späten 18. Jh. und im 19. Jh. wandelte sich das Gesicht des Platzes, als barocke und später klassizistische Fassaden eine Platzrandbebauung schufen und damit ein echtes städtisches Platzgefühl aufkommen ließen. In dieser Zeit entstand auch die hier vorgestellte Bebauung.
Das Palais Walderdorff ist ein großer Komplex aus mehreren Einzelbauten: Entlang des Platzes an der Ecke zur Sternstraße steht zunächst ein spätbarocker, zweigeschossiger Putzbau mit stichbogiger Sandsteingliederung. Das barocke Gebäude wurde 1765-1766 durch den damals am kurfürstlichen Hof maßgeblichen Architekten Johannes Seiz als Domkurie errichtet und ersetzte den mittelalterlichen Rodenmacher-Hof. Auftraggeber war der vorletzte Trierer Kurfürst, Johann Philipp von Walderdorff, und deshalb trägt der ganze Komplex den Namen Palais Walderdorff. Der erste Bewohner war Karl Emmerich Freiherr von Hagen zur Motten, Archidiakon von Longuyon, wie auf einer Tafel in Wappenschildform im Treppenhaus zu lesen ist. Nach links grenzt an diesen vorgenannten Bau entlang der Sternstraße ein ebenfalls um 1766 errichteter Verbindungstrakt, der rückseitig an die 1774-1776 anstelle eines gotischen Giebelhauses erbaute ehemalige Hauptwache am Hauptmarkt angrenzt und wie jene heute eine H&M-Filiale beherbergt.
Das ursprüngliche Aussehen dieser Domkurie wurde im Laufe des 19. Jh. mehrfach verändert. Markanteste Neuerung ist der um 1877 unter Verwendung älterer Teile errichteter Mittelrisalit im Stil des Neobarock. Im gequaderten Erdgeschoß weist der Mittelrisalit eine große Wagendurchfahrt auf, die von zwei kleinen Fußgängerdurchlässen flankiert wird. Dahinter liegt die geräumige Eingangshalle. Im ersten Obergeschoß liegt im Mittelrisalit ein Saal mit vier Fensterachsen, wovon die beiden mittleren Fenster enger zusammengestellt sind. Die beiden Seitenteile der Fassade sind jeweils drei Fensterachsen breit. Die Fenster besitzen allesamt Schlußsteine mit Rocaille-Dekorationen. Das Mansarddach weist zwei Reihen von Gauben auf. Der an die rechte Außenwand anschließende Verbindungstrakt zur Dompropstei wurde nach dem Zweiten Weltkrieg leicht verändert wiederaufgebaut.
Der geschweifte und aufwendig verzierte Giebel enthält zwei Fenster. Den krönenden Abschluß bildet ein Wappen des Königreichs Preußen (Abb. oben), in Silber ein königlich gekrönter, schwarzer, golden bewehrter und rotgezungter Adler mit goldenen Kleestengeln auf den Flügeln und goldenem preußischen Königszepter mit Adler rechts und blauem, golden beschlagenen Reichsapfel links in den Fängen sowie den Initialen FR (für Fridericus Rex, König Friedrich I.) auf der Brust. Über dem Ganzen ist noch einmal die in Sandstein gehauene Königskrone mit Reichsapfel oben in der Mitte angebracht. Der vor den mittleren Fenstern des ersten Obergeschosses liegende Balkon ruht auf Löwenkonsolen und besitzt ein bauzeitliches schmiedeeisernes Gitter, daß beim Umbau im 19. Jh. wiederverwendet wurde (Abb. unten).
Nach rechts schließt an die vorgenannte Domkurie ein weiterer barocker Walmdachbau an, die um 1758 erbaute ehemalige Dompropstei (Abb. unten). Das langgestreckte Gebäude mit elf Fensterachsen ist zweigeschossig; das hohe Walmdach ist mit zwei Gaubenreihen besetzt. Der Putzbau weist eine geohrte Sandsteingliederung auf. Die in der Mittelachse gelegene Tordurchfahrt ist risalitartig hervorgehoben. Pilaster auf gequaderten Rücklagen und ein Dreiecksgiebel betonen die Mittelachse. Hier befand sich vorher die Kurie Jerusalem, von der im Hof noch das bedeutendste Überbleibsel zu finden ist, der romanische Turm Jerusalem (ohne Abb.), der noch aus dem 11. und 12. Jh. stammt und wie der Frankenturm oder der sogenannte Gefängnisturm ein schönes Beispiel für die Turmhäuser jener Zeit ist und heute als Standesamt genutzt wird. Seine anderen Namen sind Heidenturm und Regierungsturm. Das Mauerwerk ist von römischer Technik beeinflußt, aus Kalkstein mit Ziegeldurchschuß, hier aber nur vorgeblendet. Der Turm ist freilich nicht mehr in voller Höhe erhalten, weil im 19. Jh. die oberen Stockwerke abgebrochen wurden. Einige rundbogige Plattenfenster, wie sie auch - mehr und besser - am Frankenturm zu sehen sind, sind noch vorhanden; die restliche Befensterung ist deutlich später gebrochen worden. In der ehemaligen Dompropstei wohnte 1797 noch Franz Wilderich Graf von Walderdorff, der Schloß Monaise errichten ließ. Zu dieser Zeit war er noch Propst; später wurde er Fürstbischof von Speyer. Heute wird dieser Bau im Erdgeschoß vom Restaurant "Walderdorffs" genutzt.
Im zweiten Viertel des 19. Jh. wurde rechtwinklig an die ehemalige Dompropstei ein historistisches Gebäude mit Kopfpavillon im Stil der italienischen Renaissance angesetzt, das die Hälfte der nördlichen Platzrandbebauung bildet (rechts im Bild angeschnitten). Es handelt sich um die ehemalige Regierungs-Hauptkasse mit Kassenhaus im Pavillon am östlichen Ende. Das in den 1950er Jahren entkernte Gebäude wurde von 1966 bis zum Umbau des Ensembles als Stadtbücherei genutzt, seitdem überwiegend von Radio RPR. Die Stadtbücherei ist in einen rückwärtigen Gebäudetrakt hinter der Dompropstei umgezogen, der um 2000 entkernt und um einen modernen Anbau im Innenhof ergänzt wurde. Diese Räumlichkeiten werden weiterhin von der Volkshochschule genutzt. Neben diesem Kassengebäude schließt sich der Torbau der Philippskurie an (außerhalb des obigen Bildes, siehe separates Kapitel).
Auch an der Dompropstei ist im Dreiecksgiebel das preußische Wappen wie oben beschrieben angebracht. Dazu ein kleiner Rückblick: Zuerst hatte der Adler ab 1525 eine goldene Laubkrone um den Hals gelegt gehabt und auf der Brust die silberne Initiale "S" für Sigismund als Zeichen der Lehensabhängigkeit von Polen. Der Adler als solcher ist vom Reichsadler abgeleitet, der über das Hochmeistertum des Deutschen Ordens (Kaiser Friedrich II. verlieh dem Hochmeister Hermann von Salza um 1224 das Recht, den Adlerschild in das Hochmeisterwappen aufzunehmen) an den neugegründeten Preußischen Staat kam; die Farben sind sowohl vom Deutschen Orden als auch vom Stammwappen der Hohenzollern abgeleitet (Albrecht von Brandenburg aus der Ansbacher Linie, ein Neffe des Königs Sigismund von Polen, wurde am 5.1.1511 zum Hochmeister gewählt und wandelte den Ordensstaat in ein weltliches Herzogtum um). Die Kleestengel hatten ihr Vorbild im polnischen Wappen. Als Kurfürst Georg Wilhelm mit dem Herzogtum Preußen belehnt wurde, bekam der Adler einen Fürstenhut auf den Kopf; die Halskrone wurde aufgegeben, und die Initialen auf der Brust waren nun ab 1633 VG, für Vladislav IV., König von Polen und Lehnsherr, und Georg Wilhelm, Lehnsnehmer. Am 19.9.1657 erlangte Kurfürst Friedrich Wilhelm durch den Wehlauer Vertrag die volle Souveränität über Preußen, und sofort wurde die Initiale "C" des polnischen Königs von der Brust des Adlers getilgt, nur der Buchstabe "F" blieb. 1701 kam es zu weiteren Änderungen, als Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg und seine Gemahlin Sophie Charlotte am 18.1.1701 in Königsberg gekrönt wurden. Damals wurden die königliche Krone auf dem Haupt des Adlers und das FR-Monogramm für König Friedrich I. auf der Brust eingeführt. Als König Friedrich Wilhelm I. 1713 an die Regierung kam, wurden das Zepter und der Reichsapfel in den Fängen eingeführt. In dieser Form wurde das Wappen bis 1921 beibehalten.
Der Komplex des Palais Walderdorff ist nicht nur eine städtebaulich hochinteressante Bebauung an der Nahtstelle zwischen Domimmunität und städtischem Bereich, sondern spiegelt auch die wechselvolle politische Geschichte der Stadt wider. Nach der Besetzung Triers durch französische Revolutionstruppen im Jahr 1794 wurden die stattlichen und repräsentativen Gebäude säkularisiert und als Sitz der französischen Regierung genutzt. Ab 1798 wurde hier die Präfektur des Saar-Departements eingerichtet. Wenn es irgendwo noch kurfürstliche Heraldik gab, ist sie in dieser Zeit abgeschlagen worden. Hier wurden auch die ehemaligen Kirchen- und Klostergüter im Zuge der Säkularisation versteigert. Es folgten aufeinander die Präfekten Joseph Bexon d'Ormschwiller (1800-1803), Maximilien Xavier Képler (1803-1810) und Alexandre François de Bruneteau de Sainte Suzanne (1810-1813). Die Franzosen wurden im Lauf der Befreiungskriege 1814 vertrieben.
Ab der endgültigen Neuordnung im Wiener Kongreß 1815 nutzte die nun preußische Regierung die Domkurie und die Dompropstei als Verwaltungssitz (bis 1863 Alte Regierung), und davon künden die beiden Giebelwappen. Das Königreich Preußen hatte fast das ganze ehemalige Saardepartement erhalten, bis auf kleinere Ausnahmen: Der ehemalige Kanton Kusel kam an das Königreich Bayern, das ehemalige Arrondissement Birkenfeld kam fast gänzlich an das Großherzogtum Oldenburg, die ehemaligen Kantone Sankt Wendel und Baumholder kamen an Sachsen-Coburg-Saalfeld und der ehemalige Kanton Meisenheim kam an die Landgrafschaft Hessen-Homburg. Alle Gebäude, die 1938/1939 noch einen Umbau erfuhren, wurden schließlich Landesbesitz von Rheinland-Pfalz. Bis zum Jahr 1952 wurden Kriegsschäden beseitigt. Danach wurde der Komplex 1959 städtischer Besitz, aber 1997 an einen Investor verkauft (Nikolaus Koch Stiftung), der 1998-2000 eine Generalsanierung aller zugehörigen Gebäude nach Befund vornahm. Heute erlebt das Ensemble eine Mischnutzung aus öffentlichen städtischen Einrichtungen (Stadtbücherei, Volkshochschule, Seniorenbüro, Jugendtreff, Galerien), behördlicher Nutzung (Standesamt), Gastronomie und Einzelhandel.
Literatur,
Links und Quellen:
Denkmaltopographie
Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz,
Band 17.1, Hrsg. im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft,
Weiterbildung, Forschung und Kultur vom Landesamt für
Denkmalpflege: Stadt Trier, Altstadt, bearbeitet von Patrick
Ostermann, Wernersche Verlagsgesellschaft Worms, 2001, ISBN
3-88462-171-8, S. 208-212
Palais Walderdorff: http://www.trier-info.de/palais-walderdorff-info
Palais Walderdorff: https://de.wikipedia.org/wiki/Palais_Walderdorff
Saar-Departement: https://de.wikipedia.org/wiki/Département_de_la_Sarre
Königreich Preußen: https://de.wikipedia.org/wiki/Königreich_Preußen
das preußische Wappen: https://de.wikipedia.org/wiki/Wappen_Preußens
Restaurant Walderdorffs: https://walderdorffs.de/ - Geschichte: https://walderdorffs.de/historie
Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897,
Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X, S. 6-10, 13-14
Ortsregister Photos von Wappen - Namensregister
Zurück zur Übersicht Heraldik
©
Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2017
Impressum