Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 451
Bad Kissingen
(Franken)
Kissingen-Hausen: Obere Saline (Bismarckmuseum)
Die Obere Saline in Hausen (seit 1972 zu Bad-Kissingen gehörig, ca. 3 Kilometer nördlich des Stadtzentrums von Bad Kissingen) war einst fürstbischöfliche Kurresidenz. Sie wurde auch Friedrichshall genannt, Friedrich nach ihrem Erbauer, und "Hall" verweist auf die Salzgewinnung. Die Anlage steht zwischen der Bundesstraße und der Fränkischen Saale und umschließt mit ihren drei Flügeln einen weiträumigen Innenhof, der zum Fluß hin eine mauerbegrenzte Terrasse bildet, unter der sich mehrere ziegelkappengewölbte Kellergewölbe mit Brunnenleitungen befinden. Früher standen hier noch das Sudhaus und die Sudpfanne, heute wird der Innenhof als Festplatz für das Salinenfest und als Freilichttheater verwendet, ist jedoch aktuell wegen Sanierungsbedarf gesperrt. Der Quaderbau mit Mittel- und Eckpavillons sowie niedrigeren Verbindungsbauten dazwischen erstreckt sich entlang der Bundesstraße und wurde in den Jahren 1767-72 unter Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim errichtet, und sein Wappen ziert den Mittelrisalit auf dessen Ostseite. Architekt war Johann Philipp Geigel, die Innenausstattung stammte von Johann Peter Wagner. Im Jahr 1767 wurde die Salinenkirche eingerichtet und am 15.9. des Jahres geweiht. Der Salinenbetrieb wurde von Johann Michael Schambach und später von dessen Sohn Johann Adam Schambach geleitet. Den nördlichen Flügel des Komplexes bildet u. a. eine Reithalle. Der Gebäudekomplex ist ein funktioneller Hybrid aus barockem Industriebetrieb und repräsentativer Baderesidenz zugleich.
Später logierte hier Otto von Bismarck insgesamt 14mal anläßlich seiner Kuraufenthalte, vornehmlich zum wiederholten Abnehmen, deswegen hat man hier heute ein Bismarck-Museum eingerichtet, das am 30.7.1998 eröffnet wurde (Bismarcks 100. Todestag). Das sog. Kissinger Diktat erfolgte auch hier, am 15.6.1877, ein Vorgang gewisser weltpolitischer Bedeutung, in dem die Prinzipien seiner außenpolitischen Bündnispolitik vor dem Hintergrund der Balkankrise niedergelegt wurden. Davor war Bismarck einmal in Bad Kissingen selbst zur Kur, er bezog seine Unterkunft in der heutigen Bismarckstraße, aber nach einem 1874 durch den Magdeburger Böttchergesellen Franz Kullmann verübten Attentatsversuch nutzte er jedoch aus Sicherheitsgründen fortan die etwas abgelegenere Obere Saline und logierte seit 1876 dort. Stolz sagt man daher über das Museum, es sei das einzige Bismarck-Museum in Deutschland an historischem Ort mit authentischem Interieur, inklusive Sofa, Schreibtisch und Nachttopf. Sein Gastgeber war der Pächter Karl Streit (31.3.1833-1902), ein Jurist, und zwischen Pächter und Gast entstand eine tiefe Freundschaft. Die bis dahin ungenutzten Räume des aufgelösten Hauptsalzamtes wurden mit antiken Möbeln als Bismarck-Wohnung eingerichtet. Und sehr selbstbewußte Kissinger weisen darauf hin, daß zwischen 1874 und 1893 Bismarck immerhin 66 Wochen in Kissingen verbracht hatte und beinahe der Mittelpunkt des Deutschen Reiches nach Kissingen verlegt worden war, wie die "Wiener neue Freie Presse" damals titelte. jedenfalls entstanden bei einem am 14.8.1880 in der Oberen Saline stattgefundenen Treffen zwischen Bismarck und dem Präsidenten des Reichskanzleramts, Karl von Hohmann, die Grundideen einer Reform der Versicherungsgesetze, die zur verbesserten Sozialgesetzgebung führen sollten.
Danach wurde die Obere Saline als Veteranenkurheim für die überlebenden Teilnehmer des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 genutzt, welches im Jahre 1904 von Friedrich Hessing, Bad Kissinger Ehrenbürger, im Zwischentrakt eingerichtet und vom Roten Kreuz betrieben wurde. Am 12.12.1997 wurde die Saline an die Stadt Bad Kissingen für 525794 DM verkauft. Heute sind im Zwischentrakt Wohnungen eingerichtet. Ein zweites in den Gebäuden eingerichtetes Museum ist die Spielzeugwelt, welches am 8.12.2011 eröffnet wurde und die über einen Zeitraum von 50 Jahren angelegte Spielzeugsammlung der Bad Kissinger Bürgerin Hilla Schütze zeigt, größtenteils Holzspielzeug und Spielzeug aus der Rhön. Es gibt auch eine Untere Saline, die wurde aber erst 1788 errichtet und trägt kein Wappen. Dort überlebte die industrielle Salzgewinnung bis zum Jahr 1968, in der Oberen Saline war bereits 1868 Schluß.
Früher wurde hier tatsächlich Salz gewonnen, aus einer der dort befindlichen Solequellen. Dazu gehört auch das sog. Gradierwerk, ein System zur Aufkonzentrierung der Sole durch Verdunstung durch Überleiten bzw. Verrieseln der Sole über Reisigbündel mit dem Ziel der Verteilung über eine möglichst große Oberfläche. Bayern trat 1866 dem Norddeutschen Zollverein bei, und damit wurden die Eigengewinnung von Salz und die Kissinger Saline bedeutungslos. Das Salzmonopol fiel im Jahr 1867, und als Salzgewinnungswerk wurde die Obere Saline 1868 geschlossen, danach war sie nur noch Baderesidenz. Die beiden parallelen Gradierbauten, die einst bis vor das Dorf Hausen reichten, wurden abgerissen, desgleichen Sudhaus und Sudpfanne. Heute ist nur noch ein kleiner Nachbau des Gradierwerks zu sehen.
Über einer Sonnenuhr an der linken Ecke befindet sich eine Inschrift mit Chronogramm: "QVOT GRADIBVS PROPERAT PHOEBVS TOT NESTOR ET ANNOS LAETOS FRANCONIAE FERS FRIDERICE DIES" = V + D + I + V + V + L + C + I + I + D + I + C + D + I = 5 + 500 + 1 + 5 + 5 + 50 + 100 + 1 + 1 + 500 + 1 + 100 + 500 + 1 = 1770. Vom Versmaß her handelt es sich um ein Distichon (Hexameter + Pentameter). Der Text läßt sich auf mehrfache Weise sinnvoll übersetzen, was vom Ersinner durchaus impliziert gewesen sein mag:
Das Wappen des Würzburger Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1757-1779) ist geviert mit wiederum geviertem Herzschild:
Zu diesem Seinsheimer Wappen würden folgende zwei Kleinode gehören:
Dazu hätte er die Helme beider Fürstbistümer beanspruchen können, oder die Kombination Fürstenhut (für Würzburg) und Kaiserkrone (Bamberg). Die untere, in eine ovale Nische geschobene Kopfbedeckung ist klar als Fürstenhut für das Amt eines Würzburger Fürstbischofs zu erkennen, bei der oberen muß man jedoch dazuschreiben, daß es die Kaiserkrone des kaiserlichen Hochstifts Bamberg sein soll, weil sie darstellerisch eher auch einem Fürstenhut ähnelt.
Die Familie von Seinsheim ist ein fränkisches Ministerialengeschlecht mit zwei Lehnherren, dem Bischof von Würzburg und dem Abt des Klosters Michelsberg. Die Stammreihe beginnt mit Siegfried von Seinsheim (Sifridus de Sowensheim), 1172-1209 erwähnt. Zu dem ausgedehnten Besitz der Familie in Franken gehörten Erlach, Schwarzenberg, Astheim bei Volkach, Burg Kottenheim, Burg Hohenlandsberg, Seehaus, Hörblach, Wässerndorf etc. Die Familie ist in zwei Linien aufgespalten, von Seinsheim-Seinsheim und von Seinsheim-Schwarzenberg. 1429 erhielt ein Angehöriger der zweiten Linie den Freiherrentitel; der Stamm lebt in den Fürsten von Schwarzenberg fort. Die Linie von Seinsheim-Seinsheim erwarb den Besitz Sünching im Jahre 1572. Das liegt in der Oberpfalz. Anläßlich ihrer Erhebung in den Reichsfreiherrenstand 8 Jahre später vierten sie ihren Schild mit dem Wappen der ausgestorbenen Familie von Sünching, auf deren Gütern sie saßen. So kam die Wildsau ins Wappen. Die Familie von Seinsheim ist heute im Mannesstamm erloschen, der letzte war Maximilian Graf von Seinsheim (1844-1917). Die letzte Seinsheimerin, Gräfin Gabriele von Seinsheim, heiratete Johann Freiherr von Hoenning O'Carroll; ihnen gehört heute noch der Besitz Sünching. In der Fürstenfamilie von Schwarzenberg lebt jedoch der andere Zweig fort.
Literatur:
Anton P. Rahrbach,
Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte
fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die
Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher
Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe.
Herausgegeben vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer
Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger
Diözesangeschichtsverein. Würzburg, 1974. 192 Seiten.
Chronogramm-Assistent: http://www.begeistert.info/chronogramm/chronogramm.php und http://www.fizkapu.hu/chronogram_anno.html
Obere Saline: Risse in den Kellern, Artikel in der Mainpost vom
12.10.2012, online: http://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/Obere-Saline-Risse-in-den-Kellern;art766,7074444
Siegfried Farkas: Die Obere Saline: Wo Fürstbischöfe kurten und
Bad Kissingens Eiserner Kurgast Otto von Bismarck 750 Pfund
Lebendgewicht zurückließ, Artikel in der Mainpost vom 5.9.2011,
online: http://www.mainpost.de/regional/franken/Die-Obere-Saline-Wo-Fuerstbischoefe-kurten;art1727,6314413
Thomas Mäuser: Keller der Oberen Saline sind einsturzgefährdet,
Artikel in der Mainpost vom 24.3.2013, online: http://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/Obere-Saline-Salinenfest-Stadt-Bauamt-Einsturzgefahr;art433641,8050107
Siegfried Farkas: Wieder Theater in der Oberen Saline, Artikel in
der Mainpost vom 20.11.2007, online: http://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/Wieder-Theater-in-der-Oberen-Saline;art766,4222806
Isolde Krapf: Bismarcks Kissinger Grundpfeiler der
Sozialversicherung, Artikel in der Mainpost vom 27.6.2014,
online: http://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/Bismarcks-Kissinger-Grundpfeiler-der-Sozialversicherung;art766,8203817
Obere Saline (Bad Kissingen) http://de.wikipedia.org/wiki/Obere_Saline_(Bad_Kissingen)
Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Bayern I:
Franken: Die Regierungsbezirke Oberfranken, Mittelfranken und
Unterfranken: BD I, Deutscher Kunstverlag München Berlin, 2.,
durchgesehene und ergänzte Auflage, 1999, S. 71
Die Obere Saline und Friedrichshall, in: Werner
Eberth: Beiträge zur Geschichte von Hausen und Kleinbrach, Band
2. Theresienbrunnen-Verlag, Bad Kissingen, 2010, S. 66103
Die Obere Saline und ihre Bewohner, in: Werner Eberth: Beiträge
zur Geschichte von Hausen und Kleinbrach, Band 2.
Theresienbrunnen-Verlag, Bad Kissingen, 2010, S. 104154
Das Veteranenkurheim in der Oberen Saline, in: Werner Eberth:
Beiträge zur Geschichte von Hausen und Kleinbrach, Band 2.
Theresienbrunnen-Verlag, Bad Kissingen, 2010, S. 155158
Bad Kissinger Museums-Informationen (Hrsg.: Peter Weidisch), Heft
3: Bismarck in Bad Kissingen, Verlag Stadt Bad Kissingen, Bad
Kissingen 2011. ISBN 978-3-934912-11-3
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