Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 697
Alte Hansestadt Lemgo

Lemgo, St. Nicolai - Kerssenbrock-Epitaph

Vor dem Kerssenbrock-Epitaph steht eine Renaissance-Taufanlage. Eine mannshohe Brüstung mit Pforte umgibt die Anlage, allerdings ist sie nicht mehr ganz vollständig. Ihr erster Aufstellungsort war im südlichen Querhausarm vor dem Vierungspfeiler im Südosten. 1863 wurde die Anlage versetzt, dabei ging eine Seite der Einfassung verloren. Die Einfassung ist reich verziert in später, üppiger Renaissance: Kannelierte Säulchen, reich verzierte Inschriftenkartuschen mit Bibelzitaten mit Bezug zur Taufe, Putten, Löwenköpfe, Fruchtgehänge, sämtliche Register der Dekoration in typischer Art der Weserrenaissance werden gezogen. Im Westen der Taufanlage befindet sich eine Pforte. Auf balusterartigen Sockeln stehen beiderseits des Durchganges zwei Säulenpaare, auf denen ein Gebälk mit üppigem Figurenschmuck ruht, links Christus, rechts Johannes der Täufer, oben Petrus und Paulus, dazwischen Christus mit zwei Kindern.

Das Bild zeigt einen der reich verzierten Brüstungsaufsätze im Norden der Anlage, diesmal mit der Baumeister-Signatur: "Elaboravit Georgius Crosman, Lemgovius artis sua specimen aliquod daturus anno Christi 1597" - Dies hat Georg Crosman aus Lemgo als Musterstück seiner Kunst gefertigt im Jahre Christi 1597. Im Wappenschild befindet sich eine Art individuelles Baumeisterwappen: Der Schild ist gespalten, vorne die Werkzeuge eines Bildhauers bzw. Steinmetzen, in Rot zwei schräggekreuzte Meißel, darüber ein goldener Klöppel, hinten in Schwarz sein goldenes Steinmetzzeichen und seine goldenen Initialen GC. Im Jahre 1597 wurde diese Taufanlage geschaffen, sie entstand im Auftrag von Johan Cothman und Hans Seiler von der Gemeinde.

Die Rückwand dieser Anlage bildet der etwas früher entstandene Kerssenbrock-Epitaph, wobei die 19 Jahre Unterschied in der Entstehungszeit stilistisch nicht so ins Gewicht fallen - thematisch bleibt es eine eigenwillige Zusammenstellung, die durch die Versetzung der Taufanlage 1863 zustandegekommen ist.

Franz II von Kerssenbrock starb um 1576. Sein Epitaph ist ein Werk von Hermann Wulff, einem Lemgoer Baumeister und Bildhauer. Vor einem Kruzifix kniet auf einer niedrigen Bank der Verstorbene in voller Rüstung, stahlgrau mit goldenem Zierrat, an der linken Seite ein vergoldetes Schwert, an der rechten Seite ein prunkvoll gearbeiteter Dolch in seiner Scheide, vor sich der mit einer Straußenfeder geschmückte Helm auf den ausgezogenen Handschuhen abgelegt. Rechts und links der Tafel sind zwei Halbsäulen mit Kapitellen, und auf der Fläche außerhalb dieser Säulen ist die Ahnenprobe angebracht, insgesamt 16 Wappen, 8 auf jeder Seite, davon je eines im Gebälk und 7 neben den Säulen. 8 dieser Wappen finden sich auch am Kerssenbrock-Hof in der Papenstraße wieder am Erker, doch die Ahnenprobe am Epitaph geht noch eine Generation weiter und präsentiert 8 weitere Wappen noch weiter zurückliegender Vorfahren. Es sind die Wappen folgender Geschlechter: Optisch linke Seite von oben nach unten: Über dem Gesims Kerssenbrock ("Kassenbrock"), darunter "Weige", Mollenbeck ("Mollenbech"), Klencke ("Klencken"), Deen, Barssen, Busche = de Büschen, Bra. Optisch rechte Seite von oben nach unten: Über dem Gesims Alten, darunter Marenholz ("Marenholt"), Busch = von dem Bussche ("Busck"), Alvensleben ("Alvensleve"), Mandelslohe ("Mandelslo"), Gustedt ("Gustede"), Klencke ("Klenken"), Bülow ("Bvlow"). Die Wappen der genannten Geschlechter im einzelnen:

Wappen von Alten: In Silber 6-9, typischerweise 7, hier 6 schrägbalkenförmig aneinandergestellte, schräglinksgestellte, rote Wecken (Rauten), in der Mitte jeweils mit einer kleinen goldenen Kugel (Nagelkopf, Tropfen) belegt. Auf dem rot-silbern bewulsteten Helm sieben schwarze, linksgebogene Hahnenfedern, jede mit einem kleinen roten Schaft befestigt. Helmdecken rot-silbern. Anzahl der Wecken und der Hahnenfedern können variieren. Weitere Angaben zur Familie siehe Papenstraße 24.

Wappen von Alvensleben: In Gold (hier Silber) zwei rote Balken, der obere mit zwei silbernen Rosen belegt, der untere mit einer. Auf dem Helm ein hier zweimal stumpf geasteter Baumstamm (richtiger ein dreimal bedornter Stengel), eigentlich rot-golden oder auch golden-rot gespalten, hier von Rot und Silber gespalten, der oben eine silberne Rose trägt. Helmdecken rot-golden oder auch rot-golden/rot-silbern, hier nur rot-silbern. Weitere Angaben zur Familie siehe Papenstraße 24.

Wappen von Mandelsloh(e): In Blau ein silbernes Hifthorn mit roten Beschlägen und ebensolchem Band. Das Hifthorn wird alternativ auch als silbern-rot gestückt beschrieben. Das Band kann auch fehlen. Die Helmzier wird beschrieben als Pfauenstoß, vor dem ein menschlicher Schädel (Totenkopf) von zwei schräggekreuzten Schwertern durchstoßen wird, an denen zugleich das beschriebene Hifthorn hängt, alternativ als gekrönte silberne Säule, an der oben ein menschliches Antlitz, ein Totenschädel oder ein Mohrenhaupt von zwei Schwertern durchstoßen wird, worunter das Hifthorn hängt. Helmdecken rot-silbern, blau-silbern oder blau-rot-silbern je nach Quelle. Hier ist das Blau des Schildes vollständig verblichen, und die Helmzier ist im Vergleich zu den Beschreibungen im Siebmacher erheblich vereinfacht und auf den Totenschädel mit den Schwertern reduziert; Pfauenstoß und Hifthorn bzw. Säule und Hifthorn fehlen hier in der Helmzier. Die von Mandelslohe sind Braunschweigischer/Hannoverscher Uradel und sind auch in Hessen belegt. Das gleichnamige Stammhause liegt bei Neustadt am Rübenberge. Das Geschlecht erscheint zuerst mit Heinricus de Mandeslo 1167, die Stammreihe beginnt mit Hartbert von Mandelsloh, der in der Zeit 1181-1196 belegt ist. Ein Zweig der Familie, das Haus Ribbesbüttel, wurde am 17.3.1808 mit Diplom vom 8.6.1808 in Person des Ulrich Lebrecht von Mandelsloh, königlich-württembergischer Finanzminister zu Stuttgart, von König Friedrich I von Württemberg in den Grafenstand erhoben. Die hannoversche Anerkennung erfolgte zu Carlton House am 17.9.1822. Den österreichischen Freiherrenstand gab es am 31.12.1913 für den k. u. k. Generalmajor Hans von Mandelsloh.

Wappen Klencke: In Silber ein schwarzes Kammrad. Das Kleinod kann variieren: Auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein aufrecht stehendes schwarzes Kammrad, oben mit einem Pfauenwedel besteckt, oder das Kammrad zwischen schwarz-silbern oder silbern-schwarzen übereck geteilten Büffelhörnern (Stammbuchblatt des Dyderich Klencke um 1570), auch kann das Kammrad vor einer silbernen, mit Pfauenfedern besteckten Säule vorkommen, so bei Ludolf Klencke 1607 AD. Hier zeigt sich das Kammrad auf einer Art Baumstumpf mit Astansätzen, ohne Pfauenfedern. Weitere Angaben zur Familie siehe Papenstraße 24.

Wappen der Freiherren von Marenholz (auch Marenholtz und Marenholt): Von Rot und Schwarz geteilt und belegt mit einer silbernen Rose. Auf dem rot-silbern-schwarz bewulsteten Helm ein Busch roter, schwarzer und silberner Federn (auch 5 Straußenfedern, rot-schwarz-silbern-schwarz-rot tingiert, später auf Siegeln des 18. Jh. auch mal sieben Straußenfedern in den Farben rot-rot-schwarz-silbern-schwarz-rot-rot. Große Variationsbreite hinsichtlich Art, Anzahl und Farbe der Federn des Busches, folgt stilistisch recht frei den Zeitströmungen). Helmdecken rot-silbern-schwarz. Angaben zur Familie siehe Papenstraße 24.

Wappen von Gustedt: In Gold drei (2:1) schwarze Kesselhaken. Helmzier zwei auswärts gestellte schwarze Kesselhaken. Helmdecken schwarz-golden. Hier in der Abbildung ist Silber statt Gold verwendet worden. Die Familie von Gustedt ist nach ihrem Stammgut bei Hildesheim benannt und gehört zum Hildesheimischen Uradel. Erstmals treten die von Gustedt im Jahre 1154 auf. Sie gehörten später zur Ritterschaft des niedersächsischen Kreises und im Herzogtum Braunschweig. Seit dem 15. Jh. sind sie namentlich im Halberstädtischen belegt, später dehnten sie sich in die Oberlausitz, nach Preußen und Sachsen aus.

Wappen Busch (von dem Bussche, Osnabrücker Adel): Silbern-rot geteilt und mehrfach gespalten, Helmzier ein Busch abwechselnd roter und silberner Federn, Helmdecken rot und silbern. "Busch" oder "Büschen" wird im Rietstap, Band 1, Tafel CCCLVIII erwähnt. Es findet sich ebenfalls am Kerssenbrock'schen Hof in der Papenstraße 24. Dieses Wappen ist sogar unter dem Namen "Busche" in der Wappenrolle des Herolds Gelre eingetragen.

Wappen der Freiherren von Bülow: In Blau 14 (4:4:3:2:1) goldene Kugeln. Helmzier ein goldener Pirol mit goldenem Ring im Schnabel zwischen zwei blauen, mit goldenen Kugeln belegten Büffelhörnern. Helmdecken blau-golden. Die Anzahl der Kugeln auf den Hörnern wird später mit je 7 angegeben, ferner werden später die Büffelhörner vor einem goldenen Flug dargestellt. Die Helmzier ist insofern redend, als die Familie nach dem Ort Bülow bei Rehna in Mecklenburg benannt ist und das ursprünglich slawische Wort Bülow einen Pirol oder eine Goldamsel bezeichnet. Die erste historisch belegte Nennung der Familie von Bülow fällt in das Jahr 1229. Ein Ritter Godofridus de Bulowe wird als Zeuge benannt. 1292 wurde ein anderer Gottfried von Bülow zum Bischof von Schwerin geweiht. Ein weiterer Bischof der Familie ist Friedrich von Bülow, gest. 1375. Die Familie hat viele bedeutende Militärs und Staatsmänner hervorgebracht, z. B. die Generäle Johann Albrecht von Bülow (1708–1776), Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow, Graf von Dennewitz (1755–1816) und Hans Adolf Julius von Bülow (1816–1897), oder die Staatsmänner Hans Graf von Bülow (1774–1825), Bernhard Fürst von Bülow (1849–1929), Heinrich von Bülow (1792–1846), Bernhard Ernst von Bülow (1815–1879). Der berühmteste Sproß dieses Adelsgeschlechtes aber ist Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow (geb. 1923), besser bekannt unter seinem Künstlernamen Loriot. Wie kommt es zu dem Künstlernamen? Nun - der Wappenvogel heißt im Französischen "le loriot".

Wappen von Kerssenbrock: In Gold ein blauer Schrägbalken, mit drei roten, golden besamten Rosen belegt. Das Blau ist hier vollkommen ausgeblichen, was zu Mißverständnissen Anlaß geben könnte. Helmzier ein offener Flug, beiderseits wie der Schild tingiert. Helmdecken rot-golden. Weitere Angaben zur Familie siehe Papenstraße 24.

Wappen von Weige: Geteilt, oben in Silber ein aus der Teilung wachsender roter Löwe, unten in Rot zwei silberne Balken. Helmzier ein Federstoß, wahrscheinlich Pfauenfedern. Helmdecken rot-silbern. Vgl. das Wappen "Weihe" im Rietstap, Band 5, Tafel CLII, sowie im Alten Siebmacher, Band 1, Tafel 176, unter "Märckische", unterste Zeile ganz links, allerdings dort mit einem roten Flug als Helmzier.

Das Wappen Klencke taucht am Epitaph zweimal auf: In Silber ein schwarzes Kammrad. Das Kleinod zeigt hier das Kammrad ohne Säule oder Baumstumpf sowie ohne Pfauenfedern, im Gegensatz zum oben beschriebenen Klencke-Wappen. Weitere Angaben zur Familie siehe Papenstraße 24.

Wappen Deen: Ein Rautenkreuz aus 5 (1:3:1) Rauten, Helmzier das Rautenkreuz. Ohne Beleg.

Wappen Barssen: 3 (2:1) Rauten, Helmzier eine Raute zwischen einem offenen Flug. Das Wappen "Barsen" wird im Rietstap Bd. 1, Tafel CXXXII beschrieben, in Silber 3 (2:1) rote Rauten.

Wappen Mollenbeck: In Blau ein silberner und rot gezäumter Pferdekopf, hier gewendet, da optisch linke Seite. Helmzier ebenfalls der bez. Pferdekopf. Helmdecken blau-silbern. Es findet sich ebenfalls am Kerssenbrock'schen Hof in der Papenstraße 24.

Wappen Busche (= de Büschen, Schaumburger Ritterschaft): In Blau eine silberne Lilie oder Doppellilie. Helmzier eine silberne Lilie oder Doppellilie neben 5 nach rechts gebogenen Hahnenfedern, jede mit einem kleinen goldenen Schaft befestigt. Helmdecken blau-silbern. Abbildung auch im Paderborner Rittersaal. Diese Familie schreibt sich sehr vielfältig von Büschen, von dem Bussche, Büschen, Busche, Büsken, von Büsken oder de Büschen. Diese Familie führt eine Lilie oder Doppellilie und darf trotz Überschneidung der Schreibweisen nicht mit den von dem Bussche mit den Streitäxten oder Pflugscharen im Wappen verwechselt werden.

Wappen Bra: In Silber 9 (3:4:2) aufrechte grüne Lindenblätter, Helmzier drei fächerförmig gestellte, aufrechte, gestielte, silberne Blätter. Helmdecken grün-silbern. Ohne Beleg.

Literatur, Quellen und Links:
Innenaufnahmen aus der St. Nicolai-Kirche zu Lemgo mit freundlicher Erlaubnis von Superintendant Andreas Lange vom 26.10.2007 (http://www.nicolai-lemgo.de), wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Siebmachers Wappenbücher.
Ulf-Dietrich Korn, St. Nicolai in Lemgo, DKV-Kunstführer Nr. 396/2, 3. Auflage 2002, Deutscher Kunstverlag GmbH München.
Genealogie: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Mitgliedern des Forums der GwF ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise.
Herrn Claus von dem Bussche ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise.
Mandelsloh:
http://forum.heraldik-und-kunst.de/index.php?topic=1722.0

Zur Webseite der Kirchengemeinde: http://www.nicolai-lemgo.de

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