Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1470
Nürnberg (Mittelfranken)

Nürnberg, Nassauer Haus

Vorab: Der gebräuchliche Name für dieses gegenüber der Kirche St. Lorenz stehende, aus rötlichem Sandstein erbaute Turmhaus (Karolinenstraße 2) ist falsch. Viel korrekter wäre es, vom Schlüsselfelderschen Stiftungshaus zu sprechen, und die heute übliche Bezeichnung wurde auch nicht vor dem 19. Jh. verwendet. Und auch im 19. Jh. war der Ausdruck schon falsch, denn das Geschlecht der Nassauer hatte nur in der Nähe der Lorenzkirche Immobilienbesitz, das sog. Nassauer Haus gehörte ihm aber nie. Es repräsentiert den Typus mittelalterlicher, komplett in Stein ausgeführter, wehrhafter städtischer Turmhäuser oder Wohntürme, wie sie als Patriziertürme oder Geschlechtertürme z. B. auch in Regensburg stehen oder noch besser in vom Mittelalter geprägten, italienischen Städten zu sehen sind. Es ist kein Wehrturm, auch wenn die romantische Wahrnehmung des 19. Jh. einen solchen in dem Wohnturm erblickte. Das Anwesen hat eine wechselhafte Besitzgeschichte. Die unteren Stockwerke sind in das späte 13. Jh. zu datieren, das zweitoberste Geschoß kam unter Jobst Haug im frühen 15. Jh. hinzu, 1426 werden als Besitzer die Brüder Erasmus und Heinrich Schürstab genannt, und das oberste Zinnengeschoß mit dem wappen- und maßwerkverzierten Gesimsstreifen und die drei sichtbaren Erker kamen 1433 unter Ulrich Ortlieb hinzu, der das Haus 1427 erworben hatte. So kommt es zu den gotischen Elementen an dem eigentlich älteren Haus. Dieser Wappenfries am oberen Abschluß des Bauwerks, heute durch ein Luftratten-Abwehrnetz geschützt, zeigt von links nach rechts folgende Schilde: Linker Erker: Erzherzogtum Österreich, großes Stadtwappen von Nürnberg (in Blau ein goldener Königsadler), Grafschaft Cilli (geviert, Feld 1 und 4: in Blau drei (2:1) sechsstrahlige, goldene Sterne, Feld 2 und 3: in Silber zwei rote Balken). Südliche Galerie: die drei geistlichen Kurfürstentümer Kurköln (in Silber ein durchgehendes schwarzes Kreuz), Kurtrier (in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz), Kurmainz (in Rot ein silbernes Wagenrad), Römischer König (in Gold ein schwarzer Adler).

Der mittlere Erker ist ganz Rom gewidmet: Papst Eugen IV., mit richtigem Namen Gabriele Gondulmer (Condulmaro), 1431 bis 1447 Papst (in Blau ein silberner Schrägbalken, über dem Schild die Tiara), Heiliger Stuhl, Papsttum (die schräggekreuzten Petrusschlüssel), Stadt Rom (schräggestellter Schriftzug SPQR). Östliche Galerie: Weltliche Kurfürstentümer, Böhmen (in Rot ein doppelschwänziger, gekrönter, silberner Löwe), Pfalz (in Schwarz ein goldener, rot gekrönter Löwe), Sachsen (von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz), Brandenburg (in Silber ein roter Adler mit Kleestengeln). Der rechte Erker trägt eine Figur des Hl. Lorenz mit dem Rost und das Wappen der Ortlieb, der Besitzer. So wird der Wappenfries zu einem Spiegel der Weltordnung in der ersten Hälfte des 15. Jh.: Kaisertum, Papsttum, Königtum, Kurfürsten, Reichsstadt, Quartier, Besitzerfamilie. Es gibt aber auch eine ganz konkrete Beziehung zwischen dem damaligen König Sigismund und dem reichen Händler Ulrich Ortlieb, denn ersterer nahm 1431 bei letzterem Kredit auf. Auch das Kapellenchörlein ist ein Werk des frühen 15. Jh. Nach den Ortlieb kamen als Bewohner die Haller, die Imhoff und zuletzt 1581 die Schlüsselfelder. Im 19. Jh. wurde das Haus verändert, dabei wurden die neuen Rundbogenöffnungen im Erdgeschoß gebrochen, die in klarem Widerspruch zum ursprünglichen Wehrcharakter stehen. Der Weltkrieg richtete auch hier schwere Schäden an, im Auftrag der Schlüsselfelderschen Familienstiftung, die auch heute noch Eigentümer ist, wurde das historisch und kunstgeschichtlich bedeutungsvolle Haus durch Rudo Göschel 1950-1952 wiederaufgebaut.

Ganz und gar stilistisch abweichend vom sonstigen Bauwerk ist das große spätbarocke Schlüsselfelder-Wappen unter dem gotischen Chörlein. Das Schlüsselfelder-Wappen zeigt in von Silber und Schwarz geteiltem Schild drei deichselförmig im Dreipaß gestellte Schlüssel an einem gemeinsamen Ring in verwechselten Farben. Statt Oberwappen wird hier eine Blattkrone geführt. 1581 kam das Haus in den Besitz der Schlüsselfelder (Schlüsselfelder von Kirchensittenbach). Johann Karl Schlüsselfelder ließ das Wappen anbringen, der letzte im Mannesstamm seines Geschlechtes, geboren 1653 als Sohn von Hieronymus Wilhelm Schlüsselfelder und Maria Salome Tetzel, einziges überlebendes Kind im Mannesstamm von insgesamt 13 Kindern, selbst vermählt 1678 mit Maria Helena Haller, Tochter von Hanns Christoph Haller. Er verwaltete die Tetzel-Stiftung seit 1685 und richtete 1709 selber die Schlüsselfelder-Stiftung ein, als er, kinderlos, sein Ende kommen sah. Er wurde 1679 Genannter des Größeren Rates und Schöffe. 1681 wurde er Alter Genannter des Kleineren Rates, 1684 jüngerer Bürgermeister, 1692 älterer Bürgermeister, 1696 Septemvir, 1708 dritter Oberster Hauptmann, 1709 kurz vor seinem Tode noch Zweiter Losunger. Nach seinem Tode verwaltete bis 1713 seine Witwe die Familienstiftung, danach verschiedene Administratoren aus den Nürnberger Patrizierfamilien, zuerst 1713 Christoph Michael Kreß von Kressenstein. Es war ihre Pflicht als Administrator, im Nassauer Haus zu residieren, dem offiziellen Stadt-Sitz der Schlüsselfelderschen Familienstiftung. Daneben durfte und darf der Administrator natürlich auch das Herrenhauses in Kugelhammer nutzen, das 1692 an Johann Karl Schlüsselfelder kam.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.
Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2. Auflage. W. Tümmels, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8
Nassauer Haus:
http://www.nuernberginfos.de/bauwerke-nuernberg/nassauer-haus-nuernberg.html
Nassauer Haus:
http://www.nuernberg.de/internet/portal/reiseziel/ctz_3504.html
Nassauer Haus:
http://www.baukunst-nuernberg.de/epoche.php?epoche=Romanik&objekt=Nassauerhaus
Nassauer Haus:
http://nuernberg.bayern-online.de/die-stadt/sehenswertes/nassauer-haus/
Kugelhammer:
http://www.herrensitze.com/kugelhammer.html
Ernst Mummenhoff: Die Besitzungen der Grafen von Nassau in und bei Nürnberg und das sog. Nassauerhaus, in: MVGN 15 (1902), S. 1 ff.

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