Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1489
Kirchensittenbach (Mittelfranken)

Die Bartholomäuskirche in Kirchensittenbach (5):
Glasfenster der Herrschaftsempore

Das dritte Glasfenster der Herrschaftsempore ist zwar in manchen Details nicht so perfekt erhalten wie die beiden anderen, in der satten und ausgewogenen Farbigkeit aber genauso schön, und genau wie jene beiden anderen voll interessanter Heraldik. Gemeinsam bilden die drei Fenster eine künstlerische und gestalterische Einheit, und ihre Genealogie und Heraldik sind miteinander eng verknüpft. Fünf sichtbare bunte Säulen tragen ein blaues Gebälk. Die mittlere, rosa mit grünem Kapitell und goldenem Kämpfer, trennt die beiden Vollwappen, die vier äußeren, die vorderen ebenfalls rosa und mit grünem Kapitell, die perspektivisch hinteren hellblau mit violettem und goldenem oberen Abschluß, werden von zwei Frauendarstellungen zum Großteil verdeckt. Alles steht auf einer hellblauen, podestartigen Plattform mit vorspringenden Seitenteilen, deren altrosafarbene Frontverkleidung mit Diamantquadern und goldenen Löwenmasken verziert ist. Vor dem mittleren Teil dieses Sockels stehen vier einzelne Wappenschilde ohne Oberwappen.

Dabei handelt es sich um drei Paare: Die Eltern-Generation hat Vollwappen, die Kinder-Generation einfache Wappenschilde ohne Oberwappen, wobei jeweils zwei dieser Schilde ein Paar bilden, wie auch anhand der jeweils spiegelbildlichen asymmetrischen Schildform zu erkennen ist. Der Ehemann steht immer heraldisch rechts = optisch links, und da das gleiche Wappen jeweils außen steht, handelt es sich bei dem optisch linken Paar um einen Sohn und bei dem optisch rechten Paar um eine Tochter. Mit diesem Fenster wird das genealogische Fensterprogramm der Herrschaftsloge abgeschlossen. Das zuvor beschriebene Fenster beschreibt die aktuellen Herren über Kirchensittenbach, das zuerst beschriebene große Tetzelfenster die Eltern-Generation des Ehemannes, und dieses Fenster hier die Eltern-Generation seiner zweiten Ehefrau. Entsprechend kann man den Erbauer des neuen Schlosses von Kirchensittenbach mit seiner zweiten Frau in dem unteren, optisch rechten Schild-Paar als Kinder-Generation wiederfinden.

Das optisch linke Vollwappen für den Ehemann ist das der Schlüsselfelder, in von Silber und Schwarz geteiltem Schild drei deichselförmig im Dreipaß gestellte Schlüssel an einem gemeinsamen Ring in verwechselten Farben, auf dem schwarz-silbern bewulsteten Helm mit schwarz-silbernen Decken ein offener Flug, jeweils mit dem Schildbild belegt (Siebmacher Band: BayA1 Seite: 90 Tafel: 90, Schöler S. 97, Tafel 140). Das optisch rechte Vollwappen für die Ehefrau ist das der Stockamer, in Gold ein schwarzer Balken, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein blauer (natürlicher), radschlagender Pfau (Siebmacher Band: Bg1 Seite: 43 Tafel: 58 und Band: BayA1 Seite: 55 Tafel: 55). Diese Kombination paßt zu Willibald I. Schlüsselfelder, 1533-1589, Sohn von Wilhelm Schlüsselfelder und Magdalena Imhoff, und seiner 1559 geehelichten Frau Anna Stockamer. Für Anna war es ihre zweite Ehe, denn sie hatte zuvor Georg Hoffmann geheiratet, einen Nürnberger Kaufmann. Willibald wurde 1559 als jüngerer Bürgermeister in den Rat gewählt und wurde 1561 Landpfleger, 1569 älterer Bürgermeister, stieg weiter auf und war 1586-1589 Vorderster Losunger. Genau die gleiche Kombination begegnet uns übrigens in einem Glasfenster des Ostchores von St. Jakob in Nürnberg wieder, aber dort sehen wir nur die Schilde in einer runden Glasscheibe ohne Oberwappen.

Die Anzahl der Kinder von Willibald und Anna ist sehr überschaubar. Deshalb ist es auch nicht wie bei dem Pendant der Familie Tetzel notwendig, die Ehewappen in einem einzigen Schild zu vereinen, vielmehr ist hier ausreichend Platz, jedem einen eigenen Schild zu gönnen, und die zueinander gehörenden Schilde sind durch die gespiegelte Schildform zu erkennen. Optisch links sind Karl I. Schlüsselfelder (1560-1610) und seine 1583 heimgeführte Frau Katharina Tucher (geteilt, oben von Silber und Schwarz fünfmal schrägrechts geteilt, unten in Gold ein schwarzer Mohrenkopf) zu sehen, und optisch rechts Anna Schlüsselfelder (1565-1639), die 1585 Jobst Friedrich Tetzel (in Rot eine aufspringende silberne Katze, hier aus Courtoisie gewendet) als dessen zweite Frau geheiratet hatte, wodurch der Anschluß an die Tetzel-Genealogie vollbracht wäre. Karl I. Schlüsselfelder hatte als Söhne Karl II. Schlüsselfelder (1585-1624), vermählt 1609 mit Barbara Pfinzing, und Willibald II. Schlüsselfelder (1594-1659), vermählt 1624 mit Elisabeth Maul. Nur Karls Linie setzte sich weiter fort, bis die Schlüsselfelder mit Karls II. Enkel Johann Karl 1709 im Mannesstamm erloschen.

Die Ausschnittsvergrößerungen mit den Darstellungen der Helme zeigen die hervorragende künstlerische und handwerkliche Qualität dieser Glasmalereien. Der Neuausstattung der Bartholomäuskirche war ein Brand 1591 vorausgegangen, der die gesamte alte, gotische Inneneinrichtung der Kirche zerstört hatte (der Zustand ist anschaulich illustriert im sog. Pfinzing-Atlas des Kartographen Paul Pfinzing). Im Zuge der schrittweisen Wiederherstellung durch Jobst Friedrich Tetzel erfolgte auch die Ausstattung mit diesen wertvollen Glasfenstern. Unten: Details der beiden seitlichen Figuren.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.
Eugen Schöler, Fränkische Wappen erzählen Geschichte und Geschichten. Verlag Degener 1992, ISBN 3-7686-7012-0.
Evangelisch-lutherische Gemeinde Kirchensittenbach: http://www.kirche-kirchensittenbach.de/
Geschichte der Bartholomäuskirche:
http://www.kirche-kirchensittenbach.de/bartholomaeuskirche/geschichtliches.html
Veröffentlichung der Bilder aus dem Innenraum der Bartholomäuskirche mit freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer Johannes Ziegler vom 9.11.2010,
wofür ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.

(1): Glasfenster Chor - (2): Johann Jakob II. Tetzel - (3): Glasfenster Empore - (4): Glasfenster Empore - (6): Weitere Wappendarstellungen

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