Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1627
Lissingen (zu Gerolstein, Landkreis Vulkaneifel, Rheinland-Pfalz)

Die Oberburg und die Unterburg von Lissingen

Die im Kylltal gelegene Burg Lissingen unweit von Gerolstein ist ein in ein Trapez einbeschriebenes Ensemble, das durch eine Trennmauer in eine Unterburg im Nordwesten und eine Oberburg im Süden geteilt ist. Die Unterburg bildet den kleineren Teil, gemessen an der Grundfläche, und liegt in der Nordwestecke. Der von zahlreichen, an die Ringmauer angebauten Wirtschaftsgebäuden aus der frühen Neuzeit umgebene Hof liegt etwas tiefer als der der Oberburg. Der Hauptzugang erfolgt an der nördlichsten Stelle der Westseite durch ein wappengeschmücktes Portal neben einem der Ringmauer aufsitzenden polygonalen Pfefferbüchslein mit einer geschweiften Haube aus dem Barock. Die Hauptgebäude von Unter- und Oberburg stehen Rücken an Rücken, und obwohl sie im Laufe der Zeit immer wieder umgebaut wurden, enthalten sie noch viel spätmittelalterliche Bausubstanz. Die Wirtschaftsburg Lissingen genießt das seltene Privileg einer Eifelburg, nie zerstört worden zu sein. Die Kyll und mehrere, auch von der Oos gespeiste Wassergräben schützten früher die Anlage; im Westen und Süden sind die Wassergräben verfüllt, im Norden sind sie erhalten.

Lissingen war ein Lehen der Reichsabtei Prüm, und als solches ging es durch die Hände vieler Familien. Die ersten Inhaber dieses Lehens war die Herren von Lissingen. 1103 werden Adelgerus und Ruogerus de Liezingen als erste uns namentlich bekannte Lehnsleute erwähnt, sie werden genannt als diejenigen, die im Urteil Kaiser Heinrichs IV. die Rechte und Pflichten der Prümer Vögte anerkennen. 1132 taucht ein Everard von Liscingen auf, als Zeuge auf einer Urkunde. 1212 tauchen die Smeych (oder Schmeich) von Lissingen auf. 1344 wird z. B. ein Johann Schmeich von Lissingen erwähnt, der sich mit Hartrard von Schönecken nach einem Streit um das Haus Lissingen versöhnt. Und 1401 taucht ein Andreas Schmeich von Lissingen auf, Herr von Zievel.

Die nächsten Besitzer waren dann die von Winnenburg (oder Wunnenberg), weil Johann Schmeich von Lissingen und Sophia von Rode, die 1370 geheiratet hatten, eine Tochter namens Maria hatten, welche Gerlach von Wunnenberg geehelicht hatte. Aber schon deren Tochter Lysa brachte den Besitz schon wieder in eine neue Familie, denn Lysa von Wunnenberg hatte 1507 Friedrich Zandt von Merl geheiratet, Vogt in Hamm an der Mosel. Die Zandt von Merl (Merl ist heute ein Teil von Zell) sind Uradel des Mosellandes, wobei die ununterbrochene Stammreihe mit Friedrich von Zandt, Ritter, 1292 beginnt. Mitglieder des seit dem 16. Jh. reichsritterschaftlichen Geschlechtes waren Erbvögte von Merl und von Hamm. Ein Gerlach Zandt von Merl wurde im Jahre 1514 von der Abtei Prüm mit dem gesamten Besitz Lissingen belehnt. Danach folgten als Lehensnehmer 1535 Ruprecht von Wunnenberg, 1542 Philipp Haust von Ulmen und Hugo Zandt von Merl sowie Gerlach I. Zandt von Merl, Nachkommen von Friedrich Zandt von Merl und Lysa von Wunnenberg. Die Zandt von Merl wurden 1540 im Rahmen einer Erbteilung wieder alleinige Besitzer von Lissingen. 1559 teilten die Zandt von Merl das großzügige Anwesen durch eine Scheidemauer in eine baulich separierte Unter- und eine Oberburg für zwei Zweige der Familie. Die beiden Söhne von Gerlach I. teilten die Burg unter sich auf, wobei Hugo Zandt die Oberburg bekam, Gerlach II. Zandt die Unterburg. Weil die Oberburg höherwertig angesehen wurde, mußte Hugo Gerlach 400 Gulden als Ausgleich zahlen. Beide Burgteile erhielten einen separaten Eingang, wobei das Tor zur Unterburg ein einfacher Mauerbogen mit giebelförmigem Abschluß ist, an welchem ein Allianzwappen ungewöhnlicher Form befestigt ist:

Wappenstein am Tor zur Unterburg

Beide Teile des Ehewappens bilden die beiden Spalthälften eines Herzens, heraldisch rechts Zandt (in Rot drei (2:1) silberne, golden gekrönte Löwen, hier aus Courtoisie gewendet), heraldisch links von Ahr, Erbvögte zu Antweiler (bei Gruber ist das Wappen angegeben als in Schwarz oben zwei goldene Rosen nebeneinander, darunter ein goldener Stern, Helmzier ein wachsender goldener Adler, Helmdecken schwarz-golden. Variante im Siebmacher: in Schwarz oben zwei rote Rosen nebeneinander, darunter ein silberner Stern. Beide Varianten werden bei Zobel aufgeführt. Ähnlich im Loutsch: De sable à deux roses de gueules, feuillées de sinople, accompagnées en pointe d'une étoile (5) d'or. Bourrelet et lambrequins d'or et de sable. Cimier une aigle de sable issante. Loutsch gibt als Varianten an a) die Rosen golden bebutzt und der Stern sechsstrahlig, rot und b) das Feld rot, die Rosen silbern, der Stern golden. Letztere Variante ist im Wolfert wiedergegeben. Die Quellenlage bietet also eine erhebliche Variationsbreite. Das Geschlecht aus der Eifel und aus dem Luxemburgischen ist 1838 erloschen). Hier sind die Rosen so schlecht erhalten, daß sie eher wie ein Paar Donuts aussehen. Der facettierte fünfstrahlige Stern ist hingegen gut zu erkennen. Die beiden jeweils einer Wölbung aufsitzenden, einem perlenbesetzten Kronreif entspringenden Helme sind nach außen gekippt. Kleinode haben sich nicht erhalten. Das hier nicht erhaltene Kleinod der Zandt wäre zu rot-silbernen Decken ein sitzender, gekrönter, silberner Löwe vor einem schwarzen Hahnenfederbusch oder nur ein sitzender, silberner, rotgezungter, golden gekrönter Löwe (Gruber, Wolfert, Siebmacher Band: Pr Seite: 71 Tafel: 93, Band: Sa Seite: 53 Tafel: 62).

Das gleiche Wappen war ursprünglich auch an dem Pfefferbüchslein neben dem Tor (Abb. unten links), die Inhalte sind jedoch zerstört. Die Datierung auf 1697 erlaubt die Zuordnung zu Ferdinand Ludwig Zandt von Merl und Maria Claudina von Ahr. Die Abbildung unten rechts zeigt eine moderne Darstellung des Wappens der Zandt aus Schmiedeeisen an einem Wirtschaftsgebäude der Unterburg direkt links neben dem Eingang.

Unterburg Lissingen, links Pfefferbüchslein an der Nordwestecke, rechts modernes Zandt-Wappen

Die Zandt von Merl bauten die Unterburg 1661-1663 vollständig um und verschmolzen mehrere mittelalterliche Wohntürme zu einem neuen Herrenhaus mit Terrasse, erbaut aus verputztem Bruchsteinmauerwerk. Ein Portal nennt auf dem Sturz Karl Ludwig Zandt von Merl, Amtmann zu Schönberg und das Jahr 1662; das darüber einst befindliche Wappen ist leider zerstört. Erkennbar ist die Rautenform des Wappens, und erhalten sind die beiden prächtigen Schildhalter in Form zweier Greifen.

Unterburg Lissingen, zerstörtes Wappenfeld

Innen enthält das Erdgeschoß schweren Stuck und auf dem Plafond die Monogramme des Josef Franz Frhr. Zandt von Merl und seiner Frau Ludovika Antonia von der Heyden (Heiden) gen. Belderbusch aus dem 18. Jh.

Als 1833 die Zandt von Merl bzw. nun Zandt von Lissingen ausstarben, kam die Unterburg an eine andere Linie der Zandt, nämlich der Zandt von Münchweiler, und diese veräußerten den Besitz weiter (1834 Paul Custor, 1857 Josef Peter Missenich, 1880 Adolf Missenich, 1901 Peter Albert Maas). Heute ist dieser Teil der Burg Lissingen Privateigentum (seit 1987 Dr. Grommes, Patentanwalt in Koblenz) und Museum, wobei die Sammlungen typische Utensilien des ländlichen Lebens umfassen, dazu Schlitten und Kutschen in den Wirtschaftsgebäuden, Scheunen und Ställen, und einige Räume des Wohngebäudes geben mit ihren historischen Einrichtungsgegenständen Einblicke in das Leben, wie es hier vor einigen Jahrhunderten in einer ländlichen Burg hätte sein können, und wie es einem landwirtschaftlichen Großbetrieb, der diese Burg bis ins 20. Jh. hinein war, angemessen ist.

Die Lehnshoheit der Abtei Prüm war mit der Übernahme der Ländereien der Abtei durch das Kurfürstentum Trier an dieses übergegangen, Josef Franz von Zandt zu Merl wurde dementsprechend noch im 18. Jh. vom trierischen Kurfürsten Clemens Wenzeslaus, der als Prokurator der Abtei Prüm fungierte, formal mit Lissingen belehnt, für sich und seinen Lehnsagnaten Franz Karl von Ahr. 1794 wird das Gebiet von Frankreich "geschluckt"; die seit dem 18. Jh. freiherrliche Herrschaft Lissingen verschwindet.

Die Oberburg erfuhr Ende des 16. Jh. eine erhebliche Vergrößerung durch einen Anbau im Stile der Renaissance. Die Oberburg kam aufgrund einer Heirat 1697 als Erbschaft an Wilhelm Edmund von Ahr zu Antweiler, vermählt mit Maria Franziska Zandt von Merl, gemäß einer nun in der Unterburg befindlichen Inschrift "Tochter zu Arras, Frau in der Oberburg zu Lissingen". Die nächste Besitzerfamilie trat 1825 auf die Bühne, die von Landenberg. Maximilian von Ahr hatte die Oberburg seinem Verwandten Karl Josef Franz Emanuel von Landenberg vermacht. Die Familie von Landenberg zersplitterte den Besitz. Die Letzte von Landenberg, die 1860 geborene Anna von Landenberg, die 1889 Franz Ziegler geheiratet hatte, verkaufte 1913 die Wohngebäude und den Garten der Oberburg an Peter Albert Maas, dem schon die Unterburg gehörte, so daß der Besitz wieder größtenteils in einer Hand war. Heute jedoch ist der Besitz wieder geteilt. Die Oberburg ist heute in Privatbesitz (seit 2000 Familie Engels) und normalerweise nicht öffentlich zugänglich, nur im Rahmen von vereinbarten Führungen. Der Besitzer hat das ganze Anwesen mit Antiquitäten ausgestattet, so daß die Räume zugleich bewohnter Familiensitz als auch sehenswerte Antiquitätensammlung sind. Im Wohnturm aus dem 15. Jh. auf der Grenze zwischen Ober- und Unterburg kann eine Ferienwohnung gemietet werden. Nach Osten hin erstreckt sich ein weitläufiger Garten mit einem Pavillon von 1793, von dem aus der Blick auf die tiefer gelegene Unterburg fällt.

Oberburg Lissingen, Toranlage

Von heraldischem Interesse ist insbesondere das Außentor der Oberburg, von ca. 1624 stammend, an der Südwestecke des Ensembles zur Prümer Straße hin. Die Pilasterrahmung des Torbogens wirkt etwas schwach. Hinter der Tordurchfahrt knickt der Weg nach links ab und endet blind, denn der heutige Hauptzugang in die Oberburg befindet sich an der Südseite des Ensembles an der Klosterstraße. Besonders hervorzuheben sind an diesem mit einem flachen Bogen gewölbten Außentor die zwei Wehrerker mit Schlüsselscharten auf der Feldseite und die große, breite, nachträglich eingebaute Maulscharte aus der Renaissance linkerhand des Tores in der Stirnwand eines verwahrlosten Gebäudetraktes. Diese Gebäudetrakte sind Eigentum diverser Dorfbewohner und haben nicht Teil an der Wiederherstellung der Burggebäude durch die derzeitigen, oben genannten Besitzer.

Oberburg Lissingen, Wappenensemble über dem Tor

Das Allianzwappen zwischen den beiden Wehrerkern gehört zu Johann Zandt von Merl, gest. 1624 (Wappen: in Rot drei (2:1) silberne, golden gekrönte Löwen, hier aus Courtoisie gewendet, auf dem Helm zu rot-silbernen Decken ein sitzender, gekrönter, silberner Löwe (hier verwittert), hier wie bei Gruber angegeben vor einem schwarzen Hahnenfederbusch), und seiner Frau Hildegard Bechel von Siersberg, Tochter des Goswin Bechel von Siersberg (Wappen: silbern-blau geteilt und belegt mit einem goldenen Glevenrad (Lilienhaspel), Helmzier zu blau-silbernen Decken eine goldene Greifenklaue mit blau-silberner Befiederung). Die vom Hof Becheln bei Lorch am Rhein stammende Familie, die 1589 mit Jost Bechel von Siersberg im Mannesstamm erlosch, war eines Stammes und Wappens mit den von Greiffenclau. Unter dem Wappen ist die Devise zu lesen: "DVRVM PATIENTIA FRANGO" - ich breche das Harte mit Geduld. Als Schildhalter dient ein in der Mitte stehender bärtiger Mann mit umgehängtem Pfeilköcher.

Oberburg Lissingen, links Wohnturm, rechts Renaissance-Trakt

Während die westliche Seite des Herrenhauses der Oberburg mit dem Wohnturm trotz barocker Fensterlaibungen im Kern noch mittelalterlich ist, entstammt der dreiachsige rechte Trakt der Zeit der Renaissance. Hier zeigt das Portal mit seiner starken Horizontalbetonung, mit seiner auf 1590 datierten Holztür, mit seinen auf Podesten stehenden Halbsäulen und mit dem wuchtigen Gebälk rings um das zweiteilige Oberlicht die Formensprache der Renaissance, während der Rundbogen selbst noch Stabwerk hat.

Oberburg Lissingen, Wappenstein

Über dem Oberlicht des Portales ist ein später dort eingemauertes Wappen der Zandt von Merl (s. o.) zu sehen, welches vom Zahn der Zeit stark mitgenommen worden ist. Insbesondere die Wendung des Schildes spricht dafür, daß dieser Stein aus einem ganz anderen Zusammenhang mit einem dazu gehörenden Wappen der Ehefrau auf der anderen Seite gerissen worden sein muß, bevor er hier seine Zweitverwendung fand. Die Helmzier ist zerstört, die Reste lassen zwei Beine eines sitzenden Löwen und einen Löwenschweif ansatzweise erkennen.

Literatur, Links und Quellen:
Grundriß: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/91/BurgLissingenPlan.jpg
Ansicht (Unterburg):
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4f/Broschuere_burg_lissingen_1.jpg
Burg Lissingen (Unterburg):
http://www.burg-lissingen.de/
Burg Lissingen (Oberburg):
http://www.oberburglissingen.de/index2.html
Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Kreis Daun, S. 694-705
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen Vierteljahresblätter".
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.

Siebmachers Wappenbücher
Michael Losse, Hohe Eifel und Ahrtal, 57 Burgen und Schlösser, Theiss Burgenführer, Konrad Theiss-Verlag Stuttgart 2003, ISBN 3-8062-1775-0
Hilla, das Magazin für das Hillesheimer Land, Sonderdruck Juni 2009, Burg Lissingen.
ein herzliches Dankeschön an Herrn Ernst Becker aus Mürlenbach für wertvolle Hinweise

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