Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1656
Halbenrain (Steiermark, Österreich)

Schloß Halbenrain

Sozusagen in der südöstlichsten Ecke der Steiermark, nur 6 km nordwestlich von Radkersburg, befindet sich das Schloß Halbenrain in der gleichnamigen Ortschaft. Es handelt sich um eine dreigeschossige Vierflügelanlage mit trapezförmigem Innenhof in einem weitläufigen Park mit altem Baumbestand, der sich nach Süden hin unter dem Abhang zu einer großen Wiese öffnet und sich bis zur Mur erstreckt. Die Flügel in Osten und Westen sind schlicht und einheitlich; der Nordflügel besitzt zwei zweiachsige Eckrisalite und einen Dreiecksgiebel über dem Mittelrisalit von drei Fensterachsen Breite. Der Südflügel ist die eigentliche repräsentative Schauseite, die insbesondere wegen der Hanglage eine Augenweide ist. Bei genauerem Hinsehen erweist sich der Südflügel aber als nicht so symmetrisch, wie man auf den ersten Blick annimmt, der Flügel ist im Grundriß etwas gebogen, auch steht er im Südosten mit einem einachsigen Anbau über den angrenzenden Ostflügel hinaus. Das Schloß präsentiert sich nach Renovierungen in den Jahren 1962/63 und nach 1980 in hervorragend gepflegtem Zustand. Der Außenbereich ist frei zugänglich; eine Innenbesichtigung ist nicht möglich, weil das Schloß, heute im Eigentum des Landes Steiermark, als Fachschule für Landwirtschaft und Ernährung genutzt wird.

Das Schloß geht auf eine mittelalterliche Burg zurück, von der heute freilich nichts mehr zu sehen ist außer den Resten eines Rundturmes. Die größte Bedrohung erfolgte im Mittelalter aus dem Osten (Ungarneinfälle) und das breite Murtal wäre für potentielle Feinde ein willkommenes Einfallstor in die Steiermark gewesen, und so wurden hier in Halbenrain, Weinburg, Mureck, Weitersfeld und Brunnsee Burgen errichtet, um genau das zu verhindern, was sich aber nicht immer vermeiden ließ, denn 1480-1490 war die Burg z. B. ungarisch besetzt. Diese Grenzburgen waren vom Landesherren in Auftrag gegeben worden und wurden an treue Untertanen zu Lehen gegeben, die sich in unserem Falle Herren von Halbenrain nannten.

Als Besitzer der Burg folgten im 15. Jh. die Herren von Stubenberg, später in barocker Zeit die Grafen von Althann, dann ab dem 1.4.1724 Georg Christoph Graf Stürgkh, Hofkanzler unter Kaiser Karl VI und einer der Gegenzeichner der sog. "Pragmatischen Sanktion". Die Grafen von Stürgkh besaßen es bis 1980, als das Schloß wegen finanzieller Klammheit an das Land veräußert wurde, nachdem zuvor schon 1965 anläßlich des Ablebens von Barthold Stürgkh der Besitz Halbenrain-Klöch zwischen den Erben geteilt worden war. Der mittelalterliche Baubestand wurde im Barock abgebrochen und durch einen Schloßbau ersetzt. Dieser fiel 1767 einem Brand zum Opfer, und das Schloß, wie wir es heute sehen, entstand nach diesem Brand unter den Grafen von Stürgkh in den Formen des späten Barocks. Einer der berühmtesten Besitzer von Schloß Halbenrain war übrigens Karl Graf Stürgkh, geb. am 30.10.1859, ermordet am 21.10.1916, seit 1911 österreichischer Ministerpräsident unter Kaiser Franz Josef I.

Die Südfront hat einen dreiachsigen Mittelrisalit mit vorgebauter Terrasse auf drei Arkaden (Altan), wobei die beiden oberen Geschosse durch vier Kolossalpilaster unter einem Dreiecksgiebel zusammengefaßt werden. Jeder Seitenflügel besitzt vier Fensterachsen, wobei die Fenster des ersten Obergeschosses mit abwechselnd geraden und sparrenförmigen oberen Abschlüssen einen eigenwilligen Rhythmus ergeben. Die Verdachungen der Fenster des Mittelrisalites sind gerade mit Segmentbogen bzw. Dreieck in der Mitte.

Von der den erwähnten Altan umgebenden Terrasse aus führt eine mit zahlreichen Podesten für Steinvasen etc. verzierte barocke Freitreppe die Hangböschung hinunter bis zu einer Gartengrotte mit polygonaler Front, um die herum sich die Gartentreppe in zwei Züge teilt, um den Wiesengrund zu erreichen.

Am mittleren Bogen des gartenseitigen Altans des Südflügels befindet sich der Wappenschild der Grafen von Stürgkh: Er ist (Tinkturen nach der Abb. bei Bartsch) geviert, Feld 1 und 4: in schwarz-golden geteiltem Feld auf grünem Dreiberg ein auffliegender Storch in verwechselten Farben, im Schnabel einen goldenen Ring haltend (Stammwappen, hier in Feld 1 einwärts gewendet), Feld 2 und 3: hier in Hermelin (sonst Kürsch, Pelzwerk) ein roter Pfahl (Planckenwerth, Planckenwarth). Zum hier nicht dargestellten Oberwappen siehe im Detail die Ausführungen zur Pfarrkirche.

Jörg (Georg) Stürgkh, ein Großkaufmann aus Graz, hatte 1532/1533 die Herrschaft Planckenwarth (gleichnamige Burg 7 km westlich von Graz) von den Herren von Ungnad erworben, an welche sie um 1430 durch Erbschaft gefallen war, und er folgte mit der Quadrierung seines Schildes dem Geist der Zeit, indem das Wappenbild der längst erloschenen Herren von Planckenwarth 1537 mit K. Ferdinands Erlaubnis mit in den Schild aufgenommen wurde. Dabei ist ein kleines Versehen passiert: Das Geschlecht der Herren von Planckenwarth führte in Pelzwerk eine Spitze, während ein Burgmannengeschlecht auf Burg Planckenwarth den Pfahl in Pelzwerk führte. Sicherlich wollte Jörg v. Stürgkh nicht das Wappen der Burgmannen einfacherer Herkunft haben, sondern vielmehr das des berühmten Marschalls in Steyr, Rueger von Planckenwarth (auch: Rudegerus de Planchinwarten). Das ist aber schiefgegangen. Das Wappen Planckenwarth wird beschrieben im Siebmacher Band: OÖ Seite: 417 Tafel: 106. Planckenwarth ging der Familie Stürgkh wieder 1699 verloren, erst kam es an Johann Georg Graf Saurau, dann 1739 an Johann Seifried Graf Herberstein. Und dann kam Planckenwarth 1791 zum zweiten Mal in den Besitz der Grafen von Stürgkh und bleib es bis 1826.

Das Wappen der eigentlich aus der Oberpfalz (genauer: aus Donaustauf bei Regensburg) stammenden, dann zum steirischen Adel zählenden Familie (Wappenbrief vom 20.3.1518 und rittermäßiger Reichsadel für Georg Stürgkh am 29.8.1532 zu Regensburg, erbländisch-österreichischer Freiherrenstand mit dem Prädikat "von Planckenwarth" am 19.5.1638 für Hanns Christoph von Stürgkh, Grafenstand am 5.7.1711 für Franz-Bernhard Frhr. v. Stürgkh, erbländisch-österreichischer Grafenstand für dessen Bruder Georg-Christoph Frhr. v. Stürgkh am 5.6.1715 als "Graf von Stürgkh Freiherr zu Planckenwarth u. Vassollsperg (= Vasoldsberg)", Reichsgrafenstand mit Wappenbesserung am 4.11.1721, dazu Großes Palatinat) wird beschrieben im Siebmacher Band: Krai Seite: 18 Tafel: 18, Band: NÖ2 Seite: 282 Tafel: 130-131, Band: OÖ Seite: 417 Tafel: 106, Band: Gö Seite: 31, Band: Un Seite: 603 Tafel: 426, Band: OÖ Seite: 784, ferner bei Zacharias Bartsch.

Es sei angemerkt, daß hier in Feld 2 und 3 eindeutig Hermelinschwänzchen zu sehen sind, wie insbesondere in der Detailaufnahme unten nachzuvollziehen ist, während auf der Nordseite des Schlosses und an der Kirche ebenso eindeutig schuppenförmiges Pelzwerk dargestellt wird. Im Bartsch ist schuppenförmiges silbernes Feh (Kürsch) abgebildet, im Siebmacher wird es in den meisten Fällen als Hermelin und nur in der Minderzahl als Kürsch abgebildet. Dieser Wechsel zwischen zwei unterschiedlich definierten Pelzwerkarten scheint mit einer gewissen uns heute unvorstellbaren Großzügigkeit gehandhabt worden zu sein, vermutlich, weil irgendwann keiner mehr so richtig wußte, welche Variante an Pelzwerk für die Herren von Planckenwerth korrekt war. Zu dieser Variationsbreite in den Quellen gesellt sich, daß der Storch auch als natürlich beschrieben wird bzw. auch mit roten Beinen und ebensolchem Schnabel, und daß ferner der Fingerring mit einem blauen oder türkisfarbenen Stein beschrieben wird.

Ein zweites Wappen der Grafen von Stürgkh in phantasievoll-dynamischer Umrahmung finden wir auf der Nordseite in einer weißgetünchten Muschelnische. Die Schildkartusche ist vierpaßartig viermal spitz eingezogen; die Störche sind beide linksgewendet; das Pelzwerkmotiv ist hier im Gegensatz zur Darstellung auf der Südseite schuppenförmig dargestellt, wie übrigens auch an der Kirche (siehe dort). Über allem schwebt eine Krone.

Das Wappen der Grafen Stürgkh begegnet uns noch einmal an der nahen Kirche sowie in der Landeshauptstadt Graz am gleichnamigen Palais, dort farbig gefaßt. Ein weiteres Stürgkh-Wappen befindet sich in der Ortschaft Klöch wenige Kilometer nördlich von Halbenrain am älteren Gebäude des dort befindlichen Stürgkh'schen Weingutes, dort wird in den Feldern 2 und 3 Hermelin verwendet.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Bände Görtz, Krain, Niederösterreich und Oberösterreich
Gerhard Stenzel, L
othar Beckel, Von Schloß zu Schloß in Österreich, Verlag Kremayr und Scheriau, 1987, ISBN-13: 978-3218002882, ISBN-10: 3218002885
Georg Clam Martinic, Österreichisches Burgenlexikon, Burgen und Ruinen, Ansitze, Schlösser und Palais, 1992, ISBN-13: 978-3852145594, ISBN-10: 3852145597
Wilfried Bahnmüller, Burgen und Schlösser, Steiermark und Burgenland, Kral, Berndorf, 2010, ISBN-10: 3990240129, ISBN-13: 978-3990240120
Peter Krenn, Die Oststeiermark - ihre Kunstwerke, historischen Lebens- und Siedlungsformen, St. Peter Verlag, Salzburg, 1981, ASIN: B0036L86YM.
Johannes Koren, Franz Attems, Schlösser und Burgen der Steiermark, Pinguin, 1986, ISBN-10: 3701622256, ISBN-13: 978-3701622252
Schloß Halbenrain:
http://www.burgen-austria.com/Archiv.asp?Artikel=Halbenrain
Halbenrain:
http://www.halbenrain.gv.at/system/web/zusatzseite.aspx?menuonr=219892801&detailonr=217477232 - http://austria-lexikon.at/af/AEIOU/Halbenrain - http://austria-lexikon.at/af/Wissenssammlungen/Burgen_und_Schl%C3%B6sser/Steiermark/Halbenrain
historische Ansicht des vorbarocken Zustandes:
http://austria-lexikon.at/attach/Wissenssammlungen/.....urg.jpg
Halbenrain: Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs. Steiermark (ohne Graz), bearb. von Kurt Woisetschläger und Peter Krenn, Wien 1982, Seite 160.
Grafen Stürgkh:
http://www.gsw.at/cms/index.php
Zacharias Bartsch, Steiermärkisches Wappenbuch (1567), Facsimile-Ausgabe mit historischen und heraldischen Anmerkungen von Dr. Josef v. Zahn und Heraldische Besprechung von Alfred Ritter Anthony v. Siegenfeld, Graz u. Leipzig, Ulrich Mosers Buchhandlung (J. Meyerhoff) 1893, Seite 134 Tafel 140
Planckenwarth:
http://www.burgen-austria.com/Archiv.asp?Artikel=Plankenwarth - http://www.schloss-plankenwarth.at/
Stürgkh:
http://www.coresno.com/aktuell/133-boehmen/2238-lex-stuergkh.html
Stürgkh:
http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%BCrgkh_%28Adelsfamilie%29
Herrn Helmut Kindl ein herzliches Dankeschön für den wertvollen Hinweis auf das Wappen in Klöch.

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