Bernhard Peter
Die Ahnenprobe

Was ist eine Ahnenprobe?
Die Ahnenprobe dient dem Nachweis der ebenbürtigen Abstammung. Die Ahnenprobe ist der Beweis, daß alle vier Großeltern dem selben Stand angehörten, den man für sich selbst fordert. Eng damit verbunden ist zugleich der Beweis der Rechtmäßigkeit der betroffenen Ehen und der ehelichen Geburt der aufgeführten Personen. Ahnenproben lassen sich in Deutschland seit dem 12./13. Jahrhundert nachweisen. Die Ahnenprobe war insbesondere in Adelskreisen wichtig, um die Vollbürtigkeit, die adelige Abstammung, nachzuweisen, und um damit Zugang zu Privilegien zu gewähren. Andere Ausdrücke für die Ahnenprobe sind "Filationsprobe" oder "Ritterprobe", wobei die Ritterfähigkeit im Vordergrund steht. Aber auch in anderen Schichten der Gesellschaft diente die Ahnenprobe dazu, zu zeigen, daß eine bestimmte Anzahl von Vorfahren dem gleichen Stand angehörte, zumal in einer mittelalterlichen Gesellschaft, in der Berufsstände auch Geburtsstände waren. Die Ahnenprobe wurde so zu Mittel der ständischen Abschließung. Die Gleichsetzung von Ahnenprobe mit Adelsprobe ist nicht vollständig korrekt, die Wichtigkeit der Ahnenprobe wurde aber vom Adel besonders hochgehalten, um unter sich zu bleiben, so daß leider eine synonyme Verwendung gebräuchlich ist. Eine bestimmte Anzahl - früher (13./14. Jh.) waren das 4 Wappen, entsprechend den 4 Großelternteilen, die jeweils einer ebenbürtigen Familie entstammen mußten. So legte z. B. der Sachsenspiegel fest, daß die Zugehörigkeit zu einem Stand den Nachweis von vier Ahnen erfordere. Später wurden es mehr Wappen, 8 oder sogar 16 oder 32, wobei es auch regionale Unterschiede in den Anforderungen gibt. Daß die Anzahl im Laufe der Zeit vom 13. bis zum 18. Jh. erhöht wurde, hängt zum einen mit gestiegenem Prunk- und Repräsentationsbedürfnis zusammen, zum andern auch damit, daß auch zunehmend von Neuadeligen (Briefadel) oder mit dem Aufstreben städtischer Kultur auch von Patrizierfamilien die Forderung nach 4 Wappen erfüllt werden konnte, wovon man sich erfolgreich absetzen konnte, indem man die Anzahl der geforderten Ahnen erhöhte, was nur der Uradel erfüllen konnte. Desgleichen war es bei Stiften nicht nüblich, den Zugang durch erhöhte Anforderungen zu erschweren. Von der Sitte der Präsentation der Wappenschilde leiten sich auch Ausdrücke wie "vierschildrig" etc. ab - eine "vierschildrige Person" kann vier ebenbürtige Abstammungslinien nachweisen, also vier ebenbürtige Großeltern.

Wie wird die Ahnenprobe heraldisch sichtbar?
Am häufigsten begegnet uns heute die Ahnenprobe auf Grabdenkmälern oder Grabsteinen, vorzugsweise herausragender Persönlichkeiten, die in Kirchen bestattet wurden oder dort ihr Grabdenkmal bekamen. Im einfachsten Falle ist das eine Grabplatte mit dem Abbild des Verstorbenen, das den meisten Raum einnimmt, und in den vier Ecken der rechteckgen Platte vier Wappen, sehr beliebt in der Gotik. Dabei war das Wappen in der linken oberen Ecke (vom Betrachter aus gesehen) das eigentliche Stammwappen, das zum Familiennamen des Verstorbenen gehört. Denn dieser Platz ist heraldisch rechts oben und der Ehrenplatz, wo der wichtigste Schild hnkommt. Die anderen drei Schilde repräsentieren die anderen drei Urgroßväter bei einer 4-Ahnenprobe. Von der Rangfolge her ist der ehrenvollste Platz der heraldisch oben rechts (oben links vom Betrachter aus), dann folgt oben links (oben rechts vom Betrachter aus), dann heraldisch unten rechts, zuletzt heraldisch unten links. In einer patrilinearen Gesellschaft wäre die natürliche entsprechende Zuordnung: Platz 1: Stammlinie, Platz 2: Wappen der Familie der Mutter, gefolgt von den Wappen der Familien der Großmütter väterlicherseits und der Großmutter mütterlicherseits. Diese Anordnung wird auch häufig befolgt, manchmal aber auch nicht. Sicher ist jedoch nur, daß das Stammwappen am Ehrenplatz ist, bei der Zuordnung der anderen Wappen empfiehlt sich eine Überprüfung der Genealogie von Fall zu Fall. Gotische Grabplatten sind in der Regel ohne farbliche Fassung der Wappen.

Nehmen wir als Beispiel ein Herrn mit folgender fiktiver Abstammung:

Die Zielperson (der Proband) mußte 4 Wappen vorweisen, d. h alle 4 Großeltern mußten dem betreffenden Stand angehören, gleichbedeutend mit der Forderung, daß alle 4 Urgroßväter gesellschaftlich akzeptabel waren - in Adelskreisen also von Adel waren, sichtbar gemacht durch ihr Wappen. 1 wäre das Stammwappen, 2 das der Mutter bzw. ihrer Familie, 3 und 4 die der beiden Großmutter-Familien.

Wird für diese Person also eine Grabplatte erstellt, würde sie rein schematisch und ohne Rücksicht auf verschiedene Stile folgendermaßen aussehen: Person oder Vollwappen in der Mitte der Platte, die vier Wappen der Urgroßväter in den vier Ecken, wobei die Wappen auf der heraldisch rechten Seite, Wappen 1 und 3, aus heraldischer Courtoisie gewendet sind (fällt hier nur bei dem Stammwappen 1 auf):

Die Wappen der Ahnenprobe wurden kleiner als das Hauptwappen (soweit vorhanden) entweder nur als Schild oder als Vollwappen dargestellt, was vom jeweils beabsichtigten Aufwand und bildhauerischen Gesamtkonzept abhing, in der Gotik waren es meist nur die Schilde, in der Renaissance kam aber auch die Freude an aufwendig gestalteten Vollwappen auf, es gibt viele wunderschöne Grabplatten aus Sandstein mit 8 Vollwappen auf dem Rand. Die Wappen der Ahnenprobe wurden häufig beschriftet, ein kleines geschlungenes Band über oder unter dem Wappen nennt den Namen der Familie, deswegen sind Ahnenproben auf Grabtafeln ein unschätzbares Reservoir heraldischen und genealogischen Wissens.

Es gibt auch Grabplatten mit 5 oder 6 Wappen um das Abbild des Verstorbenen. Warum 6? Man hatte bei einer Ahnenprobe doch entweder 4, 8, 16 etc. Ahnen vorzuweisen! Und wenn man "Lücken hatte", genügte auch nicht die Abbildung der unvollständigen Reihe. Nein, solche Anzahlen entstehen durch Ämter, durch die Hinzufügung vom Amtswappen. Beispiel: Die Würzburger Fürstbischöfe Rudolf von Scherenberg und Lorenz von Bibra (beides Arbeiten von T. Riemenschneider im Würzburger Dom) haben zusätzlich zu ihren 4 Ahnenproben-Wappen noch jeweis den Fränkischen Rechen des Herzogtums Ostfranken und die Standarte des Hochstifts Würzburg (das Rennfähnlein) auf den Plätzen 1 und 2, gefolgt von den Wappen ihrer Eltern auf den Plätzen 3 und 4, zuletzt die der Familien der jeweiligen Großmütter.

Es können auch hochkomplexe Ahnenproben in Stein gehauen werden. Insbesondere Grabdenkmäler der Renaissance werden zu einem Who's Who des jeweiligen Adels. Man gab sich nicht mehr damit zufrieden, vier Wappen zu zeigen, nein, das Stammwappen kam in die Giebelzone des Grabdenkmals, die vier Ahnenwappen in die vier Ecken des Epitaphs, dann wurden es 8 Wappen, jeweils 4 spaltenförmig rechts und links des Hauptfeldes angeordnet, später auch mal 16 Wappen, sodaß zwei Spalten zu je 8 Wappen die untadelige Abstammung nachwiesen. In diesem Drang zur "Ahnenshow" wird auch eine Entwicklung bei Kirchenfürsten deutlich, bei der das geistliche Amt immer mehr hinter einer Pfründe für den Hochadel mit entsprechendem Repräsentationsbedürfnis zurücktrat. Renaissance-Wappen an Grabdenkmälern werden sehr häufig farblich gefaßt, denn sie dienten in dieser Zeit noch einer echten genealogischen Aussage.

Barocke Grabdenkmäler oder die der Spätrenaissance gehen freier mit den Ahnenwappen um, sie können in einer Art Rahmen das Zentralfeld einschließen, oben als Galerie entlanglaufen, dynamisch einer gekurzten Schnitzerei aufliegen etc., in barocker Zeit tritt die Aussagekraft der Wappen hinter das Repräsentationsbedürfnis insgesamt zurück, die einzelnen Wappen werden oft auch nicht mehr farbig gefaßt wie in der Renaissance, sondern ordnen sich dem dekorativen Gesamtschema unter, mal werden sie naturbelassen oder einfach grau oder weiß gestrichen, mal werden die Konturen mit goldenen Linien betont (Beispiel Aschhausen im Würzburger Dom). Bei solchen komplexen Konstruktionen ist eine Zuordnung der einzelnen Wappen nur mit detaillierten genealogischen Informationen möglich, einzig das Stammwappen läßt sich sicher zuordnen, weil es gesondert hervorgehoben ist, meist im Giebelfeld oder im Aufbau des Grabdenkmals.

Wie verhält sich das bei Ehewappen?
Noch komplizierter wird das bei Ehewappen. Das kommt in Frage, wenn Eheleute ein gemeinsames Grabdenkmal haben. Dann wird jedes Einzelwappen mit vollständiger Ahnenprobe dargestellt, sei es in Spalten am Rand, sei es um das jeweilige Einzelwappen gruppiert. Nehmen wir ein Ehepaar mit fiktivem Stammbaum:

1 sei das Stammwappen des Ehemannes, 5 das Stammwappen der Ehefrau. Als Ehewappen ergäbe sich im einfachsten Falle folgende Anordnung:

1, 2, 3, 4 sei die Ahnenprobe des Ehemannes, 5, 6, 7, 8 die Ahnenprobe der Ehefrau. Das kann jetzt schematisch wie folgt angeordnet werden: Jeder der Beiden für sich, jedes Vollwappen umgeben von seiner Ahnenprobe. Man beachte dabei, daß die Ahnenproben-Wappen 1, 3, 5, 7 und das Vollwappen 1 aus heraldischer Courtoisie gewendet sind. Wir haben hier den Fall, daß auf dem ganzen Bild das Wappen des Ehemannes, sozusagen das wichtigste Wappen der ganzen Darstellung, kein einziges Mal "richtigherum" abgebildet ist. Diese Spielereien sollten beim Interpretieren alter heraldischer Denkmäler immer im Hinterkopf präsent sein!

Eine andere mögliche Anordnung für die selbe fiktive Ehesituation wäre die direkte Gegenüberstellung der Vollwappen der beiden Eheleute, rechts und links begleitet von in Spalten angeordneten Ahnenproben-Wappen, heraldisch rechts Ehemann, heraldisch links Ehefrau:

Ahnenproben auf Portal- und Fassadenwappen
Die Anwendung der Ahnenprobe ist natürlich nicht auf Gräber und Epitaphe beschränkt. Genausogerne wird sie Prachtwappen über Burg- oder Schloß-Portalen beigefügt, ebenso findet man sie an den Fassaden der Adelshöfe in den Städten.

Beispiele für Ahnenproben auf Fassadenwappen: Würzburg, Hof Erhard von Liechtenstein (je 4 Ahnen), Bamberg, Wolfstein-Wappen (4 Ahnen), Bamberg, Domberg, Wappen von Eyb (8 Ahnen)
Beispiel für eine Ahnenprobe auf einem Ehewappen über einem Portal: Mespelbrunn (Spessart):
Schloß Mespelbrunn (1)

Ahnenproben auf Schlußsteinen
Eine besondere Darstellung einer Ahnenprobe ist die im Gewölbe einer Kirche. Spätgotische Kreuzrippengewölbe eignen sich hervorragend zur Anbringung markanter und wappengeschmückter Schlußsteine. Dabei ist die eine Variante, entlang eines Langschiffes alle vorhandenen Schlußsteine mit Ahnenwappen zu versehen. Natürlich muß das keine Ahnenprobe sein, es können genausogut die Wappen des regionalen Adels oder der Geldgeber oder des städtischen Patriziats sein, oder die Mitglieder eines Domkapitels oder Chorherrenstifts. Es muß nicht, aber es kann, und bei Hofkirchen von landesherrlichen Residenzen ist die Wahrscheinlichkeit, daß es sich um eine Ahnenprobe handelt, relativ groß, insbesondere, wenn die Anzahl eine Potenz von 2 ist (4, 8, 16, 32). Das Wappen des Probanden (Stifter), bzw. wenn es die Ahnenprobe eines Ehepaares ist, die Wappen beider Probanden (Stifterehepaar) werden zentral in der Mitte oder in herausgestellter Position vor der Vierung etc. angebracht, und neben der Stellung ist es auch häufig die Darstellung als einzige Vollwappen, die die Probandenwappen hervorhebt. Möglichkeiten gibt es viele, hier geht es auch mehr ums allgemeine Prinzip. Für die Reihenfolge der Anbringung läßt sich keine fixe Regel formulieren. Gerne werden jedoch die Wappen der - in Blickrichtung auf den Altar - linken Reihe zur Mitte hin gewendet. Ein fiktives und beispielhaftes Gewölbe mit Ehewappen auf dem letzten mittleren Schlußstein und 8er-Ahnenprobe für jeden Ehepartner (Mann 1-8 bzw. Frau A-H) sei schematisch skizziert:

Abb.: Schematische Darstellung einer fiktiven Ahnenprobe im Gewölbe eines Längsraumes

Ahnenproben in einem Langschiff nach diesem allgemeinen Prinzip finden sich beispielsweise in Weikersheim, St. Georg, oder in Büdingen, Marienkirche. In beiden Fällen hat jeder Ehepartner ein Vollwappen, alle anderen Wappen sind nur Darstellungen der Schilde.

Dieses Prinzip ist natürlich nicht auf den Sakralraum beschränkt und findet sich genauso in repräsentativen, rippengewölbten Burg- oder Schloßräumen.

Abb.: Ronneburg, Saalbau-Erker. Ahnenprobe des Anton Graf v. Isenburg-Kelsterbach (2.8.1501 - 25.10.1560) und seiner Gemahlin Elisabeth v. Wied-Runkel (nach 1505 - 24.7.1542), davon hier zu sehen die Schilde Oettingen, Isenburg-Braunsberg, Nassau-Wiesbaden, Nassau-Dillenburg, Isenburg, Saffenberg, Wied, Rieneck, Hanau, Katzenelnbogen, Virneburg, Solms, Hessen.

Eine hervorragende Möglichkeit bietet auch ein netzgewölbter Zentralraum, etwa einer Seitenkapelle, wo die 4, 8 oder 16 Ahnenwappen kreisförmig angeordnet werden können. Im Zentrum ist das Probandenwappen, das Ehewappen oder ein Bild des Stifters oder eine Allegorie desselben, außenherum die 8 bzw. 2x 4Ahnenwappen. Eine verbindliche oder allgemein übliche Reihenfolge kann nicht angegeben werden. Wie das etwa aussehen kann, illustriert schematisch folgende Abbildung:

Abb.: Schematische Darstellung einer fiktiven Ahnenprobe im Gewölbe eines Zentralraumes

Ein solches Beispiel (natürlich mit anderen Wappen) finden wir in der St. Amandus-Kirche in Bad Urach am Rande der Schwäbischen Alb mit der Ahnenprobe von Graf Eberhard V von Württemberg (Eberhard im Barte). Dort sind insgesamt acht Einzelwappen der 8 Urgroßeltern (Württemberg, Visconti, Savoyen, Hohenzollern, Genf, Pfalz, Chatillon, Mömpelgard) rings um den zentralen Schlußstein des östlichsten Seitenschiffjochs gruppiert, der selber kein Wappen, sondern den Drachentöter Georg (mit den Zügen Graf Eberhards) enthält.

Ein zweites solches Beispiel kranzförmig im Gewölbe angeordneter Schilde finden wir in der Stadtkirche von Michelstadt, Chorbereich. In der Mitte sind die beiden Wappen der Grafen von Erbach und der Pfalzgrafen bei Rhein in Form eines Ehewappens (Allianzwappens). Seine Ahnenprobe umfaßt die Schilde von Erbach, Fraunberg zum Haag, von Wertheim, von Eberstein. Ihre Ahnenprobe umfaßt die Schilde Pfalz, Nassau-Saarbrücken, Baden-Sponheim und Katzenelnbogen.

Die Logik einer 16er-Ahnenprobe (1)
16 Wappenschilde entsprechen den 16 Ururgroßeltern einer Person. Eine mögliche systematische Anordnung der Schilde wäre wie folgt: Auf der optisch linken Seite befinden sich die Wappenschilde väterlicherseits, also aus der Seite des Vaters der/des Probanden/in, auf der rechten Seite die Wappenschilde mütterlicherseits, also aus der Linie der Mutter der/des Probanden/in. Ehepaare stehen übereinander, immer der Schild des Mannes über dem der Frau. Schilde für Männer (im Schema blau unterlegt) und Frauen (rosa unterlegt) alternieren daher in einer Spalte. Je näher ein Paar im Stammbaum am Mannesstamm des Probanden ist, desto weiter oben ist das Schild-Paar innerhalb einer Spalte. Die Abfolge der Schilde (spaltenweise) entspricht also der Abfolge der Namen der Ururgroßeltern in einem Stammbaum, bei dem immer links der Vater und rechts die Mutter gezeichnet ist. Die Reihenfolge der Schilde entspricht aber nicht der Reihenfolge ihres Auftretens im Stammbaum mit zunehmender Entfernung vom Probanden. In der folgenden Graphik wird die ideale Anordnung der Wappenschilde innerhalb dieser Logik illustriert:

Ein Beispiel für eine solche Logik ist die Grabplatte für Wolfgang Friedrich Graf v. Hohenlohe-Waldenburg (geb. am 17.4.1617 in Waldenburg, gest. am 21.3.1658 in Waldenburg) in der Stadtkirche Waldenburg (Veröffentlichung der Innenaufnahmen mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Samuel Piringer, an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.). Die beteiligten Namen und Wappen sind Hohenlohe, Waldburg zu Wolfegg u. Zeil, Tübingen-Lichteneck, Zweibrücken-Lichtenberg, Reuss zu Greiz, Mansfeld-Vorderort, Solms-Laubach, Wied in der optisch linken Spalte, Hohenlohe-Waldenburg, Sulz, Solms-Laubach, Mecklenburg, Nassau-Dillenburg, Hessen, Stolberg, Eppstein-Königstein-Rochefort in der optisch rechten Spalte (Photo untenstehend, vgl. Stadtkirche, Wolfgang Friedrich v. Hohenlohe).

Dies ist eine Möglichkeit einer logischen und systematischen Anordnung, die aber nicht das Vorkommen ganz anderer Anordnungen mit anderer Logik ausschließt, sondern eine unter vielen ist.

Die Logik einer 16er-Ahnenprobe (2)
16 Wappenschilde entsprechen den 16 Ururgroßeltern einer Person. Eine weitere mögliche systematische Anordnung der Schilde wäre wie folgt: Auf der optisch linken Seite befinden sich die Wappenschilde väterlicherseits, also aus der Seite des Vaters der/des Verstorbenen, auf der rechten Seite die Wappenschilde mütterlicherseits, also aus der Linie der Mutter der/des Verstorbenen. Die oberen vier Wappenschilde stehen jeweils für die Männer, also die Ururgroßväter, die unteren vier für die Frauen (Ururgroßmütter) bzw. deren Väter. Je näher der Name im Stammbaum am Probanden ist, desto weiter oben ist der Schild innerhalb einer Gruppe. Da wir uns bei dieser Betrachtung an echten Beispielen orientieren, ist das jeweils letzte Wappen nach innen auf den unteren Rahmen eingerückt. In der folgenden Graphik wird die ideale Anordnung der Wappenschilde illustriert:

Es kommen also optisch links von oben nach unten erst die vier Ururgroßväter väterlicherseits (1, 2, 3, 4), dann folgen die vier Ehefrauen (5, 6, 7, 8), aber nicht in der gleichen Reihenfolge. Ganz genau geht es auf beiden Seiten nicht auf, weil es bei dem 2. und 3. Mann jeweils einen Reihenfolgensprung gibt. Als Ehepaar gehören sowohl links als auch rechts 1 und 5, 2 und 7, 3 und 6, 4 und 8 zusammen. Warum dieser Sprung in der Reihenfolge? Wenn wir uns einen Stammbaum nehmen, immer links den Vater einzeichnen und rechts die Mutter, erhalten wir die Liste der Ahnen einer Ebene wie oben angegeben.

Die 2x 4 Ururgroßmütter tauchen alle erst mit ihrem Namen in der obersten Ebene auf, können also im Range ihrer Bedeutung in einer patriarchalisch bestimmten Gesellschaft von links nach rechts durchgezählt werden, und entsprechend ist ihre Reihenfolge auf der Platte 5-6-7-8. Bei den Ururgroßvätern ist das ein bißchen komplizierter, weil der erste Ururgroßvater von links der Name ist, den der Proband/die Probandin (Verstorbene/r) trägt (1). Es folgt als zweiter von links ein Ururgroßvater (3), dessen Name nur bis in die Ebene der Urgroßväter reicht, der dritte Ururgroßvater (2) hat aber einen Namen, der bis zur Großvatersebene reicht. Folglich steht der Name des dritten Ururgroßvaters (2) dem Proband/der Probandin näher als der des zweiten Ururgroßvaters (3), und sein Wappenschild ist höher angeordnet. Der vierte Urgroßvater (4) wiederum hat einen Namen, der nur bis zur Urgroßeltern-Ebene reicht, also gleich weit wie (3), aber großmütterlicherseits, also (3) nachgeordnet und tiefer auf der Platte angebracht, denn (3) ist großväterlicherseits. Analoge Überlegungen führen zur Anordnung auf der optisch rechten Seite der Platte.

Beispiele: Die Grabplatten für Elisabeth Pfalzgräfin bei Rhein (30.6.1540 - 8.2.1594, rechte Abb.) und ihrem Ehemann Johann Friedrich II. Herzog v. Sachsen-Coburg-Eisenach (8.1.1529 - 9.5.1595, linke Abb.) in der Stadtkirche St. Moriz zu Coburg folgen beide exakt dem oben erläuterten Schema. Verwendung der Aufnahmen aus St. Moriz zu Coburg mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Markus Merz vom 30.6.2008, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Genauere Darstellung unter: St. Moriz, Johann Friedrich (16a) - St. Moriz, Johann Friedrich (16b) - St. Moriz, Johann Friedrich (16c) - St. Moriz, Elisabeth v. d. Pfalz (17a) - St. Moriz, Elisabeth v. d. Pfalz (17b) - St. Moriz, Elisabeth v. d. Pfalz (17c).

Diese exemplarische Erläuterung der Anordnung und Begründung des Sprunges ist beispielhaft und schließt nicht aus, daß andere Ahnenproben anders aufgebaut sind.

4er-Ahnenprobe in einem einzigen Schild....
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich die Erwartungshaltung, daß sich eine Ahnenprobe, gleich auf welcher Oberfläche, als eine geordnete Zusammenstellung entweder der Schilde oder der Vollwappen der Vorfahren darstellt. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Es gibt auch Ahnenproben, wo die vier Ahnenwappen in einem einzigen Schild zusammengestellt werden. Dazu wird der Schild geviert, und in jedes Feld kommt ein Ahnenwappen. Das wichtigste, das des Vaters und Großvaters väterlicherseits, kommt dabei auf Platz 1. Beispiele:

Bildbeispiel: Adelsheim, Erkerkonsole am Oberschloß. 4er-Ahnenprobe in einem Schild.

Eine als Allianzwappen getarnte 8er-Ahnenprobe
Hier ist die Steigerung des zuletzt Gesagten zu sehen: Es ist eine spätgotische Steinmetzarbeit um 1475 an der Burg (Schloß) Oberstein (Idar-Oberstein) und zeigt die Abstammung väterlicherseits von Auftraggeber Wirich VI. (ca. 1415-1501) mit acht Ahnenfeldern. Es ist also ein Allianzwappen seiner Eltern, als Vollwappen mit der jeweils wichtigsten Helmzier über dem Schild, der jedoch jeweils geviert ist mit je vier Feldern für je vier Ururgroßeltern. Herrschaftswappen dieser Komposition hat es nie gegeben, es ist eine reine Ahnenprobe in Form eines Allianzwappens.

Übersicht über die Genealogie:

Somit ergibt sich folgende Anordnung: Die Ehepartner stehen jeweils schräg überkreuz, also Feld 1 mit Feld 4, sowie Feld 2 mit Feld 3. Die Männer stehen immer in der oberen Reihe, die Frauen in der unteren Reihe. Oben außen stehen jeweils die männlichen Ahnen, die dem Probanden am nächsten sind. Es handelt sich also um einen höchst logischen und zugleich symmetrischen Aufbau.

Heraldisch rechtes, optisch linkes Wappen:

Heraldisch linkes, optisch rechtes Wappen:

Keine 4er-Ahnenprobe hingegen....
Ebenso ergibt sich aus dem bisher Gesagten die Erwartungshaltung, daß es sich bei vier in den Ecken einer Grabplatte oder eines Epitaphs befindlichen Wappenschilden oder Vollwappen um eine Ahnenprobe handelt, zum einen wegen der überwiegenden Richtigkeit dieses Schlusses, zum andern wegen der verführerischen Assoziation der Zahl 4 mit den 4 Großeltern. Doch auch hier keine Regel ohne Ausnahme: Es kann durchaus ein aus vier Herrschaften zusammengesetztes Vollwappen aufgebrochen werden in vier einzelne Vollwappen, die wie eine Ahnenprobe erscheinen auf Grabplatten, aber keine sind. Zusammengefügt ergeben sie nämlich den korrekten, gevierten Schild des Wappenträgers. Beispiel:

Wofür ist eine Ahnenprobe wichtig?
Die Ahnenprobe ist ein Mittel zur Exklusivität. Für den Adel im Mittelalter ist die wichtigste Konsequenz aus einer erfolgreichen Ahnenprobe die Turnierfähigkeit. Nur mit 4-Ahnen-Beweis war man ebenbürtig und durfte an Turnieren teilnehmen. Genauso durfte man nur mit entsprechender Abstammung an gerichtlichen Zweikämpfen teilnehmen, es war das Recht eines jeden Kämpfers, einen ebenbürtigen Gegner zu verlangen.
Bestimmte Ämter, Funktionen - und damit auch Pfründen - waren dem Adel vorbehalten. Eine bestandene Adelsprobe war Voraussetzung für den Zugang zu Domkapiteln, Stiften und Hofämtern. Man sprach stattdessen beispielsweise auch von der "Stiftsfähigkeit".
Auch geistliche Orden, Adelskongregationen und Ritterorden forderten von Neumitgliedern eine untadelige Abstammung. Nur diese gewährte Zugang zu entsprechenden Stiftspfründen.
Selbst der Zutritt bei Hofe konnte von der akzeptaben Abstammung abhängen, desgleichen die Landtagsfähigkeit. Bei Königs- oder Kaiserkrönungen wurde seit 1486 nur zugelassen, wer 4, später 8 und schließlich 16 Ahnen nachweisen konnte.

Alles typische Konsequenzen eines ständischen Gesellschaftsbildes, in dem nicht die Leistung und die Fähigkeiten eines Einzelnen, sondern seine Abstammung Gewicht hat.
Die Ahnenprobe wurde dabei zum Mittel der Abschottung einer sich selbst definierenden Elite gegenüber dem unterprivilegierten Rest der Gesellschaft.

Während zur Beurteilung und Überprüfung von Führungsberechtigungen an Wappen die Stammtafel mit der Abfolge männlicher Vorfahren wichtig war und nur die agnatische Abstammung zählte, ist die auch die Frauenstämme enthaltende Ahnentafel für die Aufnahme in bestimmte gesellschaftliche Kreise und nur diesen vorbehaltenen Institutionen wie Stifte oder Orden von Bedeutung.

Ähnliches galt in anderen Ständen: Genauso blieb das Bürgertum unter sich, in ähnlicher Weise bildete das Handwerkertum eine in sich geschlossene Standesschicht. Auch bei der Aufnahme in die städtischen Handwerksgilden mußte beispielsweise Zeugnis über die Abstammung abgelegt werden. Dabei mußten die sogenannten "Geburtsbriefe" vorgelegt werden. Wer nicht "ehrlicher" Herkunft war, wurde nicht als Lehrling akzeptiert und hatte keinen Zugang zu den betreffenden Kreisen, selbst wenn es sich "nur" um die Ausübung eines Handwerkes handelte.

Neben dem Gesagten sollte auch nie übersehen werden, daß eine Ahnenprobe vor allem auch ein hervorragend geeignetes Mittel der Repräsentation und des Schmucks war.

Was ist eine Aufschwörung?
Im Mittelalter war es nicht immer möglich, die Abstammung aus standesgemäßem Hause über 4 Ahnen urkundlich nachzuweisen. Dann konnte ersatzweise der Nachweis durch die sog. Aufschwörung erbracht werden: Andere Angehörige desselben Standes bestätigten feierlich die Richtigkeit der Angaben des Probanden und die eheliche Geburt seiner Vorfahren und vor allem die Zugehörigkeit der vom Probanden aufgeführten Personen zum fraglichen Stand. Der Proband musste die Wappenschilder seiner Vorfahren vorweisen, die von den Angehörigen der betreffenden Geschlechter beschworen wurden. Die sog. Aufschwörungsbücher der Stifte, Orden und Klöster stellen heutzutage eine einzigartige Quelle mittelalterlicher Genealogie dar. Dies war ersatzweise noch lange möglich, erst mit der Säkularisation und dem Ende des alten Reichs wurde diese Möglichkeit der Ahnenprobe durch den Urkundenbeweis als einzig gültige Beweisform ersetzt. Erst dann verloren die Ahnenproben ihre rechtliche Bedeutung. Am längsten hielt sich die Ahnenprobe übrigens bei dem Malteserorden und dem Johanniterorden. Heutzutage spielt sie nur noch eine Rolle bei den nach wie vor existierenden Hausorden der deutschen Fürstenhäuser.

Literatur, Links und Quellen:
Wappenfibel, Handbuch der Heraldik, hrsg. "Herold", Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften, Verlag Degener, Neustadt 1981
Walter Leonhard: Das große Buch der Wappenkunst, Bechtermünz Verlag 2000, Callwey Verlag 1978
Georg Scheibelreiter: Heraldik, Oldenbourg Verlag Wien/München 2006, ISBN 3-7029-0479-4 (Österreich) und 3-486-57751-4 (Deutschland)

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