Bernhard Peter und Dominik Smasal
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1861
Baden-Baden

Kloster Lichtenthal in Baden-Baden

Das Kloster Lichtenthal ("Monasterium Lucidae Vallis") befindet sich im Baden-Badener Stadtteil Lichtental, 3 km im Südosten des Stadtzentrums, südlich der Straße nach Forbach, am Eingang zum ehemaligen Dorf Beuern. Die Klosterkirche erstreckt sich in West-Ost-Richtung mit in der Flucht westlich angrenzendem, barockem Abteibau (Amtssitz der Äbtissin) und südlich angrenzendem, vierflügeligem Konventsbau (Klausur) mit Refektorium, Bibliothek, Zimmern der Schwestern etc. rings um den Kreuzgang, dazu kommt der Klostergarten. Parallel zur Klosterkirche steht nördlich davon die Fürstenkapelle mit der Grablege der Markgrafen von Baden, und daran schließt sich das schrägstehende ehemalige Amtshaus nördlich an. Auf der Freifläche vor der Kirche befindet sich der Marienbrunnen von 1602 mit einem Wappenschild der Äbtissin Maria Euphrosina Lorenz (ohne Abb.). Entlang der äußeren Einfassungsmauer reihen sich im Oval die Wirtschaftsgebäude, im Uhrzeigersinn sind das die Ställe, das Knechtshaus mit der Schmiede und der Metzgerei, die Mühle, die Ställe und die Scheunen sowie die Wohnungen von Verwalter und Pfarrer beiderseits des barocken, nach Norden gerichteten Zugangstores. Östlich der Fürstenkapelle befindet sich die Infirmerie (Krankenstation des Klosters). Alles zusammen wird von einer wehrhaften Mauer umschlossen, und die Schleife des Flusses Oos, innerhalb derer sich die in weiten Teilen ursprüngliche und intakte Anlage befindet, trägt zur Abgeschlossenheit des Klosterkomplexes bei.

Das Kloster geht zurück auf eine Gründung im Jahr 1242. Irmgard, eine geborene Pfalzgräfin bei Rhein, Witwe des Markgrafen Hermann V. von Baden, des Gründers der Städte Pforzheim und Stuttgart, schuf hier ein Kloster als Familiengrablege. 1245 wurde mit der Anlage begonnen, und die ersten Nonnen kamen aus dem Zisterzienserinnenkloster Wald bei Meßkirch. 1248 wurde die neue Abtei in den Zisterzienserorden aufgenommen. Die ersten prominenten Gräber in der Anlage wurden mit der Überführung von Markgraf Hermann V. 1248 und der Bestattung seiner Frau Irmgard 1260 (später geschaffenes Hochgrab mit einem Modell der ersten Klosterkirche in den Händen der Liegefigur) angelegt, und 1288 wurde durch Rudolf I. Markgraf v. Baden (-19.11.1288) die Fürstenkapelle gestiftet, in der sich äußerst sehenswerte heraldische Zeugnisse befinden (nur im Rahmen einer Führung zugänglich). Die Fassade zum Klosterhof hin ist freilich 1830-32 neugotisch verändert worden. Die Blütezeit des Klosters waren das 13. und 14. Jh. Angehörige des markgräflichen Hauses finden sich im Laufe der Zeit viermal als Äbtissinnen, und auch das verwandte Haus Lichtenberg stellte mehrere davon. Die letzte adelige Äbtissin war die 1544-1551 amtierende Anna von Mörsperg; danach gab es nur noch bürgerliche Äbtissinnen. Spätere Zeiten brachten das Kloster immer wieder in Existenzgefährdung: Bauernkrieg, 30jähriger Krieg, pfälzischer Erbfolgekrieg und französische Besetzung, spanischer Erbfolgekrieg. Erst im Barock nahm die Abtei wieder einen Aufschwung, und 1728-1734 wurden die Klosterkirche instand gesetzt und das aus dem 13. Jh. stammende brüchige Konventsgebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Und wieder schlug das Schicksal zu: Abgabenlast für den polnischen Erbfolgekrieg 1733, Unwetter und eine Brandstiftung 1734, der die Wirtschaftsgebäude zum Opfer fielen. Und dennoch hat sich die Nonnengemeinschaft über alle Schicksalsschläge hinweg bis heute behaupten können.

 

Zwischen den beiden Eingängen in das barocke Abteigebäude, am zurückspringenden Mittelteil zwischen den beiden vorgezogenen Seitenrisaliten, befindet sich ein auf 1730 datierter Wappenstein, mit den eingeschlagenen Buchstaben "M E A Z L" der 3.1.1727-1738 amtierenden Äbtissin Maria Euphrosina Wunsch (10.4.1678-12.6.1738) aus Baden-Baden zugeordnet. AZL steht für Äbtissin zu Lichtenthal. Sie war nach ihrer Tätigkeit als Priorin die Nachfolgerin der am 26.12.1726 verstorbenen Äbtissin Agnes Polentarin, und sie war die Vorgängerin von Äbtissin Benedikta Grasmaier aus Ellwangen. Äbtissin Maria Euphrosina ließ das baufällige alte Abteigebäude, welches noch z. T. aus Fachwerk bestand, abtragen und stattdessen durch den Architekten Peter Thumb (1681-1766) das heutige Bauwerk errichten, an dem sich dieses Doppelwappen befindet.

Rechts und links eines senkrecht stehenden, goldenen Äbtissinnenstabes befinden sich zwei schräg nach innen einander zugelehnte Ovalkartuschen, von denen die heraldisch rechte in Schwarz einen in zwei Reihen silbern-rot geschachten Schrägrechtsbalken zeigt, der oben und unten von einem goldenen lateinischen Tatzenkreuz und links oben und rechts unten von einer roten, golden bebutzten und grün bespitzten vierzähligen und doppellagigen Rose begleitet ist, und die heraldisch linke in Blau einen in zwei Reihen silbern-rot geschachten Schräglinksbalken zeigt, der oben und unten von einem goldenen Doppelhaken und rechts oben und links unten von einer roten, golden bebutzten und grün bespitzten vierzähligen und doppellagigen Rose begleitet ist. Der geschachte Balken ist dabei der Zisterzienserbalken, der goldene Doppelhaken in blauem Feld ist das Symbol der Abtei Lichtenthal, und das Kreuz und die Rosen sind persönliche Motive der Äbtissin. Insgesamt werden hier keine Einzelwappen sauber getrennt kombiniert, sondern Motive verschiedener Bedeutung in den zwei Kartuschen ohne Feldergrenzen kombiniert.

Am auf 1735 datierten Torbogen des alten Ökonomiegebäudes westlich des Eingangstores befindet sich auf dem Schlußstein ein mit "M E A Z L" ebenfalls der 3.1.1727-1738 amtierenden Äbtissin Maria Euphrosina Wunsch (10.4.1678-12.6.1738) aus Baden-Baden zugeordnetes Wappen, diesmal aber mit klar voneinander abgegrenzten Feldern. Das Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Schwarz ein rot-silbern in zwei Reihen geschachter Schrägrechtsbalken (Zisterzienser-Wappen), Feld 2: vermutlich in Schwarz ein goldenes Tatzenkreuz (persönliches Wappen der Äbtissin, Tinkturen vom zuvor vorgestellten Doppelwappen abgeleitet), Feld 3: in Blau ein goldener Doppelhaken (eigentliches Abteiwappen von Lichtenthal). Hinter der ovalen Kartusche steht senkrecht ein Äbtissinnen-Stab.

 

An einem rückwärtigen Nebengebäude befindet sich ein spätbarocker, auf 1776 datierter Wappenstein mit den Initialen "M TH A Z L". Das steht für die 28.10.1775-1808 als Äbtissin amtierende Maria Thekla Trück (7./8.11.1739-11.1.1808) aus Kuppenheim; "A Z L" steht für Äbtissin zu Lichtenthal. Sie war die Nachfolgerin der am 23.10.1775 verstorbenen Benedikta Grasmaier aus Ellwangen und die Vorgängerin von Cäcilia Lauf (7.11.1760-18.5.1834) aus Schuttertal. In Maria Thekla Trücks Regierungszeit fällt der Wechsel in der Konfession des Landesherrn, weil 1771 die katholische, bernhardinische Linie der Markgrafen von Baden mit August Georg Simpert ausstarb, und die protestantische, ernestinische Linie mit Carl Friedrich Großherzog v. Baden (22.11.1728-10.6.1811) übernahm. Ferner fiel in ihre Regierungszeit die französische Besetzung mit sich daraus ergebender Flucht, und der Frieden von Lunéville drohte das völlige Aus des Klosters mit sich zu bringen. Intervention des Markgrafen Karl Friedrich von Baden sicherte trotz Säkularisation den Fortbestand des Hausklosters seiner Ahnen, wenn auch mit gravierenden Einschränkungen: Die Nonnengemeinschaft kann zwar bestehen bleiben, wird auch unterstützt, doch Immobilien und Ländereien, Kunstschätze und Handschriften wurden größtenteils Eigentum des badischen Staates. Und Teil der Vereinbarung war weiterhin, daß die Nonnen eine Mädchenschule eröffnen mußten und den Unterricht zu übernehmen hatten.

Das Wappen ist halbgeteilt und gespalten, Feld 1: in Schwarz ein rot-silbern in zwei Reihen geschachter Schrägrechtsbalken (Zisterzienser-Wappen), Feld 2: auf einem Berg wachsend eine Sonnenblume, im linken Obereck eine gesichtete, strahlende Sonne (persönliches Wappen der Äbtissin), Feld 3: in Blau ein goldener Doppelhaken (eigentliches Abteiwappen von Lichtenthal). Hinter der ovalen Kartusche steht senkrecht ein Äbtissinnen-Stab.

 

Im Klosterbereich lassen sich an den Nebengebäuden auch zwei neuere Wappen aus dem 20. Jh. finden. 1980 -1990 wurden leer stehende Ökonomiebauten zu Gästehäusern und Tagungsräumen umgebaut, nachdem die Abtei 1975 die eigene Landwirtschaft eingestellt hatte, weil die Stadt Baden-Baden die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen für ihre eigene Expansion brauchte. Das auf 1988 datierte Sandsteinrelief ist für die Äbtissin Dr. Maria Lucia Reiss (Abb. oben links). Sie lebte von 1913 bis 1989. Im Jahr 1933 kam sie als Zwanzigjährige ins Kloster und legte die Gelübde ab. 1974-1988 stand sie dem Kloster Lichtenthal als Äbtissin vor. Sie hat übrigens über die Geschichte des Klosters Lichtenthal und dessen wirtschaftliche Rolle für Baden-Baden promoviert.

Ihr Wappen ist geviert, Feld 1: in Schwarz ein rot-silbern in zwei Reihen geschachter Schrägrechtsbalken (Zisterzienser-Wappen), Feld 2: in Blau ein goldener Doppelhaken (eigentliches Abteiwappen von Lichtenthal), Feld 3: in Rot unter einer aus dem oberen Rand hervorkommenden, unterhalben, strahlenden, goldenen Sonne ein silbernes, mit fünf roten Steinen belegtes Ankerkreuz (persönliches Wappen der Äbtissin), Feld 4: in Gold ein roter Schrägrechtsbalken (Baden). Hinter dem Halbrundschild steht senkrecht ein goldener Äbtissinnen-Stab.

Das andere, auf 1990 datierte Sandsteinrelief (Abb. oben rechts) ist für ihre Nachfolgerin, die aus Düsseldorf stammende Äbtissin Maria Adelgundis Selle (27.7.1921-12.1.2008), die die alten Ökonomiegebäude zum Gästehaus umbauen ließ. Sie war 1989-2001 die 45. Äbtissin in Lichtenthal (Wahl am 23.8.1989, Benediktion am 8.10.1989). Sie hatte erst eine Lehre zur Industriekauffrau gemacht, und an der Lehrerinnenakademie in Gengenbach machte sie später eine weitere Ausbildung zur Volksschullehrerin. Im Jahr 1948 fand sie, die ihre Wurzeln in der katholischen Jugendbewegung "Christi Reich" hatte, den Weg ins Kloster Lichtenthal (Einkleidung am 26.4.1949, Profeß am 27.4.1950), wo sie 1974 Priorin wurde und 1985 Novizenmeisterin. Ab 1952 unterrichtete sie Mädchenklassen an der Klosterschule, und 1959-1978 war sie Konrektorin und schließlich 1978-1984 Rektorin der koedukativen Grundschule Lichtenthal. 2000 zog sie sich aus Altersgründen als Novizenmeisterin zurück, am 1.5.2001 als Äbtissin.

Ihr Wappen ist geviert, Feld 1: in Schwarz ein silbern-rot in zwei Reihen geschachter Schrägrechtsbalken (Zisterzienser-Wappen), Feld 2: in Blau ein goldener Doppelhaken (eigentliches Abteiwappen von Lichtenthal), Feld 3: durch einen goldenen abgeflachten Sparren geteilt, oben in Blau ein silberner sechszackiger Stern, unten in Rot innerhalb einer goldenen portalähnlichen Umrahmung ein schwarzes lateinisches Kreuz, alles aus dem unteren Rand wachsend (persönliches Wappen der Äbtissin), Feld 4: in Gold ein roter Schrägrechtsbalken (Baden). Hinter dem Halbrundschild steht senkrecht ein goldener Äbtissinnen-Stab mit abflatterndem, silbernem Velum.

Die seit 2001 amtierende, aktuelle, aus Koblenz-Güls stammende Äbtissin Maria Bernardette Hein (25.9.1958-) führt folgendes Wappen (ohne Abb.): Geviert, Feld 1: in Gold ein roter Schrägrechtsbalken (Baden), Feld 2: in Schwarz ein silbern-rot in zwei Reihen geschachter Schrägrechtsbalken (Zisterzienser-Wappen), Feld 3: in Gold das rote Christusmonogramm XP (konstantinisches Kreuz, Pax Christi), der griechische Großbuchstabe Rho, der Schaft vom griechischen Großbuchstaben Chi überkreuzt, Feld 4: in Blau ein goldener Doppelhaken (eigentliches Abteiwappen von Lichtenthal). Hinter dem Halbrundschild steht senkrecht ein goldener Äbtissinnen-Stab.

Liste der Äbtissinnen der Abtei Lichtenthal (hervorgehoben die hier mit Wappen vertretenen Äbtissinnen):

Literatur, Links und Quellen:
Selle, Adelgundis, in: Biographia Cisterciensis (Cistercian Biography), Version vom 28.6.2011, URL: http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Selle,_Adelgundis
Äbtissinnen in Lichtenthal:
http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Lichtenthal/%C3%84btissinnenliste
Abtei Lichtenthal:
http://www.schule-bw.de/unterricht/faecheruebergreifende_them....grundinfo.htm
Abtei Lichtenthal:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Lichtenthal
Abtei Lichtenthal:
http://www.kloester-bw.de/kloster1.php?nr=247 - Geschichte: http://www.kloester-bw.de/klostertexte.php...ma=Geschichte
Freundeskreis der Abtei Lichtenthal:
http://www.freundeskreis-klosterlichtenthal.de/startseite
Wappen von Maria Bernardette Hein:
http://www.offenburg-zell-weierbach.de/schulmuseum/galerie/bilder/1265717166appen.jpg
Benedikt Bauer, Das Frauenkloster Lichtenthal: Geschichte, Kirchen und Altertümer, Baden-Baden, Weber 1896, 341 S., online in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe
http://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/content/titleinfo/1031431 download http://digital.blb-karlsruhe.de/download/pdf/1031431?name=Das%20Frauenkloster%20Lichtenthal (danach die Amtszeiten der Äbtissinnen)
Abtei Lichtenthal:
http://www.orden-online.de/wissen/l/lichtenthal/
Abtei Lichtenthal:
http://www.abtei-lichtenthal.de - Geschichte des Klosters Lichtenthal im Überblick - Die Klosterkirche: Geschichte und Kunst - Die Fürstenkapelle: die Grablege der Markgrafen von Baden - Lichtenthal und die Säkularisation
Adelgundis Selle: Konradsblatt Nr. 6 vom 10.2.2008.
Abtei Lichtenthal Baden-Baden, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg, 2. Auflage 2009, ISBN 978-3-89870-261-4
Harald Siebenmorgen, Faszination eines Klosters - 750 Jahre Zisterzienserinnenabtei Lichtenthal, Thorbecke Verlag 1999

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