Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1901
Trier - in der ältesten Stadt Deutschlands

Trier: St. Paulin, Innenraum

Waren schon am Äußeren von St. Paulin die heraldischen Spuren des Trierer Fürstbischofs Franz Georg von Schönborn allgegenwärtig, so wird das Innere geradezu von ihnen dominiert. Viermal taucht das fürstbischöfliche Wappen auf, über dem Orgelgehäuse, über dem Hochaltar, über dem südlichen Teil des Chorgestühls und an der Decke am Chorscheitel. St. Paulin war zwar ein Stift, doch es war die "erste und älteste Stiftskirche des Erzbistums nächst dem Domkapitel" und stand wegen dieser Rolle dem Fürstbischof besonders nahe. St. Paulin hatte nie eine kirchenrechtliche Exemtion von der bischöflichen Gewalt beansprucht wie andere Stifte, sondern war immer eine bischöfliche Kirche. Das Ausmaß der Selbständigkeit war im Laufe der Geschichte unterschiedlich. Im Mittelalter war die Selbständigkeit wesentlich größer als im Barock, als der Fürstbischof sein Eingriffsrecht in innere Angelegenheiten der stiftlichen Selbstverwaltung als absolutistisches Regiment interpretierte und eine sehr enge Anbindung pflegte. Auch personell war das Stift St. Paulin auf das Engste vom Fürstbischof abhängig, denn seit 1450 hatten die Fürstbischöfe das Recht auf Ernennung des Propstes, auch wenn das meist vom Papst vorgenommen wurde, und auch die Dekanswahl mußte vom Fürstbischof bestätigt werden, und als Mitglied der Landstände mußte dem Fürstbischof ein entsprechender Treueid geleistet werden. Theoretisch hatten die Fürstbischöfe wenig Einfluß auf die Vergabe der Kanonikate in St. Paulin, praktisch aber besetzten sie im 18. Jh. mehr als ein Drittel aller Kanonikate, sei es durch Übertragung kaiserlicher Rechte, sei es durch stellvertretende Wahrnehmung päpstlicher Besetzungsrechte. Diese engste Verbindung zwischen dem an sich eigenständigen Stift und dem Fürstbischof wird durch die allgegenwärtige Präsenz der fürstbischöflichen Insignien im Inneren unterstrichen. Dazu hat Franz Georg von Schönborn, der seit 1730 auch noch Stiftspropst von St. Paulin war, die Baukosten der Kirche, für die 1734 der Grundstein gelegt wurde, so gut wie gänzlich aus eigenen Mitteln bezahlt, so daß die heraldische Apotheose des Spenders vollends begreifbar wird. Die Fertigstellung der neuen Kirche, für die 1674 der romanische Vorgängerbau gesprengt wurde, erlebte Franz Georg von Schönborn jedoch nicht mehr, denn er starb 1756, aber die Weihe der Kirche zu Ehren Marias, Paulinus' und der Trierer Märtyrer fand 1757 statt. Die eigentliche Vollendung des Innenausbaus fand erst 1775 mit der Fertigstellung des Chorgitters statt.

 

Abb. oben: Dieses fürstbischöfliche Wappen befindet sich im Chorbereich auf der Südseite über dem Chorgestühl. Das ganze Chorgestühl wurde nach Entwürfen von Balthasar Neumann (27.1.1687-19.8.1753) von Adam Ferdinand Tietz (1708-17.6.1777) ausgeführt.

 

Gegenüber auf der Nordseite des Chorgestühls befindet sich ein ähnlich gestalteter Aufbau, nur befinden sich in dieser Rocaille-Kartusche keine heraldischen Inhalte, sondern das verschlungene, spiegelbildlich verdoppelte Monogramm von Kurfürst Franz Georg von Schönborn (Abb. oben links). Gleichwohl wird die Kartusche von fürstbischöflichen Insignien begleitet, obendrüber ist der Kurhut unter besonders großmaßstäblicher Hervorhebung des Reichsapfels, und auf dem kissenförmigen Hut knien zwei Engel, die die bischöfliche Inful emporhalten (Abb. oben rechts). Schrägrechts hinter der Monogrammkartusche sehen wir den Krummstab, schräglinks das Schwert. Ein zweites Bauherrenmonogramm kann man oben in der Mitte des Chorgitters sehen (ohne Abb.).

Eine weitere großartige Wappendarstellung ist über dem Hochaltar, der neben den Figuren für Maria in der Mitte und Paulinus und Felix an den Seiten auch die fürstbischöflichen Namenspatrone Franz und Georg außen zeigt, am östlichen Chorabschluß der Kirche zu sehen (Abb. oben und unten). Die vier freischwingenden Schnitzwerk-Bögen des Baldachins laufen übrigens oben unter einem weiteren Kurhut zusammen. Der Hochaltar wurde 1745 von Balthasar Neumann entworfen, aber erst 1755-60 von Ferdinand Tietz ausgeführt, dem kurtrierischen Hofbildhauer.

Die insgesamt vier im Innenraum befindlichen, gemalten, stukkierten oder geschnitzten Wappen folgen in ihrem Aufbau und ihren Inhalten dem Wappen außen über dem Hauptportal und sind in drei Ebenen aufgebaut.

Der Herzschild enthält das eigentliche Familienwappen des Fürstbischofs, sein Stammwappen:

Der Mittelschild enthält sämtliche geistlichen Ämter des Kurfürsten in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit und Relevanz für das Reich:

 

Die unterste und großflächigste Ebene, der Hauptschild mit den meisten Feldern, enthält alle sonstigen Komponenten des vermehrten Familienwappens und hat nichts mehr mit den geistlichen Ämtern des Fürstbischofs zu tun. Alle diese Felder sind Komponenten des reichsgräflichen Wappens der von Schönborn. Im einzelnen sind das:

Die dritte Wappendarstellung bildet das westliche Gegenstück zur zuvor gezeigten; sie befindet sich hoch über der am westlichen Ende angebrachten Orgel. Die Rocaille-Kartusche wird hier zusätzlich von zwei vergoldeten, gekrönten, doppelschwänzigen, widersehenden Löwen gehalten, den Gräflich-Schönbornschen Schildhaltern, die hier mit ihren Hinterbeinen einen Balanceakt auf den einzelnen Elementen des mehrfach gesprengten Gebälks des Orgelgehäuses vollführen. Rechts und links ruhen noch zwei Engel mit Blechblasinstrument. Das Orgelgehäuse wurde nach Plänen von Johann Seiz (10.7.1717-23.11.1779) unter Verwendung von Angaben Balthasar Neumanns ausgeführt, und die Orgel selbst wurde 1753-56 gebaut; sie ist ein Werk des aus französischer Familie stammenden Orgelbauers Romanus Benedikt Nollet (12.2.1710-13.3.1779).

Das vierte Wappen von Kurfürst Franz Georg von Schönborn im Innenraum ist ein von einer Stuckeinfassung gerahmtes Deckengemälde am Chorscheitel (Abb. unten). Rechts neben dem Krummstab befindet sich die Inschrift "C. T. SCHEFFLER AUGUSTANUS INVEN. ET PINXIT ANNO 1743" - Christoph Thomas Scheffler (20.12.1699-25.1.1756) aus Augsburg hat es erfunden und gemalt im Jahr 1743. Er ist der Gestalter des ikonographischen Programms der Deckengemälde und der ausführende Künstler. Im Hauptschiff ist das beherrschende Thema des Deckengemäldes das Martyrium der Soldaten der Thebäischen Legion und der Trierer Christen. Über dem Choraufgang ist das erste Bild des Zyklus, in dem die Bekenner einen Treueid leisten. Ist es Zufall oder Absicht, daß in nächster Nähe das Wappen des Landesherrn ist? Direkt über dem fürstbischöflichen Wappen steht: "IN OMNI ENIM CORDE IURAVERUNT - Lib: 2: Paralipone C: 15. V: 15" - Mit ganzem Herzen haben sie den Eid geschworen. Mit diesem Eid haben sich die Soldaten der Thebäischen Legion verpflichtet, und mit diesem Eid bekennen sich die Trierer zu Christus und sind ein Vorbild für die Beziehung zwischen Volk und geistlichem Landesherrn. Das Wappen an dieser Stelle hat zudem eine wichtige bauliche Funktion: Es verdeckt einen eigentlich etwas unschönen Übergang vom Hauptschiff zum etwas niedrigeren Chor. Aus der Not einer Stufe wird die Tugend einer so üppigen und verschwenderischen Stuck-Komposition geboren, daß das Auge gnädig über den Versatz hinwegsieht.

Das Wappen ist eine ganz besondere Darstellung, weniger wegen der gemalten und wegen der anspruchsvollen Form der äußeren Einfassung stark deformierten Felder des Schildes, sondern wegen des einzigartigen Auftretens einer vollständigen Helmgalerie über demselben. Das Wappen des Kurfürsten Franz Georg von Schönborn wird hier mit allen elf zugehörigen Helmen widergegeben! Der innerste, mittlere Helm gehört dabei zum Herzschild und zeigt das Stammkleinod der Familie. Die nächsten vier Helme, also die beiden inneren je rechts und links vom zentralen Helm, gehören thematisch zum Mittelschild und zeigen die Kleinode der kirchlichen Ämter. Und die verbleibenden sechs Helme, je die drei äußeren, stehen für sechs von acht Feldern des Hauptschildes und gehören zum vermehrten Familienwappen, wobei nur die beiden Felder mit Gnadenwappen, das sind der Reichsadler und das österreichische Wappen, ganz oben und ganz unten in der Mittelachse, unberücksichtigt bleiben. Während die Malereien von Scheffler sind, wurden die Stuckarbeiten wahrscheinlich von Ignaz Finsterwalder angefertigt; die beiden arbeiteten auch in anderen Kirchen zusammen, und die perfekten Übergänge verraten ein eingespieltes Team.

Über dem kurfürstlichen Wappen ist der Kurhut, hermelingefüttert und mit perlenbesetzten Bügeln, oben mit einer Miniaturdarstellung des Reichsapfels besetzt, und aus diesem Hut fällt ein hermelingefüttertes Tuch, das den Übergang zur Helmgalerie schafft, eine ungewöhnliche Darstellung, denn normalerweise werden entweder die Helme oder der Kurhut verwendet, außer das Wappen wird insgesamt von einem Wappenzelt oder Wappenmantel eingefaßt. Hier ist ein gestalterischer Spagat gewagt worden, der sowohl die Helme als auch den Kurhut verwendet, das hermelingefütterte Tuch aber nur als Füllung für die Leerfläche dazwischen verwendet. Schrägrechts hinter den Stuck-Elementen sehen wir das Schwert, schräglinks den Krummstab, und seitlich sind zwei widersehende Löwen mit jeweils einer Standarte zu sehen.

Literatur, Links und Quellen:
Franz-Josef Heyen, das Stift St. Paulin vor Trier, Germania sacra, Neue Folge Band 6, die Bistümer der Kirchenprovinz Trier, das Erzbistum Trier 1, Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin, New York, 1972, online: http://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0003-16E0-9 - http://hdl.handle.net/11858/00-001S-0000-0003-16E0-9 - download: http://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858/00-001S-0000-0003-16E0-9/NF%206%20Heyen%20St.%20Paulin.pdf
Jens Baumeister, Basilika St. Paulin in Trier, ein barockes Gesamtkunstwerk, Baumeister & Baumeister Medien Verlag Trier, 1. Auflage 2000.
Veröffentlichung der Photos aus dem Innenraum mit freundlicher Erlaubnis von Pfarrer J. Waldorf vom 13.3.2013, wofür ihm hier ganz herzlich gedankt sei.
St. Paulin:
http://de.wikipedia.org/wiki/St._Paulin
Franz Georg von Schönborn: Constantin von Wurzbach, Franz Georg Graf Schönborn, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Band 31. Verlag L. C. Zamarski, Wien 1876, S. 135, online:
http://de.wikisource.org/wiki/BLK%C3%96:Sch%C3%B6nborn,_Franz_Georg_Graf
Franz Georg von Schönborn: Leopold von Eltester, Franz Georg, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 7, Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 308-310, online:
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Franz_Georg
Ausstellungskatalog "Die Grafen von Schönborn. Kirchenfürsten, Sammler, Mäzene", Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1989

Die Entwicklung des Wappens der von Schönborn

Die Wappen der Fürstbischöfe von Worms - Teil (1) - Teil (2)
Die Wappen der Fürstbischöfe und Bischöfe von Trier - Teil (1) - Teil (2)

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