Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1954
Bassenheim (Landkreis Mayen-Koblenz)

Das Pfarrhaus in Bassenheim

Gegenüber dem Bassenheimer Schloßpark befindet sich das alte administrative Zentrum rings um den Walpot-Platz. Hinter einer gewaltigen alten Platane steht zwischen Kirche und Rentamt das barocke Pfarrhaus (Walpot-Platz 11), ein zweistöckiger, achtachsiger Mansarddachbau, bei dem die Tür asymmetrisch in der 5. Achse von links zu liegen kommt. An der 5-achsigen Schmalseite zur Kirche hin sind etliche Fenster vermauert. Das bis 1784 fertiggestellte Gebäude ist rechts und links des Oberlichts über der Tür mit 1781 und 1912 bezeichnet, letzteres das Jahr einer Erweiterung des Hauses.

Der heraldische Schmuck ist eine barocke Wappenkartusche über der Tür. Sie paßt zeitlich nicht zum Gebäude, sondern ist eine dort eingemauerte Spolie von einem älteren, nicht mehr existierenden Gebäude. Das Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: zwölffach rot-silbern geständert (Waldbott von Bassenheim), Feld 2 und 3: fünfmal rot-silbern schräggeteilt, darüber ein dreilätziger Turnierkragen (von Reiffenberg). Der Turnierkragen wird in der Literatur (Siebmacher Band: NaA Seite: 9 Tafel: 12, Gruber, Zobel Tafel 268) als blau angegeben. Die genealogische Basis für diese Wappenkombination ist die Ehe zwischen Johann Lothar Freiherr Waldbott von Bassenheim (-21.2.1667), Herr zu Bassenheim und Pyrmont, kurmainzischer und kurkölnischer Geheimrat, Amtmann zu Lahnstein und Andernach, und seiner ersten Frau Johanna Walpurga von Reiffenberg (-3.2.1651), Tochter von Johann Heinrich Freiherr v. Reiffenberg (-4.3.1628) und dessen Frau Anna v. Cronberg (-24.1.1651). Genau über diese Ehe kam Reiffenberg nach Erlöschen des gleichnamigen Geschlechts an die Waldbott von Bassenheim, wenn auch erst nach zähem juristischem Ringen.

Das kam so: Schlüsselfigur ist Philipp Ludwig Freiherr von Reiffenberg (ca. 1615-23.3.1686), der Bruder der oben genannten Ehefrau Johanna Walpurga von Reiffenberg (-3.2.1651). Dieser schlug eine geistliche Laufbahn ein und sammelte Pfründen: Er wurde 1635 Domherr zu Trier, 1637 Kanoniker zu Mainz, 1642 Domherr zu Mainz, auch Domherr zu Halberstadt. 1642-1644 war er Kanoniker zu St. Viktor bei Mainz, 1645-1668 Propst zu St. Mariengreden in Mainz, 1647-1649 Dompropst zu Trier und schließlich 1649 unter Philipp Christoph von Sötern Coadjutor (was aber später zurückgenommen wurde). Nachdem sich diese Hoffnung zerschlagen hatte, verlegte er sich mehr auf Mainz. Er wurde 1663 Mainzer Stadtkämmerer und 1665-1667 erster kurmainzischer Statthalter in Erfurt und 1666 Rektor der Erfurter Universität. In Philipp Ludwigs Leben gab es nun eine jähe Kehrtwendung, denn er wurde 1667 wegen Mißwirtschaft und wegen Verrats abgesetzt und 1667-1673 und 1676-1686 unter dem Vorwand geistlicher Verbrechen eingekerkert und starb schließlich nach langer Haft im Gefängnis auf Burg Königstein im Taunus. Er hatte es aus Sicht des Kurfürsten wohlverdient, denn er hinterging nicht nur seinen Dienstherrn, den Erzbischof Johann Philipp von Schönborn, viele Male, sondern brachte ihn sogar hinter Gitter und plante seine Ermordung, was jedoch rechtzeitig entdeckt wurde (hier wird er von der heimatkundlichen Literatur wohl zu sehr als Opfer gesehen). Da Philipp Ludwig seine Brüder und die Wirren des 30jährigen Krieges überlebt hatte, war er der letzte Reiffenberger. Weil er selbst ohne Nachkommen war, wurde seine Schwester die Erbin des Reiffenbergschen Besitzes. Also hatten die Waldbott von Bassenheim Anspruch darauf. Doch so einfach war es nicht, denn es gab einen Öffnungsvertrag aus dem Jahr 1443, auf den sich Kurmainz nun stützte und selber die Herrschaft Reiffenberg beanspruchte. Und hier ist der Punkt, wo Kurmainz doch nicht so ganz unschuldig war: Weil abzusehen war, daß die Nachfolgefrage in der Herrschaft Reiffenberg Probleme bereiten würde, ließ der Mainzer Kurfürst Reiffenberg einfach besetzen und schuf Tatsachen. Und das war letztlich auch ein Grund für das tiefe Zerwürfnis zwischen Philipp Ludwig einerseits und Johann Philipp von Schönborn und später Damian Harthard von der Leyen andererseits. Die Vorwürfe gegen den Kleriker waren jedenfalls geeignet, einen Widersacher zum eigenen territorialen und materiellen Nutzen auszuschalten. Und daß Philipp Ludwig den Papst entgegen seiner Zusage doch für seine Sache einspann, vernichtete ihn. Nach dem Tod Philipp Ludwigs folgten langwierige Gerichtsprozesse zwischen den Waldbott von Bassenheim als Erben und Kurmainz als Anspruchsgegner, und erst mehr als 30 Jahre später siegten die Waldbott juristisch über Kurmainz und bekamen ihr Erbe. In Oberreifenberg wurde ein Bassenheimer Palais errichtet.

Literatur, Links und Quellen:
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der 'landeskundlichen Vierteljahresblätter'
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Ortsgeschichte: http://www.osteifel-aktiv.de/40839/60601.html
Bassenheim:
http://www.bassenheim.de/
Chronik:
http://www.bassenheim.de/index.php/gemeinde/chronik?showall=1&limitstart=
Stadtrundgang:
http://www.bassenheim.de/images/files/virtueller_rundgang_bas.pdf
Bernhard Gondorf, Bassenheim bei Koblenz, Rheinische Kunststätten Heft 296, 1. Auflage 1984, ISBN 3-88094-477-6, S. 14
Reiffenberg:
http://www.philipp-ludwigs-erben.de/
Philipp Ludwig von Reiffenberg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Ludwig_von_Reiffenberg
Beatrice Träger, der letzte Ritter von Reiffenberg, in: Ingrid Berg (Hrsg.), Heimat Hochtaunus, Frankfurt 1988, ISBN 3-7829-0375-7, S. 95-98
Chronik von Reiffenberg:
http://www.reifenberg.de/chron_90.html
von Reiffenberg:
http://www.bendorf-geschichte.de/bdf-0098.htm
von Reiffenberg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Reifenberg_%28Adelsgeschlecht%29
Grafen von Bassenheim:
http://www.bassenheim.de/index.php/gemeinde/geschichte/93-die-grafen-von-bassenheim
Waldbott von Bassenheim:
http://de.wikipedia.org/wiki/Waldbott_von_Bassenheim
Territorialgeschichte: Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Paul Clemen, die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 16, Abt. 3, die Kunstdenkmäler des Kreises Koblenz, 1944, S. 64-80

Marienkapelle auf dem Karmelenberg

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