Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2082
Weikersheim (Main-Tauber-Kreis)

Der Treppenturm im Schloß

Die aufwendigste Wappendarstellung in Schloß Weikersheim befindet sich an der Decke des Treppenturmes, der sich hofseitig im Eck zwischen dem Saalbau im Süden und dem spitz angesetzten Küchenbau im Westen befindet, diagonal gegenüber dem markanteren und höheren Turm, dem Bergfried. Der Treppenturm ist zwar äußerlich der unauffälligere von beiden Türmen, dafür belohnt er den Besucher innendrin mit einer der opulentesten Wappendarstellungen der Renaissance an der kreisrunden Decke. Der angrenzende Westflügel des Schlosses ist nur kurz, weil er nie vollendet wurde. Die Treppe führt vom Innenhof in die Wohngeschosse der beiden oberen Etagen. Dieses Allianzwappen ist ein Werk von Gerhard Schmidt aus dem Jahr 1598. Der gleiche Künstler schuf übrigens auch die Stukkaturen im Korridor sowie in den angrenzenden Zimmern im Obergeschoß des Küchenbaus und das Portal zur Herrschaftsloge in der Kapelle.

Vom Typus her handelt es sich um ein zusammengeschobenes Allianzwappen, in dem die Einzelmotive in einem gespaltenen Schild vereinigt werden, heraldisch rechts die Inhalte des Ehemannes, heraldisch links die der Ehefrau, und die von beiden Partnern mitgebrachten Helme werden gleichmäßig auf dem oberen Rand des Vereinigungsschildes aufgereiht. Dabei werden zwar die fünf Helme in gleichen Abständen gesetzt, was dazu führt, daß der mittlere der fünf Helme genau auf der Spaltlinie des Ehewappens sitzt, aber dennoch wird die Individualität der beiden Helmgruppen nicht aufgelöst. Sie bleiben eine Zweier- und eine Dreiergruppe, was man an der Zuwendung der Helme innerhalb jeder Gruppe und an der Ausrichtung der Helmkleinode aufeinander sieht. Am augenfälligsten wird das bei dem mittleren Helm unter der Jahreszahl 1598: Würde er als mittlerer Helm einer Fünfergruppe empfunden werden, stünde er gerade und wäre als offener Flug dargestellt. Tatsächlich aber steht er leicht nach heraldisch links eingedreht, und der Flug ist geschlossen, stellt also den Blick auf seine heraldisch rechte Außenseite dar. Damit wird ganz klar die Individualität jeder Oberwappengruppe jedes Ehepartners bewahrt, auch wenn die Inhalte im Schild vereinigt werden.

Bei dem Paar handelt es sich um den Bauherrn Wolfgang Graf von Hohenlohe-Weikersheim (14.6.1546-28.3.1610) und seine Ehefrau Magdalena von Nassau (15.12.1547-16.5.1633). Von den acht Feldern gehören die vier heraldisch rechten, optisch links der Mittellinie, zu Graf Wolfgang, sein Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber einwärts zwei rotgezungte, schwarze Leoparden (schreitende, hersehende Löwen) für die Grafschaft Hohenlohe, Feld 2 und 3: geteilt, oben in Schwarz ein einwärts schreitender goldener Löwe, rot gezungt, golden gekrönt, unten golden-schwarz gerautet, für die Herrschaft Langenburg.

Von den acht Feldern gehören die anderen vier, die vier heraldisch linken, optisch rechts der Mittellinie, zu Gräfin Magdalena von Nassau (15.12.1547-16.5.1633), ihr Wappen ist geviert, Feld 1: in blauem und mit goldenen aufrechten Schindeln bestreutem Feld ein goldener Löwe, rot gezungt und golden gekrönt, Grafschaft Nassau, Feld 2: in Gold ein roter, eigentlich hersehender Löwe, eigentlich blau bewehrt und blau gekrönt, Grafschaft Katzenelnbogen, Feld 3: in Rot ein silberner Balken, Grafschaft Vianden, Feld 4: in Rot zwei goldene, blau bewehrte, hersehende, schreitende Löwen übereinander, Grafschaft Diez.

Die Form des Schildes ist insofern bemerkenswert, als sich ein stilistischer Übergang abzeichnet. Der Außenumriß eines tatsächlich als Abwehrwaffe benutzbaren Schildes wurde im Laufe der Renaissance immer weiter ornamental aufgelöst, bis sich eine nicht mehr realistisch nutzbare Form entwickelte. Hier sieht man die Auflösungstendenzen des Umrisses ganz deutlich: Der obere Rand ist ornamental abgetreppt und an vier Stellen schneckenförmig eingerollt, an den Seitenrändern wiederholt sich die Einrollung, der untere Rand ist mehrfach gezipfelt und ebenfalls an zwei Stellen eingerollt. Wenn man die unteren beiden äußeren Felder betrachtet, erkennt man die Grenzwertigkeit dieser Verwandlung eines Schildes zum Ornament: Hier fällt aufgrund des abgesetzten Zipfels die Hälfte der Langenburger Rauten weg, ebenfalls hat der untere Diezer Löwe nur die Hälfte des Platzes im Vergleich zum oberen. Doch der Drang zum Ornament ist stärker als die Klarheit der Inhalte, und dieses stilistische Dilemma wurde zukünftig gelöst, indem ein innerer Rand zusätzlich eingeführt wurde, der die heraldischen Inhalte einrahmte, während der äußere Rand sich dem Ornament hingibt - so wurde die Kartusche geboren, und hier sehen wir das Ringen des heraldischen und des ornamentalen Konzeptes miteinander, sozusagen im letzten Moment vor der Auftrennung in zwei verschiedene Umrißlinien und der Wandlung zur Kartusche.

       

Die drei Detailausschnitte stehen für die Vielzahl der Löwen in dieser Komposition. Im Schild haben wir allein zehn Löwen, im Oberwappen kommen noch einmal sieben Löwen hinzu (davon zwei verdeckt). Von diesen insgesamt siebzehn Löwen der Gesamtkomposition sind aber nur fünf verschiedene Typen vorhanden, die sich durch ihre exakte Stellung, ihre Anzahl im Feld und ihre Tinkturen unterscheiden. Die Vermehrung erfolgt durch das beliebte Quadrieren einerseits und die Zitierung des Schildmotivs in den Helmkleinoden andererseits. In der Abb. links sieht man den langenburgischen Löwen, golden auf schwarzem Feld, der im Jahre 1558 zu den hohenlohischen Löwen hinzugenommen wurde, in der mittigen Abb. sieht man den nassauischen Löwen, der das Stammwappen der Nassauer bildet. Hier gibt es aber eine kleine Unregelmäßigkeit, denn in der Ottonischen Linie ist der nassauische Löwe normalerweise ungekrönt, während die Walramsche Linie die Krone des Löwen ab dem 15. Jh. benutzt. Die Abbildung rechts zeigt den katzenelnbogischen Löwen, auch hier mit einer kleinen Unregelmäßigkeit, denn er wird normalerweise hersehend dargestellt und blaugekrönt. Das Recht, diesen Löwen zu führen, erwarben die Grafen von Nassau im Jahre 1479.

Die besondere Üppigkeit dieser Wappendarstellung wird durch einen riesigen Kranz aus Fruchtgebinden erreicht, der um das gesamte Wappen herumgelegt wird. Man erkennt Äpfel, Trauben in verschiedenen Farben, Artischocken, Granatäpfel, Feigen, Kürbisse etc., die einen verschwenderisch üppigen, kreisförmigen Rahmen um das Wappen legen. In der äußeren Zone rings um dieses Fruchtgebinde befindet sich feinere, zurückhaltendere Ornamentik aus Renaissance-Elementen, die zum Rand der Decke überleiten, wobei immer abwechselnd bis zum Fruchtkranz durchgehende Beschlagwerk-Elemente und vom Rand ausgehende, spitz und frei endende Elemente mit schneckenförmig eingerollten Seiten eingesetzt werden, von jeder Sorte acht.

Die durch ihre jeweilige Perspektive in zwei Gruppen aufgeteilten Helme wurden bereits eingangs diskutiert. Die Zuordnung im Detail weist die beiden optisch linken Helme Wolfgang Graf von Hohenlohe-Weikersheim (14.6.1546-28.3.1610) zu und die drei optisch rechten Helme seiner Ehefrau Magdalena von Nassau (15.12.1547-16.5.1633). Die Kleinode sind korrekt dargestellt und tingiert, aber bei den Helmdecken wurden die Farben eher schmückend als heraldisch korrekt verteilt.

Wolfgang Graf von Hohenlohe-Weikersheim (14.6.1546-28.3.1610) führt zwei Helme, Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein silberner Phönix mit roten Schwungfedern, sich erhebend, Stammkleinod Hohenlohe, Helm 2 (links): auf dem gekrönten Helm mit eigentlich schwarz-goldenen Decken ein wachsender goldener Löwe, golden gekrönt, rot gezungt, zwischen zwei schwarzen Büffelhörnern, Herrschaft Langenburg.

Magdalena von Nassau (15.12.1547-16.5.1633) führt drei Helme, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit eigentlich rot-goldenen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer goldenen, mit einem roten Löwen belegten Scheibe, Grafschaft Katzenelnbogen, Helm 2 (rechts): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein schwarzer Flug, belegt mit einem Rahmen, dazwischen Blättchen, Grafen von Nassau in der ottonischen Linie, Helm 3: auf dem Helm mit eigentlich rot-goldenen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer roten, mit zwei goldenen Löwen übereinander belegten Scheibe, Grafschaft Diez. Hier ist hervorhebenswert, daß sich der eigentliche Stammhelm nicht in Position 1, also an der höchstrangigen Stelle in der Mitte, befindet, sondern rechts außen in Position 2. Zugleich ist diese Nassauer Helmzier das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Linien: Die Walramsche Linie hat den goldenen, rot bewehrten und ebenso gezungten Löwe sitzend zwischen zwei mit den goldenen Schindeln bestreuten blauen Büffelhörnern, ganz wie im Schild, aber die Ottonische Linie, der Magdalena angehört, führt den schwarzen Flug, belegt mit einem silbernen, gebogenen Schrägrahmen, der mit Blättchen belegt ist, wobei die exakte Form variieren kann, hier sind es silberne, gestielte Kleeblättchen, es können aber auch goldene oder silberne Lindenblättchen sein, hier wurden im Lauf der Geschichte viele Varianten geschaffen.

Angesichts dieses Prachtwappens geht fast unter, daß sich auf dem obersten Absatz der Wendeltreppe noch ein weiteres Wappen befindet: Den oberen Abschluß der Mittelspindel bildet ein römischer Soldat, der mit der Linken einen auf dem Boden aufgestützten Wappenschild mit dem hohenlohischen, quadrierten Wappen wie zuvor beschrieben hält.

 

Insgesamt beleuchtet diese üppige und repräsentative Ausgestaltung des obersten Treppenturmgeschosses die Rolle des Wendeltreppenturmes im Konzept der deutschen Schloßarchitektur. Während die gerade, italienische Treppe erst im Barock als Repräsentationselement der Schloßarchitektur so richtig entdeckt wurde, war in der Renaissance die Wendeltreppe das Maß aller Repräsentation im deutschen Schloßbau, sowohl durch ihre äußerlich exponierte Lage im Komplex, als auch durch die Nutzung der Turmform als Zeichen von Wehrhaftigkeit, Herrschaft und Autorität als auch durch die Gestaltungsmöglichkeiten im Innern, insbesondere im anspruchsvoll gestalteten obersten Turmraum. So entstanden die aufwendigsten Wendelsteine des deutschen Schloßbaus in dieser Zeit, z. B. in Meißen, Torgau, Berlin (Renaissancebau) etc. Das Herrschaftszeichen des alten Schloßturmes wird hier als Zeichen für Autorität und Legitimation benutzt und durch die aufwendige Ausführung im Innern zur Repräsentation benutzt, und in Weikersheim wird das durch den schräg gegenüberstehenden, wirklichen alten Schloßturm aus der Gründungszeit des Schlosses im Gegensatz besonders augenfällig. Zugleich werden die Breite der Treppe und die aufwendige Konstruktion der Mittelspindel zur Inszenierung von Luxus, der gestalterisch in dieser Decke seinen Abschluß findet. Ihren Höhepunkt feierten diese repräsentativen Treppentürme andernorts durch ihre Öffnung der Außenwände zu einem filigranen Kunstwerk.

Literatur, Links und Quellen:
Schloß Weikersheim in Renaissance und Barock, Geschichte und Geschichten einer Residenz in Hohenlohe, Staatsanzeiger Verlag (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg, Mai 2006, ISBN 3-929981-58-0, S. 3-14
Schloß:
http://www.schloss-weikersheim.de/ - http://www.schloss-weikersheim.de/schloss/verborgene-schaetze/wappen-im-treppenturm/
Carla Fandrey, Schloß Weikersheim, Führer Staatliche Schlösser und Gärten, Deutscher Kunstverlag Berlin München, 2010, ISBN 978-3-422-02239-3, S. 59-60
Gradmann, Wilhelm: Burgen und Schlösser in Hohenlohe, DRW-Verlag /KNO, 1982
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 566-567
Herrn Wolfgang Willig ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Veröffentlichung der Innenaufnahmen mit freundlicher Genehmigung von Frau Monika Menth vom 2.5.2014, wofür ihr an dieser Stelle herzlich gedankt sei
Matthias Müller, Artikel: Treppenturm, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe. Hrsg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel und Jörg Wettlaufer. Residenzenforschung 15 II, Teilbd. 1+2, Thorbecke Verlag, Ostfildern 2005, online http://resikom.adw-goettingen.gwdg.de/abfragestichworte.php?UBID=27

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