Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2214
Landeshauptstadt Mainz

Das Alte Zeughaus in Mainz

Das Alte Zeughaus (Deutschhausplatz 8) ist eine zweigeschossige Dreiflügelanlage auf hohem Sockel im Nordosten der Altstadt, in der Nähe zum Rhein und doch noch innerhalb der Stadtmauern, und bildet heute mit mehreren anderen Repräsentationsbauten ein Ensemble. Der Hof der weitläufigen Dreiflügelanlage mit hohen Satteldächern ist nach Nordosten offen, aber etwas abgesetzt erhebt sich dort der mächtige Querriegel des Neuen Zeughauses parallel zum Rhein. Früher verlief dort die Stadtmauer. Nach Norden hin schließt sich der Komplex des Deutschhauses an. Das 1603-1605 zur Lagerung von Kriegsgerät und Waffen an der Stelle der einstigen kurfürstlichen Schweinehaltung (daher der Gebäudename "Zum Sautanz") erbaute Alte Zeughaus wird im Südosten von der Zeughausgasse und im Westen und Nordwesten vom Deutschhausplatz begrenzt. Der Hauptflügel (Mittelflügel) besitzt hofseitig einen polygonalen Treppenturm mit welscher Haube und an seinen beiden Stirnseiten dreigeschossige, durch Gesimse unterteilte Schweifgiebel mit Rollwerk. Der Südostflügel ist breiter als der Nordwestflügel, deshalb scheint der Treppenturm nicht genau in der Mitte zu stehen.

Das Alte Zeughaus brannte 1723 und wurde danach erneuert. 1770 wurde hier die kurfürstliche Münze eingerichtet. Im Zweiten Weltkrieg brannte das Gebäude nach schweren Schäden durch Bombentreffer 1942 und am 27.2.1945 völlig aus. Der Nordwest- und der Südwestflügel wurden 1951-1952 wiederaufgebaut, der Südostflügel erst 1959-1960. Dabei wurde der Charakter erheblich verändert. Früher stand die Lagerfunktion im Vordergrund, es gab zum Hof hin vier über Rampen zugängliche Tore (Kanonentransport!) und wenige langrechteckige Fensterschlitze in den Außenfassaden. Man brauchte Platz für Kanonen unten und leichtere Waffen oben, und das Gebäude mußte stabil und wehrhaft sein.

Beim Wiederaufbau dachte man an die zukünftige Nutzung durch den Mainzer Landtag und entfernte überflüssige Tore, brach aber dafür größere Fenster in regelmäßiger Anordnung in die Außenwände, wobei man sich am bauzeitlichen Stil orientierte und Steinpfostenfenster wählte, die im Erdgeschoß höher als die im Obergeschoß. Deshalb hat das Zeughaus zwar nach wie vor den Charakter eines Renaissancegebäudes, wirkt jedoch wesentlich repräsentativer, wohnlicher, ja direkt schloßartiger als das Original aus kurfürstlicher Zeit. Der Hauptzugang liegt heute an der nordwestlichen Stirnseite. Dort ist ein prachtvolles Portal zu finden, das aber nicht authentisch ist. Nicht nur, daß die Positionierung dieses Haupteingangs nicht dem bauzeitlichen Konzept entsprochen hätte, sondern es handelt sich weiterhin um ein Neorenaissance-Portal aus dem Jahr 1907, das für die Wandelhalle der Anne-Frank-Schule gefertigt worden war und beim Wiederaufbau hier zweitverwendet wurde.

Deshalb ist das Alte Zeughaus einerseits einer der größten erhaltenen kurfürstlichen Nutz- und Profanbauten, und der älteste dazu, und es ist eines der bedeutendsten und größten Zeughäuser des frühen 17. Jh., einer wichtigen Festung angemessen dimensioniert. Andererseits ist die Struktur des Baues heute sehr stark verändert, und weder die Fenster noch das Hauptportal sind authentisch. In jedem Falle aber bildet es zusammen mit dem Neuen Zeughaus ein hochinteressantes Ensemble mit zwei ganz verschiedenen baulichen Lösungen für dieselbe Aufgabe aus verschiedenen Zeitepochen. Zuerst wurde das wiederaufgebaute Alte Zeughaus 1951-1978 vom Südwestfunk genutzt. Heute sind die Räume von Dienststellen des nahen rheinland-pfälzischen Landtages und der Staatskanzlei belegt.

 

Über dem Eingang zum hofseitigen Treppenturm befindet sich ein stark beschädigter, auf 1603 datierter Wappenstein des Mainzer Fürsterzbischofs Johann Adam von Bicken (reg. 1601-1604). Sein Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, achtspeichiges Rad für das Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: in Schwarz zwei silberne Balken, das Stammwappen der von Bicken. Dazu werden drei Helme geführt, Helm 1 (Mitte): auf einem roten Kissen mit goldenen Quasten eine Inful, für die Bischofswürde, Helm 2 (rechts): auf einem roten, hermelingestulpten Hut (Kurhut) ein aufrecht stehendes, silbernes, sechs- oder achtspeichiges Rad, welches hier aber abgeschlagen ist, Helmdecken rot-silbern, für das Erzstift Mainz, Helm 3 (links): zwei schwarze, mit zwei silbernen Balken belegte Büffelhörner, Helmdecken schwarz-silbern, das Stammkleinod von Bicken, welches ebenfalls beschädigt ist, so daß nur noch ein Horn unvollständig zu sehen ist.

 

Die von Bicken haben zwei Stämme, einen "roten Stamm" und einen "schwarzen Stamm". Der rote Stamm führt in Gold drei schrägrechts aneinandergereihte rote Rauten. Der schwarze Stamm führt in Schwarz zwei silberne Balken. Der Kurfürst Johann Adam von Bicken gehört zum schwarzen Stamm und war der Sohn von Philipp von Bicken aus der Hainichen-Linie, der Mainzer Rat, kurmainzischer Oberhofmarschall und Amtmann zu Steinheim war. Des Kurfürsten Mutter war Anna Brendel von Homburg. Das Wappenpaar seiner Eltern kann unweit am Naturhistorischen Museum in der Reichklarastraße am dorthin versetzten Erker des einstigen Bickenbaus betrachtet werden. Der Onkel mütterlicherseits dieses Fürstbischofs war übrigens im selben Amt, denn jener war Daniel Brendel von Homburg.

Der am 27.5.1564 auf Burg Hainichen im Siegerland geborene Johann Adam von Bicken wurde 1574 Domizellar in Mainz als Nachfolger von Johann von Dienheim und zwei Jahre später am 16.10. auch in Würzburg, nachdem Valentin Echter von Mespelbrunn durch seine Resignation eine Präbende freigemacht hatte. Er war beim Erhalt der Kanonikate 10 bzw. 12 Jahre alt. Bei der Vermittlung spielte auch sein Onkel auf dem Mainzer Bischofsstuhl eine Rolle. In Mainz wurde er 1585 Domherr und Mitglied des Kapitels. In Würzburg kam er 1587 ins Kapitel. Er studierte in Mainz, Würzburg, Pont-à-Mousson, Bourges, Toulon, Siena und Rom bis 1587. Während seine Karriere in Würzburg nicht voranging, konnte er in Mainz bessere Positionen erringen. 1590 wurde er unter dem vorherigen Fürstbischof an die Kanzlei gezogen. 1597/1598 war er als kurmainzischer Gesandter auf dem Reichstag in Regensburg. 1595 wurde er in Mainz Domscholaster, aber ohne zum Priester geweiht worden zu sein. In St. Alban war er Custos. Am 19.2.1601 bekam er die Propstei von St. Georg in Limburg. Am 15.5.1601 wurde er zum neuen Erzbischof gewählt. Seine kurze Amtszeit war von Gegenreformation und Hexenverfolgungen geprägt. Er verstarb am 11.1.1604 in Aschaffenburg, erst 39 Jahre alt. Das Alte Zeughaus war damals noch im Bau und wurde erst unter Kurfürst Johann Schweickard von Kronberg (reg. 1604-1626) fertiggestellt.

Literatur, Quellen und Links:
Werner Schäfke: Der Rhein von Mainz bis Köln, eine Reise durch das romantische Rheintal, DuMont Kunstreiseführer, DuMont Verlag, Köln 2006, ISBN 978-3-7701-4799-1
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Stadt Mainz, Band 2.2: Altstadt, bearb. von Ewald Wegner, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz 1988, Wernersche Verlagsgesellschaft Worms, 3. Auflage 1997, ISBN 3-88462-139-4, S. 160-162
Hinweistafel am Objekt
Stammliste der Herren von Bicken:
http://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_der_Herren_von_Bicken
Herren von Bicken:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bicken_(Adelsgeschlecht)
Genealogie: Johann Octavian Salver: Proben des hohen Teutschen Reichs Adels oder Sammlungen alter Denkmäler, S. 487
https://books.google.de/books?id=t9HmNH85BwIC
Anton Philipp Brück: Johann Adam von Bicken, in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 497
http://www.deutsche-biographie.de/ppn122479955.html
Johann Adam von Bicken:
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Adam_von_Bicken
Altes Zeughaus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Altes_Zeughaus_Mainz
Altes Zeughaus:
https://www.mainz.de/WGAPublisher/online/html/default/MKUZ-5SXJDU.DE.0
Altes Zeughaus:
http://www.regionalgeschichte.net/rheinhessen/mainz/kulturdenkmaeler/altes-zeughaus.html
Altes Zeughaus:
http://www.kuladig.de/Objektansicht.aspx?extid=O-119141-20150324-2
Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2014): Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler, Kreisfreie Stadt Mainz (Denkmalverzeichnis Mainz, 31. März 2014), S. 12.
http://www.denkmallisten.gdke-rlp.de/Mainz.pdf

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