Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2359
Erfurt (Landeshauptstadt)

Die ehemalige kurfürstliche Statthalterei (Thüringer Staatskanzlei)

Eines der repräsentativsten Barockgebäude aus kurmainzischer Zeit ist die ehemalige kurmainzische Statthalterei in der Regierungsstraße, welche 1709-1720 im Stil des fränkischen Barocks erbaut wurde. Baumeister war Maximilian von Welsch. Es handelt sich um eine gewaltige, bei näherem Hinsehen heterogene Vierflügelanlage. Die Front zur Regierungsstraße besteht aus zwei unterschiedlich gestalteten Seitenflügeln, die durch einen risalitähnlichen Mittelbau verbunden sind, in dem das Treppenhaus mit symmetrischen Stiegenverläufen liegt. Der linke Teil des Vorderflügels ist wie der Mittelbau im Stil des Barocks gehalten, der rechte Teil im Stil der Renaissance. Beide Flügel knicken an den Seiten rechtwinklig nach hinten ab, links entlang der Markgrafenstraße und rechts entlang der Meister-Eckehart-Straße. Die hintere Hälfte des Palaishofes wird von ehemaligen Wirtschaftsgebäuden aus dem 18. Jh. umstanden, die im 19. und 20. Jh. umgebaut wurden. Der ganze rückwärtige Querflügel (Nordflügel), in Mittelteil und Seitenteile gegliedert, enthielt früher die Remisen und Stallungen. Links angrenzend zur Markgrafenstraße hin war früher die ehemalige Brauerei, die aber 1725 abbrannte und durch einen anderen Bau ersetzt wurde. Rechts zur Meister-Eckehart-Straße hin war eine Orangerie geplant, die nicht vollendet wurde; heute steht hier ein Neubau aus dem Jahr 1994 (Küchenbau), im Nordosteck eine Hofzufahrt freilassend. Im Süden des Vierflügelhofes befindet sich der sog. Hirschgarten, heute eine Parkanlage, an deren nördlichen Ecken zwei einstöckige Kavaliershäuser stehen.

Mehrere ehemalige Patrizierhäuser, die Häuser "Zum Stolzen Knecht" (1540), "Zur Güldenen Flechte" und "Zum Güldenen Rost", wurden 1694 von Statthalter Johann Jakob Waldbott von Bassenheim (amtierte 1679-1697) aufgekauft, um einen hinreichend großen Platz für die Errichtung der zukünftigen Statthalterei zu haben. Bis dahin hatten die Vizedome und Statthalter von 1664 bis 1699 im Haus "Zur Himmelspforte" (Marktstraße 6) residiert. Zunächst begann man mit der Umgestaltung der östlichen Häuser: Statthalter Gottlieb Philipp Josef Faust von Stromberg (amtierte 1699-1702) ließ 1699 die renaissancezeitlichen Patrizierhäuser verschmelzen, zum heutigen Südostflügel umgestalten und in der Fassade vereinheitlichen. Der nächste Statthalter, Philipp Wilhelm Reichsgraf von Boineburg (amtierte 1702-1717), plante die Erweiterung der Statthalterei nach Westen und kaufte ab 1702 links angrenzende Gebäude bis zur Markgrafengasse auf. Er beauftragte des Baumeister Maximilian von Welsch (1671-1745) mit der Planung, die 1711 begannen und ab 1713 ausgeführt wurden. Bis 1722 entstand der barocke Südwestflügel, die sogenannte Neue Statthalterei, mit den Prunkräumen (Empfangszimmer, Audienzzimmer, Sitzungszimmer) und dem risalitartigen Mittelbau, der das Vestibül, die Treppenanlage und oben in der ersten Etage den Festsaal enthält. Der quadratische, sich über zwei Stockwerke erstreckende Festsaal besitzt eine Grundfläche von 205 Quadratmetern. Unter Statthalter Anselm Franz Ernst Freiherr von Warsberg (amtierte 1732-1760) entstand 1732-1740 der Hirschgarten, nachdem dort ein ganzes Häuserviertel aufgekauft und abgerissen worden war. Wo heute ein öffentlicher Park ist, war früher ein Rotwildgehege. In dieser Zeit entstanden die beiden Kavaliershäuser, die die Statthalterei noch schloßartiger wirken lassen. 1780 wurde der Hirschgarten zu einer Gartenanlage mit Bäumen und Statuen verändert.

 

Den Höhepunkt in der Statthalterei und überhaupt in der kurmainzischen Zeit Erfurts und zugleich Endpunkt einer Epoche stellt die Amtszeit des letzten kurmainzischen Statthalters dar, Karl Theodor Anton Maria Kämmerer von Worms genannt von Dalberg (1744-10.2.1817, amtierte 1771-1802). Er war ein typischer Vertreter des aufgeklärten Absolutismus, der sich mit seiner Einstellung zu einer bürgernahen, humanistischen, dem Wohl der Untertanen verpflichteten Herrschaft fernab jedes Standesdünkels rasch die Achtung der Erfurter Bürger erwarb. In seiner Amtszeit wurde die Statthalterei ein geistig-kultureller Mittelpunkt in Thüringen, insbesondere seit er ab 1786 die sogenannten Assembleen allwöchentlich dienstags von 17 Uhr bis 20 Uhr in den Repräsentationsräumen durchführte: Gebildete aller Schichten, Künstler, Politiker waren zu zwanglosen, anregenden Gesprächen, zum kulturellen Austausch und zur Unterhaltung willkommen. Einzige Teilnahmebedingung: "anständig gekleidet". Bedeutende Persönlichkeiten der Geistesgeschichte wie Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Christoph Martin Wieland, Johann Gottfried Herder, Wilhelm von Humboldt und andere Köpfe der Aufklärung verkehrten hier regelmäßig. Insbesondere Schiller hatte 1790-1802 ein besonders enges freundschaftliches Verhältnis zu Dalberg. Dalberg förderte intensiv alle kulturellen Bestrebungen in der Stadt, besonders die 1754 gegründete Akademie gemeinnütziger Wissenschaften, deren Mitglied Schiller 1791, Alexander von Humboldt 1791 und sein Bruder Wilhelm von Humboldt 1794 wurden. Dalberg war ferner der Freimaurerei zugetan; unter seiner Statthalterschaft wurde 1787 die Loge "Carl zu den 3 Rädern" in Erfurt gegründet, wobei der Name den Vornamen des Statthalters und das Mainzer Wappensymbol aufgreift.

 

In der zentralen Achse über dem Eingang ist das Wappen des bauzeitlichen Landesherrn angebracht, das des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn (regierte 1695-1729), auch wenn es farblich und inhaltlich nicht ganz korrekt wirkt (alle silbernen Partien sind geschwärzt, der Balken fehlt im Heppenheimer Feld, und die Farbe des Herzschildes ist im unteren Bereich erratisch). Lothar Franz von Schönborn, seit 1701 Reichsgraf, war in zwei Bistümern Fürstbischof, in Bamberg ab 1693 und in Mainz ab 1695. Der Hauptschild ist geteilt und zweimal gespalten, Feld 1 und 6: in Gold ein schwarzer Löwe, darüber eine silberne Schrägrechtsleiste, Hochstift Bamberg, Feld 2 und 5: in Rot ein silbernes sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 3: in Rot drei (2:1) silberne Schildchen, Herrschaft Reichelsberg, Feld 4: in Blau ein silberner Balken (fehlt hier), begleitet von 3 (2:1) silbernen Rauten, Herrschaft Heppenheim, Herzschild: in Rot auf drei silbernen Spitzen (hier nur die Kante abgesetzt) ein schreitender, gekrönter goldener Löwe, Stammwappen der Grafen von Schönborn. Über der Kartusche sieht man den Kurhut; Schwert sowie Krummstab sind hinter dem Schild gekreuzt. Das gleiche Wappen ist auch am Angermuseum zu sehen, dort in fast korrekten Tinkturen und mit Schildhaltern.

Über insgesamt drei Fenstern des ersten Obergeschosses befinden sich Kartuschen mit den spiegelsymmetrisch verschlungenen Initialen LF des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn in den kleinen Giebeln. Die Initialen sind so geschickt geformt und miteinander verschlungen, daß sie nicht nur von links nach rechts und von rechts nach links spiegelbildlich gelesen werden können, sondern auch in der Vertikalen bis auf die L-Schleifen fast spiegelsymmetrisch sind.

Erfurt und Mainz haben eine rund 1000jährige gemeinsame Geschichte. Erfurt hatte bis 1664 einen interessanten Status: Formal war die Stadt zwar dem Mainzer Fürsterzbischof untergeordnet, wurde aber an einer sehr langen Leine gehalten. Schon im frühen Mittelalter war Erfurt in kirchlicher Hinsicht dem Mainzer Bischof unterstellt worden. Der Missionar Bonifatius bekehrte die Thüringer zum Christentum und bat 742 den Papst um die Einsetzung eines Bischofs zur Honorierung der geleisteten Arbeit. Doch bald löste dieser das Bistum Erfurt auf und gliederte die Kirchenprovinz dem Bistum Mainz an. Ab ca. 1000 war die Stadt auch in weltlicher, landesherrlicher Sicht Mainz unterstellt, zwar ohne förmlich vollzogenen Herrschaftsübergang im einstigen Königsgut, sondern durch die Tatsache, daß der Bischof als Landesherr auftrat. Erfurt war mit seinem Umland die größte und wichtigste Siedlung im Raum Thüringen und ein viel zu wertvolles Territorium, um nicht zuzugreifen, wenn man einen Grund dafür hatte. Der Stadt gelang es aber, sich de facto wieder selbständig zu machen: Der Schlüssel war Geld. Der Erzbischof brauchte ständig und immer dringend Geld, und die Bürgerstadt war wohlhabend. Also kaufte der gebildete Rat seit dem 13. Jh. Schritt für Schritt ein Recht nach dem anderen auf, zur Not auch pfandweise. So luchste man dem Landesherrn immer mehr seine Autonomie ab und entledigte sich de facto der Herrschaft des Mainzer Kurfürsten. Im täglichen Leben hat die Mainzer Landeshoheit bald nicht mehr viel ausgemacht; die Stadt konnte ihre Selbständigkeit wiederherstellen und behaupten und machen, was sie wollte. Rathaus und Fischmarkt wurden als städtisches Zentrum der Eigenverwaltung errichtet. Im 15. Jh. erlebte die Stadt ihren Höhepunkt als reiche Handels- und Kulturstadt. 1591 stellte man den Römer anstelle des zerstörten hl. Martin vor das Rathaus, einem Roland auch in seiner Bedeutung sehr ähnlich.

Nur warum löste man sich nicht ganz von Mainz und wurde auch formell Reichsstadt? Es hätte vielleicht klappen können: Man war reich und mächtig und bildete ein Territorium für sich. Doch das "vielleicht" barg ein paar Unwägbarkeiten - schließlich war der Landesherr nicht irgendwer, sondern ein Kurfürst und Erzkanzler im Heiligen Römischen Reich, die mächtigste Person gleich hinter Kaiser und Papst, und es war nicht vorauszusehen, wie das Reich bei so einem Vorgang reagiert hätte. Außerdem wäre der Status als Reichsstadt wegen der an das Reich direkt zu entrichtenden Steuern und anderer Verpflichtungen evtl. teurer geworden.

Anders wurde das erst mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, als der Mainzer Kurfürst im Westfälischen Frieden 1648 seine Landeshoheit über Erfurt bestätigt bekam. Nun rächte sich, daß man den Schritt zur Reichsstadt nicht getan hatte. Vorangegangen war ein schleichender Abwärtstrend der Stadt, der sie politisch und wirtschaftlich geschwächt hatte. Die Quelle des Wohlstandes, Färberwaid, besaß schon lange nicht mehr die Bedeutung wie früher. Der Dreißigjährige Krieg schwächte die Stadt weiter. Das Erfurter Gebiet war eigentlich ein kleines Land und umfaßte neben der Stadt selbst 72 Ortschaften und die Stadt Sömmerda. Das Erfurter Land, insgesamt 16 Quadratmeilen mit etwa 40000 Einwohnern, wurde verwaltungsmäßig in sieben Vogteien und sechs Ämter aufgeteilt und von den entsprechenden Vögten und Amtmännern verwaltet. Und diese territorialen Rechte wollte sich der Mainzer Kurfürst, damals Johann Philipp von Schönborn, nicht mehr nehmen lassen! Lange genug hatte man dem selbstherrlichen Treiben der Stadt seit dem Mittelalter zugeschaut. Insbesondere einem absolutistischen Landesherrn mußte der Zustand ein Dorn im Auge gewesen sein. Und als Erfurt, mittlerweile über vier Jahrhunderte quasi selbständig, sich querstellte, wurde die Reichsacht über die Stadt verhängt und durch Kurmainz vollstreckt: Johann Philipp von Schönborn ließ 15000 Soldaten, darunter 6000 Mann als französische und lothringische Hilfstruppen, einmarschieren und unterwarf die Stadt und deren Landgebiet am 5.10.1664 militärisch. Die noch nie zuvor eroberte Stadt mußte kapitulieren und ihre Tore öffnen. Heimführung, "Reduktion", nannte man den Vorgang, Nachhauseholen der "treuen Tochter des Mainzer Stuhles". Schließlich nahm man sich ja nur, was einem schon jahrhundertelang eigentlich bereits gehörte.

Im Jahre 1664 endete Erfurts Unabhängigkeit; es wurde kurmainzische Provinzstadt. Johann Philipp von Schönborn ritt am 12.10.1664 durch das Brühler Tor selbst in die Stadt ein und bekam im Peterskloster die Schlüssel der Stadt überreicht, womit die Unterwerfung symbolisch besiegelt wurde. Am 28.10.1664 fand die erste von vielen folgenden Erbhuldigungen auf dem Domplatz statt. Aus stolzen und autonomen Bürgern wurden Untertanen eines Kirchenfürsten. Die Stadt wurde bis 1802 von Vizedoms (1664 bis 1675) und Statthaltern (1675-1802) im Auftrag der Fürsterzbischöfe von Mainz verwaltet. Das war die tatsächliche Machtübernahme durch Kurmainz, und aus der bisher sehr erfolgreich alleine vor sich hinlebenden Stadt wurde der Kurfürstlich-Mainzische Erfurter Staat. Das Jahr 1665 ist für die Stadt Erfurt ein einschneidendes Datum, denn mit der Stadt- und Landesordnung vom 5.3.1665 wurden die Zügel der kurmainzischen Herrschaft straffer angezogen: Die kurmainzische Regierung wurde oberste staatliche Behörde in der Stadt. Der städtische Rat wurde in seinen Aufgaben und Befugnissen beschnitten, und auch über die Zusammensetzung bestimmte die Mainzer Regierung, denn der Landesherr ernannte fortan die Ratsmitglieder. Die Statthalter unterstanden dem Kurmainzer Hofrat und der Hofkammer und fungierten zugleich als diplomatische Vertreter des Kurstaates an den benachbarten sächsischen Höfen. Mainz ließ in der Folgezeit etliche stadtprägende Bauwerke errichten, die Zitadelle, die sonstigen Stadtbefestigungen, der Waage- und Packhof (Angermuseum) und die Statthalterei. Insbesondere die Statthalterei wurde der repräsentativste Barockbau in der neben der Residenz Mainz wichtigsten Stadt des Kurstaates.

Als Erfurt 1802 an Preußen kam, endete die über 1000jährige gemeinsame Geschichte von Erfurt und Mainz jäh. Mit der Aufhebung der geistlichen Fürstentümer in der Säkularisation wurden sowieso alle Wetten ungültig. Ein neues Band wurde erst 1988 geknüpft, als Erfurt und Mainz Partnerstädte wurden.

An der Fassade der Statthalterei befinden sich an weiteren Stellen einzelne Mainzer Räder, jeweils von einem Fürstenhut überhöht. Das Rad in der Abb. oben befindet sich im Dreiecksgiebel des linken Fassadenerkers, der im Gegensatz zum rechten nur einstöckig ist und von rechteckigem Querschnitt. Zwei Putten halten eine Kartusche, in die das Mainzer Rad eingestellt ist. Das Rad in der Abb. unten befindet sich in einem Fenstergiebel des ersten Obergeschosses, und zwar über dem letzten Fenster ganz links. Hier liegt das Rad ohne Kartuschenumrahmung zwei schräggekreuzten Palmwedeln auf.

Die Statthalterschaft in Erfurt war an enge Voraussetzungen gebunden: Man mußte dem Mainzer Domkapitel angehören, also einer der Domkapitulare sein, welche die Regierungsspitze in der Kurmainzer Hierarchie bildeten. Das war in der Wahlkapitulation des Kurfürsten Damian Hartard von der Leyen im Jahre 1675 festgelegt worden. Und damit bestand auch für das Amt des Statthalters automatisch die Schranke, die für das Mainzer Domkapitel galt: Der Kandidat mußte dem in Mainz stiftsfähigen Adel angehören.

Und zugleich war die Statthalterschaft ein Sprungbrett für die weitere Karriere: Zwei Statthalter wurden danach selbst Chef in Mainz, Anselm Franz Freiherr von Ingelheim und Karl Theodor Kämmerer von Worms genannt von Dalberg. Die meisten hatten aber nicht das Glück, daß zu ihren Lebzeiten der Erzbischofsstuhl in Mainz vakant wurde. Zur Übersicht die Liste der kurmainzischen Statthalter in Erfurt:

 

Am rechten, halbrunden Erker befindet sich dieses Wappen (Abb. unten) in einem Brüstungsfeld in Höhe des ersten Obergeschosses, das gar nicht zu der bislang beschriebenen kurfürstlichen Symbolik passen will. Es handelt sich um ein Wappen aus der Geschichte des Gebäudes oder besser der später zu einem Ganzen verschmolzenen Gebäude, nämlich das von Michael Müller, früher Besitzer des später in der Statthalterei aufgegangenen Bürgerhauses "Zum stolzen Knecht". Der von ca. 1540 stammende Erker ist der letzte sichtbar gebliebene Bauteil dieses Einzelhauses, während alles andere hinter der vereinheitlichenden Fassade verschwunden ist.

Das Wappen der Familie Müller wird im Alten Siebmacher, Teil 5, Tafel 300 beschrieben. Es zeigt in Silber einen widersehenden, aufspringenden, roten Hirschen vor einem grünen Rosenstrauch mit roten Rosenblüten, wobei der Hirsch einen abgebissenen Rosenzweig im Maul hält. Die Helmzier zu rot-silbernen Decken ist auf dem Stechhelm ein wachsender roter Hirsch mit einem Rosenast im Maul. Im Detail weicht die Siebmacher-Darstellung von der hier im Haus etwas ab, so wird dort der Hirsch auf einen grünen Boden gestellt, er ist ferner schreitend, und der Bügelhelm ist gekrönt. Zwei Vergleichswappen in Erfurt sind auf einem Grabstein des Nikolaus Müller von 1546 in der Severikirche und auf einem Grabstein des Heinrich Müller von 1657 im Dom zu finden. Das links angrenzende Feld am Erker zeigt einen Landsknecht, den "stolzen Knecht", nach dem das Haus benannt ist, und das rechts angrenzende Brüstungsfeld einen Landsknecht zwischen drei Frauen. Nach der Familie Müller gehörte das Haus "Zum stolzen Knecht" der Familie Brandt. Curdt Brandt war bis 1597 Vierherr in Erfurt und lebte mit seiner Familie in dem Patrizierhaus.

 

Bauplastische Details: Diese beiden muskulösen, bärtigen Atlanten tragen den halbrund vorkragenden Balkon in der Eingangsachse. Die Last ruht auf einem Kissen auf ihrem Kopf, mit den Armen werden nur die profilierten Kämpfer seitlich gehalten.

Die Statthalterei blieb auch nach dem Ende der geistlichen Fürstentümer immer zentrales Verwaltungsgebäude für den jeweiligen Landesherrn. Nach dem Ende der kurmainzischen Landesherrschaft wurde Erfurt preußisch, und 1802 wurde die Statthalterei preußisches Regierungsgebäude. Hier war auch das preußische Hauptquartier im Herbst 1806 vor der Schlacht bei Jena und Auerstedt. Nachdem die Preußen verloren hatten, zog die französische Verwaltung ein und blieb bis 1813. Im Jahre 1808 logierte hier Napoléon, als er in Erfurt mit Zar Alexander von Rußland und anderen Machthabern die Neuordnung Europas beim Fürstenkongreß besprach. Auch der Stern Napoléons sank bekanntlich, und 1814 wurde die Statthalterei wieder preußisches Regierungsgebäude, seit 1816 Sitz der Regierungspräsidenten des preußischen Regierungsbezirkes Erfurt. Das war für länger, genau genommen bis 1945, und insbesondere die alten Wirtschaftsbauten wurden der neuen Verwendung entsprechend im 19. Jh. umgebaut. Auch als das Land Thüringen 1920 gebildet wurde, blieb Erfurt preußisch. Die erste Landeshauptstadt von Thüringen war Weimar. Erst die Besatzungsmächte ordneten Erfurt Thüringen zu, und 1945 wurde die Statthalterei Sitz der erst amerikanischen, dann sowjetischen Kommandantur. Nach Renovierungsarbeiten zog hier 1954 der Rat des Kreises Erfurt-Land bzw. das Landratsamt ein. Ab 1992 wurde die Statthalterei zur Thüringer Staatskanzlei umgebaut und porentief saniert.

Literatur, Links und Quellen:
Gebäude und Innenräume: https://www.thueringen.de/th1/tsk/historisches/statthalterei/gebaeude/
Geschichte der Statthalterei:
https://www.thueringen.de/th1/tsk/historisches/statthalterei/geschichte/index.aspx
Statthalterei:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kurmainzische_Statthalterei
Steffen Raßloff: Historische Verbindungen zwischen Erfurt und Mainz, Artikel in der Thüringer Allgemeinen 2008:
http://www.erfurt-web.de/Historische_Verbindungen_Erfurt-Mainz
Chronik der Stadt Erfurt:
http://www.erfurt.de/ef/de/erleben/entdecken/geschichte/chronik/111883.html
Historische Beziehungen Erfurt - Mainz:
http://www.erfurt-web.de/Historische_Beziehungen_Erfurt_Mainz
Steffen Raßloff: Erfurt und Mainz, 20 Jahre Städtepartnerschaft mit langer Vorgeschichte, in: Stadt und Geschichte, Zeitschrift für Erfurt, 40 (2008), S. 30.
Statthalter Erfurts:
https://de.wikipedia.org/wiki/Statthalter_Erfurts
Statthalterei:
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/kultur/detail/-/specific/Ein-Schloss-in-Erfurt-das-nie-so-genannt-wurde-2069965956
Philipp Ludwig Freiherr von Reiffenberg
https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Ludwig_von_Reiffenberg
Anselm Franz Freiherr von Ingelheim
https://de.wikipedia.org/wiki/Anselm_Franz_von_Ingelheim_(1634-1695)
Philipp Wilhelm Reichsgraf von Boineburg
https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_Wilhelm_von_Boineburg
Karl Theodor Anton Maria Kämmerer von Worms genannt von Dalberg
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Theodor_von_Dalberg
Steffen Raßloff: Karl Theodor von Dalberg - Genius der Aufklärung, Beitrag der Serie: Denkmale in Erfurt aus der Thüringer Allgemeinen vom 6.10.2012
http://www.erfurt-web.de/Karl_Theodor_von_Dalberg
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Rolf-Torsten Heinrich, Erfurter Wappenbuch Teil I, Nr. 230 Müller (1).
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Steffen Raßloff: 100 Denkmale in Erfurt, Geschichte und Geschichten, Thüringen Bibliothek Bd. 11, Essen 2013.
Steffen Raßloff: Karl Theodor von Dalberg - Erfurts "Lichtbringer, in: Domstufenfestspiele 2011 in Erfurt,
http://www.erfurt-web.de/Domstufen_Dalberg
Akademie gemeinnützer Wissenschaften:
http://www.erfurt-web.de/Akademie_gemeinnütziger_Wissenschaften_zu_Erfurt - http://www.akademie-erfurt.de/pages/willkommen.php?lang=EN
Steffen Raßloff: 250 Jahre Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, in: Stadt und Geschichte, Zeitschrift für Erfurt, 22 (2004), S. 3.
Siebmachers Wappenbücher, Band Bistümer
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, erstellt von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Lothar Franz von Schönborn:
http://de.wikipedia.org/wiki/Lothar_Franz_von_Schönborn
Friedhelm Jürgensmeier: Lothar Franz von Schönborn, in: Neue Deutsche Biographie. Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 227 f., online:
http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016333/images/index.html?seite=241
Constantin von Wurzbach: Lothar Franz Graf Schönborn, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 31. Verlag L. C. Zamarski, Wien 1876, S. 138 f., online:
http://www.literature.at/viewer.alo?objid=12540&page=159&scale=3.33&viewmode=fullscreen und http://de.wikisource.org/wiki/BLKÖ:Schönborn,_Lothar_Franz_Graf

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