Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2504
Affaltrach (zu Obersulm, Landkreis Heilbronn)

Johanniskirche Affaltrach (ehem. Johanniterkirche St. Johann)

In religiöser Hinsicht war in Affaltrach das Verhältnis zwischen Katholizismus und Protestantismus kompliziert. Württemberg führte 1530 die Reformation in Affaltrach ein. Da Württemberg die Landeshoheit beanspruchte, galt ab 1536 die württembergische Kirchenordnung im Ort. Die Johanniter aber besaßen seit 1289 das Patronatsrecht an der Pfarrkirche, bis zur Aufhebung aller Ordensprivilegien 1806. Sie hatten es 1289 von den Herren von Walldürn (3/4, Schenkung) bzw. den Grafen von Löwenstein (1/4) erworben, und das war ein wichtiger Schritt, um in dieser Gegend Fuß zu fassen. Nun verordneten die Landesherren Protestantismus - also beriefen die Johanniter ab 1536 stets evangelische Pfarrer; der erste war 1551-1575 Georg Trautmann, gefolgt von Johann Hoffmann, Bernhard Hermann, Daniel Blumenhauer, Martin Faber und Martin Becker. Auch die Reichsstadt Hall wandte sich der Reformation zu und machte den Ordensrittern das Leben schwer. Ab 1534 durfte in der Haller Johanniterkirche kein katholischer Gottesdienst mehr gefeiert werden, 1543 wurde den Ordensrittern ein protestantischer Pfarrer vor die Nase gesetzt. Um 1600 hatten die letzten Ordensritter restlos die Nase voll vom Streit mit der Stadt. Deshalb verlegten die Johanniter von Hall um 1600 den Sitz ihrer Kommende nach Affaltrach, und deshalb sind die Kommenden von Hall und Affaltrach im Grunde eins. Die Reichsstadt gestattete 1694 den Johannitern wenigstens eine Hauskapelle in der alten Niederlassung.

Als Gottfried Droste von Vischering 1661 neuer Komtur in Affaltrach wurde, bestätigte er zwar die Religionsfreiheit in der evangelischen Gemeinde, verlangte aber die Duldung der Ansiedlung von Katholiken, die er und seine Nachfolger in den nachfolgenden Jahrzehnten aktiv betrieben. Schon fünf Jahre nach der Ankündigung des Kurswechsels setzte Gottfried Droste von Vischering 1666 den ersten katholischen Priester in Affaltrach ein. Der Religionsfrieden litt in der Folgezeit erheblich unter dem neuen Dualismus im Ort. Erst 1706 schlossen die Johanniter und die Württemberger einen Vergleich, der die wechselseitige Nutzung der Pfarrkirche als Simultankirche vorsah. Die Johanniter holten dann auch noch 1735 Dominikaner aus Wimpfen und ab 1735 Kapuziner aus der Würzburger Gegend, vorgeblich zur besseren Abdeckung der Bedürfnisse der katholischen Gemeindemitglieder. Tatsächlich handelte es sich hier um eine vorsätzliche Gleichgewichtsverschiebung, bei der die entstehenden und begleitenden Konflikte billigend in Kauf genommen wurden.

Seit 1899 ist die ehemalige Johanniterkirche St. Johann (Johanneskirche) wieder eine rein evangelische Pfarrkirche, nachdem die Katholiken ihre eigene Kirche St. Johann Baptist bekommen hatten. Das Gebäude der Johanneskirche stammt aus der Zeit um 1400, wurde aber um 1500 renoviert. Um 1750 ff. wurde der Turm erneuert. In dieser Zeit wurde auch der Chor angebaut. 1899-1902 wurde die Kirche neobarock überformt; augenfälligstes Ergebnis ist der oktogonale Turmaufbau mit welscher Haube. In den 1990er Jahren wurde die Kirche komplett innen und außen renoviert.

Außen ist ein historischer Wappenstein in die Wand eingelassen. Der heraldisch rechte Schild trägt das achtspitzige Johanniterkreuz, silbern in rotem Feld zu tingieren; der andere Schild verweist, wie die umlaufende Inschrift in der unteren Horizontalzeile besagt, auf den Komtur Friedrich von Enzberg, welcher 1480-1507 Chef der Johanniterkommende Schwäbisch Hall war. Ein weiteres Wappen dieses Komturs ist übrigens an der ehemaligen Johanniterkommende in Hall in der Heimbacher Gasse 2 zu sehen. Das Wappen der Herren von Enzberg zeigt in Blau einen goldenen, mit einem roten Stein versehenen Fingerring. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu blau-goldenen Decken auf einem roten Kissen der Fingerring wie im Schild. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bad Seite: 19 Tafel: 12, Band: Els Seite: 7 Tafel: 9, Band: Wü Seite: 7 Tafel: 8. Gleicherweise sind die Darstellungen im Codex Ingeram (dort Helm gekrönt, kein Kissen), im Wernigeroder Wappenbuch (ohne Kissen) und im Alten Siebmacher (dort ein blaues Kissen) tingiert. Abweichend ist die Darstellung im Scheiblerschen Wappenbuch (Folio 238) mit rot-silbernen Decken, ebenfalls ohne Kissen in der Helmzier. Die Familie hatte ihr 1384 zerstörtes Stammhaus Enzberg in der Nähe des Klosters Maulbronn, dessen Schirmvögte sie stellte. Heute gehört Enzberg zur Stadt Mühlacker. Die Familie war später ab 1409 in Mühlheim/Donau (Lkr. Tuttlingen) begütert, wo sie die Vogtei über das Kloster Beuron innehatte und wo sie noch heute auf dem Schloß lebt. Die Herren von Enzberg sind stammesverwandt und wappenverwandt mit den von Dürmenz (Dürrmenz, vgl. Siebmacher Band: Els Seite: 6 Tafel: 8, Band: WüA Seite: 85 Tafel: 49, mit widersprüchlichen Tinkturangaben) und den Herren von Niefern (vgl. Siebmacher Band: WüA Seite: 251 Tafel: 142, ebenfalls mit dem Fingerring als Schildbild). Weitere Wappen gibt es im Inneren der Kirche: Am Altarbogen befindet sich das Wappen des Komturs Joseph von Forell, und im Chor ist die auf das Jahr 1592 datierte Grabplatte des Komturs Gottfried von Heppenheim zu sehen (jeweils ohne Abb.).

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/search/affaltrach/@49.1342634,9.3834226,18.96z - https://www.google.de/maps/search/affaltrach/@49.1342634,9.3834226,146m/data=!3m1!1e3
Johanneskirche:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johanneskirche_(Affaltrach)
Evangelische Kirchengemeinde:
https://www.kirche-affaltrach.de/ - Geschichte: https://www.kirche-affaltrach.de/aus-der-geschichte/
Michael Bing: Johanniterkommende Affaltrach:
https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/DOKUMENT/labw_kloester/115/Das+ehemalige+Johanniterschloss+Affaltrach+heute+Schlosskellerei
Michael Bing: Johanniterkommende Affaltrach:
https://www.kloester-bw.de/kloster1.php?nr=115 - https://www.kloester-bw.de/klostertexte.php?kreis=&bistum=&alle=&ungeteilt=&art=&orden=&orte=&buchstabe=&nr=115&thema=Geschichte
Johanniterorden:
https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Johanniterorden/Malteserorden
Hermann Bauer: Die Johanniter-Commende Affaltrach, in: Wirtembergisch Franken Bd. 9, 1 (1871) S. 12-27
Andreas Maisch: Johanniterkommende Schwäbisch Hall - Geschichte:
http://www.kloester-bw.de/klostertexte.php?kreis=&bistum=&alle=&ungeteilt=&art=&orden=&orte=&buchstabe=&nr=209&thema=Geschichte
Herren von Enzberg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Enzberg_%28Adelsgeschlecht%29
Wappen Enzberg im Ingeram-Codex:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ingeram_Codex_104.jpg
Wappen Enzberg im Scheiblerschen Wappenbuch:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Enzberg_Scheibler238ps.jpg
Wappen Enzberg im Wernigeroder Wappenbuch:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wernigeroder_Wappenbuch_295.jpg
Wappen Enzberg im Alten Siebmacher:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Siebmacher110-Entzberg.jpg
Wappen Enzberg im Kreuzgang des Konstanzer Münsters:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Enzberg-PS235.jpg
Wappen Enzberg im Alberti:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alberti_Wappenbuch_H03_S_0169.jpg und http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alberti_Wappenbuch_H03_S_0170.jpg
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 382

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