Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2515
Kochendorf (zu Bad Friedrichshall, Landkreis Heilbronn)

Schloß Lehen in Kochendorf

Schloß Lehen befindet sich im Nordwesten des zu Bad Friedrichshall gehörenden Stadtteiles Kochendorf in der Hauptstraße 2 und liegt inmitten eines ruhigen Parks am Ufer des Kochers, nahe dessen Mündung in den Neckar. Kochendorf war rechtlich in drei Anteile und ein Reichslehen aufgeteilt, und jeder Teil des Ortes hatte seinen Herrensitz. Von den drei noch existierenden Schlössern ist das Lehenschloß das älteste, ersetzte aber seinerzeit einen noch älteren Bau, eine mittelalterliche Wasserburg. Es entstand, nachdem alle drei Ortsteile an die Greck gekommen waren, die sich seit 1315 nach Kochendorf benannten und Besitznachfolger des gleichnamigen, seit 1253 bezeugten Reichsministerialen von Kochendorf waren. 1527 und 1532 gelangten die zwischenzeitlich über die von Sickingen an die Fuchs von Bimbach und an die von Venningen gelangten Anteile der Herrschaft an die Greck: Zwei Ortsteile hatte der Vater des Bauherrn, Wolf Greck von Kochendorf (-1534), bereits 1527 erworben, und das dritte Drittel erheiratete er 1532 durch seine zweite Ehe. Dessen Sohn, der Bauherr des außerhalb des historischen Ortes gelegenen Lehenschlosses, Wolf Conrad I. Greck von Kochendorf (-25.8.1598), krönte die Etablierung der Familie in Kochendorf dadurch, daß er, alleiniger Inhaber des gesamten Ortes, 1559 das Halsgerichtsprivileg (Blutbann) über Kochendorf erhielt, das ihm am 7.7.1559 von Kaiser Ferdinand I., am 25.4.1566 durch Kaiser Maximilian II. und am 17.9.1577 durch Kaiser Rudolf II. bestätigt bzw. erneuert wurde. Auch seine Söhne Johann Philipp, Wolf Conrad II. und Walter Greck von Kochendorf bekamen dieses wichtige Privileg am 6.6.1616 durch Kaiser Matthias bestätigt.

Das dreigeschossige Renaissance-Schloß war einst ein Wasserschloß im Tal, von einem mittlerweile verfüllten Wassergraben und einer turmbewehrten Außenmauer umgeben, die aber 1818 abgebrochen wurde. Reste der Befestigungsanlagen mit zwei Türmen sind noch im Südosten des Lehenschlosses an der 1568 errichteten Meierei zur Hauptstraße hin erhalten; einst hatte der Vorhof sogar drei Türme, von denen aber einer nach 1881 für eine Zufahrt geopfert wurde. Die Schauseite im Süden besitzt einen geschwungenen Giebel mit Standerker. Der Nordgiebel ist schlichter als Treppengiebel gestaltet. Im Erdgeschoß befindet sich ein großer Gewölbesaal. An der Westseite ist ein achteckiger Treppenturm mit Spitzdach angebaut. Das in Privatbesitz befindliche Schloß Lehen wurde 1953 durch den Neckarsulmer Fabrikanten Karl Erwin Merkle zu einem Hotel umgebaut. Nach Renovierung 2001-2005 wird es von der Familie Freistetter in Form der Schloß Lehen GmbH & Co. KG geführt. Der Außenbereich ist frei zugänglich, der Innenbereich nur für Gäste.

Über dem Hauptportal auf der Ostseite befindet sich ein sehr sehenswerter Wappenstein. Das heraldisch rechte Wappen steht für Wolf Conrad I. Greck von Kochendorf (-25.8.1598), Sohn von Wolf Greck von Kochendorf (-1534) und Kunigunde von Liebenstein (-1531). Er war 1553 (Datierung des Steines) der Erbauer von Schloß Lehen. Dieser Name verweist darauf, daß das Schloß im wichtigsten Drittel von Kochendorf errichtet wurde, das das seit 1294 bestehende Reichslehen enthielt. Der Schild ist golden-blau geteilt. Als Helmzier wird zu blau-goldenen Decken zwischen zwei golden-blau geteilten Büffelhörnern eine wachsende, blau gekleidete Jungfrau geführt, deren Kranz im Haar hier mit drei großen Blättern besteckt ist. Hier legt die Jungfrau beide Hände auf ihre Brüste. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: WüA Seite: 6 Tafel: 13, Band: WüA Seite: 46 Tafel: 34, ferner im Alberti S. 242. Im Siebmacher ist der Kopf der Jungfrau mit drei Pfauenfedern besteckt. Im Berliner Wappenbuch werden nur die Büffelhörner als Kleinod geführt ohne die wachsende Jungfrau, ähnlich in anderen alten Wappenbüchern. Im Wernigeroder Wappenbuch die Decken golden-blau, nicht blau-golden. Weitere Nachweise des Wappens gibt es in Conrad Grünenberg's Wappenbuch (1530), im Wappenbuch St. Gallen (1510) und im Ingeram-Codex (571).

Das heraldisch linke Wappen steht für seine erste Ehefrau, Sibylla von Gemmingen (1525-16.5.1567), die Tochter von Wolf von Gemmingen (-14.2.1555), Herr zu Guttenberg, und Anna Marschalk von Ostheim (-27.12.1569). Sibylla hatte 1551 Wolf Conrad I. geheiratet. Sie war die Enkelin von Pleikard von Gemmingen (-1515) und Anna Kämmerer von Worms gen. Dalberg (-1503) väterlicherseits sowie von Philipp Marschalk von Ostheim und Anna Margaretha Landschad von Steinach mütterlicherseits. Der Schild ist blau mit zwei goldenen Balken. Als Kleinod wird zu blau-goldenen Decken ein Paar Büffelhörner geführt, jeweils mit zwei goldenen Spangen.

Beide Wappenschilde haben Rollwerk am Rand, innen zweimal, außen einmal. Die Helme sind streng im Profil zur Mitte hin ausgerichtet, die Kleinode folgen dieser Drehung nur minimal. Zwischen beiden Wappen steht ein wilder Mann als Wappenhalter, der das jeweils innere Büffelhorn beider Kleinode mit den Händen ergreift. Der Mann ist bärtig und am ganzen Körper schuppenartig mit Haarbüscheln besetzt; um die Hüften trägt er einen Schurz aus großen Blättern, auf dem Haupt einen Wickel aus Blättern. Die Zipfel beider Helmdecken schlingen sich um seine Armbeuge. Rechts und links der Wappen wachsen zwei abgeastete Bäume empor, deren kahle Äste jeweils einen Bogen über den Wappen bilden und sich in der Mitte noch einmal zu einer kleinen eingebogenen Spitze über dem wilden Mann aufwärts biegen. Die künstlerische und handwerkliche Qualität und die Erhaltung dieses Wappensteines sind außerordentlich gut.

Die Inschriften unter den Wappen lauten: "WO GOT(T) DAS HAVS / NI(CH)T SELBER BAVT SO / ARBEITEN VM SONST / DIE DRAN BAVEN 127 PS(ALM)" und "WO GOT(T) DAS HAVS / NI(CH)T BEHV(E)TET SO / WACHT DER WECHT/TER VM SONST 127 PSA(LM)". Beide Teile zusammen bilden Psalm 127 Vers 1. Interessant an der Inschrift ist das stets seitenverkehrte "N" und die ebenfalls seitenverkehrte Zahl "7".

Einen zweiten Wappenstein gibt es außen an der Wehrmauer der Meierei, aber nur mit den Schilden des Bauherrenpaares, ohne Oberwappen. Inhaltlich sind die beiden auf 1568 datierten Wappen identisch mit den zuvor beschriebenen. Die Steine weisen starke Beschädigungen auf. Zwischen den beiden Türmen befindet sich die Zufahrt in den einstigen Wirtschaftshof des Schlosses.

Dahinter steckt folgende Genealogie (dunkelrot und fett hervorgehoben sind die mit dem Wappen vertretenen Personen, fett und schwarz alle Besitzer von Schloß Lehen, hellrot sind Wappenfundstellen):

Nach dem Tod von Wolf Conrad I. Greck von Kochendorf (-25.8.1598), der nach Sibyllas Tod in zweiter Ehe 1571 Amalie von Altdorf gen. Wolschlag geheiratet hatte, wurde 1599 das väterliche Erbe geteilt. Er hatte drei Söhne und vier Töchter. Das Sahnestück ging an den Sohn Johann Philipp Greck von Kochendorf (-1620), er bekam das Drittel mit dem Reichslehen und Schloß Lehen, also das beste Drittel, weil er zum Zeitpunkt der Teilung als einziger der drei Brüder einen männlichen Nachkommen hatte (seine Söhne waren Gottfried Dietrich und Hans Wolf). Doch es war in schlechten Händen gelandet, denn er wandte seine Interessen Pforzheim zu, wo er den Hirsauer Hof besaß, und verkaufte sein Drittel an Kochendorf 1606 an Herzog Friedrich I. von Württemberg. Bei den beiden anderen Söhnen entschied das Los, wer welches Drittel bekam. Sohn Walther Greck von Kochendorf (1577-1634), erhielt per Los das Drittel von Kochendorf mit dem Unterschloß und dem Greckschen Amtshaus. Der dritte Sohn, Wolf Conrad II. Greck von Kochendorf (1561-23.5.1614), lebte erst im Wimpfen und erhielt bei der Teilung per Los ein Drittel von Kochendorf mit dem alten Haus auf dem Zwingenberg, einem Bauplatz, Baumaterial und 3800 fl. Baugeld. Was erst einmal wie das schlechteste Stück bei der Teilung aussah, entwickelte sich dank reicher Heirat prächtig, denn er vermählte sich am 22.4.1589 in Michelfeld mit Benedicta von Gemmingen (20.8.1572-1.8.1628), der Tochter von Leonhard von Gemmingen (1536-30.7.1583) und Esther von Bödigheim (-1591), das brachte ihm eine reiche Mitgift (10000 fl.) und die Erbschaft ihres Bruders Weirich von Gemmingen ein. Damit baute er nicht nur das Greckenschloß auf seinem Drittel, sondern er kaufte 1608 das Drittel seines Bruders mit Schloß Lehen von Herzog Johann Friedrich von Württemberg zurück, was dadurch möglich wurde, daß sich die Pläne der Herzöge mit dem Regierungswechsel geändert hatten: Die Herzöge hatten hier einen eigenen Handelshafen zur Umgehung der Heilbronner Neckarsperre und des dortigen Stapelrechts vorgesehen, doch dieses Projekt zerschlug sich, so daß sie das Gelände gerne wieder verkauften, wodurch es wieder an die Familie kam.

Zwischenzeitlich veräußerten die Greck das Walthersche Drittel und behielten nur den Teil mit dem Reichslehen und den Teil mit dem Greckenschloß, wobei Schloß Lehen wegen der Baufälligkeit des Greckenschlosses gegen Ende der Familiengeschichte als Wohnsitz bevorzugt wurde. Insgesamt acht Generationen der Greck von Kochendorf hatten das Burglehen innegehabt. Die Greck von Kochendorf sind mit dem kurbayerischen Oberst Wolf Conrad V. (1671-1749) im Mannesstamm erloschen. Auch er lebte auf dem Lehenschloß, denn das Greckenschloß war trotz Reparatur wieder unbewohnbar geworden. Er war seit 1732 vermählt mit Isabella Elisabeth Teuffel von Birkensee (1709-1781). Nach seinem Tod fiel das dem Verstorbenen zuletzt am 27.5.1747 bestätigte Reichslehen mit dem Lehenschloß an den Kaiser zurück und wurde von diesem am 9.12.1749 an Reinhard von Gemmingen-Hornberg neu vergeben. Da jener aber schon am 11.1.1750 verstarb, wurde das Lehen von Kaiser Franz I. am 27.11.1752 seinen Söhnen gegeben, den Brüdern Reinhard und Eberhard von Gemmingen auf Hornberg. Die Witwe des letzten Greck mußte ins Greckenschloß umziehen. Im Jahre 1806 endete mit der Mediatisierung die Reichsunmittelbarkeit des Lehens; Kochendorf war fortan ein württembergisches Lehen, das nach drei Generationen im Besitz des Lehens mit dem Tod des kinderlosen Franz Karl Friedrich von Gemmingen (1747-1814) heimfiel und lediglich als Schloßlehen neu vergeben wurde.

An der südlichen Giebelseite ist über dem unteren Erkerfenster ein modernerer Wappenstein angebracht in Form zweier ein Allianzwappen bildender Schilde. Heraldisch rechts befindet sich der Schild für die Capler von Oedheim gen. Bautz, in Rot ein silberner Balken (Siebmacher Band: Wü Seite: 5 Tafel: 5, Band: PrAE Seite: 5 Tafel: 2, Münchener Kalender 1919, Aschaffenburger Wappenbuch Tafel 1, Seite 221). Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken ein rotes Paar Büffelhörner, jedes Horn mit einem silbernen Balken belegt.

Der andere Schild ist das Wappen der Freiherren von Breuning (geadelt 1.1., 28.3. und 11.12.1806, Freiherren 23.10.1812 und 1.1.1814), gespalten, rechts in Grün drei (2:1) goldene Kugeln, links in Silber ein Bündel von drei gekreuzten, mit den blauen Spitzen abwärts gerichteten roten Pfeilen mit silbern-blauer Befiederung. Das Wappen wird im Rietstap beschrieben: "Parti, au 1 de sinople à trois besants d'or, au 2 d'argent à un faisceau de trois flèches de gueules, les pointes en bas, armées d'azur, chaque flèche empennée à dextre d'argent et à senestre d'azur". Die hier nicht dargstellten Helme wären zwei an der Zahl, Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit grün-goldenen Decken die drei goldenen Kugeln zwischen einem schwarzen Flug, Helm 2 (links): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein wachsendes Brustbild eines bärtigen alten Mannes in roter Kleidung und mit einem roten, blau aufgeschlagenen Hut (Rietstap: "Deux casques couronnés. Cimiers: 1° les besants du 1 entre un vol de sable. Lambrequin d'or et de sinople. 2° un buste de vieillard barbu posé de profil habillé de gueules coiffé d'un bonnet albanais du même retroussé d'azur. Lambrequin d'or et de sable." Hier sind die Figuren in der rechten Spalthälfte strukturfreie Halbkugeln, deshalb wird hier als Blason das Wort Kugel bevorzugt, während Rietstap der französischen Tradition folgt und die Objekte als Besanten anspricht, worunter man im deutschen Raum aber Münzen mit Struktur, also typisierter Prägung, erwartet.

Dahinter steckt folgende Genealogie (dunkelrot und fett hervorgehoben sind die mit dem Wappen vertretenen Personen, fett und schwarz alle Besitzer von Schloß Lehen):

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@49.2257242,9.2168752,18z - https://www.google.de/maps/@49.2257559,9.2170422,99m/data=!3m1!1e3
Schloß Lehen auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Lehen_(Kochendorf)
Greck von Kochendorf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Greck_von_Kochendorf
Hotel im Schloß Lehen:
http://www.schlosslehen.de/
Geschichte von Schloß Lehen:
http://www.schlosslehen.de/philosophie-historie/historie
Schloß Lehen:
http://www.bad-friedrichshall.de/content1.asp?site=bfhwirtschafteinrichtungen&cls=01&fid=1328
Ortslexikon:
https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/1800/Kochendorf+-+Altgemeinde~Teilort
Geschichte der Greck von Kochendorf, insbesondere in Bezug auf das Greckenschloß:
https://stadtarchiv.heilbronn.de/fileadmin/daten/stadtarchiv/online-publikationen/heilbronnica6/online-publikationen-31-qf22-04-haag-greckenschloss.pdf
Lehensbestätigungen:
https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=19699&sprungId=950813&letztesLimit=suchen
Blutgerichtsbarkeit:
https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=17346&klassi=002.002.002.009.00014.%&anzeigeKlassi=002.002.002.001
Genealogie der Greck von Kochendorf:
https://gw.geneanet.org/cvpolier?lang=en&n=von+gemmingen&oc=0&p=sibylla und abhängige Seiten
Capler von Oedheim:
https://de.wikipedia.org/wiki/Capler_von_Oedheim - https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Capler_von_Oedheim_genannt_Bautz - https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Wolfgang_Capler_von_Oedheim_genannt_Bautz - https://de.wikipedia.org/wiki/Dietrich_Capler_von_Oedheim_genannt_Bautz
Karl Hugo Popp, Hans Riexinger: Zur Geschichte des Reichslehens Kochendorf und seiner Inhaber nach dem Abgang des Greckschen Mannesstamms, in: Bad Friedrichshall 1933-1983. hrsg. von der Stadt Bad Friedrichshall, Bad Friedrichshall 1983
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 155-156
Wolfgang W. Kress: Burgen und Schlösser am Neckar, 1991, ISBN-10: 3871812595, ISBN-13: 978-3871812590
Frank Buchali: Lexikon der Burgen und Schlösser im Kreis Heilbronn, Beschreibung von über 150 Burgen, Schlössern und Burgställen im Landkreis Heilbronn, 222 S., 5. Auflage 2012, ISBN-10: 3000070567, ISBN-13: 978-3000070563

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