Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2553
Obersontheim (Landkreis Schwäbisch Hall)

Evangelische Pfarrkirche Obersontheim

Schenk Erasmus legte durch Verlegung des ständigen Wohnsitzes, Abriß des alten Baubestandes am Herrschaftssitz und Neubau des Südwestflügels seiner Residenz die Basis für den Ausbau von Obersontheim als Residenz. Aber sein Sohn Friedrich VII. Schenk von Limpurg muß als der eigentliche Gestalter von Obersontheim gelten. Er ließ nicht nur den Nordwestflügel und den Verbindungsflügel, die Türme und Tore des Schlosses errichten, sondern in seiner Regierungszeit auch 1579 das erste Pfarrhaus (abgebrochen 1975, das neue Pfarrhaus an anderer Stelle stammt von 1739), 1585-86 die Kirche und 1596 das heutige Rathaus erbauen, letzteres damals noch als Kanzleigebäude. Das Kirchenpatronat über die 1448 erstmals erwähnte Kapelle St. Cyriakus gehörte dem Kloster Ellwangen. Diese Kapelle stand nicht weit von der heutigen Kirche an der Stelle der alten Dorflinde und wurde 1586 abgebrochen. Das war nur eine Kapelle, die übergeordnete Kirche stand in Untersontheim und war wiederum eine Filiale von Bühlertann. Im Jahre 1530 wurde Obersontheim reformiert, was dem Kloster natürlich überhaupt nicht paßte. Die bisherige Kaplanei wurde in eine Hofpfarrei umgewandelt. Friedrich VII. Schenk von Limpurg konnte 1578 das Patronat über die Pfarrei auf dem Tauschwege erhalten (Wechselvertrag mit Ellwangen), sodaß die Schenken jetzt eine eigene und unabhängige Pfarrei einrichten konnten. Schenk Friedrich ließ die alte Kapelle abreißen und 1585-1586 in relativ kurzer Zeit die neue Kirche erbauen mit einem einschiffigen Langhaus mit einst vier Emporen (Türmchen von 1602, gedeckte hölzerne Außendoppeltreppe von 1750, 1922 wurden Süd- und Schloßempore abgebrochen, 1956 die Herrschaftsempore) und Chorturm. Stilistisch ist es eine Mischform, der Bauschmuck ist bereits im Stil der deutschen Renaissance in einfachster Form, aber die Fenster haben noch spitzbogige Formen und spätgotisches Maßwerk. Im Chor trägt gotisches, flaches Rippenwerk ein Kreuzgewölbe auf Konsolen in Form von kleinen Löwenköpfen, in der Mitte befindet sich eine Schlußsteinrosette. Der Kirchturm ist relativ niedrig und gedrungen; bis zum Dachfirst geht er vom Viereck in ein Achteck über. Über der Glockenstube schließt er mit einem niedrigen Kuppeldach ab. Die Weihe des im September fertiggestellten Baus wurde am Sonntag vor Mariä Lichtmeß 1587 durch Pfarrer Johann Kinderer vollzogen, und als der erste evangelische Kirchenneubau nach der Reformation im Bereich der späteren Landeskirche von Württemberg wurde sie keinem Heiligen mehr geweiht. Von der Ausstattung während der Schenkenzeit stammt noch der schöne Taufstein.

 

Die Inschrift über der Wappenzone lautet: "HER DEIN WORT IST EINE RECHTE LEHR / HEILIGKEIT IST DIE ZIERDE DEINES HAVS / SES EWIGLICH PSALM XCIII". Die Inschriftentafel unten trägt den Wortlaut: "Im Ja(h)r nach Christi geburt M D LXXXV / den II April hat der wo(h)lgebor(e)n(e) Herr, Herr / Friderich Herr zu Limburg des H(eiligen) Rö(mischen) reichs / Erbschenck semperfrey Gott zu Ehren und / zu Fortpflantzung seines Worts gegenw(a)er= / tigen Kirch(en)baw angefangen und glücklich / vol(l)endet Im monat septemb(er) im 1586 Ja(h)r".

Das Wappen heraldisch rechts gehört Friedrich VII. Schenk von Limpurg-Obersontheim (6.8.1536-29.1.1596) zu Speckfeld und Obersontheim, 1576 Landrichter zu Obersontheim, 1578-1584 kurpfälzischer Großhofmeister, 1581 zu Speckfeld. Sein Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot vier aufsteigende silberne Spitzen, Feld 2 und 3: in Blau 5 (3:2) aufrechte silberne Heerkolben. Der Schild ist an der Herzstelle mit einem goldenen Schenkenbecher belegt (zum Schenkenamt vgl. Kapitel zur Herrenmühle). Auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen oder auch rot-silbernen Decken ein goldener Schenkenbecher zwischen zwei rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Büffelhörnern, in den Mundlöchern jeweils mit einem rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Fähnchen an silberner Stange besteckt.

Das Wappen heraldisch links gehört zu seiner zweiten Ehefrau, Agnes von Limpurg-Gaildorf (21.11.1542-6.10.1606). Ihr Wappen ist fast identisch mit dem ihres Ehemanns, allein der Schenkenbecher im Schild fehlt, in der Helmzier ist er dagegen vorhanden, ein winziger Unterschied zwischen beiden Eheleuten. Ansonsten treffen alle Inhalte wie zuvor beschrieben zu; in beiden Fällen ist das Stammwappen mit den Heerkolben in den Feldern 2 und 3 positioniert, genau wie am Torbau und am Friedrichsbau des Schlosses und an der Herrenmühle.

Das Stammwappen der Schenken von Limpurg sind die Heerkolben. Die mit Spitzen geteilten Hörner sehen wir seit dem 14. Jh., die Spitzenteilung im Schilde taucht erst seit Anfang des 15. Jh. im Wappen auf. Dieses fränkische Geschlecht, deren Mitglieder Reichsministerialen und Erbhofbeamte des Kaisers waren und dem hohen Adel nahestanden, wurde 1648 in den Reichsgrafenstand erhoben. Höher als den Grafenstand schätzten die Schenken jedoch ihren Titel "semperfrei". Denn ursprünglich waren die Inhaber von Erbämtern unfreie Ministerialen, deren Abhängigkeitsverhältnis sich im Laufe des Mittelalters in ein Vasallenverhältnis umwandelte. Schon im 13. Jh. wurden die Schenken von Limpurg als "Semperfreie" bezeichnet. Das ist nicht von semper = immer abgeleitet, sondern von "send bar frey", dieser Status garantierte den Inhabern die Teilnahme an den Land- und Reichstagen ("Send"), und dadurch waren sie allein der kaiserlichen bzw. königlichen Rechtsprechung unterworfen. Dieser Titel kennzeichnete also einen enormen gesellschaftlichen Aufstieg, und, wie die Heiraten zeigen, den Aufstieg in den Hochadel. Das wird auch darin deutlich, daß die Schenken Mitglieder im 1556 gegründeten Fränkischen Reichsgrafenkollegium waren, die anderen Mitglieder waren z. B. die Grafen von Castell, von Hohenlohe, von Wertheim, von Rieneck, außerdem die von Erbach und die von Schwarzenberg. Die Schenken von Limpurg waren offiziell noch keine Grafen, doch waren sie wie selbstverständlich und unangefochten Mitglied in diesem Reichsorgan, und Schenk Karl I. von Limpurg wurde 1555/1556 zum ersten Direktor und Kriegsrat gewählt. Regelmäßig wurden Familienmitglieder wieder in dieses Amt gewählt, als dessen Inhaber er die entscheidende Stimme bei Abstimmungen hatte und sämtliche Angelegenheiten organisierte. Insgesamt 17 Schenken bekleideten während der nächsten hundert Jahre dieses exponierte Amt. Auch das zeigt, daß die Schenken innerhalb all der Grafenfamilien als absolut ebenbürtig wahrgenommen wurden.

Im Inneren der Kirche befinden sich sehenswerte Grabdenkmäler (ohne Abb.) der Familie, 2 große Epitaphien und 17 Grabplatten. Darunter besonders hervorhebenswert ist das Sandsteinepitaph im Stil der Renaissance von Friedrich VII. Schenk von Limpurg, Träger der Reformation und Erbauer der Kirche, und seinen beiden Gemahlinnen. Friedrichs Vater Erasmus war noch auf der Comburg begraben worden, ebenso seine Ehefrau Anna von Lodron. Nach der Reformation mußte eine neue Grablege her, man war auf der katholischen Comburg nicht mehr willkommen, wo sich bisher im früheren Kapitelsaal (sog. Schenkenkapelle) die traditionelle Grablege befand. Auch wenn Friedrichs Epitaph seine beiden Ehefrauen zeigt, ist Margarete von Erbach in der Stadtkirche von Michelstadt beigesetzt worden. Nur Agnes von Limpurg-Gaildorf ist hier neben ihrem Mann begraben worden. Das Epitaph ist ein Werk von Bildhauer Sem Schlör aus Schwäbisch Hall. Weiterhin sehenswert ist das Alabasterepitaph im üppigen Stil des Barocks für Vollrath Schenk von Limpurg, dem letzten Schenk, und seine Frau, schon zu Lebzeiten des Paares angefertigt von dem Künzelsauer Meister G. Chr. Sommer.

Seit 1613 trägt der Hofprediger den Titel Superintendent. 1618 wurde eine Sakristei angebaut, weiterhin wurde die erste Orgel eingebaut. 1676-1746 war der Ort Obersontheim Dekanat (Superintendantur). 1750 wurde die jetzt noch vorhandene, von Orgelbauer Hasenmeyer aus Schwäbisch Hall angefertigte Barockorgel eingebaut. 1922 fand eine grundlegende Renovierung der Kirche mit Erneuerung von Altar und Kanzel statt, dabei wurden zwei Emporen abgerissen. Die schrillfarbigen Glasfenster wurden in den Jahren 1922-1923 von der Kunstglaserei Jahn und Gaißer nach Entwürfen von Frau Jost aus Stuttgart gestaltet. 1950 wurden zwei neue Glocken angeschafft. 1953-1956 wurde die Kirche erneut saniert, dabei wurde die dritte Empore abgerissen. Nur die Orgelempore blieb. In der Nacht vom 8. auf den 9.12.1967 brannte die Kirche aus, wobei der Innenraum und die Orgel schwer beschädigt wurden. Die Beseitigung der Schäden dauerte bis 1970; dabei wurde die Orgel auf 2 Manuale, 19 Register und fast 1500 Pfeifen erweitert. 1986 konnte das 400jährige Kirchenjubiläum gefeiert werden. Aktuell ist die Kirche wegen eindringender Feuchtigkeit, Kondenswasserbildung und dadurch angefaulter Dachbalken erneut ein Sanierungsfall.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.0568791,9.8980413,18.92z - https://www.google.de/maps/@49.0568791,9.8980413,164m/data=!3m1!1e3
Schenken von Limpurg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schenken_von_Limpurg
Gerd Wunder, Max Schefold, Herta Beutter: Die Schenken von Limpurg und ihr Land, Forschungen aus Württembergisch Franken, Band 20, Sigmaringen 1982, ISBN 3-7995-7619-3, S. 23 f.
Pfarrkirche auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelische_Pfarrkirche_Obersontheim
Hinweistafel an der Kirche
Kirchengemeinde:
https://www.kirchenbezirk-gaildorf.de/obersontheim/
Geschichte:
https://www.kirchenbezirk-gaildorf.de/obersontheim/kirchen/pfarrkirche-in-obersontheim/
Ort auf Leo-BW:
https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/3179/Obersontheim+-+Altgemeinde~Teilort und https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/3167/Obersontheim
Ortslexikon BW:
https://www.orte-bw.de/public/show.php?ID=3167&ID_time=2010
Steffen Hinderer: Die Schenken von Limpurg:
https://adw-goe.de/fileadmin/dokumente/forschungsprojekte/resikom/pdfs/HBIV/A_B_C_Limpurg.pdf
Geschichte von Obersontheim:
https://www.obersontheim.de/fileadmin/Dateien/Dateien/Geschichte/LINK2-4obersontheim.pdf
Oberamtsbeschreibungen:
https://de.wikisource.org/wiki/Beschreibung_des_Oberamts_Gaildorf/Kapitel_B_16

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Ein Erbstreit und die heraldischen Folgen: das Schicksal des Limpurger Territoriums

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