Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2629
Wernges (zu Lauterbach, Vogelsbergkreis)

Die Martin-Luther-Kirche in Wernges

Die evangelische Martin-Luther-Kirche (Name seit 1983) des Lauterbacher Stadtteils Wernges (1971 eingemeindet), ca. 5 km nordostnördlich des Lauterbacher Stadtzentrums gelegen, befindet sich im Ortszentrum an der Einmündung der Kirchgasse in die Udenhäuser Straße. Die von Riedesel konvertierten bereits 1527. Lauterbach ist seit 1529 evangelisch; die Reformation wurde vermutlich unter dem Lauterbacher Pfarrer Johannes Hachenberg eingeführt. Einige Bewohner des Dorfes Wernges schlossen sich sogar den Wiedertäufern an. Erst mußten die Bewohner von Wernges nach Lauterbach zur Messe gehen. Die erste eigene Kirche in Wernges war eine 1677 errichtete Fachwerkkirche. Sie wurde 1794-1796 durch die gegenwärtige Kirche ersetzt. Der Bau ist eine der letzten noch in alter barocker Tradition errichteten, herrschaftlichen Dorfkirchen, wie sie für den östlichen Vogelsbergkreis typisch sind. Ähnliche Kirchen gibt es in Grebenau, Frischborn, Heidelbach etc. Der kleine Bau besitzt einen dreiseitig geschlossenem Chor und einen frontseitig aus dem Dach herauswachsenden Glockenturm mit achteckigem obersten Geschoß und ebensolcher Laterne und geschweifter Haube. Innen läuft an drei Seiten eine Empore um; die Orgelempore ist der Teil hinter dem Altar. Die zum Kirchenschiff hin gerichteten Brüstungsfelder der Emporen sind mit 25 Szenen aus dem Neuen Testament bemalt. Früher war auch die Decke bemalt, das wurde aber überstrichen. Die Kanzel befindet sich an der Südwand vor dem Choransatz.

 

Das Wappen über dem Westportal zeigt an, daß Wernges zur Herrschaft der Riedesel von Eisenbach gehörte. Deren weitgehend in sich geschlossener Herrschaftsbereich lag als reichsritterschaftliches Territorium eingekeilt zwischen den regionalen Großmächten Hochstift Fulda, Fürstentum Isenburg, Landgrafschaft Hessen-Darmstadt und Landgrafschaft Hessen-Kassel und umfaßte sechs Gerichtsbezirke: Zent Lauterbach (wozu Angersbach, Heblos, Lauterbach, Wernges, Wörth, Wallenrod, Reuters, Maar, Rimlos und der Hof Saasen gehörten), Stockhausen und Landenhausen, Engelrod und Hopfmannsfeld, Moos und Freiensteinau. Wernges war ein Allodialgut, die Stadt Lauterbach war hingegen ein fuldisches Lehen. Später kamen noch Herbstein, Ulrichstein und Salzschlirf zum Territorium hinzu. Außerhalb dieses Territoriums lagen Ober-Ohmen und Ludwigseck. Mit dem Nachbarn Hessen bestand eine besondere Beziehung, weil die von Riedesel Erbmarschälle von Hessen waren. Mit den beiden größten und damit potentiell gefährlichsten Nachbarn schlossen die von Riedesel Verträge zur Absicherung ihres Territoriums, 1684 mit Fulda und 1713 mit Hessen-Darmstadt. Die von Riedesel besaßen das Patronatsrecht in Wernges. Mit der Mediatisierung 1806 kam die Herrschaft und damit auch Wernges zum Großherzogtum Hessen.

 

Das Wappen der Freiherren Riedesel von Eisenbach ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Gold ein schwarzer, hersehender Eselskopf mit einem dreiblättrigen Riedgras im Maule (Stammwappen Riedesel), Feld 2 und 3: in Rot zwei schräggekreuzte goldene Turnierlanzen (wegen Eisenbach), Herzschild: in Schwarz drei (2:1) silberne Zinnentürme (Alt-Eisenbach). Die Tinkturen des Herzschildes werden nach einer Zeichnung von Rudolf Karasek als schwarz-silbern angegeben, ebenso im Rietstap und im Siebmacher Band: He Seite: 22 Tafel: 24 sowie Band. Pr Seite: 60 Tafel: 77. Es gibt aber auch alternative Angaben, im Siebmacher Band: Sa Seite: 15 Tafel: 14 ist die Feldfarbe fälschlicherweise grün, ebenso in einem Tyroff-Druck, eine Zeichnung von Alexander von Dachenhausen hat eine blaue Feldfarbe. Die Anordnung der Türme ist hier 2:1, oft ist auch eine umgekehrte Anordnung 1:2 zu beobachten, so in Frischborn und in Lauterbach an der Stadtkirche. In Angersbach an der Pfarrkirche ist es wieder eine 2:1-Anordnung. Zu diesem Schild werden zwei Helme geführt, Helm 1 (rechts): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits mit einem goldenen Schildchen (hier nicht aufgelöst) mit dem schwarzen, hersehenden Eselskopf und den grünen Riedgrasblättern im Maul belegt (Stammhelm Riedesel), Helm 2 (links): auf dem gekrönten Helm mit rot-goldenen Decken zwei schräggekreuzte goldene Turnierlanzen (wegen Eisenbach). Hier sind die Turnierlanzen gestalterisch hinterfangen, um sie in Reliefarbeit aus dem Stein herausarbeiten zu können; die seitlichen Palmwedel sind ohne Signifikanz. Andere Wappensteine lösen das Problem durch Einsetzen metallener Lanzen (Stadtkirche Lauterbach).

Ein weiterer bauplastischer Schmuck ist an der Südseite zum Spielplatz hin zu sehen: Zwei etwas naiv dargestellte Engel halten eine Krone, darunter ist die Inschrift zu lesen: "Bewa(h)re deinen / Fuß, wen(n) du zum / Hause Gottes ge/hest und komme /  daß du hörest. / Pred. 4. V.17 / 1796". Etliche Einschußlöcher im Stein zeigen an, daß dieses Relief mal als Zielscheibe mißbraucht wurde.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.6767603,9.4196722,17z - https://www.google.de/maps/@50.6767603,9.4196722,665m/data=!3m1!1e3
Wernges bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wernges
Wernges im Historischen Ortslexikon:
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/535011100
Liste der Kulturdenkmäler in Wernges:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kulturdenkmäler_in_Wernges
Geschichte der Kirche in Wernges:
http://www.wernges.de/christianisierung-kirche.html
Herrschaft Riedesel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_Riedesel
Riedesel von Eisenbach bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Riedesel
Kirche Wernges auf den Seiten des Stadtteiles:
http://www.wernges.de/christianisierung-kirche.html
Rudolf Buttlar-Elberberg: Stammtafeln Riedesel I-V, in: Stammbuch der Althessischen Ritterschaft. 1888, S. 129-137 -
http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PID=PPN513401067
vermehrtes Wappen Riedesel:
http://wiki-de.genealogy.net/Datei:Wappen_Riedesel_II_Althessische_Ritterschaft.png - http://www.riedesel.org/wp-content/uploads/wappenfze.jpg
Genealogie der von Riedesel:
http://www.riedesel.org/search/
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