Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2681
Hübenthal (zu Witzenhausen, Werra-Meißner-Kreis, Hessen)

Schloß Berlepsch

Schloß Berlepsch liegt einsam und landschaftlich idyllisch auf einem Bergsporn über einem Seitental der Werra zwischen der A7, Friedland und Witzenhausen, an der kürzesten Stelle nur 580 m von der Grenze zwischen Hessen und Niedersachsen entfernt. Es besteht aus einer dreiseitig umbauten Kernburg mit engem Innenhof und zwei Treppentürmen und einem weitläufigeren Vorhof (Vorburg). Der Zugang erfolgt an der Südostecke, dort gelangt man hinter dem äußeren Burgtor in einen langgezogenen und schmalen Torzwinger, ehe ein zweites Tor, flankiert durch ein Rondell mit Schießscharten und einen quadratischen Turm, den Zugang von Nordosten her in den äußeren Burghof öffnet. Die ältesten Teile der Burg sind Portal und Wehrmauer der Zugangsseite im Nordosten, dort findet man die Datierung auf das Jahr 1369. An der Südseite bestand einmal ein Halsgraben, doch der ist vollständig verschwunden. Statt dessen gliedern Gartenterrassen den Hang. Überraschend ist, daß der Burg ein Bergfried fehlt.

Die aus dem Niederadel emporgestiegene Familie der von Berlepsch, in deren Besitz sich das Schloß nach wie vor befindet, gehört zur althessischen Ritterschaft, auch wenn es sich ursprünglich um ein niedersächsisches Geschlecht handelt. Der Familienname leitet sich ab von Berlevessen bei Hannover, heute Barlissen (Landkreis Göttingen). Nachdem der alte Stammsitz 1369 zerstört wurde, zog die Familie erst in die landgräflich-hessische Lehnsburg Bischoffhausen, dann baute sie sich ab 1369 ihren neuen Sitz hier bei Witzenhausen. Der Erbauer von Schloß Berlepsch war Arnold von Berlepsch (-1372). Landgraf Heinrich II. von Hessen belehnte ihn außerdem mit den Dörfern Hübenthal, Hermannsrode, Albshausen, Grebenhain etc. Ebenfalls seit 1369 hat die Familie das Erbkämmereramt in Hessen. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt die Kemenate auf unregelmäßig rechteckigem Grundriß, die den Westflügel der Kernburg bildet und extrem massive Wände hat.

Diese Linie erlosch jedoch schon mit Arnolds Sohn, dem kinderlosen Hans von Berlepsch, im Jahre 1392. Der hessische Landgraf betrachtete Berlepsch als heimgefallenes Lehen und zog es ein, trotz noch anderer existierender Linien, die vergebens protestierten. Thilo von Berlepsch, der als Burgmann auf Burg Ziegenberg lebte, brachte sich in den Besitz der Burg, woraufhin hessische Truppen 1400 diese erste Burg mit Waffengewalt eroberten, zerstörten und wieder für sich aufbauten. Eine halbrund geschnittene Bastion in Tornähe stammt aus dem Jahr 1407. Erst 1461 wurde Sittich von Berlepsch im Tausch gegen die Burg Sensenstein mit der Burg erneut belehnt, und die Burg Berlepsch war seitdem wieder in Besitz der Familie. 1458 hatte Sittich von Berlepsch bereits die Erbkämmererwürde von Hessen in Nachfolge der erloschenen Linie erhalten.

Nach dieser erneuten Belehnung wurde die Burg im 15. und 16. Jh. mit Mauern und Türmen verstärkt. Aus dieser Zeit stammen die äußere Ringmauer mit mehreren halbrunden Rondellen und der Zwingeranlage zwischen dem ersten und dem zweiten Tor. Die ganze Kernburg wurde im 16. Jh. im Stil der Renaissance umgebaut. Auch die Kemenate wurde im 16. Jh. verändert, wie man an den Fenstergewänden mit abschließenden Schulterbögen im Obergeschoß sieht. Der Ostflügel der Kernburg gegenüber entstand Anfang des 16. Jh., der verbindende Südflügel Ende des 16. Jh. Im Eck wurde ein die Kemenate und den neuen Südflügel miteinander verbindender, polygonaler Treppenturm eingebaut, der die beiden Trakte verklammerte und auf 1593 datiert ist. Vom einst an diesem Turm angebrachten Allianzwappen sind nur noch unidentifizierbare Brösel übrig (Abb. unten), wahrscheinlich war es einmal für Hans Christoph von Berlepsch und Anna Dorothea von Meysenbug; daß die Helmzier mal ein Flug war, kann man noch nachvollziehen. Nach Norden wird der Hof der Kernburg durch eine Mauer mit einfachem Tor geschlossen.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde Schloß Berlepsch mehrfach angegriffen, 1623 von Tillys Truppen, 1625 von Wallensteins Truppen und 1631 wieder von Tillys Truppen, außerdem zogen noch der kaiserliche Feldmarschall Johann von Aldringen sowie der kurbayerische Heerführer Otto Heinrich Graf Fugger durch, 1632 dann noch braunschweigische und hessische Truppen. Diese Belagerungen hinterließen schwere Schäden an der Bausubstanz. Der Nordflügel der Kernburg ging komplett verloren, der Rest war schwer beschädigt. Die ganzen Besitzungen lagen wirtschaftlich darnieder, die Familie war mit 48000 fl. verschuldet, niemand konnte die Felder bestellen und Erträge erwirtschaften. Reinhard von Berlepsch geriet in Gefangenschaft und mußte 1633 teuer freigekauft werden. Nur ganz langsam erholte sich die Lage.

Ein kleines Fachwerkhaus am Zugang zum äußeren Burgtor stammt aus dem Jahre 1728; es kontrollierte den Zugang (Abb. oben rechts hinter dem Tor). Was wir heute an Bausubstanz sehen, wird von Umbauten des 19. Jh. geprägt: Zunächst ließ Staatsrat Friedrich Ludwig von Berlepsch um 1800 rings um die Burg, vor allem an der Westseite, einen Landschaftspark im englischen Stil anlegen. 1869 integrierte man in diesen eine Grabkapelle. Der als Ornithologe bekannt gewordene Hans von Berlepsch (29.7.1850-27.2.1915) und sein Vater Karl Friedrich Graf von Berlepsch (17.2.1821-2.9.1893), Mitglied des preußischen Herrenhauses auf Lebenszeit, gaben 1894-1898 bei dem Architekten und Kasseler Konsistorialbaumeister Gustav Schönermark (5.12.1854-13.9.1910) einen Umbau im Stile des hannoverschen Neugotik in Auftrag. Der Ostflügel, mittlerweile verfallen, wurde 1885 neu aufgebaut und dabei um ein Geschoß aufgestockt. Auch der Treppenturm wurde bereits 1875 aufgestockt und bekam oben einen neugotischen Zinnenkranz anstelle des barocken Turmhelmes. Am Südflügel wurde unter Einbeziehung eines Bollwerkes der Burgmauer ein wie ein Chor wirkendes Gebäude angesetzt. An diesem Anbau hat sich der Historismus ausgetobt, es ist geradezu grotesk, wie aus einer ehemaligen Wehranlage ein jedem Wehrgedanken fernes Stück Märchenschloß mit viel zu großen Fenstern, mehreren Balkonen etc. hier an der fortifikatorisch gefährdetsten Stelle entstand. 1893-1894 baute man in den Park im Nordwesten des Schlosses eine neugotische Kapelle, eine einschiffige Backsteinkapelle. Die komplette Innenraumgestaltung des Schlosses wurde historistisch verändert. An der Nordseite der Vorburg entstand ein historistisches Ökonomiegebäude, wo heute eine Schmiede nachgestellt wird.

Ein einziges Wappen existiert am Schloß, direkt am Eingang über dem äußeren Burgtor, in Form einer nachträglich ins Mauerwerk eingepaßten Wappentafel, vermutlich während der umfassenden Neugestaltung im 19. Jh. angebracht. Das Stammwappen der von Berlepsch zeigt in Gold fünf (2:2:1) rotbewehrte grüne Sittiche mit rotem Halsband, auf dem rot-golden bewulsteten Helm mit rot-goldenen Decken zwei auswärts geneigte, sich nach oben verbreiternde rote Stäbe (Spickel, Tuben), an deren Ende an goldenen Kugeln schwarze Hahnenfederbüsche stecken. Ein Leitname der Familie ist Sittich (Sittig, Sitticus).

Das vermehrte Wappen, wie wir es hier über dem Tor sehen, ist geviert, Feld 1 und 4: in Schwarz drei goldene Sparren übereinander, Feld 2 und 3: fünf (hier 3:2) rotbewehrte grüne Sittiche mit rotem Halsband. Dazu werden zwei Helme geführt, Helm 1 (rechts): auf dem rot-golden bewulsteten Helm mit rot-goldenen Decken zwei auswärts geneigte und sich nach oben verbreiternde rote Stäbe (Spickel, Tuben), an deren Ende an goldenen Kugeln schwarze Hahnenfederbüsche stecken, Helm 2 (links): auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken zwei schwarze Büffelhörner, das rechte mit drei goldenen Schräglinksbalken, das linke mit drei goldenen Schrägrechtsbalken belegt. Variante: Jedes Büffelhorn mit den drei Sparren belegt.

Die Wappenvermehrung ist nicht genau geklärt, nach einer Meinung entstand sie durch Vereinigung des Stammwappens mit dem eines anderen, erloschenen niedersächsischen Geschlechts ähnlichen Namens (Theorie von Schannat), nach einer anderen Meinung gehörten beide Wappen zur Familie (Theorie von von Meding). Die heutige Interpretation ist, daß es sich um zwei verschiedene Linien der selben Familie mit unterschiedlichem Wappen handelt, die ältere Sparren-Linie und die jüngere Sittich-Linie. Der Erbauer der Burg, Arnold, gehörte zur Sparrenlinie, während der oben erwähnte Thilo von Berlepsch, der die Burg widerrechtlich in Besitz nahm, aus der Sittich-Linie stammte. Auch die danach Belehnten stammen aus der Sittich-Linie, bis zum heutigen Eigentümer. Nachweise: Alter Siebmacher, Tafel 134, Münchener Kalender 1915, Niedersächsische Wappenrolle 2-928, Grote, Siebmacher Band: He Seite: 4 Tafel: 2, Band: Sa Seite: 7 Tafel: 6, Band: Pr Seite: 34 Tafel: 39, Band: Pr Seite: 85 Tafel: 108, Band: PrGfE Seite: 3 Tafel: 2.

Ein seit 1695 reichsgräflicher Zweig zu Mühlendonk (Myllendonk) ist 1732 erloschen, zu dieser Linie mehr beim Kapitel zum Rheingauer Dom in Geisenheim. Karl Friedrich Ludwig Hans von Berlepsch, das war derjenige, der den neugotischen Umbau von Schloß Berlepsch in Auftrag gab, wurde am 27.8.1869 nach dem Rechte der Erstgeburt in den preußischen Grafenstand erhoben; der Titel ist an den Besitz des Majorats Berlepsch gebunden. Weiterhin gab es mehrere Führungsberechtigungsbestätigungen für freiherrliche Titel, am 24.2.1876 für die Brüder Hans und Richard von Berlepsch, am 18.9.1878 für die Deszendenz des ersten Grafen, am 5.10.1881 für Rudolf von Berlepsch auf Seebach und Großgottern (alles preußische Diplome) und am 26.2.1909 für Hans von Berlepsch im Königreich Sachsen.

 

Die Familie hat zwei Hauptlinien, eine zu Berlepsch und eine zu Seebach. Der gemeinschaftliche Fideikommiß besteht aus den beiden genannten Hauptgütern, Hübenthal, Ellerode, Neuenrode, Freudenthal, Fahrenbach, Dohrenbach, Hambach, Weisbach und Großengottern. Nach 1945 wandelte Hubertus von Berlepsch (-1978) das Schloß in ein Hotel mit Restaurant um, das bis 1980 bestand. Sein Sohn, Hans-Sittich Graf von Berlepsch, nutzte 1980-1982 das Schloß als Zentrum für Heilung, Kreativität und Meditation, eine Kommune für die Anhänger von Osho (Rajneesh Chander Mohan Jain, bekannt als Bhagwan). Das wurde später ins benachbarte Gut Hübenthal verlegt. Danach wurde das Schloß schrittweise saniert. Schloßherr Hans-Sittich Graf von Berlepsch, Landwirt, Goldschmied, Kunsthändler und Restaurator, heiratete Maria-Antonietta von Thuronyi. 2011 öffnete das Schloß wieder für Touristen. Der Ausbau des Tourismus ist des Vorgenannten Sohn, Fabian von Berlepsch, zu verdanken. Seitdem kann man die Schloßhöfe besichtigen, es gibt Führungen im Innenbereich und historisierende "Action" durch Darsteller. Die Räume können für Veranstaltungen und Hochzeiten gebucht werden, und die Gastronomie ist ebenfalls wiederbelebt worden. In der unmittelbaren Nachbarschaft gibt es ein Baumhaushotel.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@51.3951753,9.8313364,16.75z - https://www.google.de/maps/@51.3960819,9.8321715,106m/data=!3m1!1e3
Schloß Berlepsch in der EBIDAT-Datenbank:
http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl?id=7966
Otto Hupp, Münchener Kalender 1915
Niedersächsische Wappenrolle Gesamtausgabe 1910-2012, ISBN 978-3-00-041404-6
Dr. H. Grote: Geschlechts- und Wappenbuch des Königreichs Hannover und des Herzogtums Braunschweig.
von Berlepsch in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Berlepsch_(Adelsgeschlecht)
Familienseite der von Berlepsch:
http://www.v.berlepsch.de/ - einzelne Persönlichkeiten: http://www.v.berlepsch.de/_private/vb-index.htm - das Sittich-Wappen: http://www.v.berlepsch.de/_private/sittichwappen.htm
Schloß Berlepsch, Geschichte:
https://www.schlossberlepsch.de/geschichte.html - Familiengeschichte https://www.schlossberlepsch.de/familievonberlepsch45.html - der heutige Eigentümer: https://www.schlossberlepsch.de/sittichgrafvonberlepsch.html
Schloß Berlepsch auf rambow.de:
https://www.rambow.de/schloss-berlepsch-und-seine-adligen-besitzer.html
Schloß Berlepsch auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Berlepsch
Gustav Schönermark:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Schönermark
Schloß Berlepsch:
http://genwiki.genealogy.net/Berlepsch
Carl Friedrich Ludwig Hans Graf von Berlepsch, Hessische Biographie, in: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS)
https://www.lagis-hessen.de/pnd/1164975897
Peer Zietz: Denkmaltopographie der Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Werra-Meißner-Kreis III, Altkreis Witzenhausen, Vieweg Verlag, Wiesbaden, 1995, ISBN 3-528-06228-2, S. 594-601

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