Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2737
Weißenfels (Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt)

Geleitshaus Weißenfels

Das Geleitshaus (Große Burgstraße 22) ist ein eckständiger, dreistöckiger, in Teilen spätgotischer Bau in der Altstadt von Weißenfels, der in der Renaissance um- und ausgebaut wurde. Das Anwesen liegt direkt westlich unterhalb des Schloßberges; neben dem Gebäude nimmt ein Treppenweg zum Schloß seinen Anfang. Der Bauschmuck beschränkt sich auf ein reichverziertes, 5 m breites und 3,90 m hohes Sitznischenportal und einen übereck angesetzten, über die beiden oberen Stockwerke reichenden und an der Schmalseite auf das Jahr 1552 datierten Kastenerker. Das Haus wurde 1552 als Wohnhaus des sächsischen Kanzlers und Geheimrats Dr. iuris utriusque Hieronymus Kiesewetter (1512-1586) erbaut, der zuvor eine akademische Laufbahn an der Universität Leipzig begonnen hatte, bevor er in sächsische Dienste trat. Hieronymus Kiesewetter war der Sohn von Noah Kiesewetter (1459-1522). Er selbst hatte Benigna von Kommerstadt geheiratet.

Damals zur Bauzeit war das Haus das erste in Weißenfels errichtete Steinhaus in der von Fachwerk dominierten Altstadt. Sein Dienstherr, August von Sachsen, spendierte den Baugrund mit dem Vorgängerbau und die Steine zum Hausumbau. Deshalb ist hier auch das Wappen nicht des Kanzlers, sondern des Herzogs und seiner Frau auf der Breitseite des Erkers angebracht. An den Schmalseiten befinden sich ein Kruzifix und eine Darstellung des Jüngsten Gerichts.

Doch nur ein Jahr später mußte Kiesewetter seinem Dienstherrn, dem Herzog, nach Dresden folgen, um seinen Job zu behalten. Dieser war der nachgeborene Prinz August von Sachsen, der kein eigenes Land hatte, sondern erst 1544 von seinem regierenden Bruder Moritz die Verwaltung des Bistums Merseburg übertragen bekommen hatte, 17 km nördlich von Weißenfels. In diesem Jahr trat Kiesewetter in die Dienste des Herzogs. Nach seiner Heirat 1548 bekam der Herzog eine Hofhaltung in Dresden, außerdem residierte er seit diesem Jahr in Weißenfels. Ansonsten wohnte er auf Schloß Wolkenstein. Nach dem überraschenden Tod seines Bruders Moritz wurde August jetzt selber sächsischer Kurfürst, und er nahm seinen Kanzler mit nach Dresden, der dort der kursächsischen Hofkanzlei vorstand und Mitglied des Hofrates wurde.

Durch einen Besitztausch mit dem sächsischen Kurfürsten erhielt Hieronymus Kiesewetter 1554 das Rittergut Dittersbach (heute: Dürrröhrsdorf-Dittersbach), mit dem auch Eschdorf, Wünschendorf und Bonnewitz verbunden waren. Das Haus in Weißenfels stand nach dem Umzug des Bewohners nach Dresden zunächst zwei Jahre leer, ehe es 1555 vom Kurfürsten aufgekauft und zum kursächsischen Geleitsamt umgebaut wurde. Das Geleitsamt war eine Einrichtung, in der man als Reisender, evtl. noch mit wertvollen Waren im Gepäck, in den damaligen unsicheren Zeiten bewaffneten Geleitschutz bis zum nächsten Quartier in der nächsten Stadt anmieten konnte. Weil es eine landesherrliche Behörde war, bezahlte man hier auch gleich die Gebühren für die Benutzung der Straßen und die Zölle für die mitgeführten Waren.

Am Erker ist auf den Brüstungsfeldern im ersten Obergeschoß ein Allianzwappen aus zwei Schilden angebracht für August Herzog von Sachsen (13.7.1526-12.2.1586) aus der albertinischen Linie und für seine erste Frau, Anna von Dänemark (22.11.1532-1.10.1585). Heraldisch rechts ist der Rautenkranzschild des Herzogtums Sachsen angebracht, von Schwarz und Gold eigentlich neunmal geteilt (hier einmal zu viel), darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz. Gegenüber ist das hier völlig falsch angestrichene Wappen des Königreichs Dänemark zu sehen, das eigentlich in goldenem, mit roten Herzen bestreutem Feld drei blaue gekrönte Löwen übereinander führt.

Hier stimmen nur die Herzchen. Wer das hier so angestrichen oder so in Auftrag gegeben hat, hat vermutlich noch nie im Leben ein dänisches Wappen gesehen. Ein Königreich für einen Eimer Farbe, einen Eimer Farbe für ein Königreich! Welcher heimatliebende Malerbetrieb nimmt sich des Elends an und spendiert dem Haus einen neuen Anstrich dieses Wappens? Egal wer es macht und richtigstellt - bitte melden, ich werde den Betrieb hier lobend erwähnen! So kann es jedenfalls nicht bleiben!

August von Sachsen war eigentlich durch seines Vaters Testament zu gleichem Anteil an dem Erbe bestimmt, doch er ließ sich von seinem Bruder Moritz mit einigen Besitzungen und Nutzung bis zum Ertrag von jährlich 40000 Gulden abfinden. August von Sachsen saß ab 1544 zu Freiberg, Laucha, Sangerhausen, Weißensee, und er war Administrator von Merseburg. Dessen Administration legte er bei seiner Heirat nieder. Ab 1548 saß er zu Weißenfels, wo er die meiste Zeit lebte, Eisenberg und Schwarzenberg. Bereits 1548 erhielt er zu Augsburg die Mitbelehnung mit der Kurwürde. 1553 wurde er nach dem Tod des Bruders Moritz Kurfürst. Er brachte als einer der Hauptakteure 1555 den Augsburger Religionsfrieden zum Abschluß. 1565-1586 war er Administrator von Naumburg. 1569 erwarb er Plauen, Voigtsberg, Adorf, Pausa und Oelsnitz. 1574 ließ er die Anhänger Melanchthons, die Philippisten oder Kryptocalvinisten, stürzen und verfolgen, worauf mit der Konkordienformel die lutherische Orthodoxie in Kursachsen zur Herrschaft gelangte. 1583 erbte er Henneberg, wobei er die Vormundschaft über die Söhne Johann Wilhelms von Sachsen-Weimar mißbrauchte, um sich auf ihre Kosten an der hennebergischen Erbschaft zu bereichern. August von Sachsen war ein bedeutender Bauherr der sächsischen Renaissance: Auf ihn geht das Jagdschloß Augustusburg zurück, er baute das Residenzschloß Dresden um, er ließ Schloß Nossen zum Jagdschloß umbauen und er ließ Jagdhaus Grillenburg errichten. Auch das nach seiner dänischen Frau benannte Schloß Annaburg geht auf ihn zurück; es sollte ihr als Witwensitz und Jagdschloß dienen. Auch Schloß Lichtenburg in Prettin ließ er für seine Frau errichten.

Genealogie zum Wappenpaar:

Im Dreißigjährigen Krieg wohnte Wallensteins Reitergeneral Gottfried Heinrich zu Pappenheim im Erkerzimmer. Ins Rampenlicht der Geschichte trat dieses Erkerzimmer nach der Schlacht von Lützen: Am 6.11.1632 (jul.) bzw. am 16.11.1632 (greg.) ist der schwedische König Gustav II. Adolf (1594-1632) bei Lützen tödlich verwundet worden. Hier wurde er am folgenden Tag aufgebahrt, vom Apotheker Casparus König seziert und einbalsamiert, und von hier begann der große Leichenzug, der den toten König nach Stockholm überführte. Ein entsprechender königlicher Blutfleck im Erkerzimmer wird gezeigt. Nachdem Weißenfels unter dem gleichnamigen Urenkel des am Erker repräsentierten Herzogs Sitz einer Sekundogenitur wurde, machte der in Halle residierende Herzog (1416-1680) das Geleitshaus zu seiner Wohnstätte, bis sein nach den Plänen von Johann Moritz Richter d. Ä. (1620-1667) erbautes Schloß Neu-Augustusburg oben auf dem Burgberg bezugsfertig war, zu dem er am 25.4.1660 den Grundstein hatte legen lassen. Endgültig wurde das Schloß erst 1694 fertig, post mortem. 1815 wurden Stadt- und Landgericht in das Haus in der Burgstraße verlegt. Seit 1879 saß hier das Amtsgericht. Später diente das historische Haus wieder Wohnzwecken. 1932 wurde im Haus von der Deutsch-schwedischen Vereinigung ein Gustav-Adolf-Gedenkraum eingerichtet. Das Haus wurde in den 1990er Jahren grundlegend saniert und am 14.11.1997 wiedereröffnet. Im ersten Obergeschoß befindet sich eine Ausstellung über den Schwedenkönig Gustav Adolf und über den Dreißigjährigen Krieg und ein 1931 hergestelltes Diorama der Schlacht bei Lützen mit 10000 Zinnfiguren. Ein Gastronomiebetrieb führt im Erdgeschoß ein Irish Pub und bewirtschaftet auch die historischen Räume im zweiten Obergeschoß.

Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@51.1994049,11.9732946,21z - https://www.google.de/maps/@51.1994911,11.9732223,56m/data=!3m1!1e3
Deutsche Inschriften, Band
62, Weißenfels (Landkreis), Nr. 136 (Franz Jäger), in: www.inschriften.net, urn: nbn:de:0238-di062l001k0013605, http://www.inschriften.net/landkreis-weissenfels/inschrift/nr/di062-0136.html#content
Geleithaus:
https://www.geleitshaus.com/geleitshaus/ - Museum: https://www.geleitshaus.com/museum/
Weißenfels auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fenfels#Kultur_und_Sehenswürdigkeiten
Geleitshaus auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Geleitshaus_Weißenfels
Michael La Corte:
Emblematik als Teil der profanen Innenraumgestaltung deutscher Schlösser und Herrenhäuser - Vorkommen - Form - Funktion, Cuvillier Verlag Göttingen, S. 11 ff.
August von Sachsen:
https://de.wikipedia.org/wiki/August_(Sachsen)
Anna von Dänemark:
https://de.wikipedia.org/wiki/Anna_von_D%C3%A4nemark_(1532%E2%80%931585)
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9

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