Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2805
Brixen (Bressanone, Südtirol, Italien)

Der Friedhof von St. Michael in Brixen (2): Gedenkstein für Oswald von Wolkenstein

Bei diesem Stein handelt es sich nicht um eine Grabplatte, sondern um einen zu Lebzeiten angefertigten Gedenkstein. Aber die Unternehmung, zu der der Betreffende aufbrach, war zur damaligen Zeit eine so unsichere Sache, daß man sich besser vorher um sein Angedenken kümmerte, und es war um so besser, wenn alles gut ging und man zurückkehrte und noch 37 Jahre nach vorsorglicher Anfertigung dieses Steines lebte. Bei diesem Gedenkstein geht es um den berühmten Dichter und Sänger Oswald von Wolkenstein (ca. 1377-2.8.1445), und die Sache mit ungewissem Ausgang war eine Pilgerreise nach Jerusalem. Im Jahre 1408 brach er ins Heilige Land auf, und vorher gab er diesen Gedenkstein in Auftrag für den Fall, daß er nicht mehr zurückkäme. Wir wissen es besser: Er kam zurück, verstarb erst 1445 und liegt nicht in Brixen, sondern in Neustift begraben; er war 1434 zum Schirmherr des dortigen Klosters ernannt worden. Bei Umbauarbeiten entdeckte man 1973 zufällig sein Grab.

 

Wir bezeichnen Oswald von Wolkenstein besser als spätmittelalterlichen Dichter, Sänger und Komponisten und nicht als Minnesänger, weil er zum einen zeitlich später tätig war als die klassischen Minnesänger, und weil seine Lyrik kein Minnesang war, sondern humorvolle, lebensfrohe Lyrik, die sogar oft ins Derbe, ins Volkstümliche abglitt. Die hochrechteckige Platte zeigt Oswald von Wolkenstein in jungen Jahren, ca. 30 Jahre alt war er damals. Die stilisierte Darstellung zeigt einen Gerüsteten mit Schwert an der Seite, aber barhäuptig mit langem Kinnbart. In der Rechten hält er eine Fahne mit dem Kreuz der Jerusalemfahrer. Den Helm hat er links neben sich, als Kleinod wird zu rot-silbernen Decken ein Paar roter Büffelhörner mit goldenem Kamm geführt, dessen Spitzen mit je vier naturfarbenen Pfauenspiegeln (Pfauenfedern) besetzt sind und die an den Enden jeweils einen Pfauenfederbusch tragen. Die Proportionen sind hier erstaunlich, Helm zu Kleinod verhalten sich wie 1 zu 3; die Helmzier ist also doppelt so groß wie wir heute als angemessen betrachten würden. Oder sagen wir besser, der Helm ist nur halb so groß wie er sein sollte, gemessen am Kopf des Dargestellten. Zu seinen Füßen sind zwei Wappenschilde zu sehen, heraldisch links silbern-rot im Wolkenschnitt schräggeteilt (modifiziert Maulrapp, für die Herrschaft Wolkenstein in Gröden, späteres wolkensteinsches Wappen), gegenüber über rotem Schildfuß in Blau drei silberne Spitzen, die so nach links geneigt sind, daß die eine Kante senkrecht verläuft (von Pradell auf Villanders, Stammwappen des ganzen Geschlechts von Wolkenstein). Hier liegt abweichend die Teilung deutlich höher als bei einem Schildfuß. Hier sind beide Wappen unten auf der Platte noch getrennt, sie wurden fortan in geviertem Schild vereinigt.

Denn die von Wolkenstein sind eine Nebenlinie der Herren von Villanders bzw. der von Pradell auf Villanders, welche 1293 die Burg Wolkenstein in Gröden und das Gericht Wolkenstein erwarb und sich dann danach nannte. In der Generation des spätmittelalterlichen Dichters kam es zu einer Aufteilung der Herren von Wolkenstein in zwei Linien: Sein älterer Bruder Michael (-1543) begründete die Linie zu Trostburg, wobei die Stammburg Wolkenstein auch zu diesem Erbteil gehörte; Oswald begründete die spätere Linie zu Rodenegg, obwohl er selbst Rodenegg noch nicht besaß, sondern die Burg Hauenstein bei der Erbteilung bekam, und auch die zunächst nur zu einem Drittel und erst später ganz. Erst 1491 kam Rodenegg an diese Linie, also an die Nachfahren des Dichters. Die Erhebung dieser Linie in den Freiherrenstand erfolgte erst um diese Zeit auf der Basis der eigenen Herrschaft. Zurück zu den beiden Brüdern Oswald und Michael: Ihre Eltern waren Friedrich von Wolkenstein (-1401), Pfandinhaber von Kastelruth, und Katharina von Villanders. Zwischen den beiden großen Schilden sieht man kleiner einen dritten Schild mit einem Doppelsturzsparren, das ist der Schild der Mutter, Katharina von Villanders (in Rot ein silberner Doppelsturzsparren). Denn die Mutter war die einzige Tochter von Eckhard von Villanders und brachte 1382 als Erbin Burg und Herrschaft Trostburg in Waidbruck an die Familie von Wolkenstein. Die Familie zog sofort um, denn die Trostburg bot viel mehr Komfort als die Burg Wolkenstein, eine kleine Höhlenburg im Schatten einer riesigen Felswand. Die Brüder dürften den größten Teil ihrer Kindheit in der Trostburg verbracht haben. Der ältere Bruder Michael heiratete zuerst Anna von Hohenegg, danach Fulginia Suppan von Mais. Der jüngere Bruder Oswald ehelichte Margaretha von Schwangau. Ein dritter Bruder, Lienhard oder Leonhard, stiftete die kurzlebige Linie zu Aichach.

Doch bis es dazu kam, führte Oswald von Wolkenstein ein aufregendes Leben: Um 1387 verließ er die elterliche Trostburg, also im Alter von ca. 10 Jahren, um Knappe im Gefolge eines fahrenden Ritters zu werden, so daß er viel von der Welt sah. Erst 1399 kam er nach Tirol zurück; da war sein Vater bereits gestorben. Einerseits nahm er am glücklosen Italienfeldzug des Königs Ruprecht von der Pfalz teil. Andererseits setzte er bei seinem älteren Bruder 1407 eine Erbteilung durch. 1408 zog er nach Jerusalem, und 1409 oder 1410 kehrte er zurück, in der Ferne war er Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem geworden. Danach stand er in militärischen und diplomatischen Diensten verschiedener Herrscher. Mit Herzog Friedrich IV. nahm er am Konzil von Konstanz 1415 teil. Dort trat er in die Dienste des Königs Sigismund. Diplomatische Missionen führten ihn nach England, Schottland und Portugal. Dann war er wieder dabei, als die Stadt Ceuta erobert wurde. In Perpignan nahm er 1415 an Verhandlungen zur Beendigung des Schismas teil. Dort erfuhr er Aufnahme in den aragonesischen Kannenorden, den man auf einem seiner Portraits dargestellt findet, sowohl als Abzeichen auf einer weißen Schärpe als auch als Halskette, die aus lauter Kannen besteht und von der ein Drache herabhängt. Es ging weiter nach Paris und Konstanz. 1417 heiratete er und wurde dann auf Burg Hauenstein seßhaft und kümmerte sich um Auseinandersetzungen um seinen Besitz. 1431 wurde er in Nürnberg von König Sigismund in den Drachenorden aufgenommen, auch dieser wird auf seinem Portrait von 1432 in der Liederhandschrift B dargestellt, auf der weißen Schärpe oberhalb des Kannenordens und unterhalb des Kreuzes des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem fixiert.

Oswald von Wolkenstein war außerdem recht streitlustig: Mit seinem Bruder und anderen Angehörigen und verschwägerten Personen stritt er heftig um seine Erbanteile in mehreren Prozessen. 1429 bekam der neue Bischof von Brixen einen zünftigen Faustschlag von ihm verpaßt. In seinen späteren Lebensjahren stritt er 1441 mit den Bauerngemeinden auf dem Ritten um Weiderechte, und im Verlauf dieses Streits endeten die Rädelsführer eines Bauernaufstandes in seinem Kerker auf der Folter. Und er nahm natürlich an allen Auseinandersetzungen seines Landesherrn mit der Tiroler Landschaft etc. regen Anteil. Viele Details seines Lebenslaufes hat er selbst in seinen oft autobiographischen Liedern überliefert.

Diese Gedenkplatte war zunächst an der nördlichen Außenwand des Brixener Doms angebracht. Als der Dom umgebaut wurde, wurde sie abgenommen und galt vorübergehend als verschollen. Erst 1843 wurde die Platte wiederentdeckt, mittlerweile arg mitgenommen. Man befestigte die Platte erst an der Außenwand der Nordsakristei, dann versetzte man das Denkmal in den geschützteren Bereich an der Westseite des Alten Friedhofs. Auch diese Gedenkplatte zeigt genau wie die bekannten Portrait-Bilder den Dichter mit geschlossenem rechtem Auge, mit dem Trennstrich in der Augenmitte. 1973 hatte man nach Auffindung seines Grabes seinen Schädel untersucht und festgestellt, daß das Problem eine rechts verkleinerte Augenhöhle war, eine angeborene Fehlbildung. Damit ist die überlieferte Geschichte von der Fechtverletzung in frühen Jahren ins Reich der Legende zu verbannen. Vielmehr führte die leichte Mißbildung zu einer Lähmung der Lidmuskulatur.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@46.716143,11.6576034,20z - https://www.google.de/maps/@46.716143,11.6576034,92m/data=!3m1!1e3
Wolkensteiner Linien:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolkenstein-Rodenegg - https://de.wikipedia.org/wiki/Wolkenstein-Trostburg
Wolkensteiner Genealogie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_der_Wolkenstein
Das Denkmal für Oswald von Wolkenstein in Brixen:
https://www.hiwio.com/de/Artikel/Oswald-von-Wolkenstein-Gedenkstein-Brixen-95
Der Alte Friedhof in Brixen:
https://www.hiwio.com/de/Artikel/Der-Alte-Friedhof-in-Brixen-78
Seiten der Wolkenstein-Gesellschaft:
http://www.wolkenstein-gesellschaft.com/oswald.php - http://www.wolkenstein-gesellschaft.com/leben.php
Ordensmitgliedschaften auf diesem Bild:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Oswald_von_Wolkenstein_2.jpg
Leben des Oswald von Wolkenstein:
http://www.oswald-von-wolkenstein.de/leben.htm
Oswald von Wolkenstein:
https://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/oswald.htm
Oswald von Wolkenstein auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Oswald_von_Wolkenstein
Wappen Wolkenstein in der Fischnaler Wappenkartei:
http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29627&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29628&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29631&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29633&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29634&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29635&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29656&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29666&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29667&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29669&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99 - http://wappen.tiroler-landesmuseen.at/index34a.php?id=&do=&wappen_id=29668&sb=wolkenstein&sw=&st=&so=&str=&tr=99
Wappen Villanders in der Fischnaler Wappenkartei:
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Wappen Maulrapp in der Fischnaler Wappenkartei:
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Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Wappen im Wernigeroder Wappenbuch:
https://www.heraldik-wiki.de/wiki/Datei:Wernigeroder_Wappenbuch_342.jpg
Wappen im Wappenbuch St. Gallen:
https://www.heraldik-wiki.de/wiki/Datei:Wappenbuch_R%C3%B6sch_csg-1084_206.jpg
Wappen im Scheiblerschen Wappenbuch:
https://www.heraldik-wiki.de/wiki/Datei:Wolkenstein-Scheibler137ps.jpg
Josef Resch (Josephus Reschius): Monumenta veteris ecclesiae Brixinensis, Brixen 1765, online:
https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10939445?page=,1 - https://books.google.de/books?id=vYxQAAAAcAAJ

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