Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2867
Würzburg (Unterfranken)

Kurie Alt-Lobdeburg (Kurie Lobdeburg)

Diese Domherrenkurie hieß eigentlich Kurie Lobdeburg, wurde aber, weil es gegenüber auch eine Kurie Neulobde(n)burg gab, zur Unterscheidung dann Kurie Alt-Lobdeburg genannt. Diese Kurie verlor aber den Charakter einer Domherrenkurie, d. h. sie wurde aus dem Kreis der vom Domkapitel verwalteten und den Klerikern vergebenen Kurien herausgelöst und privatisiert, also zum Privateigentum der besitzenden Familie. Das ging so vonstatten: Lothar Franz von Schönborn (nicht Fürstbischof von Würzburg!) bekam zunächst 1712 vom Würzburger Domkapitel die Kurie Alt.Lobdeburg. Der damalige Würzburger Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths bekam dafür von ihm als eine Art Ablöse ein Grundstück am Rennweg, was ihm für sein Schloßprojekt gelegen kam und seinen dortigen Baugrund vergrößerte. Und das Domkapitel bekam dafür vom Fürstbischof dessen privaten Hof Plönlein und ein Vikarienhaus, und dazu wurden drei angrenzende Bürgerhäuser hinzugekauft. Aus den fünf letztgenannten Positionen wurde ein Ganzes geformt, der Bauplatz für die Kurie Neulobde(n)burg. Im Endeffekt hatte das Domkapitel also eine Kurie in Privatbesitz entlassen und wiederum aus ehemaligem Privatbesitz den Bauplatz für eine andere Domherrenkurie hinzugewonnen. Lothar Franz von Schönborn gab ein privates Grundstück und privatisierte dafür die ehemalige Domherrenkurie. Und der Fürstbischof gab privaten Besitz fort und bekam an anderer Stelle einen Schloß-Bauplatz. Und seitdem gibt es eine alte und eine neue Kurie Lobde(n)burg.

In enger Nachbarschaft lagen noch mehr Domherrenkurien, gegenüber auf der anderen Straßenseite die große Kurie Grindlach und zur Weide und die Kurie Neulobde(n)burg. Die Kurie Alt-Lobdeburg war eingerahmt von der Kurie Osternach im Westen, der Kurie Kugelberg im Rücken (im Norden) und der Kurie Katzenwicker östlich im Eck bis zur alten mittelalterlichen Stadtmauer reichend. Der Name der Kurie kommt von der in der Mitte des 15. Jh. erloschenen Familie von Lobdeburg, die mit Otto I. und Hermann I. zwei Würzburger Fürstbischöfe im 13. Jh. stellte. Im heutigen Stadtplan war der Standort der Kurie der Bereich Hofstraße 9 und 11 sowie Domerpfarrgasse 2.

Diese Domherrenkurie war vor der Privatisierung durch Lothar Franz von Schönborn in den Händen von Domherren aus ganz unterschiedlichen Familien. Zu den Besitzern zählten die Familien von Wertheim, von Rieneck, Truchseß, von Liechtenstein und von Schwarzenberg. Zweimal wurde der Domherrenhof geplündert, einmal im Bauernkrieg 1525 und ein zweites Mal beim sogenannten Grumbacheinfall 1563, eine Folge der Machenschaften des Mordauftraggebers und gewissenlosen Intriganten Wilhelm von Grumbach, der jeden ins Unglück stürzte, der mit ihm zu tun hatte. Als die Schweden 1632 Würzburg besetzten, suchte man ein Quartier für den schwedischen Reichskanzler Axel Oxenstierna, dabei kam man auf die Domherrenkurie, rümpfte aber angesichts deren baulichen Zustandes die Nase: "ein gar alter und schlechter Hof, nur für etliche Pferde gut".

Ein zweites Leben bekam der Domherrenhof durch besagten Grundstücks-Ring-Tausch 1712. Lothar Franz von Schönborn, Fürstbischof von Bamberg und Mainz tauschte nicht in seiner Funktion als Kleriker, sondern er wollte hier an dieser Stelle ein Stadthaus für seine Familie bauen, also eine private städtische Familienresidenz. Zu diesem Zweck hatte er bereits vom Oberstallmeister Johann Werner Schenk von Stauffenberg einen Teil der angrenzenden, ebenfalls säkularisierten Kurie Kugelberg angekauft. Es blieb aber bei einer oberflächlichen Gebäudekosmetik und "Schönbornisierung", wozu der hier gezeigte Wappenstein gehörte. Zu einem kompletten Neubau kam es nie. Der Neffe des Erwerbers war Johann Philipp Franz von Schönborn, der 1719 Fürstbischof von Würzburg wurde. Mit ihm zogen hochfliegende Pläne ein: Residenz-Neubau. Den nun überflüssigen Schönborn-Hof nutzte man nur als Absteigequartier, bis man ihn vermietete und schließlich verkaufte. Gastwirt Franz Fritz baute den Hof 1802 zum "Gasthof zum Herzog zu Franken" um, später hieß er "Gasthof zum Bayerischen Hof". 1897 kam das nun dreistöckige Anwesen in den Besitz der Familie Memminger, erst Anton Memminger, der Begründer der Bayerischen Landeszeitung, dann 1912 Thomas Memminger. Im Gebäude waren Zeitungsverlag und Buchhandlung untergebracht. Beim verheerenden Bombardement der Stadt am 16.3.1945 wurde die säkularisierte ehemalige Kurie schwer getroffen und in den Folgejahren abgerissen. Die Städtische Sparkasse Würzburg, heute Sparkasse Mainfranken, baute in den 1970er Jahren auf dem Gelände ihren Hauptsitz.

In der Schalterhalle der Sparkasse Mainfranken werden in einem großen schwarzen Schaukasten die wenigen erhaltenen Fassadenelemente ausgestellt, ein Wappenstein und zwei Plastiken in Form flankierender Putten. Die originale Anbringung war auf der Südseite der Kurie in der Portalachse über dem Fenster des ersten Obergeschosses. Das ovale Wappen war in die Lücke des gesprengten Dreiecksgiebels eingelassen, und die beiden Putten lagerten auf den schrägen Seitenteilen des Sprenggiebels. Das Portal darunter besaß einen leicht verkröpften geschlossenen Segmentbogengiebel, in dessen Mittelfeld sich die Bauinschrift befand.

Jahrelang stand das Ensemble im Schaufenster der Sparkasse, seit kurzem hat man den drei Kunstwerken eine schwarze Vitrine mit ovalen Öffnungen mit wirkungsvoller Beleuchtung in einem Gang seitlich der Haupt-Schalterhalle gegönnt, und dabei bekam das Wappen einen neuen Anstrich, wobei man allerdings den vorhandenen falschen Anstrich nicht korrigierte, sondern die vorhandenen Fehler mit übernahm. In korrekter Farbgebung ist der gräfliche Wappenschild der Adelsfamilie von Schönborn geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Rot drei (2:1) silberne Schildchen (reichsständische Herrschaft Reichelsberg), Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Balken, begleitet von 3 (2:1) silbernen Rauten (Herrschaft Heppenheim, von Heppenheim genannt von Saal), Herzschild: in Rot auf drei silbernen Spitzen ein schreitender goldener Löwe mit blauer Krone (Stammwappen von Schönborn). Das Wappen wird hier in einer barocken, gekrönten Kartusche und ohne Oberwappen geführt. Es handelt sich um das reine Familienwappen ohne kirchliche Elemente.

 

Beim alten und wieder beim neuen Anstrich sind drei Fehler passiert: 1.) die Reichelsberger Schildchen müssen silbern sein, nicht golden, 2.) die Heppenheimer Rauten müssen silbern sein, nicht golden (daß sie eigentlich aufrecht stehen und nicht liegen, ist eine Ungenauigkeit der Steinmetzarbeit und historisch), 3.) der Heppenheimer Balken ist ein silberner Balken und nicht eine doppelte goldene Bordierung eines blauen Balkens. Weiterhin könnte man die Krone des Schönborner Löwen noch blau absetzen, so wie es auch im Stammwappen der Fall ist. Es ist schön, daß dieses wertvolle Fassadenelement gerettet wurde und an die einst hier bestehende säkularisierte Kurie erinnert, und daß das Wappen eine repräsentative Aufstellung gefunden hat. Noch schöner wäre es, wenn man die Farben noch richtigstellen würde, um auch korrekt an eine der für Würzburg und das Hochstift wichtigsten Familien zu erinnern. Und noch ein Fassadendetail der Kurie Alt-Lobdeburg hat überlebt: Die ehemals in eine Fassadennische eingelassene Hausmadonna der Kurie ist heute am Westflügel des Rathauses im Innenhof angebracht.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.793651,9.9344152,20z - https://www.google.de/maps/@49.793651,9.9344152,81m/data=!3m1!1e3
Sparkasse Mainfranken:
https://www.sparkasse-mainfranken.de/de/home.html
Kurie Alt-Lobdeburg im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Kurie_Altlobdeburg - in alter Aufstellung im Schaufenster: https://wuerzburgwiki.de/wiki/Datei:Wappen-Altlobdeburg-Sparkasse.jpg - Kurie vor der Zerstörung: https://wuerzburgwiki.de/wiki/Datei:Kurie_Altlobdeburg_Portal_Suedfassade_undatiert_vor1945.jpg
Jörg Lusin: Die Baugeschichte der Würzburger Domherrnhöfe, hrsg. vom Verein Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. und vom Würzburger Diözesangeschichtsverein, Würzburg 1984, S. 73 ff.
Thomas Memminger: Würzburgs Straßen und Bauten, Gebrüder Memminger Verlagsbuchhandlung, 2. Auflage, Würzburg 1921, S. 86
Veröffentlichung der Innenaufnahmen mit freundlicher Erlaubnis der Sparkasse Mainfranken vom 4.4.2022, dafür ein herzliches Dankeschön
Lothar Franz von Schönborn auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lothar_Franz_von_Schönborn
Friedhelm Jürgensmeier: Lothar Franz von Schönborn, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 227 f. -
https://www.deutsche-biographie.de/gnd118729187.html#ndbcontent - https://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016333/images/index.html?seite=241

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