Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2869
Würzburg (Unterfranken)

Das Talavera-Schlößchen

Die sogenannte Talavera ist den meisten Würzburg-Besuchern bekannt als riesengroßer, lange noch kostenfreier Parkplatz und als Rummelplatz für jede Art von Massenbelustigung und Kirmes ("Festplatz", Frühjahrs-Volksfest, Kiliani-Volksfest). Der Platz liegt im Stadtbezirk Zellerau am westlichen Mainufer in der Nähe der Friedensbrücke und gegenüber von Luitpoldgraben und Sieboldgarten. Im Zentrum des Parkplatzes ist ein rechteckiger, baumbestandener Bereich von ca. 63 x 66 m ausgespart, in dessen Herzen sich etwas tiefer liegend das Talavera-Schlößchen befindet. Der Kontrast könnte kaum größer sein: Dort finden wir barocke Lustarchitektur, deren Gartenbereich abends als Biergarten und nachts als Partyschuppen genutzt wird. Entsprechend versifft wirkt das ganze Areal, und wenn hier nicht ein schönes Wappenpaar wäre, würde man kaum einen Fuß in die Hinterlassenschaften der letzten Party setzen, über die alte Kastanienbäume gnädig ihre Äste ausbreiten. Es ist schade, daß der Stadt Würzburg für dieses barocke, denkmalgeschützte Lustschloß als Eigentümerin keine angemessenere Nutzung einfällt.

Der Bauherr des Lustschlößchens war der Würzburger Domherr Franz Georg Faust von Stromberg (24.7.1666-22.3.1728). Er war der Sohn von Franz Ernst Faust von Stromberg und Maria Susanna Kottwitz von Aulenbach. Seine vier Großeltern waren Johann Philipp Faust von Stromberg und Eva Frey von Dehrn väterlicherseits sowie Wolf Albrecht Kottwitz von Aulenbach und Katharina Maria von Diemantstein mütterlicherseits. Es ist der gleiche Domherr, dessen Wappen an der Kurie Vituli in der Ebrachergasse über dem Portal angebracht ist, denn er ließ auch diese Kurie neu erbauen. Während jene aber eine Domherrenkurie war und damit Klerikern vorbehalten war, war das Talavera-Schlößchen Privatbesitz. Auf dem Türsturz ist in golden ausgemalten Lettern die Abkürzung "F. F. F. V. S. 1719" eingeschlagen, was für Franz Freiherr Faust von Stromberg steht.

Franz Georg Faust von Stromberg bekam am 27.7.1675 in Würzburg eine Dompräbende, nachdem Philipp Adam von Elkershausen gen. Klüppel von der seinigen resigniert hatte. Am 27.8.1691 wurde er Mitglied des Domkapitels. Am 14.7.1714 wurde er Domcantor und am 3.8.1720 Jubiläus. Im Hochstift Würzburg war er Kammerpräsident. Weitere Kanonikate hatte er in Bamberg und in Mainz. Außerdem war er Propst von St. Martin in Forchheim. Er war hochfürstlich-würzburgischer und bambergischer Geheimer Rat, Vizedom in Würzburg und Präsident der geistlichen Regierung in Bamberg.

Wie mehrere andere Mitglieder der adeligen Oberschicht Würzburgs wollte sich der Domherr vor den Stadtbastionen ein Gartenschloß erbauen, dafür kaufte er die sandigen Mainauen in der Zellerau - die aus gutem Grund noch zu haben waren: Es war Überschwemmungsgebiet. 1719 ließ er seinen Sommersitz als wohlproportionierten, querrechteckigen, zweigeschossigen, fünfachsigen Pavillon mit dreiachsigem Mittelrisalit und mit Mansarddach errichten und einen Garten mit Zierbrunnen, Wasserkunst, Allee und Gartenhaus anlegen. Der Architekt war vermutlich Joseph Greissing, dafür sprechen die eleganten und wohlausgewogenen Proportionen, die stilistischen Formen von Tür- und Fenstergewänden und die elegante, halb gewendelte, balustradengesäumte Holzstiege im Inneren. Wegen der beim Kauf unberücksichtigen Hochwassergefahr mußte der Bauherr eine tief gegründete Mauer zum Hochwasserschutz errichten, die den Gesamteindruck nachteilig beeinflußte.

Über dem Portal des Talavera-Schlößchens sehen wir ein Allianzwappen Faust von Stromberg und Fuchs von Dornheim. Der Wappenschild der Faust von Stromberg ist golden-rot geschacht (hier fälschlicherweise umgekehrt), im rechten Obereck (im ersten, eigentlich goldenen Schachfeld) ein schwarzer Stern (der durch den umgekehrten Anstrich des Schachs hier fälschlicherweise auf einem roten Feld zu liegen kommt). Nicht dargestellt ist die Helmzier, das wäre zu rot-goldenen Decken ein roter Turnierhut, in dessen Hermelinaufschlag zwei golden-rot geteilte Fähnchen stecken, und der oben mit einem Stern besetzt ist. Das andere Wappen der Fuchs von Dornheim zeigt in Gold einen roten Fuchs. Das nicht dargestellte Oberwappen wäre zu rot-goldenen Decken ein gestulpter roter Turnierhut, auf dem ein roter Fuchs sitzt. Im Zwickel zwischen den beiden ovalen Kartuschen lugt ein geflügelter Engelskopf zwischen den schneckenförmig eingerollten Kartuschenabschlüssen hervor; darüber spannt sich die fünfperlige Krone.

Diese Kombination paßt nicht zum Bauherrn, denn er selbst hatte als dem Zölibat verpflichteter Kleriker kein Allianz- oder Ehewappen geführt, und auch zu seinen Eltern paßt es nicht, denn dann müßte der Schild der Kottwitz von Aulenbach zu sehen sein, nicht derjenige der Fuchs, außerdem gäbe es keinen Grund für den Domherrn, das elterliche Ehewappen abzubilden. Nein, dieses Wappenpaar ist nicht für den Erbauer, sondern für dessen Bruder, Friedrich Dietrich Faust von Stromberg (1669-1729), fürstbischöflicher Oberamtmann zu Arnstein. Dieser hatte vermutlich nach dem Tod des Domherren das Anwesen übernommen (Mack führt ihn sogar als eigentlichen Bauherrn), konnte sich aber selbst nur ein Jahr lang daran erfreuen, ehe er seinem Bruder in das Himmelreich folgte, als letzter männlicher Vertreter der Familie.

Friedrich Dietrich Faust von Stromberg hatte in erster Ehe 1720 Maria Anna Amalia von Erthal geheiratet und mit ihr eine Tochter gezeugt, Maria Johanna Eva Josepha Faust von Stromberg (18.12.1723-21.12.1800). Diese Tochter, Erbin und letzte der Faust von Stromberg, heiratete am 10.1738 in Würzburg Anselm Casimir Franz Graf von und zu Eltz (27.6.1709-25.1.1778), wodurch es 1738 zu einer Namens- und Wappenvereinigung beider Familien kam, denn die von Eltz nannten sich fortan Grafen von Eltz gen. Faust von Stromberg. In zweiter Ehe hatte Friedrich Dietrich Faust von Stromberg dann Susanne Amalia Fuchs von Dornheim geheiratet, und dazu paßt dieses Allianz- oder Ehewappen.

Das heißt, daß dieser Wappenstein demnach erst nachträglich angebracht wurde, ursprünglich hatte die Portalarchitektur wohl keinen Wappenstein vorgesehen, und die Gestaltungselemente der Fassade sind so konzipiert, daß nirgendwo Rücksicht auf ein anzubringendes Wappen genommen wurde. Oder andersherum ausgedrückt: Die Tatsache, daß dieses Wappen keinerlei gestalterische Verbindung mit anderen Fassadenelementen aufweist, wie bei einem Baumeister dieser Klasse zu erwarten gewesen wäre, sondern als separat angefertigtes und selbständiges Element auf der Fassade befestigt ist, spricht für eine nachträgliche Anbringung, wofür der Übergang auf den Bruder einen geeigneten Anlaß gegeben hätte. Ein identisches Allianzwappen für das gleiche Ehepaar ist am Neuen Schloß in Trappstadt im Grabfeld angebracht. Der Zuname der Ehefrau stand jedenfalls Pate bei der 2016 gewählten Bezeichnung "Waldschänke Dornheim".

Viel später, als das Lustschloß mittlerweile den Groß von Trockau gehörte, bekam dieses Garten- und Lustschloß den Namen "Talavera": Das ist eine spanische Stadt am Tajo, Talavera de la Reina in der Provinz Toledo. Hier siegte der Herzog von Wellington als Anführer der britisch-spanischen Armee am 27./28.7.1809 über die französische Armee. Der Würzburger Großherzog hatte dem Kaiser Napoléon mehr als 1700 Soldaten für dessen Spanienfeldzug zur Verfügung stellen müssen. Die Benennung nach dem Ort der französischen Niederlage war hintersinniger Ausdruck der Würzburger für ihren Unmut über diese Rekrutierung und für ihre antinapoléonische Haltung. Und von dem Schlößchen ging der neue Name auf die ganze umgebende Fläche über.

Mit dem Ende des Alten Reiches endete die private Nutzung. Seitdem wurde das Talavera-Schlößchen für die Gastronomie genutzt, bereits die Groß von Trockau betrieben hier ein Restaurant. 1952 kaufte die Stadt Würzburg das Gelände auf. Der zugehörige Gutshof und das Gartenhäuschen wurden abgerissen, nur das Schlößchen blieb. Die Fläche war ideal, um dort den ganzen Trümmerschutt des kriegszerstörten Würzburg abzuladen, man war ihn los, mußte nicht weit fahren und bekam so die Fläche hochwasserfrei. Das Schlößchen verlor dadurch sein ganzes Umfeld und stand nun auf einmal in einer Senke, denn natürlich entging es der Anhebung des Bodenniveaus durch die Anschüttung. Die Einbettung in Gartenanlagen - passé. Die freie Lage mit Blick auf den Main - passé. Die Allee, die das Schlößchen früher mit dem Gartenhaus verband - abgeholzt. Einzig die Gastronomie blieb, zuerst als Restaurant mit fränkischer Küche, dann als Event-Schloß, dann ging es bergab: Waldschänke, Biergarten, Disko, Club, Nachtbar, Trennung der Betreiber, Corona-Schließung, Dreckloch, wo die Volksfest-Besucher ihren Müll hinwerfen. So wurde das bereits zweimal von der Stadt renovierte Talavera-Schlößchen zu einem vernachlässigten und vergessenen Kleinod, das Besseres verdient hätte.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7994698,9.9195903,19.04z - https://www.google.de/maps/@49.7995602,9.919406,61m/data=!3m1!1e3
Salver, Johann Octavian: Proben des hohen Teutschen Reichs Adels oder Sammlungen alter Denkmäler, Grabsteinen, Wappen, Inn- und Urschriften, u. d., nach ihrem wahren Urbilde aufgenommen, unter offener Treüe bewähret, und durch Anenbaüme auch sonstige Nachrichten erkläret und erlaüteret, Wirzburg, 1775, S. 634-635 -
https://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0006/bsb00065646/images/
Genealogie:
https://www.geni.com/people/Friedrich-Dietrich-Joseph-Twin-Faust-von-Stromberg-Freiherr/6000000044525998821
Genealogie:
https://www.genealogieonline.nl/genealogie-richard-remme/I646323.php
Fuchs von Dornheim in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Fuchs_(Adelsgeschlecht)
Tilmann Breuer (Bearb.): Bayern I: Franken. Georg Dehio - Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, 1. Aufl., München 1999
Walter Schilling: Die Burgen, Schlösser und Herrensitze Unterfrankens, 1. Aufl., Würzburg 2012
Talavera-Schlößchen im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Talavera-Schlösschen
Domherr Franz Georg Faust von Stromberg im Würzburg-Wiki:
https://wuerzburgwiki.de/wiki/Franz_Georg_Faust_von_Stromberg
Talavera:
http://www.mein-wuerzburg.com/talavera.htm
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
Johannes Mack: Der Baumeister und Architekt Joseph Greissing, mainfränkischer Barock vor Balthasar Neumann, hrsg. von der Gesellschaft für fränkische Geschichte, VIII. Reihe: Quellen und Darstellungen zur fränkischen Kunstgeschichte, c/o Verlag Ph. C. W. Schmidt, 1. Auflage 2009, 797 S., ISBN-10: 3866528167, ISBN-13: 978-3866528161, S. 500-501, S. 643, S. 673

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