Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2950
Segnitz (Landkreis Kitzingen, Unterfranken)

Der neue Segnitzer Gottesacker

Der Segnitzer Friedhof liegt außerhalb des Altortes im Norden in der Nähe der Sulzfelder Straße, vor dem ehemaligen, 1861 abgebrochenen Oberen Tor bzw. Sulzfelder Tor an der Straße nach Sulzfeld. Man gelangt dorthin, wenn man der Kirchstraße in der östlichen Ortshälfte immer weiter nach Norden folgt. Eigentlich hatte Segnitz seinen Friedhof rings um die Kirche, doch 1607 war ein fürchterliches Pestjahr, in dem 90 Personen an der Krankheit starben. Der Platz bei der Kirche reichte dazu nicht mehr aus, deshalb legte man außerhalb einen ganz neuen Gottesacker an. Der neue Friedhof sollte bald darauf erneut in großem Umfange gebraucht werden, denn in den Jahren 1632 und 1634 wütete die Pest erneut in Segnitz. Früher reichte der Friedhof nur bis zum Bahrhaus (Gerätehaus), 1911 folgte eine Erweiterung nach Osten. Deshalb ist dort die alte Umfassungsmauer verschwunden. In den 1960er Jahren wurde ein neuer Zugang im Nordwesten geschaffen.

Die Friedhofsanlage ist von besonderer kunst- und kulturgeschichtlicher Bedeutung, weil am Westrand dieses neuen Friedhofes parallel zur Straße eine extrem langgezogene einstöckige Halle mit ziegelgedecktem Satteldach und mit Holzarkaden steht, in die ein auf 1607 datiertes Renaissance-Portal mit einer zweiflügeligen Holztür führt. Der durch ein kräftiges, schlichtes Gesims abgesetzte Giebel ist mit Zierformen der Renaissance phantasievoll gestaltet. Das Gebäude ist ca. 44 m lang und nur wenige Schritt breit.

Eine erste Tafel links des Bogeneingangs trägt den Text: "Hans Kesenbrod der Alt genand / Schultha(i)s zu Segnitz wo(h)l bekan(n)d / hat di(e)sen Bogen Gott zu ehr(e)n / zu di(e)sem Got(te)sacker tun verehr(e)n / Anno D(o)m(ini) 1607 im Maio". Darüber ist das Wappen des Hans Keesebrod (1536-1616) angebracht, aus einem Dreiberg wachsend ein geflügelter Löwe mit einem blanken Schwert in den Vorderpranken, eine Pranke am Griff und eine an der Klinge. Zusätzlich sind im Schild die Initialen "H" und "K" zur Personalisierung angebracht. Die Tinkturen sind nicht bekannt.

Im Bogenscheitel ist der Schild der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach angebracht, deren Hohenzollern-Stammwappen ist silbern-schwarz geviert. Zur Bauzeit war Joachim Ernst (22.6.1583-7.3.1625, regierte 1603-1625) der in Frage kommende Markgraf. In seiner heutigen Erscheinung ist die Stirnwand Ergebnis einer umfangreichen Renovierung im Jahr 1956, bei der der Bogen und die Bildtafeln als wenig originalgetreue Kopien erneuert wurden. Man sieht deutlich den Unterschied zwischen "alt" (Schrifttafel unten) und "neu" (Wappen oben und weiter unten) mit den scharfen Graten und den ungelenken Formen.

Über dem Portal befindet sich eine zweite Inschriftentafel mit dem aus Bauinschrift und Warnung an die Lebenden kombinierten Wortlaut: "Sechzehen Hundert si(e)ben Jhar / Nach Christi Geburt die Za(h)l War / Als den Gott(e)sacker ahn die St)a)ett(e) / Ein E(h)rbar Gericht  bawen th(a)ett / zue Nutz und Trost der gantzen g(e)mein(de) / Dafür sei Gott die Ehr(e) allein // All die ihr hie(r) fürüber geht / und Mein Schröcklich gestalt anseht / Lebt Gott(e)sfürchtig und ne(h)mbts zu sinn / Den(n) ihr Müs(s)t Werden wie ich bin". Darunter ist als Memento mori ein liegendes Gerippe mit daneben schräggekreuzten Röhrenknochen dargestellt; es erinnert den Besucher an die eigene Vergänglichkeit und mahnt ihn, gottesfürchtig zu leben, ehe es zu spät ist.

Darüber sind drei (2:1) Wappenschilde angebracht. Heraldisch oben rechts befindet sich der brandenburgische Adler, rot auf silbernem Feld. Oben links folgt der Pferdekopf der Zobel von Giebelstadt, rot mit schwarzem Zaumzeug in silbernem Feld. Hier spiegelt sich in der Reihenfolge der Dorfherrschaften sowohl die Rangordnung, Markgraf (regierender Markgraf war zur Bauzeit Joachim Ernst von Brandenburg-Ansbach) vor Freiherr, und auch das Verhältnis der Anteile, Hälfte vor sieben Sechzehntel. Die von Ehenheim mit ihrem einzelnen Sechzehntel spielen hier keine Rolle (sie führen in Schwarz einen silbernen Balken). Der dritte Schild unten stellt den hl. Martin dar als Schutzpatron der Segnitzer Kirche. Alle drei Schilde sind, wie die "moderne" und plumpe Gestaltung belegt, grobe Kopien der vom Zahn der Zeit angenagten Originale.

Entlang der Westwand sind im Inneren mehrere Epitaphien des 16. und 17. Jh. aufgestellt, weiterhin haben sich dort Freskenmalereien aus der Zeit erhalten. Etliche dieser Epitaphien tragen bürgerliche Wappen; die begleitend n der Rückwand angebrachte Dokumentation von Inschriften und Zuordnungen ist vorbildlich.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.6732416,10.1428682,20z - https://www.google.de/maps/@49.6732416,10.1428682,81m/data=!3m1!1e3
Hans Keesebrod in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Keesebrod
vorbildliche Informationstafeln im Ort
Geschichte von Segnitz:
https://www.segnitz-main.de/geschichte
Markgrafen von Brandenburg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Fürstentum_Ansbach
Markgräfliches Amtshaus in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Markgräfliches_Amtshaus_(Segnitz)
Markgraf Joachim Ernst
https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Ernst_(Brandenburg-Ansbach)
Zobel von Giebelstadt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Zobel_(Adelsgeschlecht)
Denkmalpflegerischer Erhebungsbogen Segnitz, Ortsbegehungen im Oktober 2010 und Februar 2011, Erstellung in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege durch Christiane Reichert, Büro für Kunst-und Denkmalpflege, Bamberg, 2011 -
https://www.segnitz-main.de/fileadmin/segnitz-main.de/images/Dorferneuerung/DEB_Segnitz_Teil_1_Text.pdf S. 31

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