Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3039
Niederehe (zu Üxheim, Landkreis Vulkaneifel)

Klosterkirche Niederehe: die Tumba für Philipp von der Mark und Katharina von Manderscheid-Schleiden

In der romanischen Klosterkirche St. Leodegar in Niederehe (ein Ortsteil der Gemeinde Üxheim im Landkreis Vulkaneifel) befindet sich im ältesten Teil, im heutigen südlichen Seitenschiff, eine heraldisch und historisch interessante Tumba (Hochgrab) für den 1613 verstorbenen Grafen Philipp von der Mark und seine 1593 verstorbene Frau, Katharina von Manderscheid-Schleiden. Die Tumba steht im dunkelsten Teil der ohnehin recht finsteren Kirche, und das Material ist noch dunkler: Schwarzer belgischer Marmor wurde für die Tumba verwendet, und  auch künstlerisch steht die Arbeit unter belgisch-niederländischem Einfluß und bildet eine Gruppe mit ähnlichen Arbeiten in Schleiden, Mayschoß an der Ahr (Pfarrkirche St. Nikolaus und Rochus, Grabmal der Katharina von der Mark, gest. 30.10.1645) und im belgischen Reuland (Burg-Reuland, Pfarrkirche St. Stephanus, Hochgrab für Balthasar von Pallandt und seine Frau). Der ausführende Meister ist nicht bekannt. Das Grabdenkmal ist um 1625 entstanden und war früher vor dem Hochaltar aufgestellt. Danach wurde es entfernt und zerstört. Erst 1907 setzte man die Reste zusammen und ergänzte die anderen Teile und stellte die Tumba neu auf, aber an der heutigen Stelle im stockfinsteren Seitenschiff.

Die Inschrift auf der durchgehenden Fußkonsole berichtet davon: "DIESES GRABDENKMAL / DES GRAFEN PHILIPP VON DER MARK HERRN ZU KERPEN GEST. 1613 / UND SEINER GEMAHLIN KATHARINA VON MANDERSCHEID GEST. 1593 - / VON DEM SOHNE GRAFEN ERNST VON DER MARK / UEBER DER RUHESTAETTE SEINER ELTERN INMITTEN DES CHORES DIESER KIRCHE / ERRICHTET, SPAETER ZERSTUECKELT UND TEILWEISE ZERSTOERT - / IST MIT BEIHILFEN / SEINER KOENIGLICHEN HOHEIT DES FUERSTEN LEOPOLD ZU HOHENZOLLERN / DER KOENIGLICHEN STAATSREGIERUNG SOWIE DER RHEINISCHEN PROVINZIAL=/VERWALTUNG WIEDERHERGESTEL(L)T UND AN DIESE STELLE VERBRACHT WORDEN / IM JAHRE 1907." Die originalen Inschriften sind nicht mehr erhalten.

 

Früher gab es für beide Ehepartner je eine 8er-Ahnenprobe. Die für den Ehemann, die einst an der optisch linken Seitenlängswand angebracht war, ist komplett verloren gegangen. Nur auf der rechten Seitenlängswand hat sich diejenige für die Ehefrau erhalten. Dort sehen wir von optisch links nach rechts die Wappen der gräflichen Familien zur Lippe (in Silber eine rote, hier abweichend doppellagige Rose mit goldenem Butzen und grünen Kelchblättern) und von Hoya (halbgespalten und geteilt, Feld 1: in Gold zwei aufgerichtete, abgerissene, schwarze Bärentatzen mit roter Bewehrung, Stammwappen Hoya, Feld 2: drei rot-silberne Teilungen, Neu-Bruchhausen, Feld 3: silbern-blaue Ständerung zu acht Plätzen, Alt-Bruchhausen).

 

Die Reihe wird fortgesetzt mit den Wappen der gräflichen Familien von Solms-Lich (in Gold ein blauer Löwe) und von Waldeck-Eisenberg (in Gold ein schwarzer, eigentlich achtzackiger, hier abweichend nur sechszackiger Stern).

 

Als nächstes folgen die Wappen der Grafen von Neuenahr (in Gold ein schwarzer Adler) und der von Sombreffe (geviert, Feld 1 und 4: in Gold ein roter Balken, oben von drei roten Merletten begleitet, Sombreffe, Feld 2 und 3: in Silber ein roter Zickzackbalken, Kerpen).

 

Zuletzt folgen die Wappenschilde der gräflichen Familien von Virneburg (in Gold sieben (4:3) zu zwei Balken aneinandergereihte rote Rauten) und von Manderscheid-Schleiden (geviert: Feld 1: in Gold ein roter Zickzackbalken, Manderscheid, Feld 2: in Gold ein schwarzer, rotbewehrter Löwe, darüber ein roter Turnierkragen von 3 Lätzen, Blankenheim, Feld 3: in blauem, mit silbernen (oder goldenen) Lilien bestreuten Feld ein silberner Löwe, Schleiden, Feld 4: in Gold ein rotes Schräggitter, hier abweichend nur drei mit einander verschränkte Sparren, Daun).

Die Eltern von Katharina von Manderscheid-Schleiden (-1593) waren Dietrich V. Graf von Manderscheid-Blankenheim-Schleiden (30.3.1508-22.4.1560) zu Manderscheid, Schleiden, Virneburg und Saffenberg, Kerpen, Kronenburg und Neuerburg, und Erika von Waldeck-Eisenberg (19.3.1511-8.10.1560). Katharinas Großeltern waren Dietrich IV. Graf von Manderscheid-Schleiden (14.8.1481-2.7.1551) zu Manderscheid, Schleiden, Kerpen und Virneburg, Margareta von Sombreffe (-1518, Erbin von Kerpen), Philipp III. Graf von Waldeck-Eisenberg (9.12.1486-20.6.1539) und Adelheid von Hoya (-11.4.1513). Katharinas Urgroßeltern waren Kuno I. Graf von Manderscheid-Schleiden (1444-24.7.1489), Mathilde von Virneburg (1499 Erbin von Virneburg, Kronenburg und Neuerburg, Saffenberg und Sombreffe), Friedrich I. von Sombreffe (Herr zu Kerpen), Elisabeth von Neuenahr, Philipp II. Graf von Waldeck-Eisenberg (3.3.1453-26.10.1524), Katharina zu Solms-Lich (-12.12.1492), Otto VII. Graf von Hoya (-21.12.1494) und Anna zur Lippe. Die ungewöhnliche Reihenfolge der Ahnenprobe ist also 8-4-6-2-7-3-5-1.

 

Katharina heiratete Philipp von der Mark-Lumain (1.7.1548-15.4.1613). Er war der Sohn von Johann II. von der Mark und Margareta von Wassenaer-Leiden. Er wollte bzw. sollte eigentlich zuerst gar nicht heiraten, Nachgeborenenschicksal. Er war zunächst Kanoniker und Domherr in drei Stiften, die heute in drei verschiedenen Ländern liegen, erst 1565 Kanoniker zu St. Lambert in Lüttich, 1565-1578 Domherr in Köln, 1575-1579 Domherr in Straßburg. Irgendwann resignierte er von seinen kirchlichen Jobs und heiratete. Auch er wird auf der Tumba liegend dargestellt (Abb. links oben).

Katharina stammte aus einer Familie, die seit 1567 lutherisch war und 1569 die Reformation im Ort einführte. Die Grafen von Manderscheid-Schleiden waren Neuerungen gegenüber aufgeschlossen, und so entwickelte sich Schleiden in der zweiten Hälfte des 16. Jh. zeitweilig zum protestantischen Zentrum der Nordeifel, wobei es mit der Reichsabtei Prüm und der kurkölnischen Prämonstratenserabtei Steinfeld bedeutende katholische Nachbarn in der Eifel gab, nicht ohne Konfliktpotential. Katharina war jedenfalls dem Protestantismus zugeneigt, also wurde diese Kirche geteilt: Chor katholisch, Schiff evangelisch. Für den katholischen Ehemann war diese Heirat dennoch ein Glücksfall: Katharina von Manderscheid-Schleiden (-1594) bekam als Mitgift Schloß Gelsdorf und 6000 Taler, und sie war nach dem Tod ihres kinderlos gebliebenen Bruders Erbin von Schleiden und Saffenberg, so sah er das jedenfalls. Ihr Bruder war nämlich Dietrich VI. Graf von Manderscheid-Kerpen (1538-1.3.1593) zu Virneburg, Wertheim, Roussy, Herr zu Schleiden, Daun und Kerpen. Seine Ehe mit Elisabeth zu Stolberg (-26.6.1612) blieb kinderlos. Damit erloschen die Grafen im Mannesstamm. Philipp von der Mark-Lumain kam durch seine Heirat mit der Schwester an die Besitzungen des Grafen, des letzten seiner Familie. Er selbst war seit 1574/1578 Herr von Lummen (Lumain) und Seraing-le-Château, Vogt von Franchimont, saß dann 1613 in Schleiden, Kerpen und Saffenberg, war außerdem seigneur d'Ottignies, de Grandlez et de Nil-St. Martin.

Das "Erben" war im Detail etwas komplizierter: Seinerzeit hatte Philipp von der Mark-Lumain im Ehevertrag ausdrücklich auf alle Ansprüche auf den Besitz seines Schwiegervaters verzichtet. Aber jetzt, als der Erbfall eingetreten war, sah er diese Erklärung als hinfällig an und verjagte die echten Erben, bemächtigte sich mit Waffengewalt der Besitzungen, nahm selbst die Witwe des letzten Grafen, die auf Schloß Schleiden lebende Elisabeth von Stolberg, gefangen. Sie wurde erst freigelassen, als sie zum zweiten Mal heiratete. Der Burgort Kronenburg und die Saffenburg wurden 1593 mit Waffengewalt genommen. Erst 1613 wurde der Rechtsstreit durch einen Vergleich der Manderscheider Erben beigelegt: Philipp bekam Schleiden (zur Reichsgrafschaft erhoben), Saffenberg, Ottignies und Niel-Saint-Martin in Brabant, Grancey in der Champagne und ein Anteil an Kerpen. Seine Frau überlebte ihren Bruder nur um rund ein Jahr. Die Teilung der Kirche in Niederehe machte der Ehemann 1593 auch rückgängig, noch zu Lebzeiten seiner Frau, und er rief die Prämonstratensermönche in den Ort. Während seiner umstrittenen Regentschaft in Schleiden tastete Philipp von der Mark-Lumain jedoch die lutherische Gemeinde in Schleiden nicht an. Sein Sohn Ernst von der Mark (22.2.1590-17.2.1654) jedoch setzte sich über die testamentarische Bestimmung des letzten Manderscheiders, in der er seinen Nachfolgern ausdrücklich die Verpflichtung auferlegte, das Luthertum in Schleiden zu erhalten und weiter zu fördern, kurzerhand hinweg: Er leitete 1619 in Schleiden die Gegenreformation ein, verbot den evangelischen Gottesdienst und stattete die Schloßkirche wieder mit Altären aus. Nur das private Bekenntnis blieb erlaubt.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.3122806,6.7544556,20.42z - https://www.google.de/maps/@50.3122806,6.7544556,83m/data=!3m1!1e3
Kloster Niederehe auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Niederehe
Tumba auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hochgrab_des_Philipp_von_der_Mark_und_der_Katharina_von_Manderscheid-Schleiden&stable=0
Kulturgüterdatenbank:
https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=4052
Barbara und Hans Otzen: Klosterführer Eifel, CMZ Verlag, Rheinbach 2018
Klöster und Stifte in Rheinland-Pfalz:
http://www.klosterlexikon-rlp.de/eifel-ahr/uexheim-kloster-niederehe/geschichtlicher-abriss.html
Ernst Wackenroder: Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Kreis Daun.
Philipp von der Mark:
https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_von_der_Marck
Herrschaft Schleiden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_Schleiden
Territorialgeschichte: Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Andreas Züll: Die Manderscheider Herrschaft Schleiden im Reformationszeitalter, Vortrag für das Geschichtsforum Schleiden im Evangelischen Gemeindehaus Gemünd am 13.9.2016
Geschichte von Schleiden:
https://www.schleiden.de/rathaus/leben-vor-ort/aus-der-historie/stadtgeschichte/
Pfarreiengemeinschaft Niederehe:
https://www.pfarreiengemeinschaft-niederehe.de/ mit Pfarreien: https://www.pfarreiengemeinschaft-niederehe.de/pfarreien/niederehe/

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