Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3049
Kempten (Allgäu)

Das Häldele

Das sogenannte Häldele ist der Eckbau an der Einmündung des Jahnweges in den Augartenweg, in unmittelbarer Nähe zu den Sportplätzen auf der östlichen Illerseite (Jahnweg 13). Das im Grundriß L-förmige Gebäude, das Anfang des 18. Jh. errichtet wurde, besitzt einen langen, schmalen Flügel entlang des Jahnweges und einen kurzen, breiten Flügel, der entlang des Augartenwegs nach Norden weist. Der zweigeschossige Bau mit abgewalmtem Satteldach besitzt am langen Flügel zwei kleine Zwerchhäuser, jeweils mit einem dreieckigen Volutengiebel. Bevor sich die Stadt hier durch Erweiterungen ausbreitete, war das ein Landgut einer in Augsburg und Kempten beheimateten Patrizierfamilie, der Jenisch.

Die Jenisch sind seit der Mitte des 14. Jh. in Augsburg nachzuweisen, konkret wurde dort 1349 ein Bartolomäus Jenisch geboren. In Augsburg wurde Joachim Jenisch im 16. Jh. Bürgermeister. Von da breitete sich die Familie nach Kempten aus, wo sie zwischen 1646 und 1763 mehrere Bürgermeister stellten. Anfang des 17. Jh. etablierte sich ein weiterer Familienzweig in Hamburg, der im Außenhandel tätig war. Aus dem Hamburger Zweig wurde 1629 Zimbert Jenisch (1587-1645) in den Adelsstand erhoben. Aus dem Kemptener Zweig wurden am 24.10.1746 die drei Brüder Johann Jakob Jenisch, Wolfgang Jakob Jenisch und Matthias Jenisch zu Wien in den Ritterstand erhoben mit dem Prädikat "Edler von Lauberszell". Damit verbunden war das privilegium denominandi, das privilegium de non usu, der kaiserliche Schutz und Schirm und die Salva Guardia (österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 210.28). Vom holsteinischen Zweig wurde Martin Rücker Jenisch 1906 in den preußischen Freiherrenstand erhoben, wobei der Freiherrentitel an den Besitz des Fideikommisses gebunden war, die anderen Familienmitglieder waren nur "von Jenisch". Zum Fideikommiß gehören die Güter Blumendorf und Fresenburg im Kreis Stormarn, 1827 erworben, weiterhin gehörte der Familie ein Anwesen in Klein Flottbek, 1828 erworben. Diese Linie ist vom Mannesstamm her des Namens Rücker, beginnend mit dem zum Erben eingesetzten Dr. Martin Johann Rücker, ein Diplomat und Großneffe von Martin Johann Jenisch d. J. (1793-1857). Der Hamburger Senat genehmigte die Weiterführung von Namen und Wappen der Familie Jenisch, die Freiherrenwürde war jedoch eine preußische Verleihung durch Kaiser Wilhelm II.

Das Stammwappen der Familie Jenisch ist golden-schwarz geteilt mit einer Lilie in verwechselten Farben, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken eine schwarz-golden geteilte Lilie zwischen zwei golden-schwarz geteilten Büffelhörnern. Der Siebmacher von 1605 setzt noch einen goldenen Grind mit ebensolchen Ohren unter die Helmzier, die sonst nicht bestätigt wird. Was wir hier am Gebäude sehen, ist das 1746 für die Ritter von Jenisch, Edle von Lauberzell vermehrte Wappen: Geviert mit eingebogener Spitze, Feld 1 und 4: golden-schwarz geteilt mit einer Lilie in verwechselten Farben, wobei Ober- und Unterteil gleiche Größe haben (Jenisch), Feld 2 und 3: in Rot ein silbernes, goldengegrifftes, gestürztes und schrägrechtsgelegtes Schwert (Hainzl), eingebogene Spitze: in Blau ein aus roten Flammen wachsender, silberner Phönix. Daß hier am Gebäude jedes Feld noch einmal mit einem nicht eingefärbten Bord versehen ist, entbehrt einer heraldischen Grundlage, und es ist auch nicht besonders schön, weil die Motive über dessen Begrenzung hinausreichen. Besser wäre das Feld jeweils vollständig in heraldischen Farben angestrichen. Dazu werden zwei gekrönte Helme geführt, Helm 1 (rechts): zu schwarz-goldenen Decken eine schwarz-golden geteilte Lilie mit gleich großem Ober- und Unterteil zwischen einem golden-schwarz übereck geteilten Flug (modifiziertes Stammkleinod), Helm 2 (links): zu rot-silbernen (hier falsch rot-goldenen) Decken ein goldenes Hifthorn mit roter Schnur zwischen einem rot-silbern übereck geteilten Flug.

Der Vollständigkeit halber hier noch das Wappen der Verleihung 1906: Geviert, Feld 1 und 4: golden-schwarz geteilt mit einer Lilie in verwechselten Farben, Feld 2 und 3: in Rot ein silbernes Schwert, keine eingebogene Spitze, nur ein gekrönter Helm, zu rechts schwarz-goldenen und links rot-silbernen Decken eine schwarz-golden geteilte Lilie zwischen einem rechts rot-silbern, links golden-schwarz geteilten Flug, also eine abgespeckte Version des Ganzen.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@47.7299812,10.3216897,20z - https://www.google.de/maps/@47.72993,10.3217604,58m/data=!3m1!1e3
Liste der Baudenkmäler von Kempten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Kempten_(Allgäu)
Häldele bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Häldele
Michael Petzet: Stadt und Landkreis Kempten, Bayerische Kunstdenkmale, Bd. 5, Deutscher Kunstverlag, München 1959, S. 46
Patrizierfamilie Jenisch auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jenisch_(Familie)
österreichisches Staatsarchiv AT-OeStA/AVA Adel RAA 210.28
https://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=2474629
vermehrtes Wappen
https://www.archivinformationssystem.at/bild.aspx?VEID=2474629&DEID=10&SQNZNR=1
Die Jenisch in Hamburg:
https://shmh.de/de/hamburgwissen/dossiers/die-grossen-clans-jenisch

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