Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3121
Ehingen/Donau (Alb-Donau-Kreis)

Die Martinskapelle beim Ehinger Friedhof

Die katholische Martinskapelle liegt im Osten von Ehingen jenseits der Altstadt am Westende des Friedhofs, in der Gabelung zwischen Ulmer Straße und Heufelder Straße. Diese Kapelle wurde mit der Anlage des neuen Friedhofs erbaut, nachdem der alte städtische Friedhof bei der Stadtpfarrkirche St. Blasius Ende des 16. Jh. niemanden mehr aufnehmen konnte. Die in eigenwilligem, nicht eindeutig einer Richtung zuzuordnendem Stil innerhalb des Friedhofmauerrings errichtete und 1591 geweihte Kapelle lag zur Bauzeit außerhalb der alten Stadtmauern und des längst verschwundenen Ulmer Tors. Während außen die zur Bauzeit konservativen Formen mit Eselrückennischen am Westgiebel dominieren, ist im Inneren eine Renaissance-Kassettendecke im Chor zu sehen, und auch die gute Raumwirkung und die Proportionen im Goldenen Schnitt sind alles andere als spätgotisch. Die Ausstattung ist weitestgehend verloren gegangen, sehenswert sind nur eine um 1520-1530 entstandene Kruzifixskulptur an der Chorwand und eine Ende 17. Jh. entstandene Reitergruppe mit dem hl. Martin links am Chorbogen, dem Namenspatron der Kapelle. Die Pietà im gotischen Stil am rechten Chorbogen ist eine neuzeitliche Nachbildung.

Außen krönt ein achteckiges Glockentürmchen den Westgiebel, das früher eine welsche Haube trug, bei einer von "Re"gotisierungswillen geprägten Renovierung aber einen spitzen Helm erhielt. Der nicht eingezogene Chor ist dreiseitig geschlossen und innen mit einer Bogenwand gegenüber dem Langhaus abgesetzt. Ursprünglich standen innen Renaissance-Altäre, die wurden bei einer Renovierung 1902 durch drei neugotische Altäre ersetzt, während die historischen Melchior-Binder-Altäre mit den Themen "Mariä Verkündi­gung" und "Mariä Krönung" in die Stadtpfarrkirche St. Blasius gebracht wurden. Auch dies war eine gut gemeinte, aber unangebrachte "Re"gotisierungsmaßnahme. 1962 wurden die neugotischen Altäre wieder entfernt, und seitdem ist die Raumwirkung wieder besser und großzügiger.

An der Westwand sind rechts und links des Eingangs zwei historische Grabsteine aufgestellt. Der eine trägt ein Kreuz, der andere aus dem 16. Jh. ist heraldisch interessant. Von einst vorhandenen Inschriften ist aufgrund fortgeschrittener Verwitterung nicht mehr viel zu erkennen. In historischen Beschreibungen wird der Stein der Familie Locher zugeordnet, offentlichtlich muß das früher noch lesbar gewesen sein. Heute kann es nicht mehr verifiziert werden.

 

Zu sehen ist jedenfalls ein Wappen mit einem aus einem Wolkenschildfuß hervorwachsenden Einhorn mit Halsband mit Ring hinten, auf dem Helm das Einhorn wachsend. Wenn es sich um das Wappen Locher handelt, sind die Tinkturen gemäß Siebmacher Band: WüA Seite: 220 Tafel: 122 bzw. Alberti S. 466 folgende: In Silber ein blauer Wolkenschildfuß, daraus hervorwachsend ein Vorderteil eines naturfarbenen Einhorns mit goldenem Halsband mit Ring daran, auf dem Helm mit blau-goldenen Decken das Einhorn wachsend. Die Ulmer Familie Locher brachte mit Jakob Locher (1471-1528) einen bekannten Humanisten hervor, der aber lange vor Errichtung dieser Kapelle starb. Conrad Locher, Stadtammann zu Ulm, und sein Bruder Bartholomäus Locher, königlicher Sekretär, und Conrads Sohn Sigmund Locher sowie die Brüder Jakob und Bartholomäus Locher erhielten am 12.5.1497 zu Augsburg von König Maximilian I. den Adelsstand. Als Besserung wurde der Halsring entfernt, die Helmdecken wurden in blau-silbern geändert, der Helm wurde zum gekrönten Turnierhelm, und das Wappen wurde unter Hinzunahme des Wappens der erloschenen von Epfingen gebessert, also geviert und mit zwei Helmen, Feld 1 und 4: in Silber ein blauer Wolkenschildfuß, daraus hervorwachsend ein Vorderteil eines naturfarbenen Einhorns, Feld 2 und 3: in Gold ein silbern-schwarz nach der Figur geteilter Schrägbalken, Helm 1 (rechts): zu blau-silbernen Decken das naturfarbene Einhorn wachsend, Helm 2 (links): zu schwarz-goldenen Decken zwei goldene, wie das Feld bezeichnete Büffelhörner. Die Familie durfte entweder das gevierte Wappen mit zwei Helmen oder abr die Wappen einzeln führen. Und Dr. iur. utr. Georg Locher, bekam am 24.1.1607 zu Innsbruck von Erzherzog Maximilian eine nächste Wappenbesserung, dabei wurden beide Kleinode zu einem kombinierten Kleinod auf nur einem Helm zusammengelegt, das wachsende Locher-Einhorn zwischen den Epfinger Büffelhörnern zu nun gänzlich schwarz-goldenen Decken. Es sei angemerkt, daß auch andere Ehinger Familien als Wappenmotiv das Einhorn führten und die in der älteren Literatur getroffene Zuordnung nicht als nachvollziehbar und erwiesen betrachtet werden kann.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.2859087,9.7322025,21z - https://www.google.de/maps/@48.2859087,9.7322025,42m/data=!3m1!1e3
Martinskapelle, Seiten der Seelsorgeeinheit Ehingen:
https://www.se-ehingen.de/unterseite-2.php?cat=103&catorder=2
Siebmachers Wappenbücher, Band Württemberg
J. Siebmachers Grosses Wappenbuch Band E. Württembergisches Adels- und Wappenbuch. Im Auftrage des Württembergischen Altertumsvereins begonnen von Otto v. Alberti, Bauer & Raspe 1975 (Reprint), 1112 Texts. mit 4132 Wappen + 122 S. Figurenverzeichnis,
online: http://de.wikisource.org/wiki/Württembergisches_Adels-_und_Wappenbuch - http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=mdp.39015011482067 - https://www.dilibri.de/urn/urn:nbn:de:0128-1-91047 - https://www.dilibri.de/rlb/content/structure/2536369

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