Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3122
Koblenz: Spuren Trierer Kurfürsten

Pfarrhof Liebfrauen (ehemaliger Bischofshof)

Der Pfarrhof Liebfrauen (Florinspfaffengasse 14) befindet sich direkt südlich der Florinskirche jenseits der Danne. Zur der zugehörigen Liebfrauenkirche ist es ein Fußweg von ca. 150 m nach Südwesten. Es ist einer der letzten alten Höfe in der Altstadt, und einer, dessen Bausubstanz man seine alte und vielseitige Geschichte deutlich ansieht. Der Pfarrhof besteht aus mehreren Flügeln und öffnet sich hufeisenförmig nach Westen, wo eine Mauer mit einem barocken Tor den Hof von der Florinspfaffengasse abtrennt. Das Haupthaus ist der Ostflügel; Nord- und Südflügel sind schmal. Durch die Lage schräg zur Danne ist der Grundriß des nördlichen Flügels trapezförmig, so daß seine Stirnseite nur ein einziges Fenster breit ist. Markant sind die beiden an den Hauptflügel an der Nordost- und an der Südostecke angesetzten dicken Rundtürme. Der Nordflügel wird entlang der Danne am Turm vorbei noch einige Meter weitergeführt und stößt an den ehemaligen Eltz-Rübenacher Hof (Kornpfortstraße 15). Zwischen dem ehemaligen Stadtturm "Auf der Danne" und dem nächsten ehemaligen Adelshof hat noch eine einzelne Fensterachse Platz gefunden. Der Innenhof ist rechts und links von zugemauerten Arkaden aus Basalt gesäumt. Über dem über eine kleine Freitreppe zu erreichenden Haupteingang befindet sich eine Madonnennische.

Diese beiden Rundtürme zeigen, daß der Hof an die Ostseite des spätantik-frühmittelalterlichen Kastells gerückt steht. Hier verlief die Mauer des römischen Kastells, nördlich der Danne folgten zwei weitere Türme bis zum turmlosen Moselabschnitt, und südlich des Pfarrhofs folgten noch vier Rundtürme bis zur Südostecke des Kastells, die sich genau östlich der Liebfrauenkirche befand. Zwei dieser römischen Türme sind nach wie vor in dieser Hofanlage bewahrt, der nördliche bis zum Dachansatz, der südliche im unteren Teil, während der obere Teil aus dem 15. Jh. stammt. Erst als die mittelalterliche Stadterweiterung stattfand, verlor der Hof seine Randlage. Dieses nicht weit von der erzbischöflichen Burg entfernte Anwesen war im Mittelalter ein Bischofshof, ein erzbischöflicher Wohnsitz, wenn er von Trier nach Koblenz kam. Hier waren auch die Kellereiverwaltung und das fürstbischöfliche Hofgericht untergebracht. 1600-1682 erfolgte ein völliger Neubau des Hofes; die Pläne dazu machte der kurtrierische Hofbaumeister Johann Christoph Sebastiani (1640-1704), der auch Schloß Montabaur und die alte Burg in Koblenz sowie die in Boppard umbaute und dessen Handschrift auch an der Pagerie, an den "vier Türmen" und im Koblenzer Jesuitenkolleg zu erkennen ist. Typisch für Sebastiani sind der strenge und klassische Stil mit wenig Schmuckformen und die Zweierfenster mit Basaltgewänden. 1688 zerstörte der Artilleriebeschuß der französischen Truppen den Hof. 1701-1702 erfolgte der Wiederaufbau, wieder war Sebastiani der Architekt. Bei dieser Gelegenheit verpaßte man den römischen Türmen nach Aufstockung welsche Hauben mit Laternen. 1709 baute man an der Danne einen zweigeschossigen Erker auf geschwungenen Konsolen an, diese Maßnahme wird Joseph Honorius von Ravensteyn zugeschrieben.

Mittlerweile war der Bischofshof zu alt und klein geworden, um noch standesgemäße Absteige zu sein. Der Kurfürst hatte mittlerweile auch genügend andere und bessere Wohnsitze: Im 17. und 18. Jh. wurde in Ehrenbreitstein Schloß Philippsburg erbaut (1801 zerstört). 1654 bis 1660 baute man das kurfürstliche Schloß in Kärlich (1794 zerstört), 1748-1752 baute man Schloß Schönbornlust bei Kesselheim (1794 zerstört). Beides waren vorrangig Jagdschlösser. Ein weiteres kurfürstliches Schloß wurde 1759-1764 in Engers gebaut. 1777-1786 entstand als neue Stadtresidenz das kurfürstliche Schloß in Koblenz, und damit hatte der Bischofshof endgültig ausgedient, er wurde 1783 Priesterseminar. Nachdem die Priesterausbildung nur noch zentral in Trier stattfand, wurde aus dem Anwesen der Pfarrhof für die Liebfrauenkirche.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Pfarrhof 1944 bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Auch die beiden Türme fielen den Bomben zum Opfer. Bis 1954 baute man den Hof wieder auf, und das sieht man den hofseitigen Arkaden auch deutlich an. Als Abschluß zur Straße baute man ein Tor auf, das eigentlich vom ebenfalls kriegszerstörten, aber nicht mehr zu rettenden Bassenheimer Hof stammt, der an der Stelle der heutigen Wohnanlage Weißer Höfe stand. In seiner dunklen Basalt-Optik paßt es zu den Hofarkaden und Fenstergewänden aus dem gleichen Material, stilistisch paßt es nicht, denn das Tor des Bassenheimer Hofes wurde 1745 gebaut. Das Wappen an diesem Tor ist ausgeschlagen, so daß die Fremdheit des Tores nur stilistisch auffällt, nicht heraldisch. Erst 1987 reparierte man die beiden Rundtürme und gab ihnen ihren welschen Hauben und aufsitzenden Laternen zurück. Auch wenn sehr viel Substanz neu ist, handelt es sich bei dem Pfarrhof dennoch um die einzige in ihrem Grundriß vollständig wiederhergestellte Hofanlage der Koblenzer Altstadt.

Die Heraldik des Pfarrhofes verweist auf den kurfürstlichen Bauherrn, den Trierer Fürsterzbischof Johann Hugo von Orsbeck (1676-1711), unter dem der Neubau, die Reparatur nach französischem Artilleriebeschuß und der Anbau des Erkers erfolgten. Sein farbig gefaßtes Wappen sehen wir über besagtem Erker an der Nordseite des Hofes in großer Höhe im dreieckigen Giebelfeld. Er war bereits 1675 Bischof von Speyer und Propst von Weißenburg und wurde erst 1676 Erzbischof und Kurfürst von Trier, also enthalten alle seine Wappen als Trierer Kurfürst die Elemente Speyer und Weißenburg. Das Wappen ist wie folgt aufgebaut: Hauptschild geviert, Feld 1: in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz, Fürstbistum Trier, Kurtrier, Feld 2: in Rot ein silbernes, zurückschauendes, wahlweise golden nimbiertes Lamm, das ein silbernes Fähnchen trägt, dieses mit rotem Kreuz belegt, sog. Prümer Lamm der Fürstabtei Prüm, Feld 3: in Rot eine silberne Burg, schräg durchsteckt von einem silbernen Abtsstab, überhöht von einer goldenen Krone, Propstei Weißenburg (Wissembourg/Elsaß), Feld 4: in Blau ein durchgehendes silbernes Kreuz, Fürstbistum Speyer, Herzschild: in Gold ein rotes Schragenkreuz, begleitet von vier grünen Seeblättern, Stammwappen der von Orsbeck.

 

Ein zweites Wappen des Trierer Kurfürsten sehen wir auf einer an den linken Arkadenvermauerungen angebrachten gußeisernen Kaminplatte. Das mit dem zuerst zugeordneten inhaltlich gleiche Wappen wird von zwei geflügelten nackten Engelchen mit Lockenkopf als Schildhaltern flankiert. Die opulente, auf einem Postament ruhende Schildkartusche trägt auf dem oberen Rand einen Kurhut. Schrägrechts ragt hinter der Kartusche der Bischofsstab hervor, schräglinks das gestürzte Schwert. Hinter allem ist ein Vorhang drapiert und an drei Stellen hochgerafft.

Die Inschriftenkartusche auf dem Postament trägt folgenden Wortlaut: "IOANNES HVGO D(EI) G(RATIA) ARCHI EPISC(OPVS) / TREVIR(ENSIS) PRINC(EPS) ELECT(OR) EPISC(OPVS) SPIR(ENSIS) / ADMIN(ISTRATOR) PRVM(ENSIS) PRAEP(OSITVS) WEIS(SENBVRGENSIS) A(NN)O 1683" - Johann Hugo von Gottes Gnaden Erzbischof von Trier, Kurfürst, Bischof von Speyer, Verwalter von Prüm, Propst von Weißenburg, im Jahre 1683. Nur ein Titel wird hier nicht erwähnt, denn er war auch Erzkanzler: Alle drei geistlichen Kurfürsten waren Erzkanzler für einen Teil des Heiligen Römischen Reiches, der Erzbischof von Mainz war Erzkanzler für Deutschland (Archicancellarius per Germaniam), der Erzbischof von Köln war Erzkanzler für Reichsitalien (Archicancellarius per Italiam) und der Erzbischof von Trier war Erzkanzler für Burgund, d.h. für das ehem. Königreich Arelat (Archicancellarius per Galliam). 

Detailvergrößerung der Kaminplatte

 

An den wiederaufgebauten Arkaden sind moderne Wappendarstellungen auf zweien der Schlußsteine angebracht, die die ganze Häßlichkeit der 1950er Jahre ausstrahlen und in ihrer künstlerischen Lieblosigkeit erbarmen: Auf dem einen ist das kurfürstliche Wappen von Johann Hugo von Orsbeck dargestellt, allerdings in gänzlich abweichender Reihenfolge mit drei Platzwechseln, Speyer in Feld 2, Prüm in Feld 3 und Weißenburg in Feld 4. Das ist das Ergebnis des Versuches, die Inhalte hierarchisch von 1 bis 4 zu ordnen, entspricht aber nicht dem gängigen historischen Usus, außerdem stehen die Felder 1 und 4 über den Feldern 2 und 3 bei zusammengehörenden oder auf einer Ebene befindlichen Inhalten, deshalb kann und darf Speyer in Feld 4 stehen, abgesehen von ästhetischen Gründen. Die Seeblätter sind falsch blau statt grün angestrichen. Auf dem anderen Schlußstein ist das Koblenzer Stadtwappen dargestellt. Die Stadt führt in Silber ein durchgehendes rotes Balkenkreuz, belegt mit einer goldenen Krone. Die Basis dieses Wappens ist das kurtrierische Kreuz, denn Koblenz gehörte seit 1018 zu Kurtrier, und die kurfürstliche Residenz lag 1629-1786 in Ehrenbreitstein und 1786-1794 in Koblenz selbst. Seit dem 14. Jh. ist das Wappen in dieser Form überliefert. Die hinzugefügte Krone verweist auf die Himmelskönigin Maria, und die Liebfrauenkirche ist die Stadtpfarrkirche, außerdem ist Maria die Schutzpatronin der Stadt. Dieses Wappen wurde bis auf eine Unterbrechung 1810-1814 (napoleonische Heraldik, bildliche Darstellung des Zusammenflusses von Rhein und Mosel, oben Delphine etc.) und eine zeitweise 1850-1918 geführte Variante mit einer zweiten, königlichen Krone (königlich-preußische Residenzstadt) durchgehend benutzt. Hier entscheid man sich für diese Variante mit zwei Kronen, die seit 1918 nicht mehr gilt. Es ist weiterhin nicht nachzuvollziehen, warum man einmal das ganze Oval als Schild verwendet und einmal auf das Oval einen zweiten Schild setzt und nicht die ganze Fläche nutzt.

Zur Danne hin ist über einem Kellereingang ein weiteres Wappen zu erkennen. Es ist stark zerstört, läßt aber noch erkennen, daß einem Hauptschild mit dem Trierer Kreuz ein Herzschild mit dem persönlichen Wappen aufgelegt war. Es ist nicht mehr zu erkennen, was der Herzschild für Motive zeigte, aber von Johann Hugo von Orsbeck sind solche vereinfachten Darstellungen bekannt, u. a. in Montabaur und in Kamp-Bornhofen.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@50.3617199,7.5975338,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@50.3617199,7.5975338,80m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Band 3.2, hrsg. im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur vom Landesamt für Denkmalpflege, Stadt Koblenz, Innenstadt, bearbeitet von Herbert Dellwing und Reinhard Kallenbach, Wernersche Verlagsgesellschaft Worms, 2004, ISBN 3-88462-198-X, S. 140-141
Johann Hugo von Orsbeck auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_VIII._Hugo_von_Orsbeck
Max Braubach: Johann Hugo von Orsbeck, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 540-542
https://www.deutsche-biographie.de/gnd11871239X.html#ndbcontent - http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016327/images/index.html?seite=554
Bernhard Endrulat: Johann VIII. Hugo von Orsbeck, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 14, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 428-430
https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Johann_Hugo
Bernhard Schneider: Johann VIII. Hugo von Orsbeck, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 6, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-044-1, S. 1282-1285, Auszug:
https://gemeinden.erzbistum-koeln.de/pfarrverband_weilerswist/kirchen/heilig_kreuz/johann_hugo_von_orsbeck/
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Johann Hugo von Orsbeck in den Saarländischen Biographien:
http://www.saarland-biografien.de/frontend/php/ergebnis_detail.php?id=650
Johann Hugo von Orsbeck auf dem Portal Rheinische Geschichte:
http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/johann-hugo-von-orsbeck/DE-2086/lido/57c92e52480ef3.24064703
Erzkanzler des HRR:
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichserzkanzler
Pfarrhaus Liebfrauen:
https://www.rund-um-koblenz.de/liebfrauenpfarrhaus.html
Pfarrgemeinde Liebfrauen:
http://www.liebfrauen-koblenz.de/

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