Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3128
Winterstettendorf (zu Ingoldingen, Landkreis Biberach)

Die ehemalige Schussenrieder Zehntscheuer in Winterstettendorf

Winterstettendorf ist ein Dorf am Rißursprung, das 1974 nach Ingoldingen eingemeindet wurde. Im Mittelalter gehörte das Dorf zu einer Herrschaft der Herren von Winterstetten, später der Schenken von Winterstetten. Letztere verkauften im 14. Jh. das Dorf an die Stadt Waldsee. Diese wiederum verkaufte aufgrund eines Liquiditätsengpasses am 30.5.1709 das Dorf an das Kloster Schussenried, welches 1746 die Hoch- und Blutgerichtsbarkeit zu Lehen bekam. Das Kloster hatte bereits 1308 das Kirchenpatronat im Ort von Herzog Albrecht IV. von Österreich bekommen; die Pfarrei wurde 1406 inkorporiert. Bis zur Säkularisation blieb Winterstettendorf in Klosterbesitz. Unter der Ägide des Klosters wurde die im Kern spätgotische Kirche 1748-1749 barockisiert und vergrößert. Mit der Auflösung der geistlichen Territorialherrschaften fielen das Kloster und das zugehörige Dorf Winterstettendorf 1803 an die Grafen von Sternberg-Manderscheid als Entschädigung für erlittene linksrheinische Gebietsverluste. Mit der Mediatisierung kamen beide unter königlich-württembergische Staatshoheit. Die Kirche wurde bis 1811 von Unteressendorf aus betreut, dann wurde es eigene Pfarrei. Württemberg kaufte 1835 die Standesherrschaft auf. Eine Erinnerung an die klösterliche Dorfherrschaft ist die ehemalige Zehntscheune 50 m südöstlich der Kirche St. Pankratius, heute ein Wohnhaus (Waldseerstraße 7). An der nördlichen Traufseite ist über dem Eingang ein Wappenstein des Klosters angebracht.

Die Inschrift lautet: "SIARDUS / ABBAS SORETHAN(US) / HOC HORREUM / AEDIFICAVIT / M DCC XXXVI" - Siardus, Abt von Schussenried, hat diesen Getreidespeicher 1736 errichtet. Die von einem geflochtenen Laubkranz umgebene Kartusche ist gespalten, rechts sehen wir das Klosterwappen, in Silber ein roter, gekrönter und doppelschwänziger Löwe, hier aus Courtoisie einwärts gewendet. Das persönliche Wappen des Schussenrieder Abtes Siardus I. Frick ist in der heraldisch linken Spalthälfte zu sehen; geteilt, oben in Gold aus der Teilungslinie wachsend ein schwarzer Adler, unten in Blau ein schreitender goldener doppelschwänziger Löwe, der mit der rechten Vorderpranke einen gestürzten Pfeil hält. Auf der von Knorpelwerk eingefaßten Kartusche ruht die Mitra des infulierten Abtes, schräglinks ragt der Krummstab hervor. Es gibt weitere Wappen dieses Abtes innen in der Wallfahrtskirche Steinhausen, im Fresko über der Orgel in der Pfarrkirche St. Magnus (ehemalige Klosterkirche) Schussenried, an dem Schussenrieder Hof in Hagnau am Bodensee (Hauptstraße 24), am Rathaus Eberhardzell, sowie auf seinem Epitaph im ehemaligen Kreuzgang Schussenried.

 

Das Bauherr ist der damals amtierende Schussenrieder Abt Siardus I. Frick (lebte 13.5.1679-8.2.1750, amtierte 1733-1750). Siardus Frick stammte aus Mengen (Landkreis Sigmaringen) und war der Sohn von Ratsherr Johannes Frick und Maria Dilger. Sein Taufname war Michael Frick, und er besuchte zunächst die Schule in Mengen. Nach seinem am 24.11.1697 erfolgten Klostereintritt bei den Prämonstratensern in Schussenried, wobei er den Klosternamen Siardus annahm, legte er 1699 die Profeß ab. Er studierte Theologie und feierte 1704 seine Primiz. Unter Abt Tiberius Mangold kam er die ersten sechs Jahre im Kloster nicht weit, erst unter Abt Innozenz Schmid wurde er gefördert. 1711 wurde er Küchenmeister (Culinarius), 1712 wurde er Verwalter der vom Kloster eingenommenen Naturalien-Abgaben und der Lagerspeicher (Granarius) und 1715 wurde er als Kellerer Verwalter der Klosterwirtschaft (Cellarius). Unter Abt Didakus Ströbele war er zunächst 1720-1722 Pfarrvikar in Otterswang (Landkreis Biberach) und danach 1722-1732 Pfarrvikar in Attenweiler (Landkreis Biberach). Nach der mehr oder weniger erzwungenen Abdankung von Abt Didacus Ströbele wählte der Klosterkonvent ihn am 21.1.1733 zum 20. Abt.

Er schaffte es, sich gegen den Generalvikar der schwäbischen Zirkarie, Hermann Vogler, Abt von Rot, durchzusetzen. Letzterer war die treibende Kraft für die forcierte Abdankung des Amtsvorgängers gewesen. Siardus Frick emanzipierte sich erfolgreich und erreichte beim Ordensgeneral, daß dem Generalvikar, der auch gegen Frick selbst zu intrigieren versuchte wegen angeblich zu harter Führung, auf Lebenszeit weitere Einmischungen in die Schussenrieder Angelegenheiten untersagt wurden. Das war ein Sieg auf der ganzen Linie für Frick.

Er wurde ein Bauabt, der bis 1735 die Wallfahrtskirche Steinhausen vollendete, im selben Jahr das Gnadenbild in die neue Kirche überführte und 1744-1748 die Barockisierung der Klosterkirche Schussenried vorantrieb. In den zum Kloster gehörenden Besitzungen und Patronatskirchen ließ er mehrere Pfarrkirchen, Pfarrhöfe und Amtshöfe errichten, in Zusammenarbeit mit dem Baumeister Jakob Emele. Danach ging er im Alter von 69 Jahren an sein größtes Bauvorhaben, den Bau einer völlig neuen Klosteranlage in Schussenried selbst. Dazu stand ihm der Baumeister Dominikus Zimmermann zur Seite, der schon die Kirche in Steinhausen entworfen hatte. Er starb aber schon im übernächsten Jahr, so daß er noch nicht einmal den ersten Spatenstich zu seinem Lieblingsprojekt erleben konnte. Erst sein Nachfolger führte den Neubau aus. Weiterhin war dieser Abt für seine Liebe zu didaktischem Theater bekannt, zu Passionsspielen, Maskeraden, Fastnachtsspielen etc. Siardus Frick starb im Alter von 70 Jahren und wurde in der Kapitelskirche Schussenried bestattet.

Liste der Äbte von Schussenried:
Abt, hier mit Wappen vertretener Abt, sonstige Wappenfundstellen

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@47.9870239,9.7372814,21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@47.9870239,9.7372814,42m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Ortsgeschichte auf Leo-BW:
https://www.leo-bw.de/en/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/17301/Winterstettendorf++Ingoldingen+BC
Württembergische Oberamtsbeschreibungen:
https://de.wikisource.org/wiki/Beschreibung_des_Oberamts_Waldsee/Kapitel_BS6
Siard Frick auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Siard_Frick
Pius Bieri: Abt Siard Frick, im Projekt "Süddeutscher Barock":
https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/s-z/Schussenried_Frick.html
Paul Beck: Zum siebenhundertjährigen Jubiläum des Prämonstratenser-Reichsstifts Schussenried. Separatabdruck aus dem „Deutschen Volksblatt“. Stuttgart 1883, Nachdruck in: Paul Beck und Bernhard Rueß: Beiträge zur Geschichte Schussenrieds, Federseeverlag, Bad Buchau 1981, S. 595-704
Alfons Kasper: Das Prämonstratenser-Stift Schussenried, Teil 1 und 2, Schussenried 1960
Karl Kaufmann: Die Äbte des Prämonstratenser-Reichsstifts Schussenried 1404-1803, Schussenried 1985

Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright / Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2024
Impressum