Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 3196
Kastellaun
(Rhein-Hunsrück-Kreis)
ev. Pfarrkirche Kastellaun: Christoph Viel und Angehörige
Dieses kurz nach 1618 entstandene Kalkstein-Epitaph ist an der Nordostseite des Langhauses zu finden, am dritten Pfeiler des Hauptschiffes und zwischen dem zweiten und dritten Arkadenbogen, von Südosten gerechnet. Es hängt in vielfacher Weise mit dem im vorherigen Kapitel besprochenen Epitaph: Zum einen gibt es verwandtschaftliche Beziehungen, denn Maria Eschenfelder, Tochter des Gabriel Eschenfelder (-10.6.1612), hat den Schankwirt Johannes Nicol Viel geheiratet, und ihre gemeinsame Tochter, Anna Catharina Viel(en) (-23.12.1663), war vermählt mit Johann Carl Juengel. Zum anderen stammen beide Epitaphien aus der gleichen Werkstatt des erst in Lauterecken und dann in Meisenheim und Simmern tätigen Bildhauers Conrad Wohlgemuth. Dieses Epitaph ist für insgesamt vier Personen, für ein Ehepaar, für eine Tochter und eine Schwiegertochter.
Das Kunstwerk ist 2,30 m hoch und 1,25 m breit und in drei Zonen aufgeteilt. Die von zwei Pilastern, rechts als Karyatidenpilaster, links als Hermenpilaster gestaltet, mit ionischen Kapitellen und seitlichen Volutenauszügen eingefaßte Hauptzone besitzt eine eingelassene schwarze Schiefertafel für die in golden gefaßten Lettern ausgeführte größere Inschrift. Die Sockelzone bzw. Unterhangszone zeigt zwischen mehreren Putten eine zweite, querovale Schiefertafel mit Inschrift. Oben besteht die Bekrönung über einem mit Löwenköpfen besetzten Gebälk aus einer großen Rollwerkkartusche mit einer Wappendarstellung (Ehewappen) zwischen zwei Putten, die früher noch Attribute der Vergänglichkeit in den Händen hielten.
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Die aus Kapitalis und Fraktur gemischte Hauptinschrift im Zentralfeld lautet: "EPITAPHIVM VILEANVM QVADRVPLEX / Tochter ELISABET EICHELSTEINERIN, / GEBORNE VIELIN, / Zu Castelhun bin ich gebor(e)n, / Zum Himmel Ward mei(ne) seel(e) erkor(en), / D(a)rumb na(h)m sie Gott vo(n) dieser Welt, / 17 July Als man Neüntzig und sieben z(a)ehlt / Schnur VRSVLA VIELIN, GEBOR(E)NE CLVSI(N) / Als ich gebar, Ward ich gebor(e)n / Ein(e) Mutter vi(e)r Söhn(e) erkohr(e)n / Endlich hat sich mei(ne) noth gewe(n)d(et), / 31 (decem)bris Als sich Sechs Hun(d)ert neun geend(et). / Vatter CHRISTOPHEL VIEL, DES GERICHTS / ZV CASTELH(VN) / Kein(e) frewd(e) ich mehr auf erde(n) fi(n)d(e), / Weil ihr hin seid, mein(e) liebe(n) Kind(er). / Euch folg(e) ich, nach v(n)dt kom(me) zu(r) ruh(e) / 28 May Jm Ja(h)r Sechs hundert 10 darzu / Mutter BARBARA VIELI(N) GEBORNE RÖMERI(N) / Jm Wittibstand Pleib(e) ich allei(ne) / Wie ein from(mes) Turteltäübelei(n) / Bis ich im Fried(en) mit Simeon / 6 Febru(arii) Hinfuhr 6hundert achze(h)n scho(n)." Darunter folgt noch "APOCALYPS CAP: 14 / SELIG SIND DIE TODTEN, DIE IN DEM / HERRE(N) STERBEN, VON NVN AN". Bei dieser Inschrift sind erklärungsbedürftig a) die erste Zeile lautet übersetzt: "vierfältiges Epitaph der Viel", b) eine "Schnur" ist eine Schwiegertochter, c) Mutter Barbara wird als geborene Römerin bezeichnet, das ist unzutreffend, sie war eine geborene Bäcker gen. Schmiedebecker, und vielmehr war ihre Mutter eine geborene Römer, da wurde eine Generation übersprungen, d) auffallend sind die Daten, die dafür sprechen, daß Elisabeth Viel und Ursula Clausen beide im Wochenbett starben, und e) die meisten der jung verstorbenen Kinder werden pauschal unter "liebe Kinder" aufsummiert, lediglich die verheiratete Elisabeth bekommt eine eigene Erwähnung.
Eine letzte Inschrift unten in der ovalen Kartusche wird von zwei Hermen flankiert und lautet: "DIE TODTEN ZV DEN / LEBENDIGEN / Zum sicher(en) port Wir (ge)kom(m)en sind / Da man nür eitel frewde find(et): / Jn christo Habe(n) wir (je)itz(t) frewd / Vndt leb(e)n in ewiger seligkeit / Drumb niema(n)d vns beweine(n) soll / Wir lebe(n) in Gott v(n)dt v(n)s ist wo(h)l". Überblick über die Genealogie der Familie unter Hervorhebung der Personen, an die dieses Epitaph erinnert:
Das Wappen im Aufsatz ist ein Ehewappen, das dasjenige des Ehemannes und dasjenige der Ehefrau in einem gespaltenen Schild vereint. Beide Wappen sind typisch bürgerliche Wappen. Das Schildbild der Familie Viel zeigt eine Hausmarke, bestehend aus einem Vierkopfschaft mit gekreuzter freier Endung und mit einer vorderen Abstrebe; die Tinkturen sind unbekannt. Das Wappen der Familie Bäcker gen. Schmiedebecker ist ein redendes, das vom namengebenden Beruf abgeleitete ist, eine liegende Brezel über einem mehrfach schräg eingeritzten und an den Enden kugelförmig geformten Brötchen.
Pater familias Christoph Viel führte zusammen mit seiner Frau in Kastellaun das Wirtshaus "Zum Schwanen", ein heute noch existierendes Fachwerk-Wohnhaus in der Marktstraße 17. Außerdem war er Schöffe am Kastellauner Gericht. Nach seinem Tod führte erst seine Witwe die Schankwirtschaft fort, dann sein Sohn Johannes, der alle überlebte. Auch Johannes war in Kastellaun Gerichtsschöffe, weiterhin zeitweise Pastoreikeller. Über seine zweite Frau gibt es eine Querverbindung zum Eschenfelder-Epitaph, denn Grabriel Eschenfelder starb, als er hier bei Tochter und Schwiegersohn weilte. Johannes Viel dürfte der Auftraggeber dieses Epitaphs gewesen sein.
Für Christoph Viel gibt es auch noch eine Grabplatte. Sie ist an der Südwestseite des Langhauses angebracht, etwa in Höhe des dritten Seitenschiffsjochs, von Südosten gerechnet. Die 1,65 m hohe und 0,90 m breite Schiefertafel trägt folgende Kapitalis-Inschrift auf dem Rand umlaufend: "IM IA(H)R 1610 DEN 28 MAII / (ST)ARB DER EHR(E)NHAFFTE CHRISTOPHEL VI(EL / BV)RGER VND GERICH(/TSC)H(O)EFF(E) ALHIE(R) ZV CASTELHV(N) DES(SEN) SEEL(E) GOT(T) G(NADE)" und zusätzlich im unteren Bereich des Zentralfeldes die Bibelstellen "PHILIPP: AM I CAP / CHRISTVS IST MEIN / LEBEN : STERBEN / IST MEIN GEWINN // APOCALYPS AM XXII / IA ICH KOMME BALD / AMMEN IA KOMM HERR / IESV". Hier sehen wir die gleichen Wappen Viel und Bäcker gen. Schmiedebecker wie auf dem Epitaph, aber auf zwei Schilde verteilt und von einem Lorbeerkranz umgeben.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@50.0726961,7.4390894,19z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@50.0726596,7.4389983,108m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Evangelische Kirchengemeinde Kastellaun https://www.ekgkastellaun.de/
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kirche mit
freundlicher Erlaubnis des Presbyteriums der Kirchengemeinde vom
4.7.2025, wofür ihm und Herrn Pfarrer Knut Ebersbach an dieser
Stelle herzlich gedankt sei
Die Inschriften der evangelischen Pfarrkirche in Kastellaun,
bearbeitet von Susanne Kern, Inschriften Mittelrhein-Hunsrück,
Heft 11, hrsg. von der Akademie der Wissenschaften und der
Literatur, Mainz, und dem Institut für Geschichtliche
Landeskunde an der Universität Mainz e.V., Mainz 2008, Nr. 13
Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II (ehem. Lkrs.
Simmern und westlicher Teil des ehem. Lkrs. St. Goar), Bd. 79 der
Reihe "Die Deutschen Inschriften", gesammelt und
bearbeitet von Eberhard J. Nikitsch, Wiesbaden 2010, ISBN:
9783895006678, Nr. 150
Deutsche Inschriften Bd. 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 150
(Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net,
urn:nbn:de:0238-di079mz12k0015000 - https://www.inschriften.net/rhein-hunsrueck-kreis-ii/inschrift/nr/di079-0150.html?tx_hisodat_sources%5Baction%5D=show&tx_hisodat_sources%5Bcontroller%5D=Sources&cHash=01df0c10b15a3b2e92179466983b83f1
Die Inschriften der evangelischen Pfarrkirche in Kastellaun,
bearbeitet von Susanne Kern, Inschriften Mittelrhein-Hunsrück,
Heft 11, hrsg. von der Akademie der Wissenschaften und der
Literatur, Mainz, und dem Institut für Geschichtliche
Landeskunde an der Universität Mainz e.V., Mainz 2008, Nr. 2
Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises II (ehem. Lkrs.
Simmern und westlicher Teil des ehem. Lkrs. St. Goar), Bd. 79 der
Reihe "Die Deutschen Inschriften", gesammelt und
bearbeitet von Eberhard J. Nikitsch, Wiesbaden 2010, ISBN:
9783895006678, Nr. 138
Deutsche Inschriften Bd. 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 138
(Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net,
urn:nbn:de:0238-di079mz12k0013806 - https://www.inschriften.net/rhein-hunsrueck-kreis-ii/inschrift/nr/di079-0138.html?tx_hisodat_sources%5Baction%5D=show&tx_hisodat_sources%5Bcontroller%5D=Sources&cHash=7215edce682e797e7c4bddee62be0515
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