Bernhard Peter
Monographien:
Die Entwicklung des Wappens der Landgrafen von Hessen

Wappen 1, ca. 1200-1450
Der hessische Löwe geht eigentlich auf das Wappen der Landgrafen von Thüringen (Ludowinger) zurück. Diese waren eigentlich sogar eine mainfränkische Familie, wurden als Burggrafen von Mainz den Stauferkaisern unentbehrlich und wurden daraufhin um 1030 mit schnell sich vergrößerndem Besitz in Thüringen als Lehen ausgestattet. Lothar III hatte das Landgrafenamt in Thüringen geschaffen, um dort durch einen treuen Landgrafen seiner Zentralgewalt Geltung zu verschaffen. Durch Heirat (1137) mit der Erbtochter Hadewig des Grafen Giso IV von Gudensberg kam Landgraf Ludwig I an den hessischen Besitz.

Diskontinuität: Mit Ludwig IV und seinem Bruder Heinrich Raspe erlöschen die Ludowinger 1247 im Mannesstamme. Im Erbstreit zwischen der Erbin Sophia, Frau des Herzogs Heinrich II von Brabant, dem Erzstift Mainz und dem Markgraf von Meißen kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen schließlich Sophia Hessen gewinnt, der Markgraf von Meißen aber Thüringen. Ihr Sohn Heinrich wird neuer Landgraf von Hessen, Hessen geht als eigenständige Landgrafschaft aus dem Streit hervor. Der Landgraf wird in den Reichsfürstenstand erhoben. Landgraf Heinrich I von Hessen, der Stammvater des gesamten Hauses Hessen, nimmt nie den Namen oder das Wappen seines Vaters (Herzog von Brabant) an, sondern führt Namen und Wappen der Landgrafen weiter. Die Wettiner von Meißen nahmen den Thüringer Löwen ohne Krone in ihr Wappen auf.

Oberwappen: Helmzier zwei Büffelhörner, außen besteckt mit je 7 Lindenzweigen (auch als Kleestengel bezeichnet). Helmdecken rot-silber. Die Zahl der Kleestengel variiert je nach Zeit der Darstellung von je 3 bis 7. Als man später die Büffelhörner mit offenen Mundlöchern darstellte, wurde auch jedes Mundloch mit einem der sieben Kleestengel besteckt.

 

Beispiele: Abb. links: Burg Spangenberg. Abb. rechts: Schloß Marburg, Südtor.

 

Otto Hupp, Münchener Kalender, Jahrgang 1895, Verlagsanstalt, München und Regensburg, 1895

Wappen 2, 1450-1479, Wappen 2 für Ludwig I und Ludwig II
Hessen wurde mit Ziegenhain und Nidda geviert:
Die Grafschaften Nidda und Ziegenhain wurden durch Erbheirat ca. 1206 vereinigt, 1258 wieder in zwei Linien geteilt, und 1311 wieder durch Erbheirat vereinigt. Als die Grafen von Ziegenhain mit Johann dem Starken (Johann II) 1450 ausstarben, fiel die Grafschaft (und damit auch die ehemalige Grafschaft Nidda) an Landgraf Ludwig I von Hessen, seitdem sind die Besitztitel heraldisch im Schild der Landgrafen vertreten. Das Wappen ist in vier Felder aufgeteilt:

Ein Beispiel für ein solches Wappen ist ein in der Elisabeth-Kirche zu Marburg aufgehängter Schild an der Abgrenzung zum Landgrafenchor.

Das Wappen hatte nur 29 Jahre Gültigkeit. Dazu gehören folgende 2 Helme:

Nicht dargestellt wurde die Helmzier von Nidda. Es gibt auch Darstellungen des Wappens 2 mit nur einem Helm, dabei wird natürlich das hessische Kleinod gewählt.

Wie genau kamen Ziegenhain und Nidda zusammen?
Die Grafschaft Nidda bestand fast 400 Jahre lang; erstmals genannt werden die Grafen von Nidda 1104, wobei die Vorgeschichte bis in karolingische Zeit reicht. Aus den Grafen von der Malsburg wurden die Grafen von Nidda. Sie waren Lehnsleute der Reichsabtei Fulda. Über das Wappen der älteren Grafen von Nidda aus dem Hause Malsburg ist nichts bekannt. Die Grafen von Nidda (alte Linie, die echten Niddaer Grafen) sind ca. zwischen 1194 und 1207 im Mannesstamm mit Berthold II. von Nidda erloschen, vermutlich um 1206, denn um 1206/07 ist Ludwig Herr zu Nidda, was ohne einen vorherigen Erbfall unlogisch wäre. Mechthild von Nidda, die Schwester des letzten Niddaer Grafen, beide Kinder von Berthold I. Graf v. Nidda und Enkel von Vokold Graf v. Nidda u. v. d. Malsburg sowie einer Liutgard, war mit Graf Rudolf II von Ziegenhain verheiratet. Nidda kam also an Ziegenhain über die Erbin Mechthild.

Die Grafschaft wurde im Jahre 1258 durch Erbteilung in zwei Linien aufgespalten. Es entstanden die Linie zu Ziegenhain und die zu Nidda. Gottfried IV. Graf v. Ziegenhain u. Nidda, gest. 15.11.1250, und sein Bruder Berthold I. Graf v. Ziegenhain u. Nidda, gest. 6.8.1258, haben die ungeteilte Grafschaft gemeinsam verwaltet; die Teilung wird erst unter den Söhnen dieser Brüder vollzogen, und zwar unter Vermittlung der beiden Lehnsherren, der Äbte von Fulda und Hersfeld, und des Erzbischofs von Mainz, Ludwig II. bekam dabei Nidda, Gottfried V. bekam Ziegenhain, und so wurde Gottfried zum Begründer der Linie zu Nidda, Berthold zum Begründer der Linie Ziegenhain. Beide Linien bestanden nebeneinander bis zum Jahre 1311. Wiedervereinigt wurden die Linien, als Graf Johann I. von der Ziegenhainer Linie Lukardis, die Erbtochter aus der Niddaer Linie heiratete. Nidda fiel somit 1311 wieder an die Linie zu Ziegenhain zurück, und die Grafschaft war wiedervereint.

Diese Genealogie erklärt auch die enge Verwandtschaft der Wappen beider Grafschaften. Das Wappen der älteren Grafen von Nidda aus dem Hause Malsburg ist unbekannt. Die späteren Linien gehen aber genealogisch auf eine gemeinsame Wurzel zurück, was die Verwandtschaft der Farben und Motive als Wappen-Differenzierung erklärt. Das ältere Wappen ist der einzelne Stern von Ziegenhain, die Differenzierung ist der doppelte Stern von Nidda. Der frühestmögliche Zeitpunkt dieser Differenzierung ist die Erbteilung von 1258.

Heraldik von Ziegenhain und Nidda
Wappen der Grafen von Ziegenhain: Schwarz-golden geteilt, oben ein silberner sechsstrahliger Stern. Variante mit Schildhaupt statt Teilung möglich. Helmzier ein springender Ziegenrumpf zwischen einem wie der Schild tingierten und mit je einem silbernen sechstrahligen Stern belegten Flug (auch als ein geflügelter schwarz-gold geteilter Ziegenbock beschrieben). Helmdecken schwarz-golden.

Bei Conrad Grünenberg ist der Stern golden angegeben, die Ziegenbock der Helmzier ist ohne Flügel. Daneben existiert noch eine zweite Darstellung mit zwei Helmen, der eine zeigt den Ziegenbock mit Flügeln, der andere schwarz-golden geteilte Büffelhörner mit Schnüren dazwischen in verwechselten Farben.

Wappen der Grafen von Nidda: Schwarz-golden geteilt, oben zwei achtstrahlige silberne Sterne. Helmzier ein wie der Schild bez. Flug.

Bei Conrad Grünenberg sind die Sterne golden angegeben, Helmzier ein goldener achtstrahliger Stern zwischen zwei schwarzen, gold getupften Büffelhörnern, Helmdecken schwarz-golden.

Es gibt ein interessantes Epitaph von Graf Johann II von Ziegenhain und Nidda (gest. 1450), des letzten Ziegenhainers, das einen halbgespaltenen und geteilten Schild zeigt, in den Feldern 1 und 2 den sechszackigen, silbernen Ziegenhainer Stern und in Feld 2 die achtzackigen, silbernen Niddaer Sterne nebeneinander.

Ziegenhain Nidda Epitaph
Graf Johann II von
Ziegenhain und Nidda
Otto v. Ziegenhain
(-13.11.1430),
1419 Erzbischof von Trier
Otto v. Ziegenhain
(-13.11.1430),
1419 Erzbischof von Trier

Wappen von Otto v. Ziegenhain (-13.11.1430), 1419 Erzbischof von Trier, Variante 1: Gespalten, vorne in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz (Bistum Trier), hinten schwarz-golden geteilt, oben ein silberner sechsstrahliger Stern (Ziegenhain).

Wappen von Otto v. Ziegenhain (-13.11.1430), 1419 Erzbischof von Trier, Variante 2: Geviert, Feld 1 und 4 in Silber ein durchgehendes rotes Kreuz (Bistum Trier), Feld 2 und 3 schwarz-golden geteilt, oben ein silberner sechsstrahliger Stern (Ziegenhain).

Wie genau kamen Ziegenhain und Nidda dann an Hessen?
Die Genealogie bis zum Aussterben der Grafen von Ziegenhain:

Der Übergang der Grafschaft Ziegenhain-Nidda vollzog sich juristisch in mehreren Stufen: Eigentlich war es ein Lehen von Fulda, doch Johann II. Graf v. Ziegenhain (-14.2.1450) ließ sich 1420 von Kaiser Sigismund direkt mit der Grafschaft Nidda, Burg und Stadt, der Grafschaft Ziegenhain, dazu mit den Zöllen zu Treysa und Gemünden belehnen, ein geschickter politischer Schachzug, der Fulda ausbootete. Die Grafschaft war damit neben Hessen und dem Erzbistum Mainz ein territoriales Schwergewicht, das jetzt politisch auf gleicher Ebene verhandeln konnte, denn es war neben den Genannten die drittgrößte Macht im betreffenden Großraum. Obwohl die beiden letztgenannten auf die Grafschaft "geierten", als das Aussterben der Familie abzusehen war, gab Graf Johann den Landgrafen den Vorzug und schloß am 29.6.1428 einen Schutzvertrag mit den Hessen ab, auch vor dem Hintergrund des militärischen Sieges von Landgraf Luwig dem Friedfertigen bei Fritzlar und Fulda 1427, gefolgt von der Auftragung der Grafschaft zu Lehen am 2.2.1437 für den Todesfall. Die Abteien Fulda und Hersfeld, deren Äbte nominell Lehnsherren über das Gebiet waren, wurden durch eine finanzielle Abfindung dazu bewogen, am 2.2.1437 den Kontrakt zu befürworten und den Weg für den Übergang der Grafschaften an den Landgrafen zu ebnen. Der Übergang dieser territorialen "Sahneschnitte" an die Landgrafen blieb nicht unangefochten, die Grafen von Hohenlohe machten Ansprüche geltend - und nahmen auch die entsprechenden Elemente in ihr Wappen auf - vergeblich, denn 1495 wurde der 45 Jahre dauernde "hessisch-hohenlohische Erbstreit" endgültig zugunsten der Landgrafen entschieden, wobei immerhin noch die Landgrafen von Hessen den Hohenloher Grafen das Niddaer Ziegenhainer Land für 9000 Gulden abgekauft hatten, um Rechtsfrieden zu haben.

Hessen, Hessen-Marburg, Wappen 3, 1479-1642/1659
Unter dem jüngeren Sohn von Landgraf Ludwig I, Heinrich III, kam es zu einer weiteren Wappenvermehrung. Katzenelnbogen und Dietz kamen ins Wappen. Die Dynastie der Grafen von Diez ist bereits 1386 erloschen, der Titel ging erst an die Grafen von Katzenelnbogen, dann 1479 nach deren Aussterben an die Landgrafen von Hessen. Einst war Katzenelnbogen mit dem gleichnamigen Stammsitz eine reichsunmittelbare Grafschaft, die bis 1479 bestand. Der Anspruch der Landgrafen von Hessen auf den Titel der Grafen von Katzenelnbogen resultiert aus der Heirat von Anna von Katzenelnbogen, Erbtochter Philipps des Älteren, mit Landgraf Heinrich III. von Hessen-Marburg im Jahre 1457. Als ihr Vater Philipp 1479 starb, waren die Grafen von Katzenelnbogen im Mannesstamme erloschen und kam die Grafschaft Katzenelnbogen über den Schwiegersohn zu den Landgrafen von Hessen. Anna war wohl eine der besten Partien der Spätgotik, die Erbschaft eine der reichsten. Katzenelnbogen, Dietz, Wiesbaden, Darmstadt, praktisch riesige Gebiete am Rhein und im heutigen Südhessen. Der Schild wurde geviert mit Herzschild:

Dazu gehören folgende 3 Helme:

Beispiel: Marburg, Rentkammer am Landgrafenschloß, Wappenstein von 1572

Hessen, Wappen 3a
In der Literatur (Siebmacher) finden sich Hinweise auf eine einzige Darstellung mit Herzschild Ziegenhain. Dies ist heraldisch nicht plausibel, denn der Herzschild ist für das eigentliche Stammwappen der Familie reserviert, also Hessen. Dennoch kommen solche Darstellungen mehr als einmal vor und können durch zeitgenössische plastische Darstellungen belegt werden. Ein solches Beispiel für eine abweichende Anordnung findet sich in der Elisabethkirche in Marburg. Dort hängt im Landgrafenchor ein Schild mit 1 Hessen, 2 Katzenelnbogen, 3 Dietz, 4 Nidda, Herzschild Ziegenhain. Ein weiterer Beleg für diesen Aufbau ist an einer Ahnenprobe an den Grabmälern in der Marburger Marienkirche zu sehen, ebenfalls mit Herzschild Ziegenhain.

Heraldisch mag das nicht logisch zu sein, aber vielleicht historisch verständlich. Zum einen war Ziegenhain nicht gerade eine Kleinigkeit, als es an Hessen fiel, sondern ein großes Territorium, eine richtige territoriale "Sahneschnitte", die drittgrößte Regionalmacht nach Hessen und Mainz. Zum anderen bekam man das Gebiet nicht unangefochten, sondern mußte sich erst in 45 Jahre dauerndem Erbstreit gegen Hohenlohe durchsetzen, bis man unter finanziellen Opfern gewann. Dies erklärt historisch, warum die neue Grafschaft den Landgrafen so wichtig war, daß sie das Symbol sogar im Herzschild präsentierten.

Genealogie: Die große Teilung 1567 ff.:

Genealogie: Kassel und Marburg als Residenzen:
Marburg war dreimal Regierungssitz:

Hessen-Kassel, Genealogie: Die Entstehung der Rotenburger Quart
Juliana Gräfin v. Nassau-Siegen (3.9.1587 - 15.2.1643), zweite Ehefrau von Moritz Landgraf v. Hessen-Kassel (25.5.1572 - 15.3.1632), war die Quelle einer weiteren Aufsplitterung der hessischen Linien, denn auf sie geht die sog. Rotenburger Quart zurück. Sie war zwar die zweite Ehefrau, somit waren ihre Kinder gegenüber den Söhnen aus erster Ehe in der Erbfolge zurückgesetzt. Gräfin Juliana verlangte, daß ihre Kinder immerhin ein Viertel von Hessen-Kassel als Erbe zugestanden wurde (daher "Quart"). Diese Landgrafen waren nur zum Teil souverän, denn offiziell unterstanden sie Hessen-Kassel als Landesherren in reichsrechtlichem Sinne. Drei ihrer Söhne erreichten das Erwachsenenalter und konnten diese Vereinbarung zur Gründung von Nebenlinien nutzen, als sich ihr Vater Moritz 1627 gezwungenermaßen aus der Regierung zurückzog. So entstanden die kurzlebigen Linien Hessen-Rotenburg, Hessen-Eschwege-Wanfried und die überlebende Linie Hessen-Rheinfels-Rotenburg, die sich wiederum in die Linien Hessen-Rheinfels-Rotenburg, Hessen-Rheinfels-Wanfried und Hessen-Rheinfels-Eschwege aufteilte.

Hessen-Rheinfels, Wappen 3:
Eine der vier bei der Erbteilung entstandenen Linien, das Wappen folgt dem allgemeinen Schema.

Beispiel: Philippsburg bei Braubach

Hessen-Darmstadt, Wappen 3:
Der Schild ist geviert mit Herzschild:

Dazu gehören folgende 3 Helme:

Wappen für Georg I. Landgraf v. Hessen-Darmstadt (10.9.1547 - 1596) an Schloß Lichtenberg

Hessen-Kassel, Wappen 4, 1642/1659-1736
Mittlerweile haben sich die Landgrafen nach dem Tod von Philipp I. dem Großmütigen 1567 in mehrere Linien aufgespalten: Im so genannten Vierbrüdervergleich erhielten Wilhelm IV. Hessen-Kassel (ca. die Hälfte des Landes), Ludwig IV. bekam Hessen-Marburg, Philipp II. erhielt Hessen-Rheinfels und Georg I. schließlich bekam Hessen-Darmstadt. Davon hatten nur zweie Bestand: Hessen-Rheinfels kam 1583 durch Erbschaft an Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt, desgleichen 1604 Hessen-Marburg. Nur Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel blieben übrig. Nach dem 30jährigen Krieg kam es zu weiteren Änderungen des hessischen Wappens. Der genaue Zeitpunkt kann nicht festgelegt werden. Tatsache ist aber, daß den Landgrafen von Hessen-Kassel als Ergebnis des Westfälischen Friedens neue Gebiete zugesprochen werden: Die Abtei Hersfeld und die Grafschaft Schaumburg. 1606 war der letzte Abt der Abtei Hersfeld gestorben, 1648 fiel Hersfeld an Hessen-Kassel. Die alte Abtei war zuvor in ein weltliches Fürstentum umgewandelt worden. Nach dem Tod des letzten Grafen von Schaumburg wurden dessen Gebiete zwischen Lippe (daraus entstand dann Schaumburg-Lippe) und Hessen-Kassel aufgeteilt. Das neue Wappen hat einen Herzschild und einen gespaltenen und zweimal geteilten Hauptschild:

Dazu gehören folgende 5 Helme:

Bildbeispiel: Boppard, Karmeliterkirche, stark verwitterter Wappenstein.

Alle diese Veränderungen vollzog die Linie Hessen-Philippsthal mit, die ja eine Abspaltung von Hessen-Kassel war. Das Wappen ist identisch aufgebaut.

Bildbeispiel: Philippsthal, Schloß, Torbogenbau, Wappen von Landgraf Carl I. von Hessen-Philippsthal (23.9.1682-8.5.1770)

Analog wurde die Ergänzung von Hessen-Rheinfels-Rotenburg mitvollzogen. Ein Beispiel ist im Bayerischen Nationalmuseum in München zu sehen, auf einem anläßlich der Hochzeit 1731 entstandenen Porzellanservice für Johann Christian zu Sulzbach (23.1.1700-20.7.1733) und seine Frau, Eleonore Philippina von Hessen-Rheinfels-Rotenburg (1712-1759), die Tochter von Landgraf Ernst II. Leopold von Hessen-Rheinfels-Rotenburg (25.6.1684-29.11.1749) und Eleonore Maria Anna Gräfin zu Löwenstein-Wertheim-Rochefort (1686-1753). Diese Ehe blieb aber kinderlos.

Hessen-Kassel - als König von Schweden
Von diesem beschriebenen Wappen der Linie Hessen-Kassel gibt es noch eine Sonderform, denn Landgraf Friedrich I. von Hessen-Kassel war über seine Frau König von Schweden geworden. Er regierte 1720-1751 und war der einzige schwedische König aus dem landgräflichen Hause. Davor saß übrigens die Linie Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg auf dem schwedischen Thron, danach die Linie Holstein-Gottorp. Sein Wappen legt das Hessen-Kasseler Wappen dem schwedischen Reichswappen auf und ist wie folgt aufgebaut:

Auf dem Schild ruht die schwedische Königskrone, als Schildhalter dienen zwei goldene, widersehende, gekrönte Löwen. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: SouvAd Seite: 41 Tafel: 98 und im Siebmacher Souv1 Seite: 32 Tafel: 60.

Hessen-Darmstadt, Wappen 4, 1642/1659-1736
Hessen-Darmstadt, zwar selbst ohne Landgewinn, zog aber hinsichtlich des Wappens nach und bildete ebenfalls Hersfeld und Schaumburg im Wappen ab (Anspruchswappen). Dazu kam eine Komponente, die Hessen-Kassel nicht hatte: Isenburg-Büdingen. Georg II von Hessen-Darmstadt hatte 1642 die Anwartschaft auf die Grafschaft Isenburg erworben, das Recht, Wappen und Titel zu tragen, eingeschlossen. Auch dieses ist also ein Anspruchswappen, denn die Grafen von Isenburg-Büdingen erfreuen sich immer noch bester Gesundheit. Die Isenburger Balken kommen nur bei Hessen-Darmstadt und Hessen-Homburg als dessen Abspaltung, nicht aber bei Hessen-Kassel vor. Das neue Wappen hat einen Herzschild und einen gespaltenen und zweimal geteilten Hauptschild, wobei Feld 5 geteilt ist:

Dazu gehören folgende 5 Helme:

Abb.: Darmstadt, Residenzschloß, Glockenbau

Hessen-Darmstadt, Genealogie

Hessen-Homburg
Hessen-Homburg spaltete sich 1622 als Nebenlinie von Hessen-Darmstadt ab und wurde 1866, noch im Jahr des Heimfalls an Hessen-Darmstadt, von Preußen annektiert. Das Wappen von Hessen-Homburg ist im wesentlichen identisch mit dem soeben beschriebenen Wappen Hessen-Darmstadt, Version 4.

Beispiel: Wappen am Nordportal des Uhrturmflügels am Landgrafenschloß in Bad Homburg vor der Höhe. Nidda und Isenburg verschmelzen beinahe zu einem Feld.

Dazu gehören folgende 5 Helme:

Beispiel: Wappen am Nordportal des Uhrturmflügels am Landgrafenschloß in Bad Homburg vor der Höhe. Die Kleinode sind nicht heraldisch angemessen tingiert, sondern nur mit Vergoldungen abgesetzt.

Die Landgrafen von Hessen-Homburg als Erben der Schenken von Limpurg zu Obersontheim:
Die Landgrafen von Hessen-Homburg zählen kurzfristig ebenfalls zu den Besitzern eines Anteils von Limpurg-Sontheim. Sie kamen durch Heirat an den Anteil, der Christiana Magdalena Juliana Gräfin von Limpurg (25.6.1683-2.2.1746) und ihren Nacherben zugefallen war. Der glückliche Ehemann der genannten Erbtochter war Ludwig Georg Landgraf von Hessen-Homburg (10.1.1693-1.3.1728), Sohn von Friedrich II. Landgraf von Hessen-Homburg (30.3.1633-24.1.1708) und dessen dritter Ehefrau, Sophia Sibylla Gräfin von Leiningen-Westerburg-Oberbronn (14.7.1656-13.4.1724) und damit in der Erbfolge in Bad Homburg weit abgeschlagen. Die Freude des landgräflichen Hauses über die erheirateten Ansprüche währte nur kurz, weil von drei Töchtern zwei jung starben und die dritte Tochter, Sophia Maria Friderica Charlotte Landgräfin von Hessen-Homburg (18.2.1714-2.5.1777), das Erbe durch Heirat (sie wurde im zarten Alter von 13 Jahren verheiratet) an Carl Philipp Franz Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein (17.7.1702-1.3.1763) brachte, dessen Enkel den Limpurger Erbteil veräußerte (s. u.). Ihr Ehemann war genauso wie dessen Vater Kammerrichter in Wetzlar, hatte also als Repräsentant des Kaisers die höchste Position am Reichskammergericht inne, das unter anderem Fälle wie den Limpurger Erbstreit behandelte. Deshalb nannte man Landgräfin Sophia Maria Friderica Charlotte auch "die Kammerrichterin". Als 1774 die Teilung der Erbmasse beschlossen wurde, fiel ihr der Anteil ihrer Mutter zu. Gerne hätte sie Obersontheim gehabrt, doch das Los wollte es anders: Sie bekam die neu gebildete Herrschaft Limpurg-Sontheim-Gröningen, das Amt Gröningen mit Schloß Untergröningen, das sie sich zu ihrem Witwensitz ausbaute. Sie ließ die Schloßkirche in eine katholische Kirche umwandeln. So richtig genießen konnte sie ihren Besitz aber nur drei Jahre lang, 1774-1777. Im erstgenannten Jahr erfolgte nach langem Streit die Erbteilung, im letztgenannten Jahr verstarb sie.

Deshalb gibt es eine kurzfristig gültige Sonderform des landgräflichen Wappens, das die Limpurger Erbschaft berücksichtigt. Es ist wie folgt aufgebaut:

Neben den genannten fünf Helmen wäre noch ein weiterer Helm für Limpurg möglich. Dieses Wappen ist am Epitaph für Sophia Maria Friderica Charlotte Landgräfin von Hessen-Homburg (18.2.1714-2.5.1777) angebracht, weiterhin ist es auf einer Druckgraphik mit ihrem Portrait als Teil eines Ehewappens angebracht (Landesarchiv Baden-Württemberg, Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, SB 35 Nr. 26).

Hessen-Darmstadt, Wappen 5, 1736-1803
Im Jahre 1736 kam es in beiden regierenden Linien der Landgrafen von Hessen zu einer erneuten Erweiterung. Bisher war der einzige Unterschied zwischen beider Wappen das Führen oder Nichtführen der Isenburger Balken. Das sollte sich jetzt ändern: Quelle aller Neuerungen war die Grafschaft Hanau (1429 zur Grafschaft erhoben, eines der ältesten und mächtigsten Geschlechter Deutschlands). Seit 1458 war das Haus Hanau in zwei Linien aufgespalten, in Hanau-Münzenberg und Hanau-Lichtenberg. 1642 endet das Haus Hanau-Münzenberg im Mannesstamm. Die Tante des letzten Grafen von Hanau-Münzenberg ist die Ehefrau von Landgraf Wilhelm V von Hessen-Kassel. So kommt es zum Streit: Besagte Tante möchte das Tortenstück haben, aber ebenso gibt es noch Nachkommen der Grafen von Hanau-Lichtenberg, die das Tortenstück gerne für sich hätten. So wird schließlich 1643 ein Erbvertrag geschlossen. Nach sehr komplexen Verwicklungen kam es nach dem Ableben der letzten Hanauer Erben im Jahre 1736 zu einer Erbverständigung zwischen beiden hessischen Linien: Hessen-Kassel erbt den Hanau-Münzenberg'schen Besitz inclusive der zwischenzeitlich getätigten Erweiterungen (Zukauf eines Teiles der Grafschaft Rieneck), Hessen-Darmstadt erbt die Gebiete von Hanau-Lichtenberg, die reichen rechtsrheinisch gelegenen Besitzungen eingeschlossen. Heraldisch hat das für Hessen-Darmstadt folgende Konsequenzen: Hanau, Ochsenstein und Lichtenberg kommen hinzu. Das neue Wappen hat einen Herzschild und einen Hauptschild, der gespalten und viermal geteilt ist.

Achtung: Wenn das Wappen ohne Farbe abgebildet ist, kann es Mißverständnisse hinsichtlich der Felder 8 und 10 geben. Man hält es leicht für ein Feld und ordnet es fälschlicherweise der Grafschaft Rieneck zu. Das ist aber falsch: Rieneck taucht nur bei Hessen-Kassel auf, und hier besteht das aus zwei separaten Komponenten, nämlich Isenburg und Ochsenstein übereinander.

Die zusätzlichen Helmzieren wären ein wachsender silberner Schwan für Hanau, Helmdecken rot-golden, für Lichtenberg ein silberner Schwanenhals, Helmdecken rot-silbern, für Ochsenstein ein wachsender männlicher Rumpf, rot gewandet, auf der Brust zwei silberne Balken, mit einem roten, silbern gestulpten Hut, Helmdecken rot-silbern.

Beispiel: Nordwestseite des Königsflügels des Landgrafenschlosses in Bad Homburg vor der Höhe. Optisch rechts das Wappen der Landgrafen von Hessen-Darmstadt. Optisch links das Wappen der Landgrafen von Hessen-Homburg.

Das neue Wappen kommt bei Hessen-Homburg auch vereinfacht vor, wobei von den neuen Gebieten nur Hanau gezeigt wird:

Beispiel: Landgrafenschloß in Bad Homburg vor der Höhe, Gartenseite des Königsflügels, Landgrafen von Hessen-Homburg

Beispiel: Landgrafenschloß in Bad Homburg vor der Höhe, am stadtseitigen Parktor

Hessen-Kassel, Wappen 5, 1736-1803
Heraldisch hat die Erbauseinandersetzung (siehe oben) mit anschließender Gebietsaufteilung für Hessen-Kassel folgende Konsequenzen: Hanau, Rieneck und Münzenberg kommen als neue Komponenten hinzu. Das neue Wappen ist komplex aufgebaut:

Die zusätzlichen Helmzieren wären ein wachsender silberner Schwan für Hanau, für Münzenberg ein roter, hermelingestulpter Hut, auf jeder Seite mit einem rot-silbern geteilten Fähnchen besteckt, dazwischen eine goldene Kugel, aus der ein Pfauenstoß hervorbricht, Helmdecken rot-golden, für Rieneck/Reineck ein silberner auffliegender Schwan, Helmdecken rot-golden.

Dieses Wappen wird auch von Hessen-Philippsthal, das ja eine Abspaltung von Hessen-Kassel war, in identischer Form geführt, ehe es dort zu weiteren Änderungen kam.

Bildbeispiel: Lemgo, Alte Abtei (jetzt Volkshochschule), Breite Straße 10, Wappen von "Anna Friderique Wilhelmine Landgrawe zu Hessen Philipsthal", datiert auf 1768. Leichte Fehler wie die Anzahl der Hanauer Sparren etc. vorhanden.

Gleich aufgebautes Wappen von Hessen-Philippsthal in der Schloßkirche Philippsthal.

Hessen-Kassel, Genealogie:

Hessen-Philippsthal, Genealogie:
Auszug aus der Genealogie der Linie Hessen-Philippsthal, einer Abspaltung der Hauptlinie Hessen-Kassel:

Hessen-Rotenburg, Herzöge von Ratibor, Fürsten von Corvey, 1821-1838
Der Begriff Hessen-Rotenburg bezeichnet mehrere Nebenlinien des Hauses Hessen-Kassel. Hessen-Rotenburg hatte nur eine teilweise Souveränität und unterstand der Oberhoheit von Hessen-Kassel. Entstanden ist die Nebenlinie im frühen 17. Jh., als Landgraf Moritz der Gelehrte von Hessen-Kassel in einem Hausvertrag vom 12.2.1627 und 1.9.1628 seinen Söhnen Hermann und Friedrich aus zweiter Ehe mit Juliane von Nassau-Dillenburg eigene Gebiete überließ, immerhin ein Viertel des Gebietes von Hessen-Kassel, daher auch der Name "Rotenburger Quart". Teilungen ließen die Zusammenhänge komplex werden: Es gab neben der Hauptlinie Hessen-Rotenburg kurzlebige Linien Hessen-Eschwege, Hessen-Rheinfels, Hessen-Rheinfels-Rotenburg und Hessen-Wanfried. Territorial umfaßte Hessen-Rotenburg Stadt und Amt Rotenburg, die Grafschaft Katzenelnbogen, die Städte und Ämter Eschwege, Wanfried, Sontra, Witzenhausen, die Gerichte Bilstein und Germerode, einen Teil von Treffurt, Burg und Amt Ludwigstein und die Herrschaft Plesse sowie das Amt Gleichen - mit diversen Änderungen, die auszuführen hier zu weit ginge. Hessen-Rotenburg endete 1834 mit dem Tod des letzten Landgrafen von Hessen-Rotenburg, Viktor Amadeus, und nach einigen retardierenden Momenten fiel das Territorium zurück an die Hauptlinie Hessen-Kassel, mittlerweile Kurfürstentum Hessen-Kassel geworden.

Das Westfälische Wappenbuch gibt für die Landgrafen von Hessen-Rotenburg, Herzöge von Ratibor, Fürsten von Corvey folgendes Wappen an, desgl. Siebmacher Band SchlA1, S. 84, T. 61, nach einem preußischen Diplom vom 9.6.1821, publiziert 22.8.1822, für den Landgrafen Viktor Amadeus von Hessen-Rotenburg, den letzten der Linie Hessen-Rotenburg (Ratibor und Corvey wurden vom Haus Hohenlohe geerbt, die die neuen Herzöge und Fürsten stellten):

Schildhalter zwei goldene, nach außen blickende Löwen. Wappenzelt mit Krone.

Kurfürstentum Hessen 1803-1866
1803 erfuhr die Landgrafschaft Hessen-Kassel durch den Reichsdeputationshauptschluß die Aufwertung zum Kurfürstentum Hessen (Kurhessen), Kassel blieb Residenzstadt und Hauptstadt des Kurfürstentums. Das Kurfürstentum Hessen hat noch ein paar Komponenten mehr im Großen Wappen, das auch die Landgrafen führen:

Zuerst fielen 1803 vier mainzische Ämter unter dem Titel des Fürstentums Fritzlar an Hessen, durch den Frieden von Luneville erhalten. Das Wappen (1803-1815 verwendet) ist wie folgt aufgebaut:

Intermezzo: Erbprinz Wilhelm (3.6.1743 - 27.2.1821) war 1760-1806 und 1813-1821 Graf von Hanau, ab 1764 dort Regent, ab 1785 regierender Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel, um genau zu sein: 1785-1806 und 1813-1821, denn im Zeitraum vom 1.11.1806 bis zum 21.11.1813 war Hessen nach Besetzung durch Napoléons Truppen in das Königreich Westphalen einverleibt, während Wilhelm im Exil in Holstein und später in Prag weilte. Ab dem 14.9.1802 war er Fürst von Fritzlar und - Konfusion der Zählungen - ab dem 1.5.1803 Kurfürst Wilhelm I. v. Hessen-Kassel, oder genauer 1803-1806, denn mit dem Ende des Alten Reiches nur drei Jahre später wurde der Titel bedeutungslos (kein Heiliges Römisches Reich, kein Wahlrecht mehr), auch wenn Wilhelm den Titel nach dem Wiener Kongreß behalten durfte. Am 1.1.1816 wurde der Genannte auch Großherzog von Fulda, und er blieb dies bis zu seinem Tod 1821. Interessant ist dabei, daß er sehr früh an die Regierung kam, das lag daran, daß sein Großvater Landgraf Wilhelm VIII. seinen Sohn Friedrich II. wegen dessen 1749 erfolgten Übertritts zum Katholizismus so weit wie möglich kaltstellte, und der Enkel, Erbprinz Wilhelm, wurde in der vom Stammland separat verwalteten ehemaligen Grafschaft Hanau-Münzenberg direkt als Nachfolger eingesetzt (Assekurationsakte von 1754). So kam es, daß der Enkel 1760 nach dem Tod des Großvaters dort die Regierung antrat, sogar erst noch bis 1764 unter der Vormundschaft der Mutter, aber erst später das Stammland erbte. Während der napoléonischen Besetzung (Hessen war nicht dem Rheinbund beigetreten) gehörten die südlichen Gebiete, 1806-1810 unter Militärverwaltung, 1810-1813 zum Großherzogtum Frankfurt. Erst 1813/15 konnte Wilhelm seine Territorien wieder restituieren und seinen angestammten Platz wieder einnehmen.

Bildbeispiel: Eichenzell bei Fulda, Schloß Fasanerie, 1827

1815 kam es zu einer weiteren Änderung: Fulda, das ehemalige Fürstbistum, jetzt als Großherzogtum, wurde am 16.10.1815 von Preußen erhalten. Der Verlust der rheinischen Niedergrafschaft Katzenelnbogen wurde durch das Großherzogtum Fulda und Teile Isenburgs kompensiert. Das Wappen (1815-1866) ist wie folgt aufgebaut:

Bildbeispiel: Fulda, Palais von der Tann

Den selben Schild führen die Landgrafen von Hessen-Philippsthal.

Bildbeispiel: Schloß Philippsthal, Nordwestflügel, Tor zum Markt hin

Die Landgrafen von Hessen-Philippsthal führen später noch ein paar Felder mehr:

Der Grund dafür war, daß man sich aufgrund der Heirat zwischen Carl I. Landgraf von Hessen-Philippsthal (23.9.1682-8.5.1770) und Carolina Christina Herzogin von Sachsen-Eisenach (15.4.1699-25.7.1743) Hoffnungen auf die Grafschaft Sayn-Altenburg machte, die das Haus Sachsen-Eisenach nach komplexen Vorgängen in der Grafschaft Sayn innehatte.

Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1806-1866
Das Großherzogtum Hessen entstand aus der ehemaligen Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. Die Einzelkomponenten des komplex zusammengesetzten Wappens, wie es vorher geführt wurde, wurden alle entfernt. Endlich wird es wieder übersichtlich! Der Löwe alleine wird für ganz Hessen repräsentativ. Übrig blieb allein das Stammwappen, welches aber gewissen Änderungen unterzogen wurde. Dem Löwen wurde eine Königskrone aufgesetzt und ihm wurde ein Schwert in die Pranke gegeben, ferner wurde der Schwanz verdoppelt, was eine nicht unerhebliche Variation des Stammwappens darstellt.

Das Staatswappen des Großherzogtums Hessen führt in blau einen königlich gekrönten, golden bewehrten, von Silber und Rot neunmal geteilten Löwen mit Doppelschweif, der in der rechten Pranke ein silbernes Schwert schwingt. Auf dem Schild eine Königskrone.

Abb.: An dem Reiterstandbild von Großherzog Ludwig IV von Hessen in Darmstadt

So sehr wir auch die Vereinfachung und die Beschränkung auf das Stammwappen und das Streben nach Einfachheit begrüßen, so sehr müssen wir bemängeln, daß durch diese Veränderungen die geschichtliche Treue verletzt wird, denn gerade die Konstanz eines unveränderlichen Stammwappens, das sich sonst wie ein roter Faden durch die Geschichte sämtlicher Veränderungen zieht, wird hier aufgegeben. Das hohe Gut eines über Generationen unverändert geführten Stammwappens wird hier empfindlich beeinträchtigt.

Als Staatswappen sind noch als Schildhalter zwei goldene, königlich gekrönte, hersehende, doppelschwänzige Löwen üblich, ferner 3 Ordensketten: Großherzoglich Hessischer goldener Löwenorden, Großherzoglich Hessischer Philippsorden, Ludwigsorden.

Abb.: Marburg, Steinweg Nr. 8, Marburger Töpferhaus.

1868 entstand aus dem 1866 von Preußen besetzten Kurfürstentum Hessen, der Landgrafschaft Hessen-Homburg, dem Herzogtum Nassau, der Freien Stadt Frankfurt am Main, einem Teil des Großherzogtums Hessen-Darmstadt die preußische Provinz Hessen-Nassau.

Abb.: Zeichnung von Otto Hupp für den Münchener Kalender 1902.

Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1902-1918
1806 war Hessen zwar Großherzogtum geworden, doch dieses unterlag im Laufe seiner Geschichte bis zur Auflösung 1918 tiefgreifenden territorialen und politischen Veränderungen. 1806 schied Hessen aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aus und wurde Mitglied im Rheinbund. 1815 wurde das Großherzogtum Mitglied im Deutschen Bund. Durch den Wiener Kongreß bekam Hessen neue Gebiete zugesprochen: Worms 1814/1816, Mainz 1816, Bingen 1816, Alzey 1816 - das sog. Rheinhessen mit der Hauptstadt Mainz. 1866 verlor das Großherzogtum essentielle Teile seines Territoriums an Preußen, gewann aber Bad Nauheim. 1871 wurde das Großherzogtum Bundesstaat des Deutschen Reiches.

Vom 9.12.1902 datiert eine großherzogliche Verordnung, die das 1808 eingeführte einfache Wappen wieder komplizierter machte. Die eingegliederten Herrschaften werden wieder dargestellt, wovon insbesondere die 1816 einverleibten Territorien Mainz und Worms herausgestellt werden. Der Schild ist zweimal gespalten und zweimal geteilt und hat einen Herzschild.

Auf dem Schild eine Königskrone. Zwei gekrönte, widersehende Löwen dienen als Schildhalter.

Bildbeispiel: Darmstadt, Hessisches Landesmuseum

Alternativ kann das Wappen mit 5 Helmen dargestellt werden.

Abb.: Zeichnung von Otto Hupp für den Münchener Kalender 1907.

Eine letzte Umgruppierung 1917 für die ehem. Kurlinie
Nachdem 1902 das großherzoglich hessische Staatswappen wie oben beschrieben abgeändert wurde, wurde auch 1917 das Wappen der älteren, ehemals kurfürstlichen Linie einer Revision unterzogen. Diese Form wird im Münchener Kalender des Jahres 1922 von Otto Hupp beschrieben. Es wurde keine völlige Neuschöpfung wie das großherzogliche Wappen, sondern eine Neugruppierung der Inhalte des letzten Kurfürsten. Lediglich das rot-silbern geteilte Schildchen im Feld Schaumburg wurde weggelassen, ferner wurde das Feld Rieneck-Hanau-Münzenberg vereinfacht. Der Hauptschild wird von einer Königskrone bedeckt. Als Schildhalter dienen zwei goldene, rotgezungte und ebenso bewehrte, golden gekrönte Löwen. Das neu gruppierte Wappen ist zweimal gespalten und zweimal geteilt mit Herzschild:

Abb.: Zeichnung von Otto Hupp für den Münchener Kalender 1922.

Ein landgräflicher Sproß: die Fürsten von Hanau
Friedrich Wilhelm I. v. Hessen (20.8.1802-6.1.1875), der Kronprinz und spätere Kurfürst, hatte sich am 26.6.1831 in Rellinghausen äußerst unstandesgemäß vermählt, mit Gertrud Falkenstein (18.5.1803-9.7.1882), Tochter von Gottfried Falkenstein und Maria Magdalena Schulz, eine Bürgerliche aus Bonn. Und noch schlimmer in der damaligen Zeit, eine geschiedene Lehmann, denn sie hatte in erster Ehe am 29.5.1822 Karl Michael Lehmann (16.6.1787-1882) geheiratet. Die Scheidung erfolgte im Einvernehmen mit dem zukünftigen Ehemann, um nicht zu sagen auf dessen Betreiben. Und ihre Söhne aus erster Ehe, Otto und Eduard, brachte Gertrud auch noch mit. Heute eine sog. Patchwork-Familie, doch damals konnte das keinesfalls als standesgemäße Vermählung angesehen werden, und daß der künftige Landesherr eine Geschiedene zur Frau nahm, war einfach unmöglich, und so wurde es nur eine morganatische Ehe, wodurch die Nachkommen nach dem hessischen Hausgesetz von einer Regierungsnachfolge ausgeschlossen waren. Und die Umstände waren noch ein bißchen komplizierter, denn die katholische Gertrud galt nach der Heirat formal als in Bigamie lebend, erst nach ihrem Übertritt zum evangelischen Glauben konnte 1831 in Rellinghausen noch einmal "richtig" geheiratet werden.

Was tun mit dem unstandesgemäßen Anhang, insbesondere nachdem Friedrich Wilhelm am 30.9.1831 Mitregent geworden war? Durch die morganatische Ehe waren alle Ansprüche seines Anhangs auf die Regierung in Hessen ausgeschlossen (nicht aber die Ansprüche auf das Privatvermögen, was zur Ausplünderung Hessens zugunsten der Privatschatulle führte), aber nun "versorgte" man den Anhang mit Worthülsen und wertete ihn durch neue Titel auf: Friedrich Wilhelms Stiefsöhne Otto und Eduard Lehmann wurden 1835 Otto und Eduard von Hertingshausen, 1837 Otto und Eduard von Scholley und 1846 kurhessische Freiherren. Seine Frau Gertrud wurde am 10.10.1831 Gräfin von Schaumburg, gültig auch für ihrer beider Nachkommen. Ein am 1.5.1832 ausgestellter Wappenbrief schuf ein neues Wappen für seine Gemahlin. Und noch mehr wurde sein Anhang aufgewertet durch einen am 2.6.1853 zu Kassel ausgestellten Brief, der sie zu Fürstin von Hanau, Gräfin von Schaumburg erhob, ihrer beider Nachkommen entsprechend. Diese Standeserhebung wurde 1855 von Österreich als Fürstin bzw. Fürsten und Fürstinnen von Hanau und zu Horowitz anerkannt, und dieser erweiterte Titel wiederum wurde am 10.6.1862 in Kassel anerkannt, dabei wurde zur Bedingung gemacht, daß sich die Kinder ihrerseits standesgemäß verheiraten mußten, mindestens auf gräflicher Ebene. Das wurde wiederum von der Habsburgermonarchie am 20.1.1877 gegenanerkannt. Anerkennung erfuhr die Fürstin jedoch weder vom hessischen Adel noch von den Nachbarregierungen. Doch der kurfürstliche Hof wurde durch die erbarmungslosen Fakten der Politik aus diesen gesellschaftlichen Spielchen gerissen, denn Kurfürst Friedrich Wilhelm I. v. Hessen wurde von Preußen entthront und mußte mit seiner Frau 1867 ins Exil nach Böhmen (Prag und Horowitz) gehen. Vielleicht war diese Ehe nicht ganz unschuldig daran, denn Friedrich Wilhelm entfremdete sich dadurch vom Hof und seinen politischen Nachbarn, und das wurde außenpolitisch verhängnisvoll, obwohl er eigentlich durch seine Mutter gute Beziehungen zu Preußen hätte haben müssen.

Der Schild ist wie folgt aufgebaut:

Dazu gehören folgende 3 Helme:

Nach dem Fürstenstandsdiplom vom 2.6.1853 zu Kassel wird der oben beschriebene Schild mit Fürstenhut und fürstlichem Wappenmantel geführt. Schildhalter: Zwei goldene, widersehende, fürstlich gekrönte Löwen.

Volksstaat Hessen (1918/1919-1934)
In Blau ein goldenbewehrter, rotgezungter und neunmal silbern-rot geteilter Löwe. Schildhalter zwei hersehende, goldene, rotgezungte und ebenso bewehrte Löwen.

Abb.: Zeichnung von Otto Hupp für den Münchener Kalender 1927.

Bundesland Hessen ab 1948
Hessen kehrt am 4.8.1948 wieder zu dem ursprünglichen Löwen zurück. Der Löwe verliert Krone und Schwert. Das Wappen des Bundeslandes Hessen zeigt in Blau einen gold bewehrten neunmal silbern-rot geteilten Löwen mit einfachem Schweif. Auf dem Schild befindet sich eine Krone aus goldenem Laubwerk mit blauen Perlen dazwischen.

Bitte nicht verwechseln mit dem Thüringer Löwen
Das derzeit seit dem 10.1.1991 gültige Thüringer Landeswappen zeigt in Blau einen goldgekrönten und bewehrten, siebenmal von Rot und Silber geteilten Löwen, umgeben von acht silbernen Sternen. Auch wenn entwicklungsgeschichtlich der Löwe von Hessen und der von Thüringen auf den alten Ludolfinger Löwen zurückgeht, sind beide Löwen in moderner Form unterschiedlich: Vier wichtige Unterschiede gibt es:

Literatur:
Hugo Gerard Ströhl, Deutsche Wappenrolle, Reprint von 1897, Komet Verlag Köln, ISBN 3-89836-545-X
Olaf Vieweg, Die Entwicklung des hessischen Wappens bis zur französischen Revolution, Karfunkel 40, ISSN 0944-2677, Juni/Juli 2002, S. 61-62
Siebmacher's Wappenbücher, Souveräne 1.1.1. Hessen
Martin Röhling, Die Geschichte der Grafen von Nidda und der Grafen von Ziegenhain, Niddaer Geschichtsblätter Heft Nr. 9, 2005, hrsg. vom Niddaer Heimatmuseum e. V., ISBN 3-9803915-9-0
Hessische Familienkunde Heft Nr. 2/2005

Homepage über die Geschichte der Grafen von Ziegenhain und Nidda:
http://www.grafschaft-ziegenhain.de/ - insbesondere http://www.grafschaft-ziegenhain.de/frame_haupt.html
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Martin Röhling aus Nidda für wertvolle Hinweise und für Korrektur der Genealogie
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9, wobei angemerkt werden muß, daß die angegebenen frühen Genealogien in diesem Werk nicht präzise sind
Fürsten von Hanau:
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hanau_Schaumburg_Wappen.jpg
Fürsten von Hanau:
http://de.wikipedia.org/wiki/Gertrude_von_Hanau
Fürsten von Hanau:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hanau_%28Adelsgeschlecht%29#Wappen_der_F.C3.BCrsten_von_Hanau
Otto Hupp, Münchener Kalender 1922, Verlagsanstalt München/Regensburg 1922
Otto Hupp, Münchener Kalender 1902, Verlagsanstalt München/Regensburg 1902
Otto Hupp, Münchener Kalender 1907, Verlagsanstalt München/Regensburg 1907
Otto Hupp, Münchener Kalender 1927, Verlagsanstalt München/Regensburg 1927
Otto Hupp, Münchener Kalender, Jahrgang 1895, Verlagsanstalt, München und Regensburg, 1895
ein herzliches Dankschön an Herrn Konrad Max Scharinger für den Hinweis auf das Allianzwappen im Bayerischen Nationalmuseum in München
Darstellung des Ehewappens
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/W4A75SGRAE7LLEDRPGC6SFHNT45WXW2G - https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/bild_zoom/zoom.php?bestand=23082&id=2774625&gewaehlteSeite=03_0000218746_0001_3-218746-1.png
ein herzliches Dankeschön an Frau Prof. Dr. Barbara Dölemeyer für wertvolle Hinweise zu dem seltenen Wappen von Hessen-Homburg-Limpurg

Wappen in morganatischen Ehen
Das Feld für Münzenberg und seine Verbreitung in deutschen Adelswappen
Ein Erbstreit und die heraldischen Folgen: das Schicksal des Limpurger Territoriums

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