Bernhard Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1403
Nürnberg (Mittelfranken)

St. Martha in Nürnberg, Glasfenster (1)
Waldstromer-Fenster

Genau in der Längsachse der Stiftskirche St. Martha befindet sich das Waldstromer-Fenster aus dem ausgehenden 14. Jh. Es nimmt die zentrale Stelle im Chorhaupt ein. Nur in der untersten Reihe des dreispaltigen Fensters finden sich Wappen, ein großes Waldstromer-Wappen in der Mitte und zwei kleine Schilde für das Stifterehepaar zu beiden Seiten. Die oberen Reihen (ohne Abb.) zeigen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, Moses mit den Gesetzestafeln, Noah mit der Arche, Jakobs Traum, Abraham und Isaak, Johannes der Täufer, Taufe Christi und Christus am Kreuz. Seinen Namen hat das Waldstromer-Fenster nach der Nürnberger Patrizierfamilie Waldstromer (Waldstromer von Reichelsdorf), eine der ältesten Patrizierfamilien, deren Mitglieder 1729 (nachträgliche Kooptierung anläßlich einer Erweiterung) bis 1806 im Inneren Rat vertreten waren und im 13. Jh. das Reichslehen über den Lorenzer Reichswald innehatten und das Reichsforstmeisteramt dort ausübten. Zu den Stromer von Reichenbach besteht enge Verwandtschaft, vielleicht waren sie sogar eines Stammes, ursprünglich hießen die Waldstromer sogar ebenfalls Stromer, modifizierten ihren Namen aber gemäß ihrer Funktion zwecks besserer Unterscheidung. Ein wichtiger gesellschaftlicher Unterschied bestand aber: Die Stromer gehörten zum ratsfähigen Patriziat, sie gehörten nach dem Tanzstatut zu den zwanzig alten ratsfähigen Geschlechtern, die Waldstromer jedoch nicht, sie durften erst 1729 dazukommen. Die Reichsstadt Nürnberg kaufte 1372 und 1396 das Lehen im Reichsforst auf und setzte in der Folgezeit seinerseits Forstmeister ein. Der Name Waldstromer blieb aber der Familie. 1813 wurden die Waldstromer als Edle in den bayerischen Adel aufgenommen, 1844 starben sie aus.

In der dritten Reihe von unten sieht man die über die ganze Breite des Fensters gehende Szene der Einsetzung des Abendmahls, in der Mitte Christus, der über dem Kelch die Hostie hält, sechs Apostel zur seiner Linken, fünf zu seiner Rechten und Judas in der Mitte vor dem Tisch. Interessant ist ein kleines schwarzes Gebilde vor dem Mund des Judas, den Verrat symbolisierend.

In der zweiten Reihe von unten zeigen die Fensterabschnitte drei Szenen rings um die heilige Kommunion, links das Spenden derselben vor dem Hintergrund eines goldenen Schreines, rechts am Krankenbett mit einem goldenen Ölgefäß am Bildrand, in der Mitte hält ein Priester vor einem Altar mit typischem Altargerät die Hostie hoch. Interessant sind hier die Experimente perspektivischer Darstellung des Kreuzrippengewölbes in allen drei Feldern.

In der unteren Reihe sind rechts und links des Vollwappens die beiden Stifter dargestellt, resp. die Personen, in deren Andenken das Fenster gestiftet wurde: In der linken Scheibe kniet Conrad I. Waldstromer, gest. 1360, oberster Forstmeister im Lorenzer Wald, in der rechten Scheibe seine Ehefrau Agnes Pfinzing, gest. 1357, zu identifizieren an dem Wappen der Pfinzing, dem golden-schwarz geteilten Schild, der eigentlich das Wappen der Geuschmid ist, ererbt wurde und neben dem eigentlichen Pfinzing-Wappen geführt wurde. Das Waldstromer-Wappen liegt hier in der Form seines Stammwappens vor, in Rot zwei zweizinkige, silberne, schräggekreuzte (ins Andreaskreuz gestellte) Streugabeln, auf dem gekrönten Helm mit eigentlich rot-silbernen, hier rot-goldenen Decken ein grüner Baum zwischen zwei zweizinkigen, silbernen, schräggekreuzten Streugabeln. Im Siebmacher Band: BayA1 Seite: 59 Tafel: 60 werden noch vier andere Varianten der Helmzier zusätzlich beschrieben: a) ein mit dem Schildbild belegter offener oder geschlossener Flug, b) ein mit dem Wappenbild belegter hoher Hut ohne Stulp (ein Gupf), oben mit einem silbernen Reiherfederbusch besetzt, c) ein grüner Fichtenbaum mit goldenen Zapfen und d) ein grüner Baum zwischen einem offenen roten, jeweils mit zwei zweizinkigen silbernen schräggekreuzten Streugabeln belegten Flug. Beide Stifter verdienen diesen hervorgehobenen Platz in der Mitte, denn sie waren nicht nur Stifter dieses Fensters, sondern von der Kirche St. Martha überhaupt.

An dieser Stelle ein Ausblick auf die weitere Entwicklung des Waldstromer-Wappens: Am 2.6.1551 gewährt Kaiser Karl V. dem Erasmus Waldstromer eine Vermehrung seines Wappens um das der von Dornberg und um das der von Berg, beide Wappenbestandteile sind aufgrund bestehender Vermählungen angefallen. Das Wappen nach dem Diplom von 1551 ist geviert, Feld 1: von Rot, Silber und Blau zweimal schräglinks geteilt (Dornberg), Feld 2: in Gold ein wachsender Barfüßer-Mönch, mit langem spitzem grauem Bart und in einer grauen Kapuze und mit einem Strick umgürtet; in der rechten Hand hält er ein bloßes Schwert mit der Spitze über seine Schulter gegen den linken Oberwinkel; in der linken einen runden goldenen Schild mit zwei schräggekreuzten roten Gabeln; auf dem Haupte hat er eine Sturmhaube mit einem Knopfe oben an der Spitze (dieser Bestandteil kam wegen des von den Waldstromern gestifteten Nürnberger Barfüßer-Klosters ins Wappen), Feld 3: in Rot zwei zweizinkige, silberne, schräggekreuzte Streugabeln (Stammwappen), Feld 4: gespalten; rechts golden-schwarz sechsmal schräggeteilt; links in Rot zwei goldene, schreitende Löwen übereinander (von Berg). Dazu auf dem gekrönten Helm mit rechts blau-silbern-roten und links schwarz-golden-roten Decken der Mönch aus Feld 2 zwischen einem goldenen Flug mit abwechselnd goldenen, roten und blauen Schwungfedern, beide Flügel mit roten Scheiben belegt, die die schräggekreuzten goldenen Gabeln tragen. Bei Würfel, Adelsgeschichte I. 43, wird ein anderes vermehrtes Wappen beschrieben, geviert mit Herzschild, Feld 1: von Rot, Silber und Blau zweimal schräglinks geteilt (Dornberg), Feld 2 und 3: gespalten; rechts golden-schwarz sechsmal schräggeteilt; links in Rot zwei goldene, schreitende Löwen übereinander (von Berg), Feld 4: in Silber eine rot-blau-golden geschachte Harpyie, dazu drei gekrönte Helme, Herzschild: in Rot zwei zweizinkige, silberne, schräggekreuzte Streugabeln (Stammwappen). Dazu drei Helme: Helm 1 (rechts): ein Paar Büffelhörner, rot-silbern-blau schräggeteilt (Dornberg), Helm 2 (Mitte): zwei schräggekreuzte silberne Streugabeln (Stammhelm-Variante), Helm 3 (links): ein offener Flug mit dem Motiv der von Berg (2. und 3. Feld).

Literatur, Links und Quellen:
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus St. Martha mit freundlicher Erlaubnis vom Presbyterium der ev.-ref. Gemeinde St. Martha und von Herrn Pfarrer Georg Rieger vom 9.7.2010, wofür beiden an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
St. Martha, Nürnberg: http://www.stmartha.de
Geschichte von St. Martha:
http://www.stmartha.de/11661-0-281-81.html - http://www.stmartha.de/11289-0-281-81.html
Kirche St. Martha:
http://www.stmartha.de/11273-283-281-81.html
Epochen der Baukunst:
http://baukunst-nuernberg.de/epoche.php?epoche=Gotik&objekt=Marthakirche
Ursula Meyer-Eisfeld: Die Glasmalerei in der St. Martha-Kirche zu Nürnberg: Ein Führer durch die Inhalte, Edelmann, 2000, ISBN 978-3-87191-291-7.
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6

Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN 978-3-87191-333-4.
Barbara Schenck: Die evangelisch-reformierte Gemeinde St. Martha in Nürnberg, 2000
Nürnberger Patriziat im Historischen Lexikon Bayerns:
http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45240
Adalbert Scharr, Die Nürnberger Reichsforstmeisterfamilie Waldstromer bis 1400 und Beiträge zur älteren Genealogie der Familien Forstmeister und Stromer von Reichenbach, Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Bd. 52. 1963/64,
http://periodika.digitale-sammlungen.de/mvgn/Blatt_bsb00000968,00017.html ff.

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