Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1831
Schwäbisch Hall (Landkreis Schwäbisch Hall)

St. Urbanskirche, Portal

Im Schwäbisch Haller Stadtteil Unterlimpurg befindet sich mit der Kirche St. Urban (eigentlich eine Marienkirche des Namens "Kirche der Heiligen Jungfrau unter dem Berg", heutiger Name vermutlich eine Verballhornung von "ecclesia suburbana", Vorstadtkirche) eine der heraldisch interessantesten Gotteshäuser der Stadt mit vielen sehenswerten Epitaphien im Innern. Die vor 1230 erbaute Kirche war seit dem Jahr 1283 die Pfarrkirche der Schenken von Limpurg, die auf dem Berg über diesem Stadtteil ihre namengebende Burg hatten, von der aber nach ihrem Abriß 1573 nur noch unspektakuläre Reste übrig sind. Turm und Chor stammen aus der Übergangszeit von der Romanik zur Gotik. Um 1450 wurde die Kirche unter den Schenken von Limpurg verbreitert, um Platz für die Seitenaltäre und eine Grablege zu gewinnen. Über dem aus diesem Anlaß eingebauten neuen Portal der Westseite ist ein 1905 in das Tympanon eingefügtes Allianzwappen zu finden, inhaltlich passend zur spätgotischen Erweiterung des Kirchenschiffes. 1541 kam die Kirche an die Stadt Hall, weil Erasmus Schenk von Limpurg Burg, Dorf und Kirche an die Reichsstadt veräußert hatte und damit einen lange schwelenden Streit beendet hatte. Den Fachwerkaufsatz bekam der für die Bauzeit untypisch hohe Kirchturm erst 1698.

Das Allianzwappen im Bogenfeld über dem Kircheneingang hat zwei stark nach innen geneigte, im rechten Winkel aufeinandertreffende Schilde, die in der Mitte von einer menschlichen Figur dergestalt gehalten werden, daß jede Hand eine der obenliegenden äußeren Schildecken ergreift. Die beiden Wappenschilde passen zu Friedrich V. Schenk von Limpurg, dem 1474 verstorbenen Gründer des älteren Hauses Limpurg-Speckfeld-Sontheim, und seiner Frau Susanne Gräfin von Thierstein, Tochter von Pfalzgraf Bernhard von Thierstein, Herr zu Pfeffingen und Blumenberg, gest. 1437, der dreimal geheiratet hatte, erst Ita v. Toggenburg, dann Henriette v. Blâmont und schließlich Menta v. Räzüns. Und Susanna war die Enkelin des am 9.7.1386 bei Sempach gefallenen Walram (Walraf) von Thierstein. Susannas Brüder waren Friedrich und Walram (Walraf, -15.2.1427).

Das gewendete Wappen der Grafen von Tierstein (oder Thierstein) auf der heraldisch rechten Seite zeigt in Gold auf einem schwebenden grünen Dreiberg stehend eine rote Hindin (Hirschkuh). Das hier nicht dargestellte Oberwappen wäre zu rot-goldenen Decken ein wachsender, golden gekrönter Frauenrumpf in rotem Gewand, anstelle der Arme zwei goldene, je fünfendige Hirschstangen, an jeder Spitze mit einer roten, grünbespitzten und goldenbebutzten Rose besteckt (so nach dem Basler Wappenkalender 1918), bzw. zu silbern-roten Decken die Frau silbern gewandet und die Hirschstangen an jeder Spitze mit einer roten Kugel besteckt (so nach dem Scheiblerschen Wappenbuch Folio 54). Für die Linie Thierstein-Farnsburg wird in der Basler Chronik, 1580, als alternative Helmzier auch ein schwarzer, silbern aufgeschlagener Spitzhut mit "Schneeball" (silberner Kugel) gezeigt. Im Basler Wappenbuch bildet Roschet das Wappen mit beiden Kleinoden ab.

Die Familie war einst ein wichtiges, zum Hochadel gehörendes Geschlecht mit Lebensschwerpunkt in der Nordwestschweiz (Grafen im Frickgau), und sie gehörten im 14. Jh. zu den mächtigsten Dynasten in der Region, stammesverwandt mit den 1223 ausgestorbenen Grafen von Homberg. Die Thiersteiner hatten das Pfalzgrafenamt des Hochstiftes Basel inne. Den Grafen von Tierstein (Thierstein) gehörten etliche Burgen, sowohl die gleichnamige Burg als auch die Burg Homberg, die Burg Neu-Thierstein bei Büsserach im Kanton Solothurn, die Burg Pfeffingen, die Farnsburg bei Ormalingen, und als berühmteste Thiersteiner Burg die Hochkönigsburg im Elsaß bei Schlettstadt, die die Brüder Oswald von Thierstein (gest. 1488) und Wilhelm von Thierstein im Jahre 1479 als Lehen von Kaiser Friedrich III. bekamen. Da diese Burg 1462 als Raubnest zerstört worden war, waren es eigentlich nur Ruinen, die die Thiersteiner als Lehensgut bekamen, sie waren es, die die Burg wiederaufbauten und wehrtechnisch für Artillerie auslegten. Hier lebten die letzten Thiersteiner Grafen, denn das ganze Geschlecht starb mit Heinrich II 1519 aus, und die Hochkönigsburg fiel wieder an den Lehnsherrn, Kaiser Maximilian I. zurück, der dem hochverschuldeten Grafen schon 1517 die Burg abgekauft hatte, wohl unter Gewährung des Nutzungsrechts bis zum Ableben.

Das Wappen der Schenken von Limpurg auf der heraldisch linken Seite ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot vier aufsteigende silberne Spitzen, Feld 2 und 3: in Blau 5 (3:2) aufrechte silberne Heerkolben. Ein Oberwappen wird hier nicht dargestellt, das wären zu rot-silbernen oder auch blau-silbernen Decken (je nachdem, welcher Inhalt in Feld 1 ist) ein goldener Schenkenbecher (Doppelbecher) zwischen zwei rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Büffelhörnern, in den Mundlöchern jeweils mit einem rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Fähnchen an silberner Stange besteckt. Es sei darauf hingewiesen, daß hier in untypischer Weise das Wappen des Ehemannes auf der heraldisch linken Seite steht. Über die Gründe kann spekuliert werden, evtl. wegen der herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung der Familie seiner Frau. Jedenfalls ist diese Anordnung auch in den Innenräumen der Comburg am Gewölbebogen zu sehen.

Friedrich V. Schenk von Limpurg (20.3.1401-24.5.1474) war der Sohn von Friedrich III. Schenk v. Limpurg (-7.11.1414) und dessen Frau Elisabeth v. Hohenlohe-Uffenheim-Entsee (-1445). Er machte erst eine kirchliche Karriere, war, neben seinen Studien 1419-1420 in Heidelberg und 1422 in Bologna, 1414-1417 Domherr zu Worms, 1422-1437 Domherr zu Würzburg, 1422-1424 Domherr zu Bamberg und 1425 Domherr zu Augsburg. Dann trat er wieder ins weltliche Leben über und wurde 1441 Herr zu Speckfeld und Obersontheim und heiratete. Seine Söhne aus der Ehe mit Susanna sind Georg II. Schenk v. Limpurg-Speckfeld (1438-10.5.1475), Herr zu Speckfeld und Obersontheim, der Margarete v. Hohenberg-Wildberg (-22.6.1475) geheiratet hatte, jedoch ermordet wurde, und Wilhelm Schenk v. Limpurg (-10.3.1517), der eine geistliche Karriere machte, denn man findet ihn 1449 als Domherr zu Würzburg, 1468 als Domherr zu Straßburg, 1472-1476 als Domherr zu Mainz, 1472-1517 als Domherr zu Bamberg, 1473-1483 als Domdekan zu Würzburg, 1481 war er Domcantor zu Straßburg, 1482 wurde er Domscholasticus und 1505 Domcantor zu Bamberg.

Literatur, Links und Quellen:
Urbanskirche: http://www.schwaebischhall.de/erlebnisstadt/sehenswert/urbanskirche.html
Restaurierung der Urbanskirche:
http://www.hallertagblatt.de/downloads/Redaktion/Festschrift%20Urbanskirche.pdf
Schenken von Limpurg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schenk_von_Limpurg
Thierstein: Carl Roschet, Basler Wappenkalender 1918, mit genealogischen Anmerkungen von W. R. Staehelin
Thierstein: Dorothea A. Christ: Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Die Grafen von Thierstein, ihre Standesgenossen und die Eidgenossenschaft im Spätmittelalter (Habilitationsschrift Universität Basel). Chronos Verlag, Zürich 1998, ISBN 9783905312898
Thierstein: Scheiblersches Wappenbuch (Bayerische Staatsbibliothek Cod. icon. 312 c), Folio 54
Thierstein: Wappenbuch der Stadt Basel. Unter den Auspizien der historischen u. antiquarischen Gesellschaft in Basel herausgegeben von W. R. Staehelin, Zeichnungen Carl Roschet et al., 3 Teile in mehreren Folgen, Basel
Thierstein:
http://de.wikipedia.org/wiki/Thierstein_%28Adelsgeschlecht%29
Franziska Hälg-Steffen: von Thierstein, im Historischen Lexikon der Schweiz:
http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D19544.php
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Der Stadt Schwäbisch Hall und dem Stadtarchiv ein herzliches Dankeschön für mustergültige und vorbildliche Präsentation der Häuser und Wappen der Stadt im Internet.

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