Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2297
Markt Einersheim (Landkreis Kitzingen, Unterfranken)

Das Rathaus von Markt Einersheim

Im Zentrum von Markt Einersheim befindet sich neben der Pfarrkirche das historische Rathaus (Marktplatz 5). Es wurde 1567-1568 (beide Jahreszahlen befinden sich am Gebäude; der Wappenstein trägt die Jahreszahl 1568) als zweigeschossiger Walmdachbau mit rundbogiger Tordurchfahrt und Zierfachwerkobergeschoß errichtet, wobei letzteres 1740-1742 erneuert wurde. Das Obergeschoß hat zum Marktplatz hin vier Fensterpaare. Daß man durch die Tordurchfahrt zur ev. Pfarrkirche St. Matthäus gelangt, hat seinen Grund in der einstigen Anlage des Ensembles als Kirchenburg, die noch weitgehend erhaltenen ist und im Baubestand nachvollzogen werden kann, insbesondere mit beeindruckenden Mauerzügen an der steil abfallenden Westseite. Das an der Stelle des nördlichen Zugangs erbaute Rathaus diente gleichzeitig als Torhaus der Kirchenburg. Deshalb werden in diesem Kapitel auch die heraldischen Zeugnisse in der Pfarrkirche erwähnt. Zwischen dem Eingang und der Tordurchfahrt führt ein großes Bogenportal, das auch auf der Rückseite eine Entsprechung hat, in eine einst offene Erdgeschoßhalle. Weitere Renovierungen fanden 1907 und 2000 statt.

Das an der Vorderseite einem kleinen, ädikulaähnlichen Rahmen aufgelegte und von einer Fächerrosette anstelle eines Giebels überhöhte Wappen der eigentlich aus der Gegend von Schwäbisch Hall stammenden Reichsministerialenfamilie der Schenken von Limpurg ist geviert, Feld 1 und 4: in Blau 5 (3:2) aufrechte silberne Heerkolben, Feld 2 und 3: in Rot vier aufsteigende silberne Spitzen. Auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen oder auch rot-silbernen Decken, hier mit nicht ganz korrekt blau-rot-silbern gemischten Decken, ein goldener Schenkenbecher (Doppelbecher) zwischen zwei rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Büffelhörnern, in den Mundlöchern jeweils mit einem rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Fähnchen besteckt, wobei hier durch die ungewöhnliche, platzbedingte Abwärtsneigung aus der Teilung des Fahnentuchs eine Spaltung geworden ist.

Das Stammwappen der Schenken von Limpurg sind die Heerkolben. Die mit Spitzen geteilten Hörner sehen wir seit dem 14. Jh., die Spitzenteilung im Schilde taucht erst seit Anfang des 15. Jh. im Wappen auf. Der Schenkenbecher in der Helmzier ist das Zeichen ihres Erbamtes: Der König von Böhmen war im Reich der Erzmundschenk (Archipincerna, Erzschenkenamt = Reichserbschenkenamt), und dieser hatte den Herren von Limpurg das Schenkenamt als Erbamt seit 1356 zur Vertretung als Afterlehen weiterverliehen, welche stellvertretend die zeremoniellen Aufgaben bei der Kaiserkrönung zu übernehmen hatten. So ist das Wappen eine Kombination aus einem Familienwappen und einem Amtszeichen.

Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: WüA Seite: 13 Tafel: 5, ferner bei Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Tafel 70 Seite 214, 210. Otto Hupp zeichnet im Münchener Kalender 1907 die Decken rechts rot-silbern, links silbern-rot und außerdem die Hörner rot-silbern übereck im Spitzenschnitt geteilt, auch sind beim zweiten Fähnchen die Farben vertauscht. Ferner sind die Fähnchen nicht geteilt, sondern gespalten. Hupp und Wolfert positionieren die Spitzenteilung in die Positionen 1 und 4, hier ist es umgekehrt, entsprechend der Anordnung im Scheiblerschen Wappenbuch, welches übrigens auch die Hörner übereck teilt, aber silbern-rot.

 

Dieses Wappen zeugt von der knapp dreihundertjährigen Ortsherrschaft, die seit 1413 bzw. 1435 bei den Schenken von Limpurg lag und erst 1705 bzw. 1713 endete. Bis dahin war es ein komplizierter Weg: Für das 12. Jh. wird ein Ortsadel angenommen, der vielleicht schon eine erste Burganlage errichtete. Seit dem frühen 13. Jh. lag die Ortsherrschaft bei den edelfreien Herren von Speckfeld. Diese hatten ihren Stammsitz in Altenspeckfeld bei Altmannshausen. Ab 1226 waren sie im Besitz der Burg Speckfeld. Von diesen Herren gelangte etwa um 1300 die Herrschaft Speckfeld an die Herren von Hohenlohe. Ludwig von Hohenlohe, 1325 zu Iphofen, 1330 Herr zu Speckfeld, 1331-1340 Landfriedensrichter, 1346 kaiserlicher Landvogt in Franken zu Rothenburg, wurde von Kaiser Karl IV. u. a. mit Zoll und Geleit zu "Enersheim under Speckfeld" belehnt. Schlüsselfigur des neuerlichen Besitzübergangs war Ludwigs Sohn, Gottfried von Hohenlohe-Uffenheim-Entsee, der mit Anna Gräfin von Henneberg-Schleusingen (-27.7.1385) verheiratet war. Die Beiden hatten drei Kinder: Der Stammhalter, Johann von Hohenlohe-Speckfeld (-24.10.1412), 1402 zu Speckfeld, fiel auf dem Schlachtfeld auf dem Kremmener Damm ohne Nachkommen. Seine beiden Schwestern erbten je zur Hälfte die Herrschaft Speckfeld. Die erste Tochter, Anna von Hohenlohe-Uffenheim-Entsee, heiratete Leonhard I. Graf von Castell (-16.6.1426), die andere Tochter, Elisabeth von Hohenlohe-Uffenheim-Entsee (-1445), ehelichte Friedrich III. Schenk von Limpurg (-7.11.1414), Hauptmann des Landfriedens zu Franken, kaiserlicher Rat, pfälzischer Hofmeister, der durch diese Erbheirat 1413 auch Herr über die Hälfte von Speckfeld wurde.

Die nach Abfindung der Ansprüche Dritter vereinbarte Aufteilung der Herrschaft Speckfeld unter Johanns beiden Schwagern war komplex. Am 31.1.1413 vermittelten der Würzburger Bischof Johann II. von Brunn und sein Hofmeister Erkinger von Seinsheim einen Schiedsspruch zwischen den beiden Erben über die Teilung des Schlosses Speckfeld und die Verwaltung der Zölle und Lehen. Prinzipiell wurde zwar unter Festlegung des jeweiligen Eigentümers geteilt, doch etliche Güter und Rechte blieben unter gemeinsamer Verwaltung. Einfach war z. B. die Aufteilung der Mühlrechte in Einersheim: Die Casteller bekamen den unteren Teil des Dorfes mit der Dorfmühle, wohingegen die Schenken von Limpurg den oberen Teil des Dorfes mit der Eckelsheimer Mühle erhielten. Komplizierter war es bei der Burg Speckfeld: Die Casteller bekamen das Steinhaus mit dem Turm "Steigerwald" als Bamberger Lehen, aber die Schenken von Limpurg erhielten die aus Stein gebauten Kemenate als Würzburger Lehen; und wie bei Ganerbenburgen üblich, wurden die Gemeinschaftseinrichtungen wie Hof und Burgtor als gemeinsames Eigentum geführt.

Annas Sohn Wilhelm II. Graf von Castell (-1479), 1433 Statthalter im Bistum Würzburg, kurbrandenburgischer Rat, verkaufte 1435 die von seiner Mutter geerbte Hälfte der Herrschaft Speckfeld an die Schenken von Limpurg, die nun die ganze Herrschaft besaßen. Der 1435 und 1445 erfolgte Verkauf umfaßte neben den Castellschen Anteilen an Speckfeld und Einersheim auch noch Possenheim, Hellmitzheim, Oberlaimbach, Herrnsheim, Gollhofen, Sommerhausen, Winterhausen und Lindelbach. Allein der Speckfelder Wildbann war bei diesem Verkauf ausgenommen; die Grafen Castell besaßen ihn bis 1797, übten das Jagdrecht selbst aus oder vergaben es als Lehen. Der Sohn von Elisabeth und Friedrich III. war Friedrich IV. Schenk von Limpurg (20.3.1401-24.5.1474), welcher 1441 anläßlich einer Teilung innerhalb der Familie Herr zu Speckfeld und Obersontheim wurde und diese Schenkenlinie begründete. Nachdem 1441 Speckfeld von der Herrschaft Gaildorf abgetrennt worden war, teilte sich die Speckfelder Linie 1558 in die Linie zu Speckfeld und die zu Obersontheim, welche 1645 erlosch. Nur wenige Jahre später, 1651, wurde wiederum in die Linien Speckfeld und Obersontheim geteilt, daneben bestand natürlich weiterhin die Gaildorfer Linie.

Burg Speckfeld wurde zur Residenz der sich nach ihr benennenden Linie ausgebaut. In den Zeiten, als dieses Rathaus errichtet wurde, gab es das Schloß im Ort noch nicht, und die Ortsherren wohnten auf der Burg Speckfeld, die auf einem Bergkegel 2,5 km nordöstlich von Markt Einersheim liegt. Von der ausgedehnten Anlage, die nach einer Zerstörung im Bauernkrieg 1525, einem Brand 1558 und Beschädigungen im Dreißigjährigen Krieg jedesmal wiederaufgebaut wurde, 1525, 1580 und 1624, ist heute nur noch eine Ruine vorhanden, weil die in der zweiten Hälfte des 17. Jh. verlassene Burg ab 1700 als Steinbruch geplündert worden war. Zu sehen sind auf dem markanten Bergkegel lediglich Bodendenkmäler (Graben), Kellerreste, der Brunnen, eine 15 m hohe Mauer mit einem Torbogen und drei Fensteröffnungen sowie die Seitenwand eines Turmes.

Genealogie der Linie zu Speckfeld im 15., 16. und 17. Jh. bis zum Erlöschen unter Hervorhebung der jeweiligen Besitzer der Herrschaft Speckfeld:

Abb.: Blick auf die Rückseite (Südseite) des Rathauses

Noch eine Anmerkung zum Schenkenbecher im Wappen: Hier ist er nur in der Helmzier vertreten. Es gibt aber auch die Form mit einem zweiten Schenkenbecher, der zusätzlich dem Schild mittig aufgelegt wird: Ein solches, auf 1626 datiertes Wappen ist an der Decke der nahen Pfarrkirche von Markt Einersheim zu sehen (ohne Abb.) für die Brüder Wilhelm (10.6.1568-14.2.1633), Konrad (4.9.1570-10.10.1634), Heinrich (22.1.1573-13.5.1637) und Erasmus (11.8.1576-1653) Herren zu Limpurg aus der Obersontheimer Linie sowie für ihren Halbbruder Georg (23.5.1564-1.1.1628). Alle waren die Söhne von Erasmus I. Schenk von Limpurg-Obersontheim (14.1.1502-25.2.1553). Der einzige Bruder jedoch, der Speckfeld dann 1581 von seinem Cousin übernahm, war der nicht an der Kirchendecke genannte Friedrich VI. Schenk von Limpurg-Obersontheim (6.8.1536-29.1.1596). Auch an der Kirchendecke ist das Stammwappen mit den Heerkolben stets an der höherrangigen Position zu finden, im Gegensatz zu den Wappenformen nach der Übernahme durch die Grafen von Rechteren.

Literatur, Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Sehenswürdigkeiten in Markt Einersheim:
https://de.wikipedia.org/wiki/Markt_Einersheim#Kultur_und_Sehensw.C3.BCrdigkeiten
Sehenswertes in Markt Einersheim:
http://www.markt-einersheim.de/g_sehenswertes.html
Geschichte:
http://www.markt-einersheim.de/g_geschichte.html
Liste der Baudenkmäler:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Markt_Einersheim
Burg Speckfeld:
https://de.wikipedia.org/wiki/Burgruine_Speckfeld
Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern I: Franken, München, Berlin 1999, ISBN 3-422-03051-4
Ruine Speckfeld: Walter Schilling: Die Burgen, Schlösser und Herrensitze Unterfrankens, Echter Verlag, Würzburg 2012, ISBN 978-3-429-03516-7, S. 303-304.
Ruine Speckfeld: Friedrich-Wilhelm Krahe: Burgen des deutschen Mittelalters, Grundriß-Lexikon, Flechsig Verlag, Würzburg 2000, ISBN 3-88189-360-1, S. 571.
Schenk von Limpurg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schenken_von_Limpurg
Limpurg-Speckfeld:
http://wuerzburgwiki.de/wiki/Schenken_von_Limpurg-Speckfeld
Markt Einersheim auf den Seiten des Kulturpfades Castell:
http://www.kulturpfad-grafen-castell.de/html/markt_einersheim.html
zur Kirchenburg: Festschrift 150 Jahre Historische Burschenschaft Markt Einersheim, 2007, S. 77-80
http://www.burschenschaft-me.de/media/festschrift/festschrift.pdf
Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1

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